Kapitel 6
2.Teil
Als man nun nach dieser letzten Gruppe alle Ergebnisse verglichen hatte, wurden von dem Turniersprecher die Namen all derer verlesen, die es in die zweite Runde geschafft hatten. Ein schadenfrohes Grinsen machte sich auf Ravenas Gesicht breit, als sie bemerkte, dass Loi sich nicht unter den besten fünfzig befand. Neben Ravena hatte sich natürlich auch Herzog Randulf qualifiziert. Sie war sich sicher, dass er ihr die schwersten Steine in den Weg zum Sieg legen würde. Die elbischen Favoriten Legolas, Haldir und Glorfindel hatten es ebenfalls in die zweite Runde geschafft. Mittlerweile war Ravenas Nervosität einer angenehmen Vorfreude gewichen, denn glücklicherweise schien niemand ihre Verkleidung bemerkt zu haben. Sie freute sich nun regelrecht ihr Können unter Beweiß zu stellen.
Doch zunächst hieß es wieder warten. Diesmal nicht wegen ihrer hohen Startnummer, sondern wegen ihrer hohen Punktzahl, denn je besser man in der ersten Runde abgeschnitten hatte, desto später kam man an die Reihe. Das gab ihr einmal mehr Zeit ihre Konkurrenten zu beobachten- nicht zuletzt Legolas. Es war eine wahre Wonne seinem Muskelspiel zuzuschauen. Sie musste wohl sehr gestarrt haben, denn plötzlich trat Herzog Randulf neben sie.
"Die Technik der Elben ist wirklich überragend. Vor allem der Prinz des Düsterwaldes gilt als einer der besten Schützen Mittelerdes."
Erleichtert atmete Ravena aus. Er hatte ihr Starren auf Legolas also als Bewunderung für dessen Talent missgedeutet. Doch weshalb nur hatte der Herzog sie überhaupt angesprochen? Sie war weit unter seinem Stand. Sie nickte vorsichtig.
"Doch du bist auch nicht schlecht, Junge.", meinte der Herzog mit einem anerkennenden Lächeln zu Ravena.
"Danke.", sagte sie misstrauisch. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie von diesem Gespräch halten sollte. Hoffentlich würde er jetzt nicht beginnen ihr unangenehme Fragen zu stellen.
"Wo hast du schon so früh so gut Bogenschießen gelernt?" Umsonst gehofft. Da war sie schon. Was sollte sie ihm erwidern? Sie beschloss so weit wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben, um sich nicht in einem Lügennetz zu verstricken.
"Ich komme ursprünglich aus Ithilien.", setzte sie also an. "Ich war noch sehr jung als die ersten Orkbanden begannen unsere Dörfer unsicher zu machen und meine älteren Brüder sich Faramirs Truppen anschlossen. Um bei der Verteidigung unseres Guts helfen zu können, brachte man auch mir schon früh den Umgang mit Waffen bei."
"Dann hast du also schon Kriegserfahrungen?" Jetzt wirkte Randulf ehrlich interessiert. Dafür hätte Ravena sich selbst schlagen können. Sie hätte ihm doch eine harmlosere Geschichte erzählen sollen.
"Ähm...die beschränkt sich nur auf ein paar Orks.", wiegelte sie also schnell ab, doch so leicht ließ Randulf sich nicht abschütteln. Er erkannte gutes Potential wenn er es vor sich hatte- und in diesem Jungen steckte eindeutig eine Menge davon. Dass er bereits in der Waffenkunst geübt war, machte die Sache nur noch besser.
"Hm Ithilien", auf Randulfs schönem Gesicht stand ein
nachdenklicher Ausdruck. "Ich war schon einige Male in Ithilien.
Wie war dein Name doch gleich? Landewin?"
Ravena schwante
nichts Gutes als sie nickte.
"Ja Landewin, Lodewiks Sohn."
"Der Name ist mir nicht bekannt. Aus welchem Teil Ithiliens stammst du?"
"Aus dem Norden, Herr." Innerlich verzweifelte sie beinahe. Dieses Gespräch gefiel Ravena ganz und gar nicht. Was nur konnte dieser neugierige Herzog von ihr wollen?
Randulf wollte gerade zu einer weiteren Frage ansetzten, als der Turniersprecher die Namen der nächsten Gruppe aufrief. Ravena dankte allen Göttern als sie ihren und den des Herzogs hörte. Geschwind entfloh sie den bohrenden Fragen Randulfs in Richtung des Platzes. Dabei kreuzte sie Legolas Weg, der ihr fröhlich zunickte. Er hatte es gerade gemeinsam mit Haldir und Glorfindel ins Finale geschafft. Ravena war aufgefallen, dass auf 150Schritt längst nicht mehr alle Elben so sicher waren wie auf den vorherigen 50Schritt. Dennoch war es den drei Finalisten gelungen jedes Mal ins Schwarze zu treffen, sodass sie nun gleich auf lagen.
Bemüht auch den Augen des Elbenprinzes zu entkommen, sah sie nicht mehr, wie der sich für einen kurzen Wortwechsel zu Randulf gesellte.
"Na Randulf, hast du den Jungen schon rekrutiert?"
"Nicht so hastig, mein Freund. Doch lass dir versichert sein, dass ich ihn im Auge behalten werde." Lachend machte er sich daran, Ravena auf den Turnierplatz zu folgen.
Sobald es darum ging einen Pfeil in sein Ziel zu bringen, war Ravena wieder vollkommen konzentriert. Sicher, die Distanz war um dreißig Fuß erhöht worden, doch der Ablauf blieb immer derselbe. Wenn sie es schaffen würde ruhig zu bleiben, sollte sie auch auf dieser Entfernung keine allzu großen Probleme bekommen. Noch einmal tief durchatmend, spannte sie den Bogen und fixierte ihr Ziel. Alles stimmte. Dieser Schuss würde ins Schwarze treffen, da war sie sich sicher. Mit einem Stoßgebet ließ sie los und entließ den Pfeil aus ihrem sicheren Griff. Unter dem begeisterten Aufschrei vieler Zuschauer traf er sein Ziel.
Ravena war dabei sich zum Liebling der Massen zu mausern. Sie hatte nun schon wiederholt bewiesen, dass hinter ihren Schüssen Können und Talent und nicht nur bloßes Glück standen. Außerdem war sie eine von ihnen. Mit ihrem dreckigem Gesicht und der zerschlissenen Kleidung wies sie sich eindeutig als ein Bauernjunge aus. Umso mehr erfreute es das einfache Volk, dass es jemand aus seinen Reihen mit den Adeligen aufnehmen konnte.
Ravenas Talent blieb auch dem König nicht verborgen. Er winkte einen Diener zu sich heran.
"Eure Majestät?"
"Seht ihr den Jungen dort, ganz rechts?" Als der Diener nickte fuhr Aragorn fort. "Wer ist das?"
"Ich kenne ihn nicht, Eure Majestät. Aber ich werde mich sofort erkundigen."
Aragorn nickte ihm zu. "Tut das." Geschwind verbeugte sich der Diener und entfernte sich, um die gewünschte Information in Erfahrung zu bringen.
"Was hast du im Sinn, Liebling?" Königin Arwen war hellhörig geworden.
"In dem Jungen steckt ein großes Potential. Nur zu gerne würde ich wissen wer er ist.", Aragorn zögerte, " Seine Bewegungen haben etwas vertrautes."
"Etwas Vertrautes? Was genau meinst du damit?"
"Es ist nur ein Gefühl. Die Art wie er den Bogen spannt und sein Ziel nimmt. Irgendwo habe ich das schon mal gesehen." Gedankenverloren lehnte er sich wieder auf seinem Stuhl zurück.
Als der Diener wieder zurückkam, hatte Ravena bereits ihren zweiten Pfeil ebenso souverän wie die vorherigen ins Ziel gebracht.
"Nun, was habt ihr herausgefunden?", fragte Aragorn erwartungsvoll.
"Sein Name ist Landewin, Sohn von Lodewik. Mehr konnte ich nicht über ihn in Erfahrung bringen." Damit entfernte sich der Diener wieder.
"Nun", Arwen war gespannt, "Weckt der Name eine Erinnerung?"
"Nein, ich habe ihn noch nie gehört- und dennoch..." In seinen Gedanken verloren beendete der König seinen Satz nicht.
Indessen hatte Ravena gerade ihren dritten Pfeil ins Schwarze befördert. Alles lief wie am Schnürchen. Sie würde Punktgleich mit Herzog Randulf ins Finale einziehen, dicht gefolgt von Graf Fryderyk. Die Zuschauer hatte sie ebenfalls auf ihrer Seite. Jetzt galt es nur noch den neugierigen Fragen des Herzogs und damit einer Möglichen Entdeckung zu entgehen.
Da traf es sich gut, dass es nach diesem zweiten Durchgang eine
längere Unterbrechung gab, sodass sich die Besucher, wie auch
die Teilnehmer an Speis und Trank erfreuen konnten.
Bevor auch
nur irgendjemand eine Frage an sie richten konnte war sie auch schon,
mit Siägä im Schlepptau, dem Turnierfeld entflohen. Als sie
einige Straßen weiter zum stehen kamen strahlte sie ihn freudig
an:
"Siehst du, es läuft alles wie am Schnürchen." Doch Siägäs zweifelnder Gesichtsausdruck verriet, dass er Ravenas Enthusiasmus nicht ganz teilen konnte.
"Tut es das wirklich?"
Ravena war irritiert. "Natürlich tut es das. Ich habe nicht einmal daneben geschossen und meine Verkleidung hat auch noch niemand durchschaut."
"Das ist es ja gerade was mir Sorgen bereitet. NOCH hat niemand dich erkannt, doch durch deinen bisherigen Erfolg bist du einigen Leuten aufgefallen. Ich hab sogar gehört wie ein Diener sich im Namen des Königs nach dir erkundigt hat. Glaub mir, dass wird kein gutes Ende nehmen- dafür ziehst du viel zu viel Aufmerksamkeit auf dich."
Als sie an Randulfs ‚Verhör' denken musste wurde Ravena klar, dass Siägäs Befürchtungen durchaus ihre Berechtigung hatten. Doch was sollte sie sonst tun- aus freien Stücken einige Pfeile daneben schießen und damit verlieren? Dann wäre jede Hoffnung für Tarek verloren.
Tatsächlich kam von ihrem Freund eben dieser Vorschlag. "Ich bitte dich inständig, schieß im Finale nicht mehr ganz so genau. Niemand wird dich deswegen auslachen. Du bist bereits weiter gekommen als jeder es für möglich gehalten hätte. Die Menschen lieben dich und gegen einen so begnadeten Bogenschützen wie Herzog Randulf ist es keine Schande zu verlieren. Oder willst du es tatsächlich riskieren wegen deinem Stolz im Gefängnis zu landen?" Ravena hatte noch keine Gelegenheit gehabt Siägä in den wahren Grund für ihr Teilnehmen einzuweihen.
"Du verstehst nicht. Das hier hat überhaupt nichts mit meinem Stolz zu tun." Nun, das wahr zumindest die halbe Wahrheit. Natürlich war es ihr Hauptziel das Geld für Tarek zu gewinnen, aber dennoch kam sie nicht umhin sich einzugestehen, dass es ihr ein höllisches Vergnügen bereitete dieser so von sich eingenommenen Männerwelt eine kleine Lektion zu verpassen. Was sie wohl täten, wenn sie die Wahrheit wüssten?
"Was ist es dann? Bitte erklär es mir." Also begann Ravena nun endlich Siägä ihren gesamten Plan zu erläutern.
"Also Legolas?"
"Also, was, Glorfindel?" Sie saßen alle gemeinsam auf einer Terrasse des "Blauen Schlosses" und nahmen ihr Mittagsmahl ein. Sie, das waren Legolas, Haldir, Glorfindel, Herzog Randulf, Gimli und die vier Hobbits. Das Königspaar speiste mit einigen hochrangigen Gesandten in einem anderen Teil des Schlosses. Die Terrasse befand sich auf einem Plateau auf der Rückseite des Schlosses. Von ihr hatte man einen phantastischen Ausblick auf den darunter liegenden Park, der nun von vielen Menschen gesäumt wurde.
Legolas schwante nichts gutes, als er das schelmische Glitzern in den Augen seines Freundes bemerkte.
"Willst du sie uns nicht zeigen?", fragte dieser auch gleich darauf köstlich amüsiert. Legolas seufzte auf. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn seine Freunde dieses Thema endlich ruhen gelassen hätten. Seine Hobbitfreunde, zumindest hatte er sie bis zum heutigen Tag noch dafür gehalten, und Gimli waren ihm auch nicht gerade eine Hilfe. Vielmehr schienen sie sich mit Haldir und Glorfindel verbündet zu haben. Er beschloss den Unschuldigen zu Mimen:
"Will ich euch wen nicht zeigen?"
"Die Apfelschützin natürlich." Haldir zog sofort mit Glorfindel mit.
"Die Apfelschützin? Ist das die Dame die es geschafft hat, sich mit einer Handvoll Äpfel in dein Herz zu bombardieren?", fragte Randulf nun mit einem ehrlichen Lachen.
Legolas spielte den Schockierten: "Randulf, du auch? Wie kannst du mir nur so in den Rücken fallen."
Der Beschuldigte hob beschwichtigend die Hände. "Aber, aber Legolas. Ich schwöre ich bin unschuldig. Ich gebe nur das wieder, was mir von den hier Anwesenden kund getan wurde."
"Och komm schon, Legolas", zwischen zwei Bissen und mit vollem Mund mischte sich jetzt auch Pippin in die Unterhaltung ein, "ich will doch auch endlich mal die Frau sehen, die dich vom Pferd geworfen hat."
Der angesprochene seufzte theatralisch auf. "Ich verstehe nicht ganz, weshalb ihr wegen diesem Zwischenfall nur auf mir herumreitet- oder sollte der Herr Zwerg tatsächlich vergessen haben zu erwähnen, dass Aragorn auch unter dem Bombardement zu leiden hatte?"
"Der Herr Zwerg", gab Gimli empört zurück, "hat alles wahrheitsgetreu geschildert."
"Eben Legolas. Gib dem Zwerg nicht einfach die Schuld an deiner Tollpatschigkeit. Immerhin hat Aragorn sie nicht nackt beim Baden erwischt." Haldir brach in ein herzhaftes Lachen aus.
Legolas konnte nicht glauben, was seine feinen Ohren da gerade vernommen hatten. War da ein Komplott gegen ihn im Gange? "Seit wann seit ihr denn so gute Freunde?" In der Tat war ein von einem Elb verteidigter Zwerg ein all zu rarer Anblick. Vor allem wenn der Zwerg Gimli und der Elb Haldir hieß- man dachte da nur an ihre erste Begegnung in den Wäldern Lothloriens...
"Aber Legolas", meinte Haldir mit einer gespielt ernsten Miene, "zuerst versicherst du mir mal um mal, dass dieser Zwerg ehrlich sei und wenn ich beginne deinem Urteil zu vertrauen behauptest du wieder das Gegenteil. Könnte es möglich sein, dass du ein wenig Eifersüchtig bist?"
Jetzt konnte auch Legolas sich nicht mehr halten. Das war definitiv zu viel des Guten. Er brach in schallendes Gelächter aus. "Zuerst verliebe ich mich in eine ‚schlagfertige' Dienstmagd und dann bin ich auch noch Eifersüchtig auf einen Zwerg. Was werdet ihr mir als nächstes Anhängen, eine Affäre mit einer Zwergin?"
Der gesamte Tisch fiel in Legolas Lachen ein. Nur Gimli murmelte etwas Unverständliches in seinen Bart, empört über die Missachtung, die man den Frauen seines Volkes entgegenbrachte.
In diesem Moment erschallten die Trompeten um das baldige Finale anzukündigen. Geschwind machte man sich bereit, um in Richtung des Turnierplatzes aufzubrechen.
"Nun Randulf, es wird mir eine Freude sein zuzuschauen wie dieser Bursche dich vernichten wird."
"Hoho Freund Legolas. Er ist gut, gar keine Frage, doch sollte ihm das wahrhaftig gelingen, müsstest auch du bereits anfangen um deine Ehre zu zittern- die im Moment sowieso etwas angeschlagen zu sein scheint." Randulf hatte sich diesen letzten Kommentar nicht verkneifen können. "Und nun erkläre mir mal was genau es mit dieser Peitschenepisode auf sich hatte."
Das erste Finale des heutigen Tages würde das der drei Elben sein. An jeder Ecke wurden Wetten über einen möglichen Sieger abgeschlossen. Man rechnete mit einer sehr knappen Entscheidung, da sowohl Legolas, als auch Haldir und Glorfindel in der Vorausscheidung dieselbe hervorragende Leistung erbracht hatten. Doch jeder Zuschauer, der die drei lachend und scherzend zusammen stehen sah, konnte erkennen, dass deren Rivalität sich lediglich auf das Turnier beschränkte.
"Na Legolas, hast du sie endlich entdeckt?"
Der Prinz des Düsterwaldes musste sich geschlagen eingestehen, dass er von den beiden wohl noch für den Rest seines unsterblichen Lebens mit dieser Sache aufgezogen werden würde.
"Glorfindel, bist du immer noch nicht fertig? Ich dachte das Mittagsmahl hätte gereicht."
Doch der angesprochene grinste ihn nur schelmisch an: "Das mag deine Überzeugung, mein Freund."
"Aber Glorfindel hat recht", meldete sich jetzt auch Haldir zu Wort, "schon seit deinem ersten Schuss am heutigen Morgen sind deine Augen unaufhörlich am wandern- so als suchest du etwas ganz bestimmtes.", setzte er noch wissend hinzu.
"Außerdem nutzt leugnen sowieso nicht mehr viel, wenn doch sogar der Zwerg schon den Braten gerochen hat- und deren Spezies ist ja nicht gerade für ihre Sensibilität bekannt."
Legolas fühlte sich ertappt, denn er musste sich selbst eingestehen, das Haldir die Wahrheit erkannt hatte. Er versuchte schon den ganzen Morgen es zu unterbinden- aber dennoch ertappte er sich immer wieder dabei, wie seine Augen das Publikum nach Ravena durchforsteten. War sie hier? Nun das war anzunehmen. Doch weshalb hatte er sie dann noch nirgendwo entdeckt? Mit diesen unglaublich roten Haaren und ihrem einzigartigem Verhalten müsste sie eigentlich überall herausstechen. Ob sie ihm wohl den Sieg wünschte?
"Viel wahrscheinlicher ist, dass sie sich wünscht selbst teilnehmen und gewinnen zu können."
Er musste an ihre Aussage nach dem Vorfall mit der Peitsche denken und fragte sich wie gut sie sich wohl geschlagen hätte. Sie schien nicht der Typ zu sein, der leere Versprechungen zu machen pflegte. Dennoch schwor er sich dieses Turnier für sie zu gewinnen- und wenn er es nur tat um ihr zu beweisen, dass er noch andere Talente hatte außer vom Pferd zu fallen und in Fettnäpfchen zu treten.
Während ihrem gemeinsamen Ritt war er sich fast sicher gewesen, dass sie ihm dieselben Gefühle entgegenbrachte wie er ihr- doch genauso hatte er erkannt, dass sie es gehasst hatte ihm so ausgeliefert zu sein.
Wie schon so oft in den letzten Tagen ließ er das Bild dieser unabhängigen und temperamentvollen Frau an sich vorbeiziehen. Ihre Freiheit schien ihr über alles zu gehen- ein Wert, der Legolas ebenfalls als einen der Wichtigsten erachtete. Doch würde Ravena jemals bereit sein sie mit ihm zu teilen? Er musste es unbedingt herausfinden.
Ein verronnenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Beinahe vermisste er ihre unkonventionellen Zusammentreffen.
In diesem Moment wurde sein Gedankengang von einem Trompetensignal unterbrochen, dass das Erscheinen des Königspaares bekannt gab.
Nachdem sich nun alle Finalisten vor ihrem König versammelt
hatten und der mit wenigen Worten das Finale für eröffnet
erklärt hatte, machten sich die drei Elben für ihren ersten
Schuss bereit. Er sollte aus einer Entfernung von zweihundert Schuss
ins Schwarze treffen. Diese Aufgabe, die für die Elben lediglich
eine etwas anspruchsvollere Anforderung bedeutete, war für einen
Menschen schier unmöglich erfolgreich auszuführen.
Das
Publikum gab beinahe keinen Ton von sich, so gebannt war es von dem
Anmut der drei Elben. Alle ihre Bewegungen liefen vom Auswählen
des Pfeils bis zum Schuss geradezu gespenstisch synchron ab.
Erstaunen und Jubel breitete sich aus, als die Schiedsrichter bekannt
gaben, dass alle drei Pfeile ihren Weg ins Zentrum gefunden hatten.
Als es sich beim zweiten und dritten Versuch ebenso verhielt war
das Volk beinahe exstatisch. Selten, wenn überhaupt, hatte man
die Möglichkeit solche Perfektion beim Bogenschießen zu
bewundern. Auch Ravena konnte der gesamten Szenerie nur mit offenem
Munde zuschauen.
Da aber immer noch unentschieden herrschte kam es zu einem Stechen. Man beschloss einmütig die Zielscheiben gleich auf 250Fuss zu stellen- würde man doch sonst nie zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen. Wieder machten die drei sich geradezu Synchron zu ihrem Schuss bereit, doch während Haldir und Glorfindel sofort schossen, ließ sich Legolas den Hauch einer Sekunde länger Zeit. Überraschung machte sich unter den Zuschauern breit. Während Haldirs und Glorfindels Pfeile zwar immer noch im Schwarzen, allerdings hart an der Grenze zum ersten Ring steckten, hatte Legolas Geschoss ein weiteres Mal seinen Weg ins Zentrum gefunden. Des Prinzen Lippen verzogen sich zu einem selbstzufriedenen Lächeln. Seine beiden Freunde schauten geschockt. Was hatten sie falsch gemacht?
Auch Ravena erwischte sich dabei, wie ihr ein Seufzer entfuhr, von dem sie nicht wusste, dass sie ihn gehalten hatte. Dieses Turnier war einfach zu spannend- und Legolas einfach zu gut. Sie versuchte es zu unterdrücken, doch sie konnte nicht anders, als mit ihm mitfiebern.
Indessen waren die Elben bereit für ihren zweiten Schuss. Wieder sahen ihre Bewegungen identisch aus- und dennoch waren die Ergebnisse jetzt alles andere als das. Glorfindels Pfeil befand sich exakt auf der Linie zwischen dem schwarzen Auge und dem ersten Ring- damit hatte er nur noch eine sehr geringe Chance auf einen Sieg, da Legolas und diesmal auch Haldir beide ins Schwarze getroffen hatten. Haldir lag nun ganz knapp hinter Legolas. Alles würde sich mit dem dritten Versuch entscheiden.
Nach dem Zeichen, machten sie sich bereit. Legolas schaltete alles Nebensächliche aus seinem Kopf aus. Nur er und sein Ziel waren jetzt noch wichtig. Mit seinen Sinnen nahm er alle Eventualitäten war. Er spannte den Bogen, fixierte das Schwarze Auge der Scheibe und wartete- wartete auf den perfekten Moment für den Abschuss. Nicht ein Windhauch dürfte sich regen. Er ließ den Pfeil los und schickte ihn auf seinen Weg zum Zentrum. Das Jubeln der Menschen ließ ihn realisieren was ihm gerade gelungen war: das Turnier zu gewinnen. Ein Blick zu Haldirs und Glorfindels Zielscheiben und deren Gesichter sagte ihm, das sie beide nicht nah genug ans Zentrum gekommen sind um ihn zu schlagen. Heute hatte er sich selbst übertroffen. Seine beiden Freunde waren gerecht genug das anzuerkennen und gratulierten ihm herzlich mit einer Umarmung. Diese Szene kommentierte das Volk mit einem noch größeren Beifallssturm. Dennoch kam Glorfindel nicht umhin einen kleinen Seitenhieb an Legolas auszuteilen.
"Da hat dir die Liebe wohl Flügel verliehen.", meinte er verschmitzt.
"Ja, zuerst wirft sie dich vom Pferd und dann verhilft sie dir
zu ungeahnten Höhenflügen.", ergänzte Haldir
amüsiert. "Nimm dich vor dem Fall in Acht, der darauf für
gewöhnlich folgt."
Legolas war viel zu gut gelaunt, als
das er sich von dem Geplänkel noch aus der Ruhe hätte
bringen lassen können.
Gemeinsam scherzend verließen sie das Feld um Platz für die zehn Finalisten des Menschenturniers zu machen.
Ravena betrat hinter Herzog Randulf den Platz. Glücklicherweise hatte er sie nicht noch einmal mit seinen Fragen gelöchert. Allerdings hätte Ravena schwören können, dass er sie das ein oder andere Mal nachdenklich betrachtet hatte. Ob er wohl etwas ahnte? Nein, dann würde sie jetzt nicht an dem Finale teilnehmen. Das Finale! Sie konnte es immer noch nicht richtig fassen, doch es war wahr. Sie würde nun alle Register ziehen müssen um diesen schwierigen Wettkampf zu gewinnen und damit Tarek zu retten.
Sie warf einen kurzen Blick auf Siägä, der wieder seinen alten Platz auf der Wiese eingenommen hatte und ihr nun signalisierte, dass er ihr alles Gute wünschte. Nachdem sie ihm ihren Plan erklärt hatte, hatte er sie zunächst für unzurechnungsfähig erklärt. Doch am Ende hatte er ihr doch seinen Respekt für ihren Einsatz gezollt. Nun stand er da wie auf heißen Kohlen und hoffte, wie sie, dass das alles einen guten Ausgang nehmen würde.
Alle zehn Schützen hatten vor ihren Zielscheiben Aufstellung genommen. 150Schritt trennten sie von der Zielscheibe. Das waren 100 Schritt weniger, als die Elben zu bestreiten hatten und dennoch würde es bei den Menschen nicht halb so knapp werde. Laut den Wetten war Herzog Randulf der unangefochtene Favorit- galt er doch als derjenige, der am ehesten den Elben das Wasser reichen konnte. Doch Ravena hatte eindeutig die Sympathien auf ihrer Seite. Eine Tatsache, die man an dem lauten Jubel erkennen konnte, der jedes Mal losbrach, wenn ihr Name verlesen wurde. Siägä hatte Recht. Ob sie dieses Turnier nun gewinnen oder verlieren würde- in den Augen des Volkes wäre sie der wahre Sieger. Doch dem armen Tarek würde das freilich herzlich wenig nutzen.
Der Ansager gab das Zeichen zum Feuern, doch Ravena lies sich ungewöhnlich viel Zeit. Sie würde die perfekte Gelegenheit abpassen, damit ihr Pfeil nicht von seinem Weg abkommen würde. Nur eine kurze Windbö und er käme schon nicht mehr dort an, wo Ravena ihn eigentlich gewollt hätte: Im schwarzen Zentrum. Sie konzentrierte sich. Plötzlich war er gekommen- der vollkommen windstille Moment. Geschwind ließ sie ihr Geschoss los. So war sie zwar die letzte die ihren Pfeil abschoss, aber auch, mit Ausnahme von Herzog Randulf natürlich, die einzige die ins Schwarze getroffen hatte. Die tosenden Beifallsstürme, die darauf losbrachen galten ihr allein. Noch nie war es einem einfachen Bauernjungen gelungen, einen Adeligen in eine solche Bedrängnis zu bringen, ohne dafür bestraft zu werden. Schüchtern winkte sie zurück. Der zweite und dritte Versuch endeten ebenso erfolgreich.
Nun hielt das Volk den Atem an. Ravena und Herzog Randulf lagen gleich auf. Noch hatte niemand von ihnen daneben geschossen. Es würde also ein Stechen zwischen den beiden geben müssen.
Während die Turnierhelfer sich daran machten eine Zielscheibe weitere 25Schritt nach hinten zu befördern, versuchte Ravena sich zu beruhigen. Sie durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Sie fragte sich weshalb die Götter ihr nur mit Herzog Randulf so einen großen Stein in den Weg gelegt hatten. Wäre er nicht da gewesen- sie hätte schon längst ihre Belohnung kassiert und Tarek gerettet. Doch nun galt es weiter zu zittern. Niemand hatte solch eine Wendung des Turniergeschehens erwartet. Man stelle sich nur vor- ein Hauptmann der königlichen Garde wurde durch einen Bauernlümmel ernsthaft an seinem Sieg gefährdet.
"Glaubst du, dass er eine reale Chance hat, Legolas?", fragte Glorfindel atemlos angesichts des Schauspiels das sich ihnen gerade bot.
Legolas wählte seine Antwort mit bedacht. "Er hat es zu einem Stechen mit Randulf gebracht. Ich denke spätestens jetzt ist alles möglich. Ich frage mich nur ob der dem Druck standhält. Da ist Randulf wesentlich erfahrener."
Haldir nickte zustimmend. Alle drei beobachteten sie weiter das Geschehen. Um dieses Stechen noch etwas spannender zu gestalten, würden beide abwechselnd auf eine Zielscheibe schießen. Das Los entschied, das Ravena den Anfang machen sollte. Mit klopfendem Herzen und schweißnassen Händen nahm sie unter dem Jubel der Zuschauer ihre Position ein. Die Zielscheibe stand so weit weg. Sie fischte sich einen Pfeil aus ihrem Köcher und kontrollierte ihre Atmung. Dann legte sie ihn an und spannte mit einem eleganten Zug ihren Bogen. Es schien ihr als stünde sie eine halbe Ewigkeit in dieser Position da, bis sie endlich den geeigneten Zeitpunkt für gekommen sah und ihren Pfeil los lies. Der Jubel der Zuschauer bestätigte das, was sie mit ihren eigenen Augen sah: Sie hatte ein weiteres Mal ins schwarze getroffen. Ein erleichterter Seufzer entfloh ihrer Seele und nahm etwas von ihrer Anspannung mit sich. Auch Herzog Randulf applaudierte ihr. In seinem Gesicht stand Überraschung und Staunen geschrieben.
Nun machte er sich auf den Weg zu der Zielscheibe. Dabei nickte er Ravena anerkennend zu. Der Junge war ein Rohdiamant. Da war sich Randulf sicher. In einer solchen Situation alle Nerven beieinander zu behalten kostete eine Menge Mut. Noch heute würde er den Jungen bitten mit nach Minas Tirith zu kommen um dort eine Ausbildung zum Krieger in Angriff zu nehmen. Aragorn hatte ihm bereits mitgeteilt, dass der Bursche ihm ebenfalls ins Auge gesprungen war.
Randulf nahm seine Position ein. Mit einer Bewegung, die ein großes Können und Erfahrung offenbarte, spannte er seinen Bogen und beförderte seinen Pfeil genau dort hin, wo noch kurz zuvor Ravenas Geschoss gesteckt hatte: ins Schwarze. Das Mädchen war gleichzeitig geschockt und fasziniert über die Abgebrühtheit, mit der er diese Aufgabe erfüllte. Er zeigte nicht ein einziges Zeichen von Aufregung. Plötzlich kam sie sich unglaublich schäbig neben ihm vor. Wie musste sie mit ihrer Nervosität nur neben ihm wirken? Sie würde niemals eine Chance haben.
Dennoch gelang es ihr sich zusammen zureißen und ihm ebenfalls zu Applaudieren. Der Zweite Versuch brachte bei beiden Konkurrenten nichts Neues. Wieder gelang jedem ein Schuss ins Schwarze. Das Publikum saß schon lange nicht mehr auf seinen Plätzen.
Ravena machte sich auf zu ihrem dritten Versuch. Sie Sonne stand hoch am Himmel und schien gnadenlos auf sie herab. Sie bemerkte wie ihre Kräfte begannen sie zu verlassen. Dieses Tournier, aber vor allem die Nervenbelastung, forderte nun ihren Tribut. Lange würde sie das nicht mehr durchhalten können.
Sie stellte sich auf und spannte den Bogen. Ravena spürte die höllische Hitze und wie ihr unter ihrem Strohhut der Schweiß die Stirn herab ran. Sie fixierte ihr Ziel. Gerade als sie dabei war den Pfeil loszulassen musste sie eine Schweißperle, die den Weg in ihr Auge gefunden hatte, wegzwinkern. Noch während der Pfeil zu seinem Ziel unterwegs war, wusste sie, dass sie versagt hatte. Der Pfeil traf den zweiten Kreis. Er war zwar nur knapp am Schwarzen Auge vorbei- "doch knapp daneben ist auch vorbei".
Sie konnte es nicht fassen und starrte weiter auf die Zielscheibe. Alles war umsonst gewesen. Sie hatte verloren. Ravena hatte Tarek nicht retten können.
Ihr Schuss war mit vielen bedauernden "Ohhhhs" kommentiert worden, doch nun wurde sie mit einem stürmischen Beifall von ihrem Platz eskortiert.
Herzog Randulf musste noch seinen dritten Schuss absolvieren. Gekonnt platzierte er seinen Pfeil in der Mitte der Zielscheibe und zerstörte damit auch Ravenas letzte Hoffnungen auf die so notwendige Belohnung.
Sie zwang sich dazu, sich zusammenzureißen. Sie durfte ihre Enttäuschung nicht offen zeigen- immerhin hatte niemand einen Sieg von ihr erwartet und es galt immer noch ihre Täuschung aufrecht zu erhalten. Dennoch tat es weh versagt zu haben. Wie sollte sie Frau Memel oder Tarek jemals wieder ins Gesicht blicken können?
Doch nun galt es erst einmal ein gerechter Verlierer zu sein und dem Herzog zu gratulieren. Er musste wohl etwas von ihrer Enttäuschung bemerkt haben.
"Mach dir nichts daraus, Junge. Du warst gut- mehr als gut sogar und du hast mich mehr als einmal ins Schwitzen gebracht. Das kannst du mir getrost glauben." Lachend klopfte er ihr auf die Schulter und Ravena konnte nicht anders als zurückzulächeln.
"So Kleiner- und jetzt bereiten wir uns beide schon einmal auf eine deftige Niederlage in dem Finale gegen die Elben vor." Lachend ging er mit ihr vom Platz.
Die sechs Finalisten hatten unter dem Jubel der Zuschauer Aufstellung vor dem König genommen. Neben Ravena und Herzog Randulf war Graf Fryderyk der dritte Sterbliche im Bunde. Man wartete gespannt auf die Eröffnung durch den König. Als der nun aufstand und sich anschickte zu sprechen kam das Volk langsam zur Ruhe.
"Ihr edlen Bogenschützen habt euch während einer harten Ausscheidung als die Besten eurer Kunst erwiesen. Deswegen ist es mir nun eine besondere Ehre dieses Finale einzuläuten, in dem es weniger um die Kürung eines Gewinners, sondern vielmehr um die volle Ausschöpfung dieser einzigartigen Waffe gehen sollte. So soll es denn geschehen, dass dieses Finale nach einem anderen Reglement geführt wird."
Der König wurde von einem aufgeregten Stimmgewirr in seinen
Ausführungen unterbrochen. Auch die Bogenschützen tauschten
überraschte Blicke. Was konnte all dies nur bedeuten?
Doch
Aragorn ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit einem
Handwink erbat er sich erneut Ruhe, sodass er fortfahren konnte.
"Nach diesem Reglement wird jedem Bogenschützen ein Versuch gegeben, sein Können unter Beweiß zu stellen. Auf welche Art er das tun wird, ist ihm selbst überlassen. Eine Jury, die aus meiner Wenigkeit, dem Baron und Lord Elrond besteht, wird dann die beste Vorstellung küren."
Wieder entstand ein allgemeines Gemurmel. Solch eine Neuerung hatte
man nicht erwartet. Doch dieses Reglement hatte den großen
Vorteil, dass es nicht einfach nur zu einer Neuauflage des
Elbenturniers kommen würde. Nein, auf diese Weise würde
jeder seine gerechte Chance erhalten.
Auch Ravena war überrascht.
Die Enttäuschung über das verloren Finale nagte noch immer
an ihr, sodass sie mit einer relativen Gleichgültigkeit in diese
Entscheidung hineingegangen war- hatte sie doch keine Möglichkeit
mehr Tarek zu retten. Doch diese neue Wendung versprach interessant
zu werden.
Lächelnd über seine gelungene Überraschung setzte der König noch hinzu: "Sobald sie eine Möglichkeit ersonnen haben die Jury und das Publikum zu überzeugen, legen sie los. Es ist keine Reihenfolge vorgegeben."
Es herrschte Sprachlosigkeit unter den Teilnehmern. Was würde man von ihnen erwarten? Auch in Ravenas Hirn arbeitete es. Sie hatte nicht die geringste Ahnung was sie zeigen sollte, sodass sie beschloss erst einmal die Versuche der anderen abzuwarten. Vielleicht würde sie dann eine Eingebung bekommen.
Der erste, der einen Versuch unternahm war Haldir. Er wanderte zur Mitte des großen Platzes und verbeugte sich vor den Zuschauern, die seine Ehrerbietung mit einigem Jubel zur Kenntnis nahmen. Dann sah man wie er etwas aus seiner Tasche herausfischte, das er anschließend hoch in die Luft hielt. Als der Gegenstand für einen kurzen Moment das Sonnenlicht brach und hell aufblinkte, erkannte man ihn als eine Münze, die kaum einen Daumen breit war. Gespannt wartete man darauf, was er wohl damit vorhatte. Noch einmal griff er in seine Tasche und zog einen zweiten Gegenstand heraus: eine lange Schnur. Vor den Augen der Zuschauer band er die Schnur geschickt um die Münze. Nachdem all dies mit einigem Erstaunen beobachtet worden war, begab sich Haldir zu einem Baum am Platzrand, dessen Äste weit in den Platz hineinreichten. Unter einigen überraschten Ausrufen sprang er mit nur einem Sprung auf einen Ast des Baumes und machte sich daran, die Münze mit der Schnur festzubinden, sodass sie nun unter dem Ast baumelte. Daraufhin verließ er den Ort des Geschehens wieder. Nachdem er etwa 100Schritt hinter sich gebracht hatte zog er urplötzlich seinen Bogen und zielte schneller als ein Menschenauge blicken konnte, auf sein selbst kreiertes Ziel. Eine Woge des Erstaunens ging durch alle Reihen, als man sah, wie die Münze zu Boden fiel. Haldir hatte es tatsächlich geschafft, die noch nicht einmal fingerbreite Schnur mit seinem Pfeil zu durchtrennen. Das Erstaunen schlug schnell in Jubel um, als man erkannte welche Leistung dieser Elb erbracht hatte. Lächelnd legte er den Weg zu seinen Mitstreitern zurück.
"So, Freunde, das dürft ihr mir jetzt erst einmal nachmachen.", meinte er selbstzufrieden.
Ravena war beeindruckt. Noch nie war sie Zeuge eines solchen Schusses gewesen. Haldirs Vorlage war ihrer Meinung nach nur sehr schwer zu übertreffen. Sie seufzte. Nicht dass es genug gewesen wäre im Finale zu versagen. Nein, jetzt würde sie sich neben all diesen hervorragenden Schützen auch noch zum Narren machen.
Nach Haldir wagte Graf Fryderyk sich auf den Platz. Sein Mienenspiel verriet eine ähnliche Gefühlslage wie Ravenas. Er war sich durchaus im klaren, dass er nicht den Hauch einer Chance hatte und wollte diese Aufgabe nun so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er sprach kurz einige Worte zu einem Diener, der darauf nickte und verschwand. Als er etwas später wieder kam, hatte er einen Korb voller Äpfel dabei. Ein genauer Beobachter hätte nun einen roten Schimmer auf den Wangen von zwei Teilnehmern beobachten können, doch alle blickten gespannt auf das Geschehen in der Mitte des Platzes. Graf Fryderyk machte sich bereit. Als der Diener nun in einem schnellen Tempo die Äpfel in die Luft warf, tat der Graf sein bestes um jeden mit einem Pfeil zu durchschießen. Nur einmal schoss er daneben. Auch diese Vorstellung erntete nicht wenig Beifall. Doch man war sich bewusst, dass sie nicht an Haldirs Leistung heranreichen konnte.
Als nächstes traute sich Glorfindel. Mit beschwingtem Schritt ging er zu der 200Schritt Markierung. Verwundert beobachteten die Zuschauer seine Schussvorbereitungen. Er würde doch nicht nur einen gewöhnlichen Schuss auf die Zielscheibe bieten? Oh doch, er würde. In seiner, ihm typischen, Eleganz schoss er einen Pfeil ins Schwarze- und erntete nur nachdenkliches Gemurmel. Lächelnd über die Reaktion des Volkes fischte er einen weiteren Pfeil aus seinem Köcher. Diese Aktion wurde von einem allgemeinen "AHHH" begleitet. Was hatte er vor? Erneut legte er einen Pfeil an und schoss ihn dem ersten hinterher. Ein überraschter Aufschrei ging durch das Publikum als es sah, dass dieser zweite Pfeil den ersten gespalten hatte. Nun endlich kam Glorfindel zu seinem verdienten Jubel. Indessen fragte Ravena sich wie die Jury bei diesen Leistungen zu einer einmütigen Entscheidung gelangen wollte.
Der nächste war Legolas. Ihr Herz machte einen kleinen Aussetzer. Was er wohl im Sinn hatte? Er lief geschwind in Richtung der Zuschauerränge und stoppte vor einer jungen Dame, die kaum älter als Ravena sein mochte. Irritiert schaute sie ihn mit ihren großen Augen an. Sie konnte nur schwer ein Kichern unterdrücken, als Legolas sich vor ihr verbeugte und ihre Hand küsste.
"Dämliche Ganz", dachte Ravena mit einem Stich im Herzen. Ob er sich gegenüber jeder Frau in einer solchen Weise benahm? Sie versuchte sich das mit der zum Wettbewerb gehörenden Show zu erklären. Doch weshalb musste er ihr dann so lange in die Augen schauen? Ravena erkannte sich selbst nicht mehr. Eifersucht! Sie war noch nie besonders eifersüchtig gewesen und nun erwischte es sie ausgerechnet in einer Situation, in der sie eigentlich einen kühlen Kopf gebraucht hätte. Sie war irritiert von diesen neuen Gefühlen.
Gebannt beobachteten alle den Prinzen.
"Meine Dame, ob sie wohl die Güte hätten mir ihr Haarband für diese Aufgabe zu borgen?", sprach Legolas mit einem unwiderstehlichen Lächeln. "Ich gebe ihnen mein Wort darauf, dass sie angemessen entschädigt werden."
Mit einem weiteren Kichern löste das Mädchen ihr rotes Band aus dem Haar und reichte es dem Prinzen, der es mit einem weiteren Handkuss entgegennahm, bevor er wieder zurück auf den Platz lief. Was würde er nun tun?
Der schöne Elb hielt, wie bei einem Sprechrohr, seine Hände um den Mund und amte sehr gekonnt das Zwitschern eines Rotkehlchens nach. Auf allen Gesichtern stand pure Überraschung geschrieben, als einige Sekunden später tatsächlich ein einziges Rotkehlchen seinen Weg zu Legolas Hand fand. Allein für diese Vorstellung bekam er nicht wenigen Applaus. Für einen Moment schien es, als flüstere er dem Vögelchen etwas zu. Anschließend band er das Haarband um ein Beinchen des Tieres. Nun winkte er einen Diener zu sich heran, den er bat, den Vogel für einen kurzen Augenblick zu halten. Immer noch herrschte völlige Ratlosigkeit unter den Zuschauern, die noch weiter zunahm, als sie sahen, wie der Prinz sich die Augen verband. Ravena glaubte bereits zu wissen was er vorhatte.
Tatsächlich bat Legolas den irritierten Diener dann auch dem Vogel wieder seine Freiheit zu schenken. Als man von dem Rothkehlchen außer einem roten Pünktchen nichts mehr sah, schoss er einen Pfeil in den Himmel- scheinbar ins leere. Sekunden vergingen bis er wieder zu Boden fiel- mit einem roten Band an seiner Spitze. Legolas hatte es blind geschafft das Band des Vogels zu treffen, ohne ihn dabei zu töten. Die Zuschauer hielt es nun nicht mehr auf ihren Sitzen. Frenetisch feierten sie den Prinzen.
"Nun Haldir, wie fandest du das?", fragte er mit einem schelmischen Grinsen seinen Freund.
"Wie ich bereits sagte, die Liebe verleit dir Flügel.", konterte der Angesprochene.
Ravena war fassungslos. Diese Leistung war unbestreitbar überragend und dennoch hatte es sie auf eine Idee gebracht. Aber zunächst gab sie Herzog Randulf den Vortritt.
Der rief seinen Knappen zu sich und befahl ihm sein Pferd zu bringen. Als sein schwarzer Hengst vor ihm stand, setzte er geschickt auf und ritt eine Runde um den Platz. Man war gespannt auf seine Vorstellung. Als er hinter der Zielscheibe hervorkam und ihr den Rücken zukehrte, drehte er sich plötzlich in seinem Sattel, sodass er nun rittlings auf dem Pferderücken saß. Im gleichen Augenblick hatte er auch schon einen Pfeil angelegt und ihn mitten im Ritt ins Schwarze befördert. Als er wieder richtig herum in seinem Sattel saß, zollten ihm die Zuschauer mit einem begeisterten Applaus Respekt.
Nun war es an Ravena ihr Können unter Beweiß zu stellen. Die Augenbinde des Elbenprinzen hatte eine Erinnerung in ihr geweckt. Ihr früherer Lehrer hatte Wege und Möglichkeiten entwickelt sie auswegslose Situationen spielerisch üben zu lassen. Sie beschloss nun eine dieser Methoden anzuwenden. Das erforderte allerhöchste Konzentration, denn nur der geringste Fehler würde sie den gesamten Überraschungseffekt kosten. Ravena ging also mit klopfendem Herzen auf die 100Schritt Markierung zu. Die Zuschauer fragten sich gespannt, wie dieser Bursche sich zwischen all den gestandenen Männern behaupten würde. Als sie die Markierung erreicht hatte, überraschte sie alle, indem sie sich ebenfalls die Augen verband. Ravena schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Sie hatte in den letzten Tagen wirklich genug Pfeile abgeschossen um ein blindes Gespür für ihren Bogen zu erlangen. Nur mit Hilfe ihrer Erinnerung und ihrem Instinkt zielte sie auf die Scheibe- und schoss. Von den Zuschauern war als Antwort auf ihren Schuss nur ein bedauerndes "ohhh" zu vernehmen, denn der Pfeil steckte genau zwischen dem dritten und dem äußeren Kreis. Ravena konnte natürlich nicht erkennen, wo genau ihr Pfeil sein Ziel gefunden hatte, doch mit der Reaktion der Zuschauer erst einmal zufrieden, legte sie ein zweites Geschoss an. Plötzlich schwieg das Publikum vollkommen verwirrt. Ravenas zweiter Pfeil landete etwa 45° von dem ersten Pfeil- wieder zwischen dem dritten und dem vierten Kreis.
Aus dem Schweigen der Zuschauer schloss sie, dass sie noch nicht daneben geschossen hatte. Sie begannen zu ahnen was sie vorhatte. Jetzt galt es nur nicht die Nerven zu verlieren. Ihr dritter Pfeil landete weitere 45° von ihrem zweiten entfernt. Jetzt begann auch der letzte ihr Vorhaben zu verstehen und ein Raunen ging durch die Menge. Sie hatte doch tatsächlich vor, blind einen Kreis aus Pfeilen zu schießen. Mit äußerster Konzentration schickte sie ihren vierten Pfeil auf seine kurze Reise. Dem Jubel nach zu Urteilen hatte sie ihn erneut richtig platziert. So schoss sie Pfeil um Pfeil weiter, bis- ja bis der Kreis geschlossen war. Sie nahm die Augenbinde ab und erkannte, dass jeder Pfeil sein Ziel getroffen hatte. Erleichterung kam über sie und mit einem Lächeln erkannte sie, das ihre Augenbinde nass geschwitzt war. Die Zuschauer standen regelrecht auf ihren Sitzen um sie zu feiern. Mit einem Blick zu ihren Konkurrenten konnte sie auch deren Überraschung und Respekt erkennen. Doch tief in ihrem Inneren meldete sich plötzlich ein ganz ungutes Gefühl. Vielleicht hätte sie doch auf Siägäs Rat hören und das Turnier verlieren sollen.
Wie zu Beginn des Turniers standen die sechs vor ihrem König um sein Urteil zu vernehmen. Es hatte lange gedauert, bis die Jury zu einer Entscheidung gekommen war.
"Ihr edlen Bogenschützen habt in dieser Konkurrenz euer Können erneut bewiesen und bestätigt. Es fiel uns nicht leicht einen Sieger zu bestimmen- hatten doch alle Vorstellungen etwas Besonderes. Dennoch kamen wir zu einem Ergebnis. Der Sieger dieses Wettstreits ist Landewin, Lodewiks Sohn." Ravena war wie betäubt. Sie traute ihren Ohren kaum. Hatte der König sie gerade wirklich zum Gewinner erklärt? Schon sah sie sich von ihren Konkurrenten eingekreist und beglückwünscht.
Die Zuschauer jubelten so frenetisch, dass es den König einige Zeit kostete um erneut zu Wort zu kommen.
"Landewin, du hast wahrlich gezeigt, dass du würdig bist diesen Sieg davon zutragen. Deswegen wirst du uns auch nicht ganz ohne eine Belohnung entkommen"
Ravena horchte auf. Belohnung? Sollte sie etwa doch noch das Geld gewinnen, sodass sie Tarek würde retten können?
"Als Belohnung wist du einen Kuss von der Königin bekommen."
WAS? Das durfte jetzt nicht wahr sein. Sie konnte sich nicht einfach von der Königin küssen lassen. Immerhin war Ravena eine Frau. Weshalb nur beschlossen Männer immer in den ungünstigsten Augenblicken ihre Eifersucht zu überwinden?
Doch es nutzte alles nichts. Die Königin war bereits aufgestanden und machte ihren Weg auf sie zu. Ravena wich ängstlich einen Schritt zurück. Das Volk jubelte und amüsierte sich köstlich über den schüchternen Jungen. Jeder andere hätte die Gelegenheit sofort beim Schopfe gepackt, doch Ravena machte einen letzten Versuch, um sich aus dieser Situation zu befreien.
"Aber...aber das geht doch nicht...ich...ich bin nicht würdig..." Ihre Wangen brannten verdächtig.
Doch die Königin lächelte sie nur an.
"Du hast bewiesen, dass du würdig bist." Sie hatte Ravena fast erreicht. Was sollte sie nur tun? Als die Königin gerade im Begriff war den letzten Schritt zwischen sich und Ravena zu schließen, zog sie in einer Abwehrreaktion ihren Hut vors Gesicht- und ließ somit ihre langen Haare über ihren Rücken fallen.
Man hörte Hunderte von Kehlen gleichzeitig nach Luft schnappen. Eine Frau?
Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Nichts und niemand rührte sich. Jeder starrte ungläubig auf den roten Haarschopf- nicht zuletzt Legolas. Er konnte nicht fassen, was seine Augen ihm offenbarten. Er kante nur eine Person mit einer solchen Haarfarbe. Aber das war doch nicht möglich, oder doch?
Ravena wünschte sich indessen nichts lieber als ein riesengroßes Loch in dass sie versinken könnte und dass sie nie wieder frei geben würde. Plötzlich realisierte sie, dass ihr der Wunsch höchstwahrscheinlich schneller erfüllt werden wird, als ihr lieb sein konnte: ein Kerkerloch wird sich für sie öffnen. Sie stand immer noch wie erstarrt vor ihrer Königin, den Hut vors Gesicht gepresst um ihre roten Wangen zu verbergen und aus Angst den Konsequenzen ihres Handelns zu begegnen. Sie war so verschreckt, dass sie sogar vergaß sich vor den König zu werfen und um Vergebung zu betteln. Also blieb sie stehen, doch als nach einigen Sekunden, die ihr wie Stunden vorkamen, immer noch niemand reagiert hatte, lugte sie vorsichtig über dem Hutrand hervor. Als sie sich den überraschten Augen ihrer Königin gegenübersah, verbarg sie ihr Gesicht schnell wieder hinter dem Hut.
Doch plötzlich bemerkte sie, wie jemand sanft den Hut aus ihren völlig verkrampften Fingern befreite. Gezwungenermaßen schaute sie auf. Mit erstaunen registrierte sie, wie die Königin sie anlächelte. Wie so oft in den letzten Tagen war sich Ravena auch diesmal nicht sicher, was sie von dieser Situation halten sollte. Doch der König würde ihr unmöglich noch ein zweites mal vergeben- hatte er bei ihrem ersten Zusammentreffen doch bereits seine Gnade walten lassen.
Immer noch hatte niemand ein Wort gesprochen. Jeder wartete gespannt
auf eine Reaktion König Elessars, die dann auch prompt kam- er
lachte. Ungläubig schaute Ravena ihn an. Er lachte so herzhaft
wie man es selten bei ihm beobachten konnte. Sie hatte alles, aber
nicht das erwartet. Würde sie dann vielleicht doch nicht
eingekerkert werden oder war es nur die Freude darüber, dass er
sie endlich hinter Schloss und Riegel schließen konnte? Auch
die Königin fiel mit einem glockenhellen Lachen mit ein.
"Es
scheint, dass wir uns schon einmal begegnet sind, meine Dame.",
sprach er schließlich mit einem Lächeln.
"Ja-a, Eure Majestät." Wieder einmal griff Verwirrung Ravenas Geist. Weshalb nur schien der König sich immer so köstlich über ihre Zusammentreffen zu amüsieren?
"Ravena, oder nicht?"
Oh nein, er erinnerte sich sogar noch an ihren Namen.
"Ja-a. Ravena Dunkirk, Eure Majestät."
Dunkirk, aber natürlich! Weshalb nur war ihm der Name nicht schon bei ihrem ersten Zusammentreffen aufgefallen? Allein diese Haarfarbe hätte schon genügen müssen um sie als eine Dunkirk zu identifizieren. Aber konnte es wirklich möglich sein?
"Na, Legolas, vielleicht solltest du dann Arwens Aufgabe übernehmen?", amüsiert beobachtete Aragorn, wie der Elb aus seiner Starre erwachte. Sollte der Zwerg am Ende mit seinen Mutmaßungen über die Verliebtheit des Prinzen Recht behalten?
Auch Ravena blieb der in Bewegung kommende Elb nicht verborgen. Sie wusste nicht, ob sie einen feuchten Kerker nicht doch lieber dieser Situation vorgezogen hätte. Schon wieder war sie hilflos der Gnade ihres Königs ausgeliefert. Gehetzt blickte sie um sich, um nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen. Sie wich vor dem näher kommenden Elben wie ein in die Enge getriebenes Tier zurück. Sie wollte sich gerade umdrehen und das Weite suchen, als sie einen festen Griff um ihr Handgelenk spürte, der sie mit aller Wucht wieder zurückriss. Ravena merkte wie sie an der Brust des Elben landete. Sie wollte wieder fliehen, doch der umsichtige Elb hatte bereits eine Hand auf ihren Rücken gelegt, sodass sie keine Chance hatte ihm zu entkommen. Mit seiner anderen Hand strich Legolas sanft über ihre Wange, bevor er ihr Kinn hob und sie somit zwang ihm in die Augen zu sehen.
In dieser Sekunde gab Ravena ihren Widerstand auf. Seine Nähe berauschte sie. Sie nahm seinen frischen Geruch und die Intensität seiner Augen war. Doch Plötzlich umspielte ein teuflisches Grinsen seine Lippen. Sofort war Ravena wieder angespannt und bereit zu fliehen. Doch damit erreichte sie lediglich, dass sein Griff noch fester wurde. Legolas würde sie nicht entkommen lassen. Er beugte sich zu ihr herab und bedeckte schließlich ihre Lippen sanft mit den seinen. Ravena riss vor Schreck und Überraschung weit die Augen auf. Dieser dämliche Elb hatte es also wirklich gewagt sie zu küssen. Schon wieder befand sie sich in einer Situation, über die sie nicht die Kontrolle hatte. Doch dann verabschiedeten sich ihre Gedanken. Sie Sanftheit seiner Lippen spürend, schloss sie ihre Augen und konnte nicht anders, als seinen Kuss erwidern.
Legolas jubelte innerlich als sie seinen Kuss erwiderte. Nachdem sie vorher wie ein gehetztes Tier gewirkt hatte, war er sich nicht sicher gewesen, wie sie reagieren würde. Doch nun schien sie sich langsam zu entspannen. Ihre Lippen waren so süß- er würde sie nie wieder aus seinen Armen entlassen.
Plötzlich vernahmen die beiden ein Räuspern. Erschreckt ließen sie voneinander ab. Ravena hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wie lange hatten sie sich geküsst? Sekunden, Minuten, Stunden? Sie war unfähig es zu sagen.
"Es tut mir leid Euch unterbrechen zu müssen", meinte Aragorn mit einem Augenzwinkern. Sah er da etwa einen Rotschimmer auf den Ohren des Elben? Ravenas Wangen waren ebenfalls verdächtig rot geworden. "Lady Ravena, es würde mir eine Ehe sein sie heute Abend auf dem Ball begrüßen zu dürfen." Damit stand er auf und entfernte sich mit einem letzten Winken in Richtung der Zuschauer, vom Platz.
WAS? Diese vielen unverhofften Wendungen und der Kuss begannen sie langsam an ihrem Verstand zweifeln zu lassen. War sie etwa schon wieder ohne die geringste Bestrafung entkommen- und zu einem Ball eingeladen worden? Verwirrt ergriff sie nun wirklich die Flucht. Legolas sah ihr amüsiert hinterher. "Bis heute Abend, Melamin."
