Kapitel 7
Teil 2
Sobald Legolas und Ravena sich gesetzt hatten, wurde das Mädchen von allen aufmerksam beäugt. Wurden da nicht gar einige wissende oder amüsierte Blicke ausgetauscht? Was ging hier vor? Sie blickte kurz zu Legolas, doch der schien von all dem nichts mitbekommen zu haben- oder sich zumindest nichts anmerken zu lassen. Vielleicht hatte sie es sich in ihrer Nervosität auch nur eingebildet. Sie atmete tief durch. Wenn sie nicht bald ruhiger werden würde, würde wirklich noch etwas Schreckliches schief gehen.
"Es freut mich, dass Ihr heute Abend hier seid, Ravena." Sie zuckte etwas zusammen, als der König sie direkt ansprach.
"Es ist mir eine Ehre hier sein zu dürfen, Eure Majestät." "Eine Ehre, die ich eigentlich gar nicht verdient habe", setzte sie in Gedanken hinzu. Sie fragte sich immer noch, was genau den König dazu bewogen haben mochte, sie für ihre Täuschung auch noch zu belohnen. Vielleicht würde sie es noch schneller erfahren, als es ihr lieb sein konnte.
"Die Ehre liegt ganz auf unserer Seite." Noch bevor sie sich über die Worte der Königin wundern konnte, fuhr diese auch schon fort: "Es findet sich selten jemand, der es so leicht mit Herzog Randulf, geschweige denn mit Legolas aufnehmen kann." Wieder wurde Ravena rot. Beinahe schien es, als habe die Königin diesen letzten Teil zweideutig gemeint. Als das Mädchen die übrigen Gesichter am Tisch betrachtete, bemerkte sie, dass sie ausschließlich freundlich gesonnen waren. War denn wirklich niemand über ihr Verhalten erzürnt? Plötzlich fiel ihr auf, dass sie sich noch nicht einmal entschuldigt hatte.
"Aber...aber das habe ich nicht verdient. Ich meine..." Sie wusste nicht mehr weiter.
"Ihr meint, Ihr habt es nicht verdient heute Abend hier zu sein, weil Ihr durch Eure Verkleidung, nicht nur Euren König, sondern das gesamte Publikum getäuscht habt?", half König Elessar ihr nach. Ravena blieb nichts anderes übrig, als demütig den Kopf zu senken. Doch plötzlich vernahm sie schon wieder dieses amüsierte Lachen. Erstaunt blickte sie ihren Herrscher an. Ihr tollpatschiger Entschuldigungsversuch und ihr verwirrter Gesichtsausdruck brachte nun auch die übrigen dazu in Aragorns Lachen mit einzufallen. Ihre Wangen verfärbten sich noch mehr. Wieder einmal hatte sie sich komplett der Lächerlichkeit preisgegeben- sicherlich nicht zum letzten Mal an diesem Abend.
"Ich muss gestehen, dass ich durch ein Bogenschießturnier schon lange nicht mehr so gut unterhalten worden bin. Allein Haldirs Gesichtsausdruck nach Eurer Demaskierung war schon Grund genug Euch zu belohnen." Ravena war verblüfft. Ihr König schien nicht nur weise zu regieren, sondern auch eine gute Portion Humor zu haben. Doch Haldir schien nicht geneigt, diesen Seitenhieb unkommentiert wegzustecken.
"Was heißt hier MEIN Gesichtsausdruck, Aragorn? Es war doch Legolas, dem beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen sind." Legolas waren fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als er sie erkannt hatte? Schnell hatte sie sich von einem schelmisch grinsenden Haldir ab- und dafür ihrem Tischherrn zugewandt. Sie hätte schwören können, dass seine Ohren sich gefährlich ins rötliche verfärbt hatten. Doch bevor sie sicher sein konnte, war es auch schon wieder verschwunden.
"Ja Legolas, eigentlich hättest gerade du es besser wissen müssen. Nach all euren merkwürdigen Zusammentreffen war doch so ein Wiedersehen die einzige mögliche Konsequenz." Ravena wusste nicht ob sie nun belustigt oder entsetzt sein sollte. Wieso schienen bereits alle von ihren Zusammentreffen zu wissen? Was genau hatte Legolas oder der Zwerg ihnen erzählt? Bestimmt nichts Gutes. Immerhin ist sie ihnen einmal im Nachtgewand vor die Füße gefallen und nackt beim Baden erwischt worden. Einmal mehr wünschte sie sich ein Loch um darin zu versinken.
"Nein Pippin", Gimli sah sich gezwungen seinem Ruf ein weiteres Mal alle Ehre zu erweisen. "Bedenkt man die peinlichen Umstände ihrer Zusammentreffen, wäre die einzige mögliche Konsequenz ein Pfeil in Legolas Hintern gewesen." Daraufhin brach der gesamte Tisch in Lachen aus- nur Legolas und Ravena wussten nicht so recht wo sie hin schauen sollten.
Der Elbenprinz konnte es nicht fassen, dass seine Freunde ihm so in den Rücken gefallen waren. Spätestens nach ihrem leidenschaftlichen Kuss vor ganz Gadara waren die Gefühle, die er dieser Sterblichen entgegenbrachte für alle offensichtlich gewesen und nun schienen sie alles zu tun um ihn vor Ravena lächerlich zu machen- einmal ganz davon abgesehen, dass sie, dem Grad ihrer Wangenrötung nach zu urteilen, auch peinlich berührt zu sein schien. Glücklicherweise kam einer weiteren Erwiderung Pippins das Servieren des Abendmahls zuvor- etwas, dass jeden Hobbit ruhig stellte.
Während sie ihre Suppe auslöffelte, dankte Ravena allen Göttern für die gute Erziehung ihrer Mutter. Wenn sie im zarten Alter von neun Jahren auch nie wirklich eingesehen hatte, weshalb man seine Suppe nicht schlürfen oder aufsetzen durfte, war sie nun überglücklich darüber, dass ihre Mutter stets peinlich genau auf ihre Tischmanieren geachtet hatte. Sie hoffte inständig, noch einmal eine Chance zu bekommen, um Ihr dafür zu danken.
"Ravena, erlaubt Ihr mir eine Frage zu stellen?" Erstaunt wandte sie sich an Gandalf. Er hatte sie, von ihrer Begrüßung einmal abgesehen, den ganzen Abend noch nicht angesprochen und sich stattdessen mit Lord Elrond unterhalten. Er hatte immer noch diese wissende Aura um sich- gerade so als könne man nichts vor ihm verbergen. Ein Umstand, der Ravena ganz und gar nicht behagt hätte, wenn sich ihr nicht schon längst der Eindruck aufgezwungen hätte, dass er ihr nichts Böses wollte.
"Aber sicher.", nickte sie. Sie fragte sich was nun wohl kommen würde.
"Woher stammen sie?"
"Wie bitte?", Ravena war ehrlich überrascht. Wie konnte er nur wissen, dass sie nicht aus Gadara kam?
"Nun, ihr Akzent. Ihr habt ihn beinahe dem hiesigen angepasst, aber dennoch lässt sich etwas Fremdes darin wieder finden." Sie war verblüfft. Ravena war sich nicht darüber im Klaren gewesen, dass sie mit Akzent sprach.
"Ithilien- ich bin in Ithilien geboren worden." Legolas horchte auf.
"Ithilien!", Ravena schaute den Elbenprinzen mit ihren großen Augen an. Fast amüsierte sie seine kindliche Erregung, die ihn bei der Nennung dieses Namens ergriffen hatte. "Es ist wunderschön dort. Die ithilischen Wälder sind einmalig in diesen Gefilden." Verträumt schloss Legolas die Augen und dachte an dieses Land, dass ihm gleich bei seinem ersten Aufenthalt dort ans Herz gewachsen war. Damals, während den Ringkriegen, hatte er nicht die Gelegenheit gehabt es näher kennen zu lernen, doch er hatte sich geschworen das eines Tages nachzuholen- vielleicht sogar eine Kolonie zu gründen. Konnte es Zufall sein, dass die Frau, die sein Herz erobert hatte, ausgerechnet aus diesem Land stammte?
"Ja, das sind sie.", Ravena lächelte Legolas mit einem einnehmenden Lächeln an. Das ihre Heimat, die sie so liebte, solch eine Begeisterung in ihm auslösen konnte, gefiel ihr. Legolas gefiel indessen Ravenas Lächeln. Was gäbe er dafür, es jeden Tag auf ihr Gesicht zaubern zu können- es stand ihr mindestens so gut wie ihre Röte.
"Ithilien also", murmelte Gandalf nun in seinen langen Bart, "hm, hm, interessant. Wirklich interessant." Ravena, die nur die Hälfte seiner genuschelten Worte verstanden hatte, wunderte sich. Auch die übrigen am Tisch warteten gespannt auf eine Erklärung Gandalfs:
"Interessant?" Das riss den Zauberer wieder aus seinen Gedanken. Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln.
"Ja, sehr sogar.", er machte eine kleine Pause, nur um dann verschmitzt fortzufahren: "Verzeiht mir die Anspielung bitte, aber ich kenne nur einen Dunkirk mit einer solchen Haarfarbe. Ihr seid nicht zufällig Ulferts und Saphrias Tochter?" Ravena hätte sich beinahe an ihrem Essen verschluckt. Woher kannte dieser Zauberer ihre Eltern? Auch die anderen waren ehrlich überrascht- immerhin hatten sie Ravena für ein gewöhnliches Bauernmädchen gehalten- und nun stellte sich heraus, dass Gandalf der Weiße ihre Eltern kannte? Wie war das möglich?
"Dann ist es also wahr!", wandte sich nun auch Aragorn zu Gandalf, "Ihre Bewegungen hatten während dem Turnier schon etwas vertrautes- doch mir wollte nicht einfallen woher."
Verwirrung ergriff Ravena. Was wurde hier gespielt?
"Ihr...Ihr kennt meine Eltern?", fragte sie schüchtern, von einem zum anderen blickend.
"In der Tat." Mit einem fast bedauernden Lächeln fuhr Aragorn fort: "Allerdings geht diese Bekanntschaft noch auf meine Zeit als Waldläufer zurück. Das letzte mal als ich die Ehre hatte ihnen einen Besuch abzustatten, war gerade Euer Bruder Vilem geboren worden."
"Vilem", wiederholte Ravena den Namen wie in Trance. Wie lange schon hatte sie niemanden mehr seinen Namen aussprechen gehört? - und nun geschah es ausgerechnet durch ihren König. Vilem war der drittälteste Sohn seines Vaters und Ravenas liebster Bruder. Ständig waren sie gemeinsam durch die Wälder gestreift oder hatten allerhand Streiche ausgeheckt. Nie war ihm die kleine Schwester ein Klotz am Bein gewesen- konnte sie sich doch besser prügeln als jeder Bursche aus dem Dorf. So jung sie auch damals noch gewesen war- als er sich Faramir angeschlossen hatte, hatte es ihr beinahe das Herz gebrochen. Sie hatte keinen ihrer Brüder jemals wieder gesehen. Niemand wusste, was aus ihnen geworden war. Höchstwahrscheinlich waren sie gefallen. Bei diesen traurigen Gedanken zog sich ihr Herz zusammen. Doch plötzlich bemerkte sie, dass eine Frage immer noch nicht geklärt worden ist:
"Aber woher kennt Ihr meine Eltern?" Auch wenn Aragorn damals noch kein König gewesen war- ihre Eltern hätten ihr doch bestimmt von solch einem bemerkenswerten Mann erzählt.
"Bevor Euer Vater Eure Mutter kennen und lieben gelernt hatte, streiften wir gemeinsam durch Mittelerde und hatten dabei so manches Abenteuer zu bestehen.", der König musste in seiner Erinnerung laut auflachen, "Er hat mir so manches mal das Leben gerettet. Doch leider wurde ich kurz nach der Geburt Eures Bruders von anderen Dingen in Beschlag genommen.", Aragorn musste an die Jahre vor Saurons Auferstehung denken. Schon damals hatten sich die bösen Omen verdichtet und er war gemeinsam mit Gandalf bemüht, ihnen auf den Grund zu gehen. "Ich bedaure es zutiefst, in all diesen langen Jahren nicht die Möglichkeit gehabt zu haben, ihn und Eure Mutter zu besuchen."
Nicht nur in Ravena machte sich Erstaunen breit. Welche Wendungen würde dieser merkwürdige Abend wohl noch bereithalten? Plötzlich musste der König schmunzeln.
"Aber ich sehe an Eurer Verblüffung, dass Ihr anscheinend nichts von alldem wusstet."
"Nein", gab Ravena nun verschämt zu, "nicht dass ich mich erinnern könnte." Doch Plötzlich schaltete sich Frodo ein.
"Ihr müsste wissen, dass Aragorn viele Namen hat.", meinte er bedächtig, "vielleicht hatte Euer Vater ihn anders genannt. Uns selbst stellte er sich das erste Mal als Streicher vor." Die Hobbits kicherten bei dem Gedanken an das Missverständnis, das ihr erstes Zusammentreffen mit sich gebracht hatte. Indessen weckte der Name in Ravena eine Erinnerung.
"Streicher", meinte sie nun bedächtig lächelnd, "ich erinnere mich an eine Menge Geschichten, die von einem Streicher handelten. Mein Vater erzählte sie mir immer vor dem Zubettgehen." Ihre kindliche Aufgeregtheit brachte alle am Tisch zum Schmunzeln. Ihr Vater ein Freund des Königs, wer hätte das gedacht?
"Und mich hat er etwa ausgelassen?" Mit gespielter Empörung mischte sich nun der Zauberer wieder ein. Ravena konnte nicht anders als lachen.
"Nein, natürlich nicht", meinte sie kichernd, "Die Abenteuer von Gandalf und Streicher gehörten zu meinen Lieblingsgeschichten. Ich hielt sie immer für Märchen. Wer hätte gedacht, dass sie wahr sein könnten?"
Gandalf betrachtete sie aufmerksam. "Wisst Ihr, Ihr seid Eurem Vater nicht unähnlich- nicht zuletzt wegen Euren Haaren, wenn ich das einmal anmerken darf." Verlegen senkte sie die Augen. Wie hatte sie sich früher immer gewünscht, wenigstens etwas von der Schönheit ihrer Mutter geerbt zu haben. "Doch die Augen habt ihr eindeutig von Eurer Mutter", fuhr Gandalf versonnen fort. "Wie geht es Euren Eltern?" Plötzlich wurde Ravena wieder ernst, denn erneut ergriff die Trauer ihr Herz.
"Ich weiß es nicht", gab sie schließlich leise zu. Als sie in die fragenden Gesichter der Übrigen sah, ergänzte sie mit einer traurigen Stimme: "Während einem Angriff auf unser Dorf wurde ich von ihnen getrennt. Ich habe sie niemals wieder gefunden. Ach, wie hoffe ich, dass sie noch am Leben sind. Seit damals habe ich mich alleine durchs Leben geschlagen." Ravena hoffte, dass sie sich damit zufrieden geben würden. Zu sehr brannten die grausamen Erinnerungen noch in ihr, als dass sie sie hier vor so vielen unbekannten Menschen hätte offenbaren können- wahrscheinlich würde sie nie dazu in der Lage sein. Außerdem erkannte sie, wie nah ihre Aussagen dem König und Gandalf gegangen waren. Sie wollte sie nicht noch weiter beunruhigen.
Plötzlich spürte sie eine sanfte Berührung. Als sie nach unten schaute, sah sie, dass Legolas unauffällig ihre Hand ergriffen hatte. Überrascht blickte sie ihm direkt in die wunderschönen Augen, die nun tiefes Mitgefühl verrieten. Beinahe zärtlich drückte er ihre Hand.
"Das tut mir Leid!", flüsterte er ihr zu. "Ich hoffe, dass Ihr eines Tages die Chance haben werdet Eure Familie wieder zutreffen." Dankbar lächelte Ravena ihn an. Er hatte sie aus der Trauer, die sie zu überwältigen drohte, wieder herausgerissen. Auch Aragorn und Gandalf schienen sich wieder zusammenzureißen. Die Kriege hatten so viele Opfer gefordert- und dennoch hatten sie hier eine ganz besondere junge Frau vor sich sitzen.
"Euer Vater wäre heute sehr stolz auf Euch gewesen, Ravena." Überrascht sah sie ihren König an. Er lächelte. "Jetzt ist mir auch klar, woher ihr Euer Talent habt. Ulfert konnte es ohne Schwierigkeit mit jedem Elben Mittelerdes aufnehmen. Es tut mir Leid das sagen zu müssen, Legolas, aber du hattest von Anfang an noch nicht einmal den Hauch einer Chance gehabt." Der Elbenprinz war alles andere verärgert über Aragorns Kommentar. Er schaute zu Ravena und spürte die Wärme ihrer Hand, die er noch immer in seiner hielt. Er hatte bereits bei ihrem ersten Treffen keine Chance mehr gehabt- brauchte sie ihn doch nur anzusehen um ihn zu entwaffnen.
Als man das Mahl beendet hatte, begann das Orchester zum Tanz aufzuspielen. Gemeinsam begab man sich nach draußen, wo die großen Terrassen und Gärten zum Tanzen hergerichtet worden waren. Für die, die es nach einer kleinen Pause verlangte waren wunderschön verzierte Stühle und Tische aufgestellt worden. Es war eine warme, sternenklare Nacht. Ravena, wieder an Legolas Arm, war sprachlos über den sagenhaften Anblick. Sie fragte sich welche Überraschungen an diesem merkwürdigen Abend noch auf sie warten würden. Hoffentlich erwartete man nicht von ihr zu tanzen. Sie konnte sich nicht erinnern jemals solche Schuhe getragen zu haben. Es würde in einem Desaster enden.
"Würden sie mir die Ehre erweisen, mir diesen Tanz zu schenken, meine Dame?" Umsonnst gehofft. Angesichts der Stimme des Elbenprinzen fuhr sie zusammen.
"Nein", gab sie erschrocken zurück.
Legolas war angesichts ihrer Absage enttäuscht. Wie gerne würde er sie ganz ungeniert in seinen Armen halten und ihre Nähe spüren können. Doch das Nein war ihm etwas zu früh gekommen, als dass er sie so leicht aufgeben hätte.
"Nein?" Er zog eine Augenbraue hoch.
"N...ein." Ravena verfluchte sich schon wieder für ihre Plumpheit. Noch nicht einmal einen Korb konnte sie angemessen austeilen.
"Wieso nicht?" Legolas blickte ihr tief in die Augen. Dabei griff er nach ihrer Hand und liebkoste sie zärtlich mit seinen Fingern. Ravena merkte wie ihr Widerstand schwand. Weshalb nur konnte dieser dämliche Elb einfach kein Nein akzeptieren? Aber wollte sie das überhaupt? Sie konnte ihm doch nicht sagen, dass sie nicht tanzen konnte- zumindest nicht die Standarttänze der Adeligen und ganz bestimmt nicht in diesen Schuhen. Sie würde sich einmal mehr lächerlich machen. Doch auf der anderen Seite wollte sie auch Legolas nicht verletzten.
"Ich..."
"Ja?"
"Ich kann nicht tanzen.", flüsterte sie ihm verlegen ins Ohr. Ihr Atem, der dabei die empfindliche Spitze seines Ohres streifte raubte ihm alle Sinne. Dennoch seufzte er erleichtert auf. Es lag also nicht an ihm. Ein Lächeln breitete sich auf seinem schönen Gesicht aus.
"Das glaube ich Euch nicht. Jeder kann doch Tanzen.", meinte Legolas mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt.
"Aber nicht so." Dabei deutete sie auf die eleganten Paare, die sich grazil über die Tanzfläche bewegten. Jetzt ließ Legolas ein herzliches Lachen hören. Ravena war so herrlich erfrischend. Er merkte, dass sie in dieser, ihr unbekannten, Welt unglaublich nervös war, doch sie schlug sich gut- besser als jeder es vermutet hätte.
"Ach was. Nun kommt schon.", meinte der Prinz, bevor er sie mit einem schelmischen Grinsen packte und hinter sich zur Tanzfläche herzog. Ravena konnte es nicht fassen. An diesem Abend würde ihr auch nichts erspart bleiben. An ihrem Ziel angekommen, legte Legolas beschwingt seinen rechten Arm um ihre Hüfte, während er seine linke Hand in ihre legte. Ravena gab sich schließlich geschlagen. Sich ihrem Schicksal fügend, legte auch sie ihm ihre Hand auf die Schulter. Doch irgendetwas schien sie falsch zu machen, denn der Elb sah sie mit fragenden Augen an.
"Was?", fragte sie verunsichert.
Plötzlich spürte sie, wie er sie packte und ganz eng an sich heranzog.
"Das!", meinte er nun mit einem schon wesentlich zufriedeneren Grinsen. Ravena schluckte. Sie sog Legolas betörenden Geruch ein. Er roch so frisch wie eine grüne Wiese nach einem Sommerregen. Seine Arme fühlten sich so stark an. Sie war froh darüber, dass der Elb sie so fest hielt, denn ihre Beine zitterten schon bedenklich. Die beiden setzten sich in Bewegung. Zunächst hatte Ravena einige Probleme mit den ungewohnten Bewegungen, sodass sie unbeholfen versuchte mit ihrem Tanzpartner schritt zu halten. Doch Legolas war ein guter Führer, der es mit der Form nicht all zu genau zu nehmen schien. Als sie sich erst einmal ganz seinen Bewegungen ergeben hatte, wurde es einfacher und Ravena begann sich zu entspannen- allerdings nicht ohne sich ein weiteres Mal darüber zu Wundern, wie leicht sie sich schon wieder die Kontrolle hatte entziehen lassen. Doch sie hatte in den letzten Tagen so viele neue Seiten an sich entdeckt, dass sie langsam begann davor zu resignieren. Stattdessen wandte sie wieder all ihre Sinne ihrem Gegenüber zu und genoss es ihm so nah sein zu können. Vertraut schmiegte sie sich an seine Brust, als der Tanz immer langsamer wurde. Sie konnte sogar seinen Herzschlag wahrnehmen. Irrte sie sich oder schlug es schneller als gewöhnlich?
Legolas sah auf Ravena hinunter. Sie reichte ihm gerade einmal bis zu seiner Brust. Er bemerkte kaum das verträumte Lächeln, das sich auf seine Züge geschlichen hatte. Sie hatte sich in seine Arme geschmiegt und sie begann ihm zu vertrauen. Diese beiden Tatsachen berauschten ihn mehr als alles andere. Hoffentlich würde dieser Tanz niemals enden.
Doch der Tanz fand sein Ende viel zu früh. Ravena war von Legolas Nähe noch so benommen, dass sie kaum mehr wahrnahm, wie das Orchester aufgehört hatte zu spielen. Schüchtern lächelte sie ihn an. War sie ihm vielleicht zu Nahe getreten? Wären da nicht die vielen Zuschauer gewesen- sie hätte sich keine Sekunde mehr beherrschen können, von seinen Lippen Besitz zu ergreifen. Doch alles was sie auf seinen Zügen finden konnte war ein amüsiertes Lächeln.
"Nun, Ihr müsst zugeben, dass es so schlimm nicht war." Daraufhin erntete Legolas nur ein empörtes Schnauben. Sie musste diesem Elb ja nicht unbedingt auf die Nase binden, welche Gefühle er immer wieder in ihr auslösen konnte. Schnell, bevor er einen weiteren Blick auf ihre gefährlich glühenden Wangen erhaschen konnte, machte sie kehrt und entfernte sich von der Tanzfläche. Doch bevor sie sich versah war der Prinz auch schon wieder an ihrer Seite. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu den anderen. Plötzlich erblickte Herzog Randulf die beiden. Fröhlich kam er auf sie zu.
"Ich hoffe es gefällt Euch hier, Lady Ravena. Wie ich sehe seid Ihr in sehr guter Begleitung. Dabei klopfte er Legolas lachend auf die Schulter. Ravena schien es, als habe der Herzog schon etwas mehr als einen Becher Wein getrunken. Doch im Gegensatz zu Loi verlor er dabei nichts von seinen Charme- ganz im Gegenteil.
"Ja, es ist wunderschön hier, Herr.", antwortete sie wie es sich geziemte.
"Aber, aber", wehrte der Herzog ab, " Ich bitte Euch, nicht so förmlich. Immerhin habt Ihr mir beinahe eine ganz gehörige Lektion erteilt. Ich will gar nicht daran denken, was ich mir von meinen Männer noch alles hätte anhören müssen." Doch ein Blich in sein fröhliches Gesicht sagte Ravena, dass der Herzog ihr nichts übel zu nehmen schien.
"Nun, am Ende hat sie es dann aber doch noch geschafft dich zu besiegen, Randulf.", schaltete Legolas sich amüsiert ein.
"Ja, genau wie dich, mein Freund.", meinte der Hauptmann mit einem breiten Grinsen. "In mehr als einer Hinsicht, wie ich mitbekommen habe." Irritiert schaute Ravena von einem zum anderen. Was ging hier vor? Die beiden redeten ja gerade so, als wäre sie nicht anwesend. Sie räusperte sich. Das erinnerte sie wieder an ihre Manieren. Plötzlich wandte Randulf sich wieder an den Elbenprinzen:
"Legolas, dürfte ich die Dame für einen Tanz entführen?" Innerlich stöhnte Ravena auf. Das durfte doch nicht wahr sein. Sie hatte gerade mit Mühe und Not verhindern können dem Elb auf die Füße zu treten- doch ob ihr das ein zweites mal gelingen würde war fraglich. Als der Elb seine Zustimmung signalisiert hatte, reichte Randulf ihr seinen Arm. Gezwungenermaßen ging sie wieder mit ihm zurück zur Tanzfläche. Wurde man als Frau hier denn nie gefragt?
Legolas sah den beiden hinterher. Ein unbekanntes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er konnte es nicht genau deuten, doch er wusste, dass er Randulf am liebsten seinen Wunsch abgeschlagen und Ravena nie wieder hergegeben hätte. War es am Ende vielleicht sogar das, was man gemeinhin als Eifersucht bezeichnete? Er suchte in seinen längst vergangenen Affären- und das waren in seinen nun doch schon fast 3000 Jahren eine Menge gewesen- nach einem ähnlichen Gefühl, doch er konnte sich nicht an eine einzige Elbe erinnern, die es geschafft hätte, in ihm solche Emotionen zu wecken. Mit Argusaugen beobachtete Legolas den Tanz der beiden. Jedes Lachen, dass sie Randulf schenkte verursachte in seinem Herzen einen Schmerz, den tausend Nadeln nicht hätten auslösen können. Er versuchte sich selbst zur Raison zu bringen. Randulf war ein sehr guter Freund und hatte bestimmt nicht mehr im Sinn als sie über ihr doch ganz beachtliches Talent mit dem Bogen auszuhorchen. Er musste wohl sehr erbärmlich gewirkt haben, denn plötzlich hörte er hinter sich eine ziemlich amüsiert klingende Stimme.
"Legolas, ich denke du kannst sie getrost für einige Minuten Randulf überlassen. Er ist zu sehr ein Edelmann, als dass er vor deinen Augen mit ihr im Gebüsch verschwinden würde."
"Jetzt setz ihm doch nicht auch noch diese Ideen in den Kopf, Haldir! Schau wie geschockt er nun dreinschaut." Lachend kamen Haldir und Glorfindel auf ihren Freund zu. Legolas seufzte auf. Er wollte nicht zugeben, dass die beiden damit durchaus den Kern seiner Befürchtungen getroffen hatten.
"Ich hatte mich schon gefragt, wann ich wieder das Vergnügen haben würde.", erwiderte er resignierend, "Wo habt ihr Gimli gelassen- jetzt wo er zu Eurer Seite übergelaufen ist." Erfolglos versuchte der Elbenprinz beleidigt zu klingen.
"Also ich frage mich wo das noch mit dir hinführen soll.", gab Haldir mit einer gespielt sorgenvollen Mimik zu bedenken, "zunächst bist du auf uns wegen dem Zwerg eifersüchtig und nun auch noch auf Randulf wegen dem Mädchen." Doch bevor Legolas etwas darauf erwidern konnte warf Glorfindel eine andere interessante Frage auf.
"Ich frage mich", sein Blick wanderte bedächtig zu dem Prinzen, "wo sie dieses Kleid her hat. Als Dienstmagd wird sie es wohl kaum in ihrem Schrank hängen gehabt haben."
"Wohl kaum." Glorfindel griff nur zu gerne den Faden auf. "Zumal es ganz eindeutig ein elbisches Kleid ist." Wissend schauten die beiden ihren Freund an. Doch der ließ sich nichts anmerken:
"In der Tat, sehr merkwürdig." Innerlich aber lobte Legolas sich selbst für seine Voraussicht. Er musste gestehen, dass er nach dem Turnier ein kleines Gespräch von Ravena belauscht hatte, indem sie sich über ihr Kleidungsproblem ausgelassen hatte. Anschließend hatte er sich kurz mit Arwen beraten, die ihm dabei geholfen hatte ein Kleid für sie auszuwählen. Er musste lächeln. Beinahe hätte sie ihn erwischt, als er es in ihrer Kammer platziert hatte.
"Aber jetzt einmal im Ernst, Legolas.", meinte Haldir nun wieder kameradschaftlich, "Wir freuen uns wirklich, dass du endlich deine große Liebe gefunden hast." Der Elbenprinz seufzte auf.
"Ist es denn so offensichtlich?" Das brachte seine Freunde nun wieder zum lachen.
"Glaub mir, das ist es- und spätestens nach Eurem Kuss hatte es dann auch ganz Gadara erfahren."
"Aber Aragorn hat mich doch dazu aufgefordert." Legolas versuchte sich unbeholfen zu verteidigen.
"Nicht, dass dir das allzu viel ausgemacht hätte.", meinte Glorfindel mit einem süffisanten Lächeln.
Haldir ergänzte: "Aragorn hatte mit einem Kuss bestimmt nicht die Entehrung Ravenas vor der gesamten Stadt im Sinn gehabt."
"Entehrung? Ich habe sie doch nicht entehrt." Jetzt war Legolas ernstlich bestürzt. Das letzte was er im Sinn gehabt hatte, war ihr zu schaden.
"So leidenschaftlich wie du vorgegangen bist?" Haldir konnte sich ein Lächeln einfach nicht verkneifen. Dazu war sein, doch sonst immer so selbstsicherer, Freund was dieses Mädchen anbelangte einfach zu unbedacht. "Stell dir einmal vor in welche Schwierigkeiten du sie gebracht hättest, wenn sie jemandem versprochen wäre."
"Versprochen?" Die Möglichkeit war ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen. Aber dann hätte sie doch seinen Kuss nicht erwidert, oder doch? Das erste Mal seit einer sehr langen Zeit war Legolas ernstlich verunsichert. In diesem Moment stießen Randulf und Ravena wieder zu der Gruppe. Eifersüchtig reichte der Elbenprinz seiner Herzensdame wieder den Arm, den sie dann auch glücklich ergriff. Der Tanz mit Randulf war besser gelaufen, als sie es vermutet hätte. Der Herzog hatte einen einnehmenden Charakter. Er hatte schnell gemerkt, dass sie mit dieser Art von Tanz kaum Erfahrung hatte und sich deshalb ihren Schritten angepasst, die mehr an einen typischen Dorftanz, als an einen Standarttanz erinnerten. Dementsprechend war es auch des Öfteren zu lustigen Missverständnissen gekommen, die sie immer wieder zum Lachen gebracht hatten- sehr zum Erstaunen der übrigen Paare. Als sie die Tanzfläche wieder verlassen hatten, war es Ravena als verfolgten sie nicht wenige eifersüchtige Blicke. Zuerst der Elbenprinz und dann auch noch der Herzog- die jungen Damen Gadaras fragten sich, wie sie das wohl angestellt hatte. Doch nun war sie wieder glücklich bei Legolas zu sein.
Gemeinsam machte die Gruppe sich auf die Suche nach einer Sitzgelegenheit. Legolas und Ravena bildeten den Schluss. Ravena wollte gerade eine Bemerkung darüber verlieren, dass sie hinter den anderen zurückblieben, als sie plötzlich zwei starke Arme um ihre Taille spürte, die sie griffen und ins nächste Gebüsch verschleppten.
"Heyyyy...mpf." Ravenas empörter Aufschrei wurde durch eine Hand auf ihrem Mund gedämpft.
"Psst", Legolas legte ihr einen Finger auf die Lippen und bedeutete ihr ruhig zu sein, "oder wollt Ihr, dass man uns entdeckt?" Doch er erntete nur eine hochgezogene Augenbraue.
"Das kommt darauf an, was Ihr mit mir vorhabt." Ravena versuchte ihre Verwirrung zu verbergen. Sie hatte nicht besonders viel Erfahrung in der Etikette der Adeligen, aber sie war sich ziemlich sicher, dass die ‚Entführung' einer Dame ins nächste Gebüsch ganz bestimmt nicht dazu gehörte. Sie versuchte in Legolas Gesicht zu lesen, doch mehr als ein verschmitztes Lächeln bekam sie nicht zu sehen.
"Ich dachte mir, dass Ihr vielleicht Lust auf einen kleinen Spaziergang hättet." Haldirs Bemerkung von vorhin hatte ihn auf eine Idee gebracht. Randulf mochte ein Edelmann sein- nun, er war es nicht. Immerhin hatte er keine Skrupel eine Dame zu verschleppen. Er wollte gar nicht daran denken, was er sich morgen schon wieder würde anhören müssen.
"Ein Spaziergang? So weit von den anderen?" Ravena konnte nicht von sich behaupten, dass sie sich ernsthaft fürchtete. Hätte Legolas ihr etwas antun wollen, dann hätte er schon viel günstigere Momente dazu gehabt. Dennoch fragte sie sich, was der Elb beabsichtigte.
"Verzeiht, doch Ihr habt nicht gerade den Eindruck gemacht, als würdet ihr Euch in der Gesellschaft all zu wohl fühlen." Wieder einmal wurde sie rot. Sie hoffte nur, dass ihr Gegenüber es in der Dunkelheit nicht bemerken würde.
"Kommt." Damit packte er Ravenas Arm und lief los. Die beiden lachten ausgelassen, während sie sich durch das Gebüsch einen Weg bahnten.
"Ich frage mich, was Ihr unter einem Spaziergang versteht, Legolas.", meinte Ravena amüsiert. Das Herz des Elben machte angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der sie ihn beim Namen nannte, einen kleinen Sprung. Hoffentlich würde sie das noch sehr oft tun.
"Ihr macht aber auch nicht gerade den Eindruck, als würdet ihr Euch das erste mal durchs Unterholz bewegen.", erwiderte der Elb lachend. "Seht, dort vorne ist ein Licht." Sie folgten dem Flackern solange, bis sie auf einen kleinen Pfad stießen, der von vielen Fackeln beleuchtet wurde. Er führte in ein kleines Wäldchen, das im Schlosspark angelegt war. Staunend blieben die beiden stehen. Mit dem Sternendach über ihnen hatte die Szene etwas mysteriöses. Ravena fasste sich als erstes wieder.
"Kommt." Diesmal war sie es, die lachend die Hand des überraschten Elben ergriff und, mit ihm im Schlepptau, tiefer in das Wäldchen lief. Legolas war über ihre Offenheit sichtlich verwundert. Noch bei ihrem Tanz war sie unglaublich nervös gewesen und nun bewegte sie sich mit einer unglaublichen Natürlichkeit durch den Wald und die Nacht. Es erfreut ihn, dass sie langsam ihre Scheu vor ihm verlor. Plötzlich musste er versonnen lächeln. Angesichts der merkwürdigen Umstände ihrer ersten Begegnungen war es kein Wunder, wenn sie ihm nicht gerade das größte Vertrauen entgegenbrachte.
Ravena fragte sich, was gerade mit ihr geschah. Seit sei die anderen Verlassen hatten fühlte sie sich so ausgelassen. Höchstwahrscheinlich war es, weil sie endlich den kritischen Blicken der Höflinge entflohen war. Sie wurde langsamer und warf einen Blick auf Legolas. Sie hoffte, dass er sie jetzt nicht für allzu kindisch hielt. Doch er lächelte sie nur glücklich an. Im gehen setzten sie nun ihren Spaziergang fort. Plötzlich unterbrach Legolas die Stille, die die beiden umgab.
"Ravena?"
"Ja?" Sie fragte sich, was nun wohl kommen würde. Der Elb hatte sich ja beinahe schüchtern angehört.
"Erlaubt Ihr mir eine Frage?"
"Eine Frage? Sicher."
"Aber...es ist eine sehr persönliche Frage." Jetzt war Ravena ehrlich Neugierig.
"Das macht nichts, fragt ruhig." Sie lächelte ihn auffordernd an.
"Seid", Legolas holte tief Luft, "Seid ihr eigentlich jemandem versprochen?" Nun war es heraus.
"Versprochen?" Sie fing an zu lachen. Wie kam er nur darauf? Wäre sie versprochen, so würde sie sich in seiner Gegenwart bestimmt nicht wie ein kichernder Backfisch benehmen.
„Nein, wie kommt Ihr denn darauf?"
"Was ist daran so belustigend?" Am liebsten hätte Ravena sich auf die Lippen gebissen, denn Legolas hatte etwas verletzt geklungen.
"Verzeiht bitte, aber Ihr habt doch selbst schon eine kleine Kostprobe meiner Tollpatschigkeit mitbekommen und Ihr könnt mir glauben- ich bin noch zu viel schlimmeren in der Lage.", sie kicherte, "Damit habe ich bis jetzt noch jeden Interessierten erfolgreich vergraulen können." Jetzt lachte auch Legolas wieder. Bei ihm würde ihr das nicht so leicht gelingen.
"Ihr verkennt Euch, meine Dame. Ihr seid in der Lage auf 100Fuss einen Pfeil ins Schwarze Auge der Zielscheibe zu schießen. Ich frage mich, was daran Tollpatschig sein könnte."
"Da legt aber nicht unbedingt jeder Mann großen Wert drauf." Plötzlich schlich sich ein Verdacht in ihre Gedanken. Sie schalt sich selbst für ihre Blauäugigkeit. Was, wenn der Prinz verlobt war? Immerhin wanderte er schon wesentlich länger als sie in diesen Gefilden.
"Und Ihr?", wagte sie schließlich zu fragen.
"Hm?"
"Nun, seid ihr jemandem versprochen- oder schon verheiratet?" Angespannt wartete sie auf eine Antwort.
"Nein", kam sie dann auch nach, so schien es Ravena jedenfalls, einer halben Ewigkeit. Erleichtert seufzte sie auf.
"Gut." Im selben Moment hätte sie sich am liebsten die Zunge herausgebissen. DAS hatte sie jetzt nicht laut gesagt- oder doch? Das vergnügte Lachen des Elben verriet ihr das sie es getan hatte. Wieder brannten Ihre Wangen gefährlich.
"Würdet Ihr mir einen Gefallen tun?" Sie versuchte ihn abzulenken.
"Jeden, meine Dame."
"Erzählt mir von Eurer Heimat, bitte."
"Vom Düsterwald?" Er war erstaunt, aber dennoch erfreut von ihrem Wunsch.
"Ja, ich habe schon so viele Geschichten darüber gehört." Erwartungsvoll lächelte sie ihn an und er enttäuschte sie nicht. Legolas erzählte ihr von der langen Geschichte des Waldes, seinen vielen Gefahren, aber auch von seinem Wundern. Er erzählte von den Elben seines Volkes und wie sie in den Düsterwald kamen. Ravena sog jedes Wort, dass von seinen Lippen kam, in sich auf- verriet seine Heimat doch so viel über das Wesen Legolas. Sie schloss die Augen und stellte sich all das, was er beschrieb mit ihrer lebhaften Fantasie vor. Der Düsterwald war sehr viel wilder und dunkler als ihre ithilischen Wälder, aber dennoch spürte sie eine Sehnsucht, die Schauplätze seiner Erzählung einmal mit ihren eigenen Augen zu sehen.
Als sie so den Pfad entlang wanderten sah sie zufällig an ihrem Arm hinunter und bemerkte zu ihrem Erstaunen, dass ihre Hand in seiner lag. Wie ist sie dorthin gekommen? Sie vermochte es nicht mehr zu sagen, ob sie sie nach ihrem kleinen Lauf nicht mehr losgelassen hatte, oder ob er, während er von seiner Heimat erzählte, davon Besitz ergriffen hatte. Doch zählte das überhaupt? Wichtiger war doch die Wärme und die Geborgenheit, die seine Berührungen versprachen.
"Wisst ihr", meinte er nun, während er stehen blieb und sich Ravena zuwandte, "meine Heimat erinnert mich an Euch."
"An mich?", fragte sie erstaunt.
"Ja", flüsterte er beinahe zärtlich in ihr Ohr, "Düsterwald ist genau so wild, unberechenbar und unbezähmbar wie Ihr es seid- und das sind Eigenschaften, die ich an meiner Heimat sehr liebe." Ravena suchte in seinen Augen nach einem Zeichen, dass diese Nacht als einen wundervollen Traum entlarven würde- doch alles was sie fand war aufrichtige Zuneigung. Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen um ihre Lippen zu seinen zu bringen. Doch kurz bevor sie ihr Ziel erreichten gab es einen lauten Knall. Die beiden schraken auseinander. Was war das gewesen? Plötzlich mussten beide laut auflachen, denn als sie ihre Blicke gen Himmel richteten, sahen sie eine große bunte Fontäne, die tausende kleine Sterne auf sie hinunter regnen lies.
"Gandalfs Feuerwerk.", lachte Legolas. Er war so von dieser Frau eingenommen gewesen, dass er seine Umgebung vollkommen vergessen hatte. Zärtlich nahm er sie in seine Arme und gemeinsam beobachteten sie das sagenhafte Schauspiel am nächtlichen Himmel Gadaras.
