„Meine Fliege, wo ist denn meine verdammte Fliege?"
Kopfschüttelnd beobachtete Harry seinen besten Freund Ron, der bäuchlings unter das Bett robbte, in der Hoffnung dort den Rest seiner Garderobe zu finden.
„Wieso bist du überhaupt so aufgeregt? Schließlich heiratet deine Schwester und nicht du!"
Hermine war in der Tür aufgetaucht, zog lässig ihren Zauberstab hervor und brachte mit einem Ordnungszauber die Fliege und zwei Manschettenknöpfe zum Vorschein. Ron begutachtete argwöhnisch die zu Tage gekommenen Gegenstände, nicht ganz sicher was er davon halten sollte. Mit einem übertrieben genervten Gesichtsausdruck, aber sehr liebevoll half Hermine ihm die Fliege zu binden und die Knöpfe zu befestigen. Erst jetzt schien ihm ihre Anwesenheit überhaupt bewusst zu werden. „Ähm, entschuldige ich war nur, hm, schön, ja umwerfend siehst du aus – Harry, grins nicht so blöd!"
Hermine lächelte erst Ron und dann Harry an. So wie Ron sich anhörte, klang das Kompliment durchaus ehrlich gemeint. Harry hingegen brummte nur zustimmend, aber nicht sehr überzeugend. Leider konnte sie Harrys Reaktion verstehen. Es war nun mal eine Tatsache, dass ihr bonbonrosa nicht besonders gut stand.
In Wirklichkeit hatte sie Mr. Weasley innerlich dafür verflucht, dass er unbedingt eine Hochzeit im Muggelstil für seine Tochter ausrichten wollte. Unverständlicherweise hatte Ginny ihm freie Hand gelassen. Im Zuge seiner Recherchen war er auf den Brauch der Brautjungfern gestoßen und hatte sie und drei weitere Leidensgenossinnen dazu verdonnert, diese Scheußlichkeit zu tragen, die sich Kleid nannte.
Auf einmal krachte und polterte es laut von draußen. Nach einer kurzen Stille war lautes Stimmengewirr und Wiehern zu hören. Die drei stürzten sofort dem Tumult entgegen. Sprachlos blieben sie stehen.
Fred, George, Bill, Mrs. und Mr. Weasley standen im Kreis, die Zauberstäbe gezückt. In der Mitte rasten zwei schöne und verängstigte Lipizzaner. Immer wenn die Pferde versuchten aus dem Kreis auszubrechen schien sie gegen eine unsichtbare Mauer zu laufen – was nicht gerade half, die Tiere zu beruhigen. Während des ganzen Theaters schimpfte Mrs. Weasley mit ihren Mann: „Was fällt dir ein, nur wegen deinem Muggelwahn, zwei so gefährliche Kreaturen auf die Hochzeit meiner Tochter zu schleppen. Da hätten wir genauso gut zwei Drachen nehmen können. Wie sollen die zwei da die Hochzeitskutsche ziehen? Diese wilden Tiere! Ginny sollte wie alle anderen Zauberer auch in einer Hochzeitssänfte, die von zwei rosa Besen getragen wird, zum Hochzeitsberg fliegen..."
Nach kurzem Zögern übernahmen Hermine, die schon geritten war, zusammen mit Hagrid, der in der Zwischenzeit geholt worden war, die Initiative. Zusammen schafften sie es, die verängstigten Tiere zu beruhigen.
Hagrid verbrachte fast die gesamte Hochzeit bei den Pferden, aus Angst sie könnten sich noch einmal so aufregen.
Hermine ordnete schnell mit einem Zauber die Haare und das Kleid, bevor sie sich zu Ginny aufmachte um ihr in den letzten Minuten vor der Hochzeit Gesellschaft zu leisten. Die anderen, außer Hagrid, der Ginnys Kutsche führen wollte, apparierten schon einmal zum Hochzeitsberg.
Die Hochzeitsberge sind Berge, auf denen die Hochzeitszeremonien der Hexen und Zauberer durchgeführt werden. Von ihnen gibt es mehrere. Sie sind etwas kleiner als der Blocksberg. Deshalb ist es bisher auch gelungen, sie vor den Muggel geheim zu halten. Die Gäste sitzen dort auf Kissen, die ca. 1m über dem Boden schweben, während das Brautpaar über ihnen auf zwei Thronen sitzt, die während dem Hochzeitsritual immer näher zusammenrücken bis sie sich beim Jawort treffen. Diese Zeremonie ist sehr alt, etwas kitschig, und der Traum fast jeder jungen Hexe (wahrscheinlich hatte sich Ginny deshalb in dieser Sache bei ihrem Vater durchgesetzt und nicht in einer Kirche geheiratet). Leider bekommen die Gäste fast immer eine Genickstarre, die aber mit speziellen Zaubertricks aufgehoben werden kann.
Dort oben auf dem Gipfel hatten sich schon die meisten Gäste und der Bräutigam, Draco Malfoy, eingefunden. Draco trug einen schwarzen Frack, Zylinder, schwarze Schuhe und weise Handschuhe. Das war allerdings nicht ganz die Kleidung, die sein Schwiegervater in spe geplant hatte. Draco war entsetzt gewesen als Mr. Weasley versucht hatte, ihm einen Kilt aufzuschwatzen, ein Malfoy im Rock! Zum Glück hatte er mit Harrys Hilfe Ginnys Vater davon überzeugen können, dass nur Schotten diese Tracht trugen und sie für ihn als Engländer nicht in Frage kam.
Die Trauzeugen, zu den Harry und Ron gehörten, sollten sich gleich zu Beginn beim Bräutigam treffen. Sie trugen alle schwarze Anzüge und weiße Hemden mit Fliege. Leider war keinem klar, was von ihnen verlangt werden würde oder ob sie genauso wie die Brautjungfern quasi zur Requisite gehörten. In der Zaubererwelt war eben keine dieser Rollen vorgesehen.
„Hallo Draco! Oh Merlin, dir wird doch nicht gleich schlecht vor Aufregung?", fragte Harry liebenswürdig. Draco ließ nur ein leises Knurren hören, während er, kreidebleich und aufgeregt, von einem Fuß auf den anderen stieg. Crabbe und Goyle, die ebenfalls Trauzeugen waren, warfen Harry einen warnenden Blick zu. Sie konnten die alten Feindseligkeiten nicht vergessen und misstrauten den ehemaligen Gryffindors noch immer.
„Schon gut, ihr zwei. Wisst ihr eigentlich was wir hier machen sollen?", fragte Harry beschwichtigend.
Crabbe, der Draco versprochen hatte keinen Streit anzufangen, sah fragend in die Runde. „Ich dachte du wüsstest es! Schließlich bist du bei den Muggel aufgewachsen, wir stammen doch alle von Zauberern ab."
„Schon, aber die Dursleys haben mich nie auf eine Hochzeit mitgenommen und das, was ich im Fernsehen gesehen habe, war ganz anders als das hier", erwiderte Harry. Goyle stöhnte nur. „Aber hinsetzten müssen wir uns doch hoffentlich nicht?"
Ihm schien nicht ganz wohl zu sein. Das war darauf zurückzuführen, dass er extra vor der Hochzeit ein Fitnesstraining absolviert hatte (sein spezielles Training besteht nur zu einem Prozent aus Sport, und zu 99 Prozent aus tollen Mittelchen, die viel wirksamer als Anabolika sind). Leider hatte er sich erst nach dem Kauf des Anzuges für die zusätzlichen Muskeln entschieden, jetzt kniffen Hose und Jackett ungemein und drohten jeden Moment zu platzen.
Ron, der sich begeistert umgesehen hatte, wies aufgeregt auf die Gäste. „Wow, ich wusste gar nicht, dass ihr in der Muggelwelt so was anhabt. Harry, wieso hast du mir nicht davon erzählt?"
Harry, Draco, Crabbe und Goyle begutachteten zweifelnd die Gäste und das was diese unter Muggelkleidung verstanden. Da vermischten sich Farben und Stiele. Professor McGonagall beispielsweise, trug ein kariertes Kleid mit Spitzenkragen, das einer alten Jungfer aller Ehre gemacht hätte. Professor Snape, der mit frischgebackener Gattin anwesend war, trug bayrische Lederhosen. Seine Frau ein rotes Dirndl mit weißer Schürze.
Snapes Frau war eine Hexe aus Deutschland und er war in seiner Verliebtheit zu sehr vielen Opfern bereit. Allerdings hatte er trotzdem gezaubert, denn seine gesamte Tracht war nicht braun wie im Original, sondern schwarz von den Kniestrümpfen aufwärts bis zum Gamsbart.
Mr. Weasley trug seinen Kilt und seine Frau ein blaues Kleid, das erschreckend einem etwas schönerem Nachthemd aus Großmutters Zeiten ähnelte.
Aber ein echtes Erscheinungsbild gaben Mr. und Mrs. Malfoy ab, die sich bis zuletzt gegen eine Muggelhochzeit gewehrt hatten. Dracos Vater war wie ein englischer Lord gekleidet und viel damit nicht weiter auf. Das einzige Problem war, dass er nach einem Zug an seiner neu erstandenen Pfeife, einen halben Erstickungsanfall bekam. Seine Frau steckte in einem türkisfarbenen knielangem Cocktailkleid, das hauptsächlich aus Tüll, Bergen von Tüll, zu bestehen schien. Natürlich war sie noch mit passenden Schühchen und Täschchen ausgestattet. Malfoy Seniors waren über die Hochzeitspläne ihres Sohnes selbstverständlich entsetzt gewesen, hatten sich dann aber damit abgefunden. Nicht zuletzt, weil die Weasley Familie sozusagen Karriere gemacht hatte. Ginny war gerade zur Richterin ernannt worden, Ron hatte es zu einem gefragten Quidditch Nationalspieler geschafft und das wichtigste: Percy war mittlerweile Zaubereiminister. Dies verkörperte Percy nun auch glaubhaft in einem rosa John Travolta Anzug.
Draco nahm auf seinem Thron Platz. Die Trauzeugen beschlossen nach kurzer Überlegung sich unter ihm auf die Kissen zu setzen. Das Knirschen, das von Goyles Anzug zu kommen schien, wurde dezent überhört. Als endlich alle Platz genommen hatten, kam die Hochzeitskutsche mit den mittlerweile nicht mehr wilden Lipizzanern. Zuerst stiegen die Brautjungfern aus und stolzierten elegant in Richtung Thron, dann kam die strahlende Ginny. Sie schritt in einem schlichten weißen mit Perlen besetztem Brautkleid, die roten Haare hochgesteckt und einem feinem Schleier vor dem Gesicht, zu den Brautjungfern. Dort bestieg sie einen Besen, schwebte elegant empor und lies sich in ihren Thron plumpsen.
Professor Dumbledore führte die Trauung durch und zu Ginnys Entzücken wurde sogar der Teil mit den Ringen in die Zeremonie mit eingebaut. Es war alles in allem sehr stimmungsvoll.
Die Gäste starrten wie gebannt zu dem frisch gebackenen Brautpaar hinauf. Doch der Grund dieser ungewohnt uneingeschränkten Aufmerksamkeit lies sich auf die doch eintretende gefürchtete Genicksperre zurückführe, die alle Anwesenden, abgesehen von dem Brautpaar, Dumbledore und den Zwillingen Fred und George, befallen hatte.
Zum Glück erbarmte sich Dumbledore am Ende seiner Rede und befreite alle Gäste (für sie war es nämlich schwierig, sich selbst mit starrem Hals und zugeschnürter Kehle zu helfen). In dieser Situation fiel es auch nicht auf, dass George und Fred, die am Rand saßen, für ca. 10 Minuten abwesend waren.
