Kapitel 4- Erotisches Nasenbluten
James ließ sich ohne murren von Lily zum Krankenflügel führen. Das war mal eine schöne Abwechslung.
„Sie sind ja schon wieder hier!", sagte Madame Pomfrey streng. „Warum müssen Sie es immer mit stärkeren aufnehmen?"
„Ich habe mich doch gar nicht geschlagen!", protestierte James.
„Ich verstehe ja, dass Sie so etwas nicht in Gegenwart eines Mädchens zugeben möchten, aber diesmal sieht es wirklich schlimm aus, Mr. Potter!", nickte die Krankenschwester wissend.
„Ich habe mich aber wirklich nicht geprügelt!"
„Mh, diesmal war es wohl jemand aus den unteren Klassen, der Sie so zugerichtet hat, oder!", fragte Poppy mitleidig.
„NEIN!", bestritt James vehement.
„Ich war es, Madame Pomfrey.", sagte Lily kleinlaut. „Ich hab ihn die Treppe hinunter gestoßen."
„Miss Evans! Sie!"
„Es war ein Versehen.", sie setzte einen Hundeblick auf.
„Ja, das glaube ich Ihnen. Sie würden niemals einem anderen Schüler etwas antun.", nickte die Krankenschwester und verschwand um ihren Zauberstab zu holen.
„Da wäre ich mir nicht so sicher.", zischte James.
„Es war ein Versehen! Und es tut mir leid!"
„Da wäre ich mir auch nicht so sicher!"
„Hey, immerhin habe ich dich zum Krankenflügel gebracht!"
„Das ist ja wohl das mindeste!"
„Das wenigste ist gerade gut genug für dich!"
„Du bist heute wieder ein richtiger Sonnenschein, Evans.", fauchte Prongs so gut es ging. „Eine Banshee ist gegen dich eine viel umschwärmte Gesellschaftsdame auf dem Weihnachtsball."
„Treib es nur nicht zu weit!", drohte Lily.
„Ich bin schon verletzt, viel mehr kann nicht passieren!"
„Sicher? Ich könnte dir ohne Probleme noch mal die Nase brechen."
„Das wagst du dir nicht!"
„Dann bring mich nicht in Versuchung!"
„Ich bringe dich in Versuchung?", grinste James mit weiterhin blutender Nase. „Du bebst schon vor Verlangen! Gib es zu."
„Klar, es gibt nichts erotischeres, als jemandem beim Nasenbluten zuzusehen.", unterbrach sie ihn.
„Gerade jetzt in diesem Moment möchtest du dich am liebsten auf mich stürzen."
„Ja, um dir eine Rechte Gerade zu verpassen.", antwortete Lily kühl.
„Ha! Nie im Leben! Schließlich bist du nur ein Mädchen!", nuschelte James in sein Taschentuch.
Lily sah ihn wutentbrannt an. „Nur ein Mädchen, ja?"
„Ja!", antwortete er.
„Na SCHÖN!", und sie kniff ihn in seine gebrochene Nase.
Genau in diesem Moment kam Madame Pomfrey zurück in den Krankenflügel. „Miss EVANS! Was machen Sie da?"
Lily hielt inne, doch noch immer kniff sie in James' Nase. „Gar nichts.", antwortete sie unschuldig und drückte noch einmal kräftig zu.
„Das sehe ich! Nehmen Sie ihre Hände von meinem Patienten! Ich sorge dafür, dass Sie nachsitzen werden!"
„Aber er hat mich provoziert!", protestierte Lily. „Er meinte ich sei NUR ein Mädchen, das nichts könnte!", log sie, ohne rot zu werden.
„Mr. Potter, Sie werden gleich mit nachsitzen!", fauchte die Krankenschwester außer sich. „Sie werden schon noch sehen, zu was Mädchen alles fähig sind!"
„Immer diese Frauenaktivistinnen.", grummelte James unter anhaltenden Schmerzen, doch noch immer hörbar für Lily.
„Hey!", sagte sie und versetzte ihm einen Klaps.
„DAS REICHT JETZT!", rief Madame Pomfrey sie zur Ruhe. „Miss Evans, gehen Sie jetzt."
„Ja, Madame Pomfrey.", antwortete Lily in gespielter Demut und verließ den Krankenflügel, nicht ohne James noch einen feurigen Blick zuzuwerfen, der nichts Gutes vermuten ließ.
Aufgeblasener widerwärtiger Trollmistfahrer, grummelte Lily, als sie aus dem Krankenflügel ging.
Sie musste ihre Wut irgendwie loswerden und sie wusste einen Ort, wo sie niemand schreien hören würde. Sie achtete darauf, dass sie kein Schüler sah und sie verschwand hinter dem Wandbehang. Als sie die Tür hinter sich schloss brach der Sturm los.
„Was bildet sich dieser Schnösel eigentlich ein? Dieser Angeber! Mädchen können nichts. Wenn er nicht aufpasst verpasse ich ihm eine, so wie es Dad mir gezeigt hat!", rief sie in die Dunkelheit.
„Wenn Potter noch ein Wort gegen mich sagt, oder ich ihn auch nur im Entferntesten bei einem Regelbruch erwische, dann, ich schwöre es bei Dumbledores langem Bart, lasse ich ihn auffliegen! Ich habe schon so viele Sachen für mich behalten!", und so zeterte und wetterte sie weiter, bis sie nicht mehr laut reden konnte.
„Verdammt!", piepste sie. „Meine Stimme!"
Sie räusperte sich mehrmals, doch es blieb bei einem heißeren Gekrächze. Einfach toll, ärgerte sie sich und machte sich auf den Weg zurück zum Gryffindor Turm.
Als sie in den Gang trat hörte sie Schritte und sie stoppte. Dann lauschte sie angestrengt, doch keine weiteren Geräusche drangen an ihr Ohr. Wieder machte Lily ein paar Schritte, wieder erklang etwas vor ihr. Wieder stoppte sie. „Hallo?", wisperte Lily nun.
„Hallo?", klang es zurück. Es war dieselbe Stimme, die sie schon einmal hier gehört hatte.
„Du auch hier?", erklang die freundliche Stimme des Unbekannten.
„Ja.", bemühte sie sich in ihrer normalen sanften Stimme zu antworten und es gelang ihr.
„Versteckst du dich wieder?"
„Nein, ich wollte allein sein.", sagte sie ruhig.
„Stress gehabt?", erkundigte sich der Unbekannte.
„Ja, so könnte man es nennen."
„Willst du es mir erzählen?", bot er an.
Lily lachte kurz auf. „Möchtest du es denn wissen.", fragte sie in einer Stimme, die ihrem Unbekannten eine angenehme Gänsehaut verschaffte.
„Vielleicht kann ich dir einen Tipp geben. Ich habe ab und zu ganz gute Einfälle."
„OK. Also, da gibt es IHN. Er benimmt sich furchtbar. Er denkt er kann alles, weiß alles und tut alles, und er treibt mich noch in den Wahnsinn. Es ist nur ein Blick, eine Geste und ich könnte explodieren.", erzählte Lily leise.
„Hört sich für mich ganz klar nach einem Idioten an. Vielleicht will er dich nur beeindrucken.", riet der Unbekannte. „Lass ihn doch einfach links liegen. Entweder er merkt es, oder du sagst es mir und ich rede mit ihm."
Lily lachte. „Danke, das ist sehr nett von dir. Was machst du eigentlich hier?"
„Ich hatte auch Stress."
„Oh, möchtest du auch darüber reden?"
Der Unbekannte lachte. „Möchtest du es denn wirklich wissen?", fragte er nun und Lily bekam ein angenehmes Bauchkribbeln bei seiner Stimme.
„Vielleicht kann ich dir einen Tipp geben. Ich habe ab und zu ganz gute Einfälle.", antwortete Lily und grinste.
„OK. Da gibt es SIE. Sie lässt mich nie zu Wort kommen. Sie sieht mich an, als hätte ich eine ansteckende Krankheit und sie brüllt mich in einer Tonlage an... alter Schwede.", erzählte er leise.
„Hört sich für mich ganz klar nach einer Zicke an. Das ist alles nur Fassade. Glaub mir. In Wahrheit ist sie ganz anders und sie will nur nicht, dass du ihr zu nahe kommst.", riet Lily ihrem Unbekannten.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine normale Stimme hat.", sinnierte er. „So wie du. Deine Stimme ist wunderschön."
„Oh, danke.", Lily spürte wie ihr eine leichte Röte in die Wangen kroch. „Eigentlich bin ich gerade erkältet.", log sie. Schließlich brauchte selbst der Unbekannte nicht wissen, dass sie sich heiser geschrieen hatte.
„Dann möchte ich dich nicht hören, wenn du gesund bist.", sagte er in einem tiefen Bass, der Lily einen wohligen Schauer über den Rücken jagte.
„Danke.", sagte sie erneut und trat einen Schritt nach vorne. Der Unbekannte tat es in dem selben Augenblick. Es war wie Zauberei. Nun standen sie sich ganz nah. Lily spürte das er etwas größer sein musste. Das hatte sie einfach im Gefühl.
„Du bist sehr nett.", sagte sie nach einer Pause.
„Danke. Ich könnte mich nicht erinnern mich je mit einem Mädchen so unterhalten zuhaben."
Lily lächelte. „Schicksal.", sagte sie kurz.
„Ja, scheint so.", antwortete er.
Von fern hörten sie die Glocke. „Ich muss zum Unterricht.", sagten beide wie aus einem Mund und lachten.
„Kommst du bald wieder her?", fragte der Unbekannte.
„Ja, ich denke schon."
„Mh, also dann.", sagte er etwas bedrückt. „Bis demnächst."
Lily konnte es sich nicht genau erklären, aber sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Zumindest glaubte sie, dass dort seine Wange sein musste. Doch wie es das Schicksal wollte trafen ihre Lippen seine. Es war ein flüchtiger Kuss. „Bis dann.", sagte sie und verschwand.
