Kapitel 5
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„...Mögen die Feierlichkeiten beginnen!"
Seit dem Nachmittag befand sich die gesamte Stadt in einem Ausnahmezustand, der nun eine ganze Woche andauern sollte. Von den Wirten, die in diesen Tagen das Geschäft ihres Lebens machten, einmal abgesehen, ließ jeder die Arbeit ruhen um statt dessen zu feiern. Es war das schönste und größte Fest das Gadara seit dem Ende des Ringkriegs gesehen hatte. Überall wimmelte es nur so von Menschen, verschiedenen Sprachen und den unterschiedlichsten Gerüchen. An jeder Straßenecke spielten Kapellen, sodass man in der gesamten Stadt tanzen und trinken konnte. Es war ein berauschendes Fest- und es war erst der Anfang.
Auch Ravena lachte und tanzte ausgelassen mit ihren Freunden. Das Problem mit Tarek versuchte sie zu verdrängen- zumindest für den Augenblick. Für gewöhnlich erhielt sie ihre besten Ideen durch eine plötzliche Eingebung und nicht durch stundenlanges grübeln. Also beschloss sie zu warten. Etwas sagte ihr dass sie kurz davor stand das Problem zu lösen.
„Hey Ravena", Siägä gesellte sich mit zwei Bechern Bier zu ihr, von denen er einen seiner Freundin reichte, „wieso sitzt du denn hier so alleine herum? Ceylan würde sonst was geben um einmal mit dir tanzen zu können. Schau wie er immer zu dir her guckt."
„Dann wird Ceylan wohl noch etwas warten müssen", erwiderte sie lachend, fest entschlossen den Kupplungsversuch zu ignorieren, „wenn ich jetzt nicht eine Pause einlege habe ich schon morgen beide Füße voller Blasen- und sie müssen doch noch sieben Tage durchhalten." Weswegen schienen nur alle ihre Freunde zu glauben, dass sie einen Mann bräuchte? Ravena war erst neunzehn und hegte noch keine Heiratsabsichten- dazu liebte sie ihre Unabhängigkeit viel zu sehr.
„Außerdem", dachte sie mit einem Blick auf Ceylan, „Was soll ich mit einem Mann, dem nach ein paar Monaten seine Kühe wahrscheinlich wichtiger sein werden als ich?" Nein, das war nicht gerecht. Ceylan war bestimmt ein guter Mann, aber eben nicht der Richtige für sie. „Eine Frau muss eben ihre Ansprüche stellen!" Ob ein gewisser Elbenprinz wohl zuviel des guten wäre? Wahrscheinlich. Allein der Titel dürfte schon eine Menge Schwierigkeiten heraufbeschwören, denn immerhin war sie nicht viel mehr als eine gewöhnlich Dienstmagd.
‚Die es zusätzlich auch noch geschafft hat innerhalb von einem Tag drei mal negativ aufzufallen.', beendete sie den Gedanken, innerlich laut aufseufzend.
Obwohl er ihr wegen ‚der Sache mit den Äpfeln' keinen Vorwurf gemacht hatte und in ihrer Gegenwart auch nie von seinem Titel gebrauch machte, war sich Ravena sicher, dass sie schon längst aus seinem Gedächtnis gestrichen war- also beschloss sie genau dasselbe zu tun. Es müsste schon ein sehr großer Zufall sein, wenn sie sich wieder über den Weg laufen sollten. Statt dessen wendete sie ihre Aufmerksamkeit wieder Siägä zu:
„Und was sagt deine Esmee dazu, dass du deine Zeit hier mit mir verschwendest anstatt mit ihr zu tanzen?
In diesem Moment wurden sie durch ein Trompetensignal unterbrochen. Als Ravena sich nach dem Bläser des Instruments umschaute, konnte sie auf der nächsten Bühne einen königlichen Boten ausmachen, der sich anschickte etwas zu verkünden. Jeder, der sich in Hörweite befand lauschte gespannt auf das, was er zu sagen hatte.
„An alle Bürger Gadaras. Hiermit lässt König Elessar verkünden, dass er in zwei Tagen einen Wettebewerb im Bogenschießen angesetzt hat. Jeder Bürger, egal welchen Standes oder Herkunft, ist eingeladen daran teilzunehmen und sein Können unter beweiß zustellen. Als Preis winkt eine Belohnung von 100 Silberlingen."
Das Volk bejubelte seinen König für diese Idee, denn solche Wettbewerbe versprachen immer jede Menge Spaß und viel Abwechslung.
„Nein Ravena! Denk noch nicht einmal im Entferntesten daran!"
„Denk noch nicht mal im Entferntesten an was?", fragte Ravena unschuldig.
„Oh du weißt ganz genau was ich meine. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck den du gerade hast, und glaube mir, der verheißt nichts Gutes."
„Ach ja?"
„Ja", fuhr Siägä fort, „das ist ein Wettbewerb für Männer, weißt du?" Empört wollte Ravena etwas darauf erwidern, doch Siägä schnitt ihr das Wort ab.
„Ich weiß dass du gut bist, sogar besser als ich und wahrscheinlich sogar besser als so manch einer der in zwei Tagen daran teilnehmen wird, aber es ist nun mal eine Tatsache dass du eine Frau bist und dir somit niemand erlauben wird daran teilzunehmen. Sie werden dich allerhöchstens auslachen. Also vergiss es- oder willst du dich als Mann verkleiden?"
„Ist ja schon gut. Wahrscheinlich hast du recht.", gab Ravena kleinlaut zu.
„Glaub mir, ich habe sogar ganz sicher recht." Innerlich allerdings lachte Ravena in sich hinein. Sie hatte ein Idee...
*~*~*
Ravena befand sich auf dem Heimweg. Es war zwar erst früher Abend, doch sie musste über einiges nachdenken. Also hatte sie sich mit einem Vorwand kurzerhand von ihren Freunden verabschiedet und sich zu Fuß auf den Rückweg gemacht. Welch ein Glück, dass das Gasthaus, in dem sie angestellt war, außerhalb der Stadt lag. Dass hatte während dem Fest nämlich den Vorteil, dass sich die meisten Gäste schon am frühen Morgen in die Stadt aufmachten um erst spät nachts wieder zurückzukehren, sodass Ravena beinahe den gesamten Tag nicht allzu viel zu tun hatte. Eine nette Abwechslung zu den anstrengenden Tagen im Vorfeld des Festes- und ein Vorteil für die Durchführung ihres Planes.
Sie war aufgeregt. 100 Silberlinge. Das bedeutete genug Geld um Tarek von einem anständigen Arzt untersuchen und auch behandeln zu lassen. Doch war sie gut genug um dieses Bogenschießen zu gewinnen? Sicher, sie war gut, aber sie hatte schon länger keinen Bogen mehr in der Hand gehabt und nur zwei Tage Zeit um sich wieder mit ihm anzufreunden. Doch andererseits hatte sie schon immer ein gewisses Talent für diese Waffe bewiesen. Ravena dachte an die Zeit vor dem Ringkrieg- an dunklere Zeiten.
Sie war noch sehr jung gewesen als die ersten Orkbanden begannen ihre ithilische Heimat unsicher zu machen. Als ihre Brüder sich dann Faramirs Streitkräften angeschlossen hatten, um gegen den Feind zu kämpfen waren keine Männer mehr im Haus gewesen, die ihr Gut hätten verteidigen können. So brachte man Ravena den Umgang mit den Waffen bei. Glücklicherweise, wie sich in der ein oder anderen Situation schon herausstellt hatte- um so eine Situation schien es sich auch jetzt zu handeln. Sie sprach sich selbst Mut zu. Gadara war, im Gegensatz zu Minas Tirith, nicht gerade berühmt für seine Bogenschützen.
„...und wenn nicht gerade ein Elb an dem Wettbewerb teilnehmen sollte, dürfte es mir keine Probleme bereiten den Sieg zu erringen."
*~*~*
Ihr Heimweg führte sie am Idra vorbei, einem kleinen Nebenfluss des großen Gonerilflusses. Als sie eine Stelle erreichte, an der die Strömung sehr langsam war und der Fluss beinahe still stand blickte Ravena sich um. Sie befand sich in einem kleinen Waldstück, gut geschützt vor den Blicken fremder Leute. Der Tag war sehr heiß gewesen und das viele Tanzen hatte sein übriges getan: Sie fühlte sich verschwitzt und schmutzig. Ein kleines Bad konnte nicht schaden. Niemand würde sie hier entdecken.
Schnell hatte sie ihr Kleid mitsamt ihrer Unterwäsche ausgezogen und ihren Zopf gelöst. Ihre Kleidung legte sie achtlos auf einen Stein in der Nähe des Ufers. Vollkommen nackt stieg sie in das Wasser und schwamm lachend bis zu einem Felsen in der Mitte des Flusslaufes. Wie erfrischend das kalte Nass nach solch einem warmen Tag doch war.
Gerade als sie zurückschwimmen wollte erblickte sie ihn. Erschreckt registrierte sie, dass er gerade mutterselenruhig dabei war ihre Kleidung einzusammeln.
„Siägä du verdammter Bastard. Leg auf der Stelle wieder die Sachen zurück oder..."
„oder was?", fragte er neckend, „kommst du dann und verprügelst mich?" Eine Lachsalve folgte. Schnell hatte er sich umgedreht und war verschwunden- mit ihrer Kleidung.
„Wenn du mir das nächste mal über den Weg läufst werde ich für nichts mehr garantieren können, du Nichtsnutz.", schrie sie ihm noch nach, wohlwissend wie leer ihre Drohungen klangen mussten. Denn im Moment saß sie nackt in einem Fluss und hatte nichts zum anziehen. Wie um Himmels Willen sollte sie bloß nach Hause kommen?
„Tolle Freunde hast du dir das ausgesucht, Ravena" sagte sie zu sich selbst, kam dabei aber nicht umher sich einzugestehen, dass sie wahrscheinlich genau dasselbe getan hätte wenn sie Siägä in solch einer Situation erwischt hätte. Im Moment konnte sie auf alle Fälle nichts weiter tun als darauf zu hoffen, dass sich ihr sogenannter Freund als gnädig erweisen würde und ihr ihre Kleider wieder zurückbringen würde- doch er kam nicht. Was sollte sie tun? Sich ein Kleid aus Ästen und Blättern basteln? Sie konnte doch nicht nackt nach Hause laufen.
Also wartete sie. Plötzlich hörte sie wie sich ein Pferd näherte. Siägä war also doch zurück gekommen. Anscheinend hatte er sie nur etwas länger schmoren lassen wollen- höchstwahrscheinlich um ihr die Idee mit dem Wettbewerb auszutreiben. Doch plötzlich vernahm sie etwas, was sie stutzig werden lies.
„Legolas, dass ist jetzt nicht dein ernst. Du kannst doch im Schloss ein Bad nehmen, und dazu ein heißes."
NEIN, NEIN, NEIN. DAS war jetzt nicht wahr. Das konnte einfach nicht wahr sein- nicht schon wieder. Schnell verschwand sie hinter dem Felsen und machte sich so klein wie möglich.
„An so einem Tag steht mir der Sinn aber eher nach einer Abkühlung Gimli." Es war nicht nur ein heißer, sondern auch ein stressiger Tag für die Gefährten gewesen. Nachdem man ihre Anwesenheit in der Stadt bemerkt hatte, hatten sie kaum eine ruhige Minute mehr gehabt. Ständig wurden sie von Menschen belagert, die sie über ihre Erlebnisse ausfragten. Also hatten Gimli und Legolas in einem unbeobachteten Moment beschlossen, sich für einige Stunden abzusetzen. Sie waren bereits auf dem Rückweg zum Schloss gewesen, als Legolas sich an eine beinahe strömungsfreie Flussstelle erinnerte, die sich ideal zum baden eignete. Eine Erfrischung würde ihm gut tun. Gimli allerdings, mal wieder ganz der Zwerg, schimpfte auf die ausgefallenen Ideen des verrückten Elben und beschloss an der Straße auf ihn zu warten.
Während Legolas sich also beeilte aus seiner Kleidung zu kommen wünschte Ravena sich ein Loch herbei in dem sie würde versinken können. Sie hoffte inständig dass der Prinz sie nicht entdeckte. Ob er wohl noch etwas an hatte? So gerne sie es auch tun würde, wagte sie nicht auch nur einen Blick zu riskieren und damit ihre Deckung zu gefährden. Immerhin hatte sie es hier mit einem Elb zu tun.
Indessen genoss Legolas die Erfrischung. Die hatte er vor der Rückkehr in diese Menschenüberfüllte Stadt auch bitter nötig gehabt. Mit wenigen geschmeidigen Zügen schwamm er bis zur Flussmitte. Glücklich darüber der Natur wieder so nahe zu sein stimme er ein elbisches Lied an. Er würde noch einmal um diesen Felsen dort schwimmen und sich dann wieder ans Ufer machen. Immerhin wollte er Gimli nicht zulange warten lassen. Doch sobald er die Rückseite des Felsens erreicht hatte glaubte er seinen Augen nicht mehr trauen zu können. Denn dort klammerte Ravena sich an dem harten Stein fest und starrte ihn mit offenem Munde und aus unglaublich blauen Augen an.
Sie starrte ihn an. Was sonst sollte sie tun? Immerhin hatte sie hier einen vom schönen Volk vor sich. Durch das Wasser konnte sie zwar nichts grundlegendes erkennen, doch das was sie sah war schon genug. Dieser Oberkörper brachte sie förmlich um den Verstand.
Legolas ging es ähnlich- obwohl er nicht viel mehr als ihren Kopf und Unmengen von roten Haaren sehen konnten. Was tat sie hier? Hatte er sie überrascht? Bedachte man ihre vor Scham geröteten Wangen war das anzunehmen. Irgendwie war er fasziniert davon wie sie immer wieder die Farbe ihrer Haare annehmen konnten. Legolas fragte sich wo in den letzten Tagen er eigentlich sein gutes Timing verloren hatte- höchstwahrscheinlich auf der Apfelplantage. Mit diese Erinnerung stahl sich ein schelmisches Lächeln auf seine Lippen.
Ravena konnte es nicht fassen. Sie standen sich hier nackt in einem Fluss gegenüber und dieser dämliche Elb hatte nichts besseres zu tun als sie frech anzugrinsen. Um ihre Verlegenheit zu überspielen wurde sie schließlich wütend und ließ ihren Frust an Legolas aus.
„Ich verstehe nicht ganz was genau an dieser Situation so lustig sein soll. Jemand hat mir meine Kleidung gestohlen, sodass ich seit Stunden gezwungen bin hier im Wasser zu verweilen. Und dann kommt auch noch ein herumstreunender Elb vorbei, der nichts besseres zu tun zu haben scheint als sich über meine Situation lustig zu machen."
Sie hatte den Prinz des Düsterwaldes jetzt nicht einen Herumstreuner genannt! Oh doch, sie hatte! Ihr Mundwerk war einmal mehr schneller gewesen als ihre Vernunft.
„Ich kann gar nicht genug zum Ausdruck bringen wie Leid es mir tut Euch in diese unangenehme Situation gebracht zu haben. Aber ich hatte doch keine Ahnung dass sich noch jemand anders im Fluss befand." Merkwürdigerweise schienen ihm ihre Vorwürfe ernstlich nahe zu gehen. Doch sie war ein zu großer Sturkopf, als dass sie die Wahrheit seiner Worte erkannt hätte. Wütend fuhr sie fort:
„Wie wäre es wenn Ihr damit beginnen würdet mir etwas zum Anziehen zu besorgen? Ich bin halb durchgefroren und so nicht in der Lage nach Hause zurück zu kehren." Legolas schalt sich selbst wegen seiner Unaufmerksamkeit- erst jetzt nahm er ihre blauen Lippen und ihr Zittern wahr. Natürlich brauchte sie etwas zum anziehen. Immerhin war sie keine Elbenfrau und dementsprechend nicht immun gegen Kälte und Krankheiten. Doch von seiner Kleidung die er am Leibe getragen hatte einmal abgesehen, trug er nichts weiter mit sich. Was also tun?
„Meine Dame, ich verspreche, ich werde tun was ich kann." Damit schwamm er wieder Richtung Ufer. Er hatte sie schon wieder ,Meine Dame' genannt. Bedachte man die Situationen in denen sie sich ständig über den Weg liefen und ihre vorlauten, ganz und gar nicht damenhaften Kommentare war das mehr als verwunderlich. Überhaupt entsprach sein Verhalten so überhaupt nicht dem eines Prinzen.
Zugegeben, sie hatte noch nie das Vergnügen gehabt einen waschechten Prinzen kennen zu lernen, aber sie mochte wetten, dass sich nicht jeder von einer Dienstmagd herumkommandieren lassen würde- denn genau das war es ja, was sie gerade getan hatte. Ravena konnte ihr Verhalten selbst nicht fassen. Sie hatte sich noch nie wie ein wohlerzogenes Mädchen benommen, sodass sie schon von Kindesbeinen an ständig in diverse Schwierigkeiten geraten war. Doch in diesen letzten zwei Tagen hatte sie sich einmal mehr selbst übertroffen. Weshalb also ließ er sie nicht einsperren? Grund genug hätte er ja.
Mittlerweile hatte Legolas das Ufer erreicht. Dieses mal konnte Ravena sich nicht zurückhalten. Wie oft bekam man denn schon mal einen nackten Elben zu Gesicht? Verstohlen schaute sie um den Stein herum und sah gerade noch wie Legolas aus dem Wasser stieg. Er war wahrhaftig ein Anblick für die Götter. Leider konnte sie nur seine Rückansicht bewundern, doch mit seinen durchtrainierten, breiten Schultern, den schlanken Hüften und seinem schönen Gesäß sah er aus wie eine dieser Staturen, die die Wege des Stadtgarten säumten. Plötzlich drehte er seinen Kopf nach hinten. Schnell verschwand sie wieder hinter dem Stein. Ob er sie gesehen hatte? Bei ihrem Glück wahrscheinlich schon.
„Na ja, was solls" dachte sie resignierend, „Schlimmer kann es eigentlich nicht mehr werden."
Amüsiert machte Legolas sich daran seine Kleidung anzuziehen. Sie hatte ihm nachgestarrt. Was sie wohl gedacht hatte? Er konnte sich bildlich vorstellen wie ihre Wangen wieder rot wurden, nach dem er sie ertappt hatte. Ravena faszinierte ihn immer mehr. Mittlerweile war er sogar schon so weit, dass er sich von ihr herumkommandieren ließ. Das war nun wirklich noch keiner Frau gelungen.
Suchend blickte er sich um. Von seinem Umhang einmal abgesehen hatte er in der Tat nichts überflüssiges mit genommen. Nun, dann würde der wohl reichen müssen. Er war lang und würde Ravena genügend Schutz bieten.
Mittlerweile war auch sie etwas näher an das Ufer herangeschwommen. Verschwommen konnte er die Konturen ihres Körpers im Wasser ausmachen. Plötzlich tauchte ein roter Schopf aus dem Wasser auf. Bei ihrem Anblick musste Legolas an eine Wassernixe denken.
„Ich habe leider nur einen Umhang und sicheres Geleit, das ich Euch anbieten kann, meine Dame."
„Danke.", brachte sie noch mit klappernden Zähnen hervor. So erfrischend das Wasser nach dem heißen Tag auch gewesen sein mochte- nach den Stunden, die sie in dem kühlen Nass ausgeharrt hatte, begann ihr nun ernstlich kalt zu werden.
Legolas legte ihr den Umhang auf einen Stein in Ufernähe und drehte ihr taktvoll den Rücken zu. Sie wagte sich vorsichtig aus dem Wasser. Schnell griff sie sich den Umhang, um ihn sich umzulegen und sich ganz darin einzuhüllen- doch für Legolas Augenwinkel nicht schnell genug. Er wusste, dass dieses Verhalten einer Dame gegenüber alles andere als schicklich war, aber er konnte sich nicht helfen. Immerhin hatte sie ihre Augen ebenfalls nicht bei sich behalten können. So erhaschte er einen kurzen Blick auf einen weißen Oberschenkel und eine wohlgeformte Brust.
Als sie fertig wahr schloss sie zu dem Elb auf, der sie daraufhin aus dem Wald heraus und in Richtung Straße führte, wo Gimli immer noch auf Legolas wartete.
„Wieso überrascht mich der Anblick dieses Mädchens bloß nicht?", fragte der eher sich selbst als seinen Freund. Wenn dass so weiter ging dürfte dass noch ein recht... interessanter Aufenthalt werden.
„Lady Ravena wurde während ihrem Bad ihrer Kleidung bestohlen.", setzte Legolas zu seiner Erklärung an. Doch noch bevor er fortfahren konnte, wurde er von einem amüsierten Zwerg unterbrochen: „Aber doch nicht von dir?"
„Nein, nicht von mir.", antwortete Legolas, seinen Freund mit einem scharfen Blick versehend, „Allerdings werden wir sie nach Hause begleiten. Nur mit diesem spärlichen Umhang bekleidet wäre der Weg eine zu große Gefahr."
Als Ravena, die dem gesamten Gespräch mit hochrotem Kopf gelauscht hatte, protestieren wollte, wurde sie von Legolas unversehens unterbrochen. Er hatte einen Tonfall eingeschlagen, der keinen Wiederspruch duldete. Da war er also: der Prinz. Irgendwann musste diese Seite ja mal zum Vorschein kommen. Also fügte sie sich ihrem Schicksal.
Die beiden Gefährten waren der Stadt mit ihren Pferden entflohen, sodass sich Legolas nun auf seinen weißen Hengst schwang und ihn anschließend neben Ravena postierte. Sie blickte ihn fragend an. Er würde doch nicht...? Oh doch, er würde. Mit einem schnellen Handgriff hatte er sie gepackt und vor sich auf dem Pferderücken postiert- wohlweislich darauf achtend dass nichts von Ravenas nackter Haut entblößt wurde. Also saß sie seitlich auf dem Pferderücken. Legolas, der sie fest in seinen Armen hielt, war ihr einziger Halt. Ravena hasste es in einem solchen Maße von jemandem Abhängig zu sein. Dafür, das schwor sie sich, würde Siägä büßen.
Dennoch musste Ravena während dem Ritt feststellen, dass es schlimmeres gab, als von Legolas Armen gehalten zu werden. Mit ihrem Kopf gegen seine Brust gelehnt hörte sie den schnellen Schlag seines Herzens. Es fiel ihr schwer sich das einzugestehen, aber so sicher und geborgen hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Sie war beinahe enttäuscht als sie bei ihr Zuhause ankamen und er sie wieder sanft zu Boden gleiten ließ.
„Danke", stammelte Ravena, immer noch benommen von dem Ritt, „und...und ich bitte Euch mir mein Verhalten zu verzeihen." Sie hatte es also doch noch geschafft über ihren Schatten zu springen und sich zu entschuldigen
Zu ihrer Verwunderung quittierte der Prinz das mit einem herzlichen Lachen. „Es ist keine Entschuldigung von Nöten, meine Dame. Ich bin Euch immer zu diensten." Damit deutete er eine Verbeugung an und stieg wieder auf sein Pferd. Als er, mit Gimli hinterhertrabend, schon fast außer Hörweite war fiel Ravena etwas ein.
„Aber was ist denn mit dem Umhang?", schrie sie dem Elb hinterher.
Doch dieser lachte nur „Behaltet ihn. Ich bin mir sicher, dass wir uns schon bald wieder über den Weg laufen werden.
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