Kapitel 8 Teil 1

Vorsichtig bahnte Ravena sich ihren Weg durch das Unterholz. Dabei hielt sie ihren Blick angestrengt auf den Boden gerichtet. Ihre Chefin hatte ihr aufgetragen Pilze zu sammeln, doch in der Mittagshitze war das alles andere als angenehm. Mit einem Seufzer wischte sie sich den Schweiß aus dem Gesicht. Ein Blick zum Himmel sagte ihr, dass die Sonne ihren höchsten Stand noch nicht erreicht hatte. Sie stöhnte kurz auf- schon jetzt konnten die Schatten der Bäume ihr keine Kühlung mehr verschaffen. Aber alles Klagen änderte nichts daran, dass sie ihre Arbeit erledigen musste.

Während sie so durch den Wald wanderte, grübelte sie fieberhaft über eine Möglichkeit nach, Tarek zu helfen. Viel Zeit würde ihr nicht mehr bleiben- zehrte das Fieber doch mit jeder Stunde mehr von der Lebenskraft des Jungen. Wieder einmal ärgerte sie sich darüber, das Bogenschießen nicht gewonnen zu haben.

„Hätte ich dort nicht versagt, könnte Tarek vielleicht schon gerettet sein." Doch alles ‚wenn und aber' würde sie jetzt auch nicht weiter bringen. Ob Legolas ihr vielleicht weiter helfen könnte? Mit einem Mal prallten tausend verwirrende Emotionen auf sie ein. Immer wenn sie sich mit ihren Gedanken diesem Elb näherte, schaltete sich ihr Verstand aus. Ein angenehmer Schauer lief durch ihren Körper, als sie sich an den Ballabend erinnerte. Sie konnte nur schwerlich ein Kichern unterdrücken. Hätte Gandalf nicht sein Feuerwerk gezündet- sie hätten sich geküsst.

„Nein", verbesserte sie sich verwundert, „Hätte Gandalf nicht sein Feuerwerk gezündet, dann hätte ICH ihn geküsst." Dennoch schien Legolas einem Kuss alles andere als abgeneigt gewesen zu sein. Sie versuchte aus ihm schlau zu werden, um sich sein Verhalten ihr gegenüber erklären zu können. Schließlich war er ein Elb und, als würde das nicht schon genug Probleme bereiten, auch noch von königlichem Blute. Was also versprach er sich von einer armen Dienstmagd, die noch nicht einmal nach den Maßstäben der Menschen eine Schönheit war, geschweige denn nach denen der Elben? So viel sie auch suchte- dass einzige was sie fand war weitere Verwirrung. Konnte jemand vom Schönen Volk sich denn überhaupt so einfach in einen Menschen verlieben? Gab es, von ihrem Herrscherpaar einmal abgesehen, noch weitere derartige Verbindungen? Sie kramte in ihren Erinnerungen, doch alles was ihr dazu in den Sinn kommen wollte, war eine alte Geschichte, die ihr ihr Vater einmal erzählt hatte.

„Die Geschichte von Beren und Luthien.", sagte sie bedächtig zu sich selbst. Allerdings konnte man diese Geschichte wohl kaum mit ihrer Situation vergleichen. Beren war, ebenso wie ihr König, ein bedeutender Mensch gewesen und dennoch wurde ihm, bevor er Luthien heiraten durfte, eine schier unlösbare Aufgabe gestellt: der Diebstahl des Silmarils aus Melkors Krone. Wenn schon ein Held wie Beren solche Prüfungen durchwandern musste, wollte sie sich gar nicht erst ausmahlen, wie die anderen Elben, allen voran Legolas Vater, auf ihre Verbindung reagieren würde- wenn es denn so etwas wie eine Verbindung überhaupt geben würde.

„Außerdem ist er unsterblich.", kam es ihr missmutig in den Sinn. Ravena musste sich diese Tatsache immer wieder vergegenwärtigen, denn Legolas sah nicht nur wie jemand in den Zwanzigern aus – nein, ihm haftete trotz der Weisheit, die seine Augen verrieten, auch etwas Jugendliches an. Wie alt er wohl wirklich sein mochte? Einige Jahrzehnte, Jahrhunderte oder gar Jahrtausende? Für die noch so junge Ravena war es überaus schwierig diese Dimensionen zu begreifen. Sie überlegte. Wenn er tausend Jahre, oder sogar älter wäre, würden ihre gemeinsamen Momente kaum mehr als ein Wimpernschlag in dem großen Fluss der Zeit zählen. In seiner Erinnerung würde sie nur als ein unheimlich kleines Sandkorn in einer schier unendlichen Wüste verbleiben.

Wie es wohl war unsterblich zu sein? Zeit hätte keine Bedeutung mehr. Sie dachte an all die Menschen, die ständig in Eile waren- aus Angst, kurz an ihrem Lebensabend erkennen zu müssen, die ihnen zur Verfügung gestandene Zeit nicht optimal genutzt zu haben. Plötzlich erkannte sie woher die manchmal schon unheimliche Ruhe und Gelassenheit der Elben herrührte. Ihnen war keine Frist gesetzt. Ein Elb würde Jahrezehnte einem Baum beim wachsen zuschauen können, ohne das Gefühl haben zu müssen, etwas verpasst zu haben. Doch wurden sie denn nie des Lebens überdrüssig?

Plötzlich plagte ein anderer Gedanke sie. Wenn Legolas ihre Gefühle wirklich teilen sollte, würden sie niemals eine reale Chance haben. Im Gegensatz zu ihm war sie vergänglich- sehr vergänglich sogar. Im Moment war sie noch jung, doch was würde geschehen, wenn sie altern würde? Sie würde faltig und gebrechlich werden, während ihr Geliebter auf ewig sein jugendliches Äußeres beibehalten würde. Würde sie beginnen ihn dafür zu hassen oder würde er sie irgendwann verlassen? Sie schalt sich selbst. Sie war noch so weit von einer Beziehung mit dem Elben entfernt- und nun machte sie sich schon Gedanken über eine nichtexistente Zukunft.

„Kindische Gans.", ermahnte sie sich schließlich. Nein, sie konnte Legolas nicht um Hilfe bitten. Nicht, solange er in ihr solch eine Verwirrung auslöste.

„Dann werde ich mir eben etwas anderes überlegen müssen.", sagte sie, alle Gedanken an den Elben abschüttelnd, zu sich selbst. Sie wünschte nur, sie wäre innerlich genauso zuversichtlich, wie sie geklungen hatte.

Damit trat sie aus dem Unterholz hinaus und auf einen kleinen Trampelpfad. Sie begutachtete ihre magere Ausbeute. Ihr Korb war gerade einmal bis zur Hälfte gefüllt. Das würde eine Rüge von ihrer Chefin geben. Heute war ihr das Glück aber auch alles andere als hold. Als würde das Schicksal ihre Annahme noch unterstreichen wollen, stolperte sie auch just in diesem Moment über einen Zweig, der ihren Weg säumte. Dabei fielen ihr alle Pilze aus dem Korb. Fluchend machte sie sich daran, alles wieder einzusammeln – doch plötzlich hielt sie inne. Hatte sie da nicht gerade ein Geräusch vernommen? Sie horchte auf und spitzte ihre Ohren. Tatsächlich, es war das Geräusch eines sehr schnell heran galoppierenden Pferdes. Sie versuchte sich aufzuraffen und den Pfad zu verlassen, damit sie nicht niedergetrampelt werden würde, doch es war bereits zu spät: das Tier kam mit einer ungeheuren Geschwindigkeit auf sie zu. Noch bevor sie sich versah hatten sie auch schon zwei vorbeifliegende Hände gepackt und auf den Rücken des Pferdes gezogen.

Empört versuchte sie sich zu wehren. Man konnte sie doch nicht einfach so in die Wälder verschleppen! Wer wusste schon, was man alles mit ihr vorhatte? Verzweifelt schlug sie um sich. So leicht würde sie sich nicht geschlagen geben.

„Was...", legte sie also wutentbrannt los, doch weiter sollte sie nicht kommen. Sie wurde durch ein glockenhelles Lachen unterbrochen. Ein Lachen, das in seiner Klarheit keiner menschlichen Kehle entstammen konnte und das sie mittlerweile nur allzu gut kannte. Irritiert hielt sie für einen Moment inne, um sich ihren Entführer etwas eindringlicher zu beschauen. Als sie ihn erkannte wusste sie nicht, ob sie sich nun freuen oder wütend sein sollte. Freuen darüber, ihn schon so bald wiederzusehen und wütend sein, wegen seinem ungehobelten Verhalten, das er ihr gegenüber an den Tag legte. Als Prinz sollte Legolas – denn um niemand anderen handelte es sich – doch eigentlich gelernt haben, sich einer Frau gegenüber schicklich zu benehmen, wenn sie auch nicht unbedingt von Adel war. Sie beschloss, ihn dieses Mal nicht so schnell davonkommen zu lassen. Sich insgeheim dennoch freuend mimte sie die verärgerte.

„Legolas!", brachte sie schließlich hervor, „Was bitte schön soll all das?"

*~*~*

Legolas ritt. Er ritt so schnell wie sein Hengst Arod ihn nur tragen konnte. Dabei genoss er den Wind, der ihm ins Gesicht peitschte und mit seinen langen Haaren spielte. In einem Gefühl überwältigender Freiheit breitete er weit die Arme aus. So mussten die Vögel sich fühlen, wenn sie durch die Lüfte flogen. Er konnte die Menschen nicht verstehen, die Sattel und Zaumzeug benötigten, um sich ihre Tiere untertan zu machen. War ihnen denn nicht klar, dass man mit seiner Umwelt in einer gleichwertigen Partnerschaft leben musste?

Während er mit Arod so über die Weiten Gadaras dahingaloppierte, war es ihm endlich möglich, seine verwirrten Gedanken und Gefühle zu ordnen. Waren wirklich erst sechs Tage vergangen, seit er hier eingetroffen war? Nie hätte er es für möglich gehalten, dass sich ausgerechnet in einer Stadt der Menschen sein Schicksal entscheiden sollte – ob es nun zum Guten oder zum Schlechten war. Er dachte an jenen ersten Tag zurück und musste sich eingestehen, dass er schon mit dem ersten Apfel, der ihn getroffen hatte, verloren gewesen war. Nein, verloren war das falsche Wort, gefunden wäre vielleicht richtiger. In Ravena hatte er endlich seine zweite Hälfte gefunden, dessen war er sicher.

Doch alle seine Gefühle änderten nichts an der Tatsache, dass sie beide zwei vollkommen verschiedenen Völkern angehörten. Zwei Völkern, denen es nicht zugedacht war, sich zu vermischen. Für gewöhnlich kümmerten sich die Elben nicht um die Angelegenheiten der Menschen. Was hätte es für einen Sinn? Sie waren so kurzlebig. Von der Stunde ihrer Geburt an nagte bereits der Tod wie ein Geschwür, das sie langsam von innen her auffraß, an ihnen. Das ständige Abschiednehmen wäre zu schmerzlich. Die Elben waren ein Volk vieler mutiger Krieger, doch ihre Herzen konnten zuweilen so zerbrechlich sein wie dünnes Glas.

Und nun hatte er sich in eine Sterbliche verliebt. Das erste mal in seinem Leben würde die Zeit zu einer realen Größe in seinem Bewusstsein werden. Das erste Mal in seinem Leben hatte er eine Ahnung davon, weshalb sie den Menschen so wichtig war. Es war ihm, als schließe sich eine Faust um sein Herz, als er erkannte, wie wenig gemeinsame Zeit Ravena und ihm verbleiben würde. Jeder Tag ohne sie würde ein verlorener Tag sein.

So flog er weiter und weiter. Er wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs waren und es spielte auch keine Rolle wohin es ging – dieses überwältigende Gefühl der Freiheit war das einzige, was zählte. Doch als Arod einen Tann betreten hatte, musste er notgedrungen die Geschwindigkeit etwas herabsetzten. Hinter jeder Biegung könnte ein Hindernis den Weg versperren. Auf diese Weise ritten sie schließlich in einem gemäßigteren Tempo dahin bis seine scharfen Augen eine kniende Frau ausmachten, die ihnen den Weg versperrte. Eine Frau, deren Haar von einem so tiefen Rot war, dass sie sogar hätte Gimli Konkurrenz machen können.

„Ravena!", schoss es ihm durch den Kopf. Erstaunt, aber dennoch aufs höchste erfreut, spornte er Arod zu neuen Höchstleistungen an. Er wollte die Distanz, die sie voneinander trennte, so schnell wie irgend möglich überwinden. Amüsiert registrierte er, dass sie ihn anscheinend noch nicht erkannte hatte, denn angesichts des herannahenden Pferdes versuchte sie, sich schnell zum Wegesrand zu retten. Plötzlich formte sich ein schelmisches Lächeln auf seinem Gesicht. Ob sie wohl etwas gegen einen spontanen Ausritt einzuwenden hätte?

Sobald er auf einer Höhe mit ihr war, beugte er sich in einer einzigen fließenden Bewegung hinunter und griff, ohne dass Arod sein Tempo hätte verlangsamen müssen, nach der erschrockenen Frau. Ravena begann sofort sich heftig zu wehren, sodass Legolas seine Mühe und Not mir ihrer Beruhigung hatte. Geschwind zügelte er Arods Tempo um einen Sturz zu vermeiden. Nachdem sie ihn sehr schmerzhaft an der Nase getroffen hatte, musste er sich lachend eingestehen, dass ihr rechter Haken keineswegs zu verachten war. Er würde sie bei Gelegenheit einmal fragen, wie sie zu solchen Kräften gekommen war. Das Apfelbombardement war noch sehr frisch in seiner Erinnerung – und einige Prellungen ebenso.

Zumindest sein Lachen schien sie beruhigen zu können. Amüsiert beobachtete er ihre Reaktion, als sie ihn endlich erkannte. Er hoffte, dass der Zwiespalt in ihrem Inneren zu seinen Gunsten ausfallen würde, denn noch einen solchen Hieb würde seine Nase bestimmt nicht verkraften – Elb hin oder her.

„Legolas!", brachte sie schließlich hervor, „Was bitteschön soll all das?" Wieder antwortete er mit diesem herzlichen Lachen, das Ravena alles um sie herum vergessen lassen hätte, wenn sie denn nicht so wütend gewesen wäre. „Das könnt Ihr nicht machen!" Unbestimmt deutete sie in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „Mein Korb! Die Pilze! Wegen Euch werde ich noch fürchterlichen Ärger bekommen!" Etwas Schuldbewusst – aber wirklich nur ein bisschen – sah er sie an. Das letzte, was er im Sinn gehabt hatte, war ihr Schwierigkeiten zu bereiten, doch genauso wenig wollte er sie schon so bald gehen lassen. Nicht jetzt, wo er sie endlich wieder in seinen Armen halten konnte – ohne einen einzigen Zwerg weit und breit.

„Aber für einen kleinen Ausritt werdet Ihr doch noch Zeit haben?" Er bot all seinen Charme auf um sie umzustimmen. Wie, um seine Absichten noch zu unterstreichen, drückte er mit seinem rechten Arm die seitwärts auf dem Pferderücken sitzende Ravena noch fester an sich, sodass sie nicht hinunterfallen konnte. Vergnügt bemerkte er, wie sich ihr Körper anspannte. Oh, er konnte wirklich sagen, dass sie diese Position hasste.

In der Tat konnte Ravena sich glücklichere Stellungen vorstellen. Stellungen, die sie nicht in einem solchen Maße von dem Elb abhängig machten. Dennoch kam sie nicht umhin seine Wärme, und vor allem den Geruch, der von seinem Körper ausging, mit einem tiefen Atemzug in sich aufzunehmen. Legolas konnte sich ein glückliches Lächeln nicht verkneifen, als er merkte, wie sie sich langsam in seine Umarmung lehnte. Resigniert seufzte sie auf. Immerhin war sie dieses mal nicht nackt.

„Also wohin reiten wir nun?"

Legolas strahle sie an. „Wohin der Wind uns trägt."

Noch bevor Ravena angesichts dieser doch etwas wagen Richtungsangabe weiter protestieren konnte, brachte er sie mit einem Lied aus seiner Heimat Düsterwald zum schweigen. Musste dieser Elb denn immerzu singen? Sie verwünschte sich selbst, als sie sich dabei ertappte ihm auch noch andächtig zu lauschen. Wann hatte man denn als Sterblicher auch schon einmal die Möglichkeit, einem Elb beim Singen zuzuhören? Es war ihr, als würden sie gemeinsam zu den Sternen abheben. Ohne es so richtig zu merken gab sie sich schließlich geschlagen.

Legolas hatte mittlerweile wieder Arod die Führung überlassen, sodass sie nun gemächlich durch den Wald trotteten. Mit jedem Augeblick entspannte Ravena sich zusehends. Sicher, ihre Chefin würde alles andere als begeistert sein, aber dieses Jahr war ohnehin kaum ein Pilz zu finden.

Also ruhte sie schicksalsergeben mit ihrem Rücken an der Brust des Elben. Seine Arme hielten sie noch immer fest umschlungen. Später wusste sie nicht mehr, wie es passiert war, doch als sie einmal ihren Kopf senkte, sah sie zu ihrem heillosen Erstaunen, dass sie ihre Hand über die des Elben gelegt hatte und nun sanft liebkoste. Seine Haut war so weich – wie ungewöhnlich für einen Mann.

‚Aber er ist ja auch kein Mann', wies sie sich in Gedanken selbst zurecht, ‚sondern ein Elb.' Wie schäbig musste sie sich vorkommen – waren ihre Hände von der harten Arbeit doch ganz rau. Außerdem ließ sich auch die ein oder andere Schwiele nicht verbergen. Je länger sie auf das Spiel ihrer Hände achtete, desto weniger war sie dazu in der Lage, ihre von Legolas' zu unterscheiden. Sie passten zueinander wie ein Schlüssel in sein Schloss.

Lächelnd ruhte Legolas mit seinem Kopf auf Ravenas Schulter. Er hörte nicht auf, ihr elbische Lieder ins Ohr zu Summen. Auch, wenn sie es sich nicht eingestehen mochte wusste er, dass sie diesen Ritt sehr genoss. Beinahe verzückt sah er auf das Spiel ihrer Hände, die sich, ihrem eigenen Willen folgend, verbunden hatten. Am liebsten wäre er bis in alle Ewigkeit so weiter geritten, doch Arod brauchte seine wohlverdiente Pause. Immerhin war er schon den gesamten Morgen mit ihm unterwegs gewesen. Also hielt er nach einem geeigneten Rastplatz Ausschau. Einige Minuten später stießen sie auf den Idra. Legolas hörte, wie Ravena überrascht die Luft einsog und errötete. Er musste lächeln, denn auch ihm wurde bei der Erinnerung an ihr gemeinsames Bad ganz anderes zumute. Trotzdem gab er Arod das Zeichen anzuhalten. Seine scharfen Augen hatten nur einige Meter vom Wegesrand entfernt einen sandigen Uferabschnitt entdeckt, der sich hervorragend für einen kurzen Einhalt eignete. 

Geschwind war er abgestiegen und Ravena zur Hilfe geeilt. Sie hatte nicht wenige Probleme in ihrem langen Kleid von Arod herunter zu kommen, sodass ihr keine andere Wahl blieb, als sich in Legolas Arme gleiten zu lassen. Dabei bekam sie, nicht zum ersten Mal, eine Kostprobe seiner durchtrainierten Muskeln zu spüren. Unfreiwillig musste sie an die Szene am Fluss denken, sah das Bild seines nackten Körpers vor sich und – errötete noch mehr. Immer noch von seinen Armen umfangen, die gar nicht daran dachten, sie schon frei zu geben, wandte Ravena den Blick ab. Er sollte, nein, er durfte einfach nicht wissen, woran sie mit ihren Gedanken gerade weilte. Plötzlich wurde sie sich bewusst, in welcher Situation sie sich eigentlich befand. Sie war mit dem Elb ihrer Träume alleine in einem abgelegenen Waldstück, in dem sie höchstwahrscheinlich weder ein Zwerg noch ein plötzliches Feuerwerk stören würde – alleine mit einem Elb, der ihr nur einmal in die Augen schauen musste, um sie zu hypnotisieren. Unmerklich begann sie zu zittern.

„Keine Angst, ich habe nicht vor schwimmen zu gehen. Arod braucht nur eine kleine Pause.", lachte Legolas. Ravena seufzte auf. War sie denn so leicht zu durchschauen? Nun, offensichtlich war sie es und das ließ ihre Wangen noch etwas mehr glühen.

Schon beinahe ein bisschen Stolz beobachtete der Elb die Reaktionen, die er bei Ravena auslöste. Er war nur zu gerne der Grund für ihr erröten – zeigte es ihm doch, dass sie mehr für ihn empfinden musste, als sie bereit war sich einzugestehen. Noch bevor sie sich wieder von ihm zurückziehen konnte, ergriff er ihre Hand und führte sie ins Unterholz. Arod ließen sie frei grasen.

„Kommt schon, dort vorne können wir uns niederlassen.", verkündete er fröhlich. Geschlagen ließ Ravena sich hinterher ziehen.

Kaum waren sie an dem kleinen Idrastrand angekommen, hatte Legolas auch schon seine Waffen abgelegt und seinen Mantel ausgebreitet. Nachdem er es sich darauf bequem gemacht hatte, deutete er erwatungsvoll auf den Platz neben sich und signalisierte der immer noch stehenden Ravena, sich ebenfalls hinzusetzten. Lachend über seine Rücksichtsnahme ließ sie sich schließlich neben ihm nieder – hätte es ihr doch auch nichts ausgemacht, wenn sie sich direkt in den Sand hätten setzten müssen.

„Nun?" Legolas sah sich zwei erwartungsvoll dreinblickenden Augen gegenüber.

„Nun?", erwiderte er lachend.

„Nun, Ihr seid doch ein Prinz. Wieso also habt Ihr an solch einem schönen Tag nichts besseres zu tun, als einfache Dienstmägde im Wald zu entführen, um mit ihnen einen kleinen Ausritt zu unternehmen?" Endlich war es heraus. Diese Frage hatte nun schon eine lange Zeit auf ihrer Zunge gebrannt, denn je öfter sie sich über den Weg liefen, desto mehr irritierte sie das Verhalten des Elben. Es war doch wirklich nicht üblich, dass ein Adeliger, ein Prinz noch dazu, sich so sehr für eine Dienstmagd ins Zeug legte. Sie war sich sicher, dass er jede Menschenfrau, wenn nicht sogar jede Elbe Mittelerdes, haben konnte. Wieso also sollte ausgerechnet sie seine Auserwählte sein? Sie war doch wirklich nichts besonderes. Beinahe schüchtern erwartete sie seine Antwort.

Überrascht zog Legolas eine Augenbraue hoch. Diese Frage konnte sie doch nicht ernst gemeint haben, oder doch? Hatte sie denn wirklich keine Ahnung davon, wie viel sie ihm bedeutete? Immerhin hatten sie sich während dem Ball beinahe geküsst. Aber hier saß sie nun neben ihm und erwartete eine ehrliche Antwort. Er lachte leise. Die sollte sie bekommen. Andächtig ergriff er ihre Hand und fing ihren umherschweifenden Blick mit seinen azurblauen Augen ein.

„Hiril nîn (Meine Dame)", begann er, „erst einmal möchte ich nicht mehr, dass Ihr Euch als ‚einfache Dienstmagd' bezeichnet, denn das seid Ihr, bei Eru, ganz bestimmt nicht. Und im Moment kann ich mir keine schönere Situation vorstellen, als mit Euch an diesem wunderschönen Tag an diesem wunderschönen Strand zu sitzen und diese wunderschöne Ruhe zu genießen." Wieder spürte Ravena, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Solche Komplimente bekam sie wahrlich nicht allzu oft zu hören – von wem denn auch? Trotzdem blieb eine Frage offen.

„Aber..."

„Aber ich bin ein Prinz?" Wieder lachte er dieses warme Lächeln. Langsam begann er zu verstehen. Sie wusste einfach zu wenig von den Traditionen seines Volkes. Nun, daran konnte er etwas ändern. Während den folgenden Worten sah er ihr tief in die Augen. „Ich bin der Sohn eines Königs, eines großen Königs sogar, das ist wahr. Doch es wird niemals geschehen, dass ich den Thron des Düsterwaldes besteigen werde."

Überrascht schaute Ravena Legolas an. „Wieso?"

„Mein Vater ist unsterblich – das haben Elben so an sich müsst ihr wissen", neckte er sie. Lachend verpasste sie ihm einen spielerischen Klaps auf seine Nase. Genau auf die Stelle, die schon früher an diesem Tage ihre Faust zu spüren bekommen hatte. Gepeinigt stöhnte er auf.

„Autsch!" Doch sein leidender Blick wurde nur mit einem weiteren herzlichen Lachen quittiert.

„Na, mir bleibt es ein Rätsel, wie solch ein wehleidiger Elb den Ringkrieg überleben konnte."

„Oh meine Dame, wehleidig nennt ihr mich? Ihr kränkt mich zutiefst." Mit gespielter Empörung brachte er Ravenas Hand zu seinem Herzen. „Fühlt ihr, wie mein Herz angesichts Eurer Missgunst beginnt langsamer zu schlagen?" Für einen kurzen Moment schloss Ravena ihre Augen und konzentrierte sich nur auf das Pochen seines Herzen unter ihrer Hand. Gab es etwas schöneres, als diesen starken, gleichmäßigen Herzschlag? Oh wie wünschte sie sich, dass es nur für sie schlagen würde. Plötzlich hielt sie irritiert inne. Sein Puls schien sich zu beschleunigen. Ob es etwas mit ihrer Hand auf seinem Körper zu tun hatte? Sie wagte es nicht zu hoffen. Fasziniert zog sie ihre Hand wieder zurück, unterbrach den Kontakt zwischen ihnen. Doch gerade, als der Elb ein Wort des Protestes einlegen wollte, beugte sie sich nach vorne um ihr Ohr an seine Brust zu legen. Dieses Mal war es an Legolas, überrascht zu sein. Sie wieder so nahe zu spüren betörte ihn dermaßen, dass er nun entgültig die Kontrolle über seinen Herzschlag verlor. Er beschleunigte sich wieder und ein kurzer Blick auf ihr grinsendes Gesicht sagte ihm, dass sie sich dessen durchaus bewusst war.

„Nun, mein Prinz, mir scheint Euer Herzschlag beschleunigt sich mehr, als dass er langsamer wird." Lachend beschloss Legolas, sich geschlagen zu geben. Noch bevor sie richtig wusste, wie ihr geschah, hatte er sie auch schon zu sich auf seinen Schoß gezogen. Zärtlich fuhr er mit seinem Finger die Linien ihres Gesichtes nach.

„Woran das wohl liegen mag?", flüsterte er mit belegter Stimme. Ein sanftes Beben ging durch Ravenas Körper. Sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie endlich ihren Anspruch auf diese perfekten Lippen geltend machen würde. Atemlos beobachtete Legolas wie sich ihre Lippen langsam zu den seinen herabsenkten –

„Na, was haben wir denn da hübsches?" Wie vom Blitz getroffen fuhren die beiden auseinander. Schneller als jedes menschliches Auge es wahrnehmen konnte, war Legolas auch schon aufgesprungen um nach seinen Waffen zu greifen – doch sein Griff ging ins Nichts. Dort, wo vorher noch sein Bogen gelegen hatte war nun mehr nichts weiter als gähnende Leere. Waffenlos sahen er und Ravena sich einer Meute von Banditen gegenüber, ein jeder mit einem Bogen im Anschlag. Zähneknirschend musste Legolas sich eingestehen, dass es für den Moment keinen Ausweg gab.

„Suchst du vielleicht das?" Einer der Schurken hielt ihm seinen Bogen unter die Nase, woraufhin die übrigen in ein raues Lachen einfielen. Jeder, außer Ravena und Legolas.

„Sie mal einer an, ein Elb und seine Hure. Vielleicht hättet ihr eurer Umgebung etwas mehr Beachtung schenken sollen?" Die Menge teilte sich und gab damit den Blick auf einen großen, bärtigen Mann frei. Allem Anschein nach war er der Anführer dieser Männer. Betont langsam ging er auf Ravena zu und umkreiste sie, musterte sie. Das Mädchen hatte seinen anfänglichen Schock über die unliebsame Störung schnell überwunden und war nun mit doppelt geschärften Sinnen bereit, einen Ausweg aus dieser scheinbar hoffnungslosen Situation zu finden. Was diese Banditen wohl von ihnen wollten? Sie sahen nicht so aus, als würden sie sich mit dem wenigen Geld, das sie dabei hatten, zufrieden geben. Doch für den Moment galt es erst einmal der durchdringenden Musterung des Anführers stand zu halten. In seinem Blick lag etwas lüsternes, das Ravena ganz und gar nicht behagen wollte. Sie bemühte sich so viel Verachtung, wie nur irgend möglich in ihren Blick zulegen.

Misstrauisch beobachtete Legolas die Handlung des Hünen. Der Blick, mit dem dieser Riese seine Geliebte musterte, passte ihm überhaupt nicht. In diesem Augenblick gelobte er mit seinem Leben dafür zu bürgen, dass ihr nichts schmähliches wiederfahren würde. 

Nach einiger Zeit, die Ravena wie eine halbe Ewigkeit vorkommen wollte, hatte der Mann seine Runde endlich beendet und war wieder vor ihr zum stehen gekommen. Mit einem anzüglichen Grinsen griff er ihr ans Kinn und zwang sie so auf eine grobe Art und Weise, ihm in die Augen zu sehen. Das, was sie dort sah, ließ Ravena im Mark erschüttern. Dieser Mann war gefährlich – und er würde nicht eher ruhen, bis er sein Ziel erreicht hatte.

„Ich frage mich, welche Qualitäten du wohl haben musst, damit der Elb dich einer seines Volkes vorzieht. Eine Schönheit bist du ja nicht gerade." Ein anzügliches Lächeln grub sich tief in sein Gesicht.

„Rührt sie auch nur einmal an, und ich werde Euch vom Nabel bis zur Kehle aufschlitzen!" Die Stimme des Elben war kaum mehr als ein Flüstern, und doch zweifelte keiner der Anwesenden daran, dass er seine Drohung in die Tat umsetzten würde. Angesichts der gefährdeten Ravena war es Legolas, als würde eine kalte Hand nach seinem Herz greifen und es langsam auspressen. Es war alles seine Schuld! Ach, wenn er doch nur besser auf seine Umgebung Acht gegeben hätte! Er würde es sich niemals verzeihen, sollte Ravena etwas geschehen.

Durch seine Einmischung war es Legolas endlich gelungen, die Aufmerksamkeit des Mannes von seiner Geliebten abzulenken. Mit einem blasierten Gesichtsausdruck stiefelte er auf den Elb zu und unterzog ihn einer ähnlichen Musterung wie vorher Ravena. Legolas wiederum legte mindestens genauso viel Arroganz in seinen Blick.

„Der Herr Elb glaubt also in der Lage zu sein, Drohungen auszusprechen. Vielleicht sollten wir ihm das schnell wieder austreiben!" Damit schlug er ihm mit der Faust in den Magen, sodass Legolas gezwungen war, sich vorn über zu krümmen. Doch er gab keinen Ton des Schmerzes von sich. Diese Genugtuung würde er diesem Abschaum von Mensch nicht schenken. Sobald die ersten Schmerzen verklungen waren, stellte er sich wieder gerade hin und lächelte sein Gegenüber spöttisch an.

„Das war schon alles? Für einen Mensch von Eurer... nun ja Statur hätte ich mehr erwartet." Der darauffolgende Schlag zwang Legolas in die Knie. Er atmete scharf ein, doch solange er sie auf diese Weise von Ravena ablenken konnte, war es ihm eine Freude, sich von diesem Mistkerl verprügeln zu lassen. Er würde schon noch zu seiner Rache kommen.

Geschockt starrte Ravena auf den am Boden kauernden Legolas. Was war nur in ihn gefahren? Irgendetwas sagte ihr, dass sie hier eine Kostprobe von dem ‚Krieger Legolas' zu sehen bekam. In seinem Blick lag nichts mehr von der Verspieltheit, die er bei ihr immer an den Tag legte. Sie war einer Kälte gewichen, die ganz und gar seinen Feinden galt. Einen Versuch, dem Verletzten zur Hilfe zu kommen, gab sie schnell auf, als sie ein Messer an ihrer Kehle spürte. Schließlich hielt einer seiner eigenen Männer den Anführer von weiteren Angriffen auf Legolas zurück.

„Lass man gut sein, Wedigo." Die Art, wie man die Gefangenen – und vor allem die Frau – behandelte schien ihm sichtlich unangenehm zu sein. „Mal abgesehen von den Waffen scheinen die nichts wertvolles dabei zu haben. Lass sie binden und dem Chef vorführen. Der kann dann entscheiden, was mit ihnen geschehen wird." Ein zustimmendes Gemurmel der Umstehenden zwang den Schläger schließlich einzuhalten und zu tun, wie ihm geheißen worden war. Legolas und Ravena ließen gleichzeitig einen erleichterten Seufzer hören. Dieser Kerl war also nicht der Anführer. Jetzt galt es nur noch zu hoffen, dass der etwas mehr Nachsicht walten lassen würde. 

Keiner der beiden wusste später, wie lange sie so durch den Wald marschiert waren, denn zusätzlich zu den Fesseln waren ihnen auch noch Augenbinden angelegt worden. Nach einer schier endlosen Zeit kamen sie schließlich zum stehen. Rabiat nahm man ihnen die Binden ab. Legolas' erster Blick galt Ravena. Mit Erleichterung registrierte er, dass man sie nicht in aller Heimlichkeit verschleppt hatte. Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, das sie freudig erwiderte. Alles würde gut gehen. Es musste einfach gut gehen!

Sie schauten sich im Lager der Banditen um. Man schien sie noch tiefer in den Wald hineingeführt zu haben, denn die Bäume wuchsen dicht und hoch. Dazwischen brannten mehrere Feuer, an denen gerade das Mittagsmahl zubereitet wurde. Es mochten sich wohl an die dreißig Mannen versammelt haben, die sie nun argwöhnisch beäugten.

„Nun, wen habt ihr denn da mitgebracht?", tönte eine respekteinflößende, aber dennoch wohlklingende Stimme. Sofort wandten sich alle Köpfe dem Neuankömmling zu. Es handelte sich um einen großen, wettergegerbten Mann mit breiten Schultern. Seine langen schwarzen Haare fielen ihm wild über die Schultern. Dennoch strahlten die braunen Augen eine ungewöhnliche Intelligenz aus. Ravena schätzte, dass er wohl schon gut und gerne seine fünfzig Sommer gesehen hatte. Augenblicklich atmete sie aus. Eine innere Stimme verriet ihr, dass sie sich vor diesem Mann nicht  zu fürchten brauchte.

„Ein Elb und seine Dirne, Chef.", gab Wedigo auch prompt zur Antwort. „Wir haben sie in den Wäldern aufgegriffen, aber das einzige Wertvolle, das sie mit sich trugen, waren ihre Waffen." Daraufhin händigte er seinem Befehlshaber Legolas' Bogen aus. Unverzüglich wurde er einer genauen Untersuchung durch den Räuberhauptmann unterzogen. Der Elb kochte vor Wut. Die Waffe war ein Geschenk der Hohen Frau Galadriel und diese Banditen hatten kein Recht, sie anzufassen. Doch er schwieg – immerhin war es nicht nur sein Leben, das er damit gefährden würde.

„Es ist eine hervorragende Arbeit will ich meinen.", gab der Chef anerkennend zu. „Wie jede Arbeit der Galadhrim." Überrascht hob Legolas den Kopf. Woher wusste dieser Mensch den Herkunftsort seiner Waffe? „Und mir ist nur ein Waldelb bekannt, dem jemals die Ehre zuteil wurde, einen solchen Bogen sein Eigen nennen zu dürfen. Es ist mir eine Freude, Eure Bekanntschaft zu machen, Legolas Grünblatt."

Der Prinz schnappte nach Luft. Dieser Mensch schien in den Traditionen seines Volkes ungewöhnlich gut bewandert zu sein, denn Legolas war lediglich an seiner in grün und braun gehaltenen Kleidung als Waldelb auszumachen.

„Vielleicht wärt Ihr so freundlich, mir Eure Begleitung vorzustellen?" Sein freundlicher Ton und die Tatsache, dass er seine Geliebte nicht als seine Hure oder Dirne betitelte, ließ ihn etwas ruhiger werden.

„Mein Name ist Ravena Dunkirk, Ulferts Tochter und mit wem haben wir die Ehre?", antwortete sie keck an Legolas' Stelle. Solange sie noch in der Lage war selbst für sich zu sprechen, würde sie das auch tun. Nun, da der Hauptmann Legolas erkannt hatte, würde es keinen Unterschied mehr machen, ob er ihren Namen auch wusste.

„Meine Dame, Ihr habt es hier mit Wilferd zu tun", kam es schließlich galant zurück. „Bindet ihre Fesseln zusammen und bewacht sie, bis wir wissen, was wir mit ihnen anfangen werden."

„Meine Dame? Was soll das Wilferd? Wir hatten schon seit Ewigkeiten keine Frau mehr hier. Sie ist nichts weiter als die Hure dieses Elbs, also überlass sie uns." Wedigo war alles andere als zufrieden mit der Entscheidung seines Chefs.

 Diese Bemerkung ließ nicht nur Ravena das Blut in den Adern gefrieren. Beschützend stellte Legolas sich zwischen seine Geliebte und den Unhold. Er befand es sei an der Zeit, seine Drohung gegenüber dem uneinsichtigen Mann zu wiederholen.

„Fürchtet nicht um das Wohl Eurer Gefährtin, Herr Elb.", mischte sich nun der Räuberhauptmann wieder ein, „Auch wenn einer meiner Mannen meint, aus der Reihe tanzen zu müssen, dürft ihr Euch versichert sein, dass wir Männer von Ehre sind und einer Frau keine Gewalt antun. Ist das verstanden?" Bei dieser letzten Bemerkung wandte er sich im besonderen an Wedigo. Dieser Kerl wurde ihm in der letzten Zeit etwas zu unberechenbar, doch noch schien er zu wissen, wem er zu gehorchen hatte. Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck nickte dieser wiederwillig. Erleichtert atmete Legolas aus. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung für sie.

Der Hauptmann beobachtete, wie man die beiden Gefangenen Rücken an Rücken zusammenband. Nein, diese Frau war keine Dirne. Die feurige Verteidigung des Elben hatte ihm gezeigt, dass er tiefe Liebe für sie empfinden musste. Plötzlich stahl sich ein amüsiertes Lächeln auf sein Gesicht. Wedigo war angesichts der Vorstellung, aufgeschlitzt zu werden, ziemlich blass geworden. Es war gut zu wissen, dass es doch noch etwas gab, das ihm Respekt einflößen konnte.

Doch des Hauptmanns Augen waren nicht die einzigen, die den Gefangenen nachfolgten. Ein junger Mann, der gerade aus einem kleinen Verschlag heraustrat, ließ um ein Haar seinen Wasserkrug zu Boden fallen als er das schimpfende, rothaarige Mädchen erblickte. Ravena? Konnte das denn möglich sein?

*~*~*