Disclaimer: An allem was euch irgendwie an Mittelerde und die Werke von J.R.R. Tolkien erinnern sollte habe ich keinerlei Rechte und ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte.
Es tut mir ganz ehrlich leid, das ihr dieses Mal so lange auf das Kapitel warten musstet, aber neben Urlaub und einem anstrengenden Ferienjob (ich musste zwei Wochen auf 50Kinder aufpassen *lol*) hatte ich auch noch eine ausgewachsene Schreibblockade. Ich war sogar so verzweifelt gewesen, dass ich euch zuerst mit nur vier Seiten abspeisen wollte. Aber nach einer ordentlichen Kopfwäsche von meiner Beta Mara (vielen, vielen dank an dieser Stelle:)) hab ich's dann doch noch hinbekommen ein hoffentlich gutes Kapitel zustande zu bringen.
Und natürlich auch ein riesiges Dankeschön an alle Reviewer, ihr seid wirklich super *knuddel* aber dazu wie immer mehr am Ende des Kapitels:) Aber wirklich erst zum Schluss schauen, sonst is die ganze Spannung weg *vorwarn* *g*
Jetzt viel Spaß dabei und bitte haltet bis zum Schluss durch *g* *** Kapitel 12
„Nein, Ravena, so geht das nicht!"
Entnervt brachte Siägä die wenigen Schritte, die ihn von Ravena trennten, hinter sich und entriss ihr die Angel.
„Du bist viel zu unkonzentriert. Ich frage mich, was heute mit dir los ist." Er seufzte. Siägä glaubte eine Ahnung davon zu haben, bei wem sich ihre Gedanken gerade befanden, doch er war sich nicht sicher, ob ihn das glücklich machen sollte. Es fiel ihm immer noch schwer den redlichen Absichten des Elben Vertrauen zu schenken.
„Also, ich werde es dir jetzt noch einmal zeigen und dann machst du es mir einfach nach. Es ist wirklich ein Kinderspiel, ganz einfach, du wirst sehen."
„Na, wenn du das sagst." Ravena konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auch wenn sie es sehr liebenswürdig von Siägä fand, dass er selbst nach vierzehn Versuchen immer noch nicht aufgeben wollte ihr den perfekten Wurf beizubringen, musste mittlerweile selbst er erkannt haben, dass es hoffnungslos war. Sie war einfach nicht zum angeln geboren. Schon als kleines Kind hatte sie es viel lustiger gefunden, die gefangenen Fische heimlich wieder ins Wasser zurück zu befördern, als tatsächlich zu ihrem Ende beizutragen – eine Angewohnheit, die ihren Vater und ihre Brüder nicht nur einmal zur Verzweiflung gebracht hatte.
Sie sah zu wie Siägä den Köder mit geübter Hand über seinen Kopf hinweg ins Wasser warf. Er war wahrhaftig in seinem Element und es wollte einfach nicht in seinen Kopf hinein, dass jemand dieser Beschäftigung nicht genauso viel Begeisterung entgegenbringen konnte wie er. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen händigte er die Angel wieder Ravena aus.
„Hast du gesehen? Ganz einfach. Und jetzt du." Mit einem tiefen Seufzer stellte sich das Mädchen in Position. Zum fünfzehnten mal an diesem Tage fragte sie sich, wie sie sich nur zu solch einem sinnlosen Unterfangen hatte breit schlagen lassen können, doch als Siägä am frühen Abend einen Angelausflug vorgeschlagen hatte, war es ihr einfach unmöglich gewesen nein zusagen. Er hatte in der letzten Woche wirklich viel unter ihren Eskapaden zu leiden gehabt und das wollte sie nun wieder gut machen – man dachte nur an die unfreiwillige Vorstellung im Nachthemd, die er den hohen Elben am Vortag geboten hatte. Bei der Erinnerung daran konnte sie ein leises Kichern nicht unterdrücken. Ach hätte man seinen Gesichtsausdruck nur irgendwie einfrieren können – er war wirklich ein Anblick für die Götter gewesen.
Außerdem hoffte sie darauf, ihren aufgewühlten Emotionen endlich einmal etwas Ruhe ermöglichen zu können. Die letzte Woche war mehr als ereignisreich gewesen und nicht zuletzt Tareks dramatische Rettung am Vorabend hatte sie sehr erschöpft. Dazu kam die ständige Ungewissheit über ihre Beziehung zu Legolas. Keinem Mann war es bisher gelungen in ihr solch starke Gefühle hervorzurufen – doch empfand er genauso wie sie? Immer noch quälten sie die Zweifel. Legolas war so schön, so perfekt, ein Elb eben, wie nur sollte er sich jemals in sie verlieben können?
„Na los, worauf wartest du noch?" Siägäs Frage riss sie wieder aus ihren Gedanken. Wie um ihre Unaufmerksamkeit zu überspielen ließ sie eilends die Angel nach hinten schnellen, nur um den Köder dann in einem ebenso eleganten Wurf, wie Siägä ihn ihr gerade gezeigt hatte, im Fluss zu platzieren – nun, das wäre zumindest der Idealfall gewesen. Doch sie wurde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass etwas nicht so war wie es sein sollte. Egal wie viel Kraft sie auch in ihre Arme legte, die Angelschnur wollte einfach nicht nach vorne schießen. Verdutzt wandte sie sich an Siägä, doch alles was sie damit aus ihm heraus bekam war ein herzhaftes Lachen.
„Was?", fragte sie also ungehalten nach. Sie mochte es nicht ausgelacht zu werden, vor allem dann nicht, wenn sie noch nicht einmal den rechten Grund dafür kannte.
„Ravena, du... du..." Siägä konnte nicht mehr. Verzweifelt nach Luft schnappend hielt er sich den Bauch vor lauter Lachen. Wie konnte bloß jemand, der auf hundertfünfzig Schritt ohne zu hadern mit einem Pfeil ins Schwarze traf, solche Schwierigkeiten haben, eine Angelschnur ins Wasser zu werfen?
„Schau, schau mal nach hinten.", konnte er noch herausbringen, bevor er sich lachend auf dem Boden kugelte. Als Ravena schließlich tat wir ihr geheißen, schoss ihr unverzüglich die Schamesröte ins Gesicht. Sie wollte sich gar nicht ausmalen was geschehen wäre, wenn DAS jemand mit angesehen hätte. Als sie die Angelrute über ihren Kopf hinweg ins Wasser schleudern wollte, hatte sich wohl der Haken des Köders in ihrem Kleid verhackt, sodass sie den Stoff durch ihr stetiges Ziehen immer höher gerafft hatte und nun vor aller Welt ihre Unterwäsche entblößte. Mit einem hochroten Kopf machte sie sich sofort an das Entwirren ihres Kleides, doch in ihrer Hektik verhedderte sie sich nur umso mehr. Siägäs Lachen wurde noch lauter. Nach seiner kleinen Darbietung im Nachthemd vor dem Prinzen des Düsterwaldes empfand er es als sehr angenehm, solch ein Missgeschick zur Abwechslung auch einmal als Zuschauer zu erleben.
„Siägä!" Ravena war weit davon entfernt dieser Situation etwas Lustiges abzuverlangen. „Jetzt hilf mir schon, bevor noch jemand vorbei kommt!"
„Meinst du vielleicht jemand ganz Bestimmten? Einen Elbenprinz zum Beispiel?"
„Ja, zum Beispiel.", zischte sie zurück, „Und nach dem, was du dir gestern Morgen geleistet hast, dürftest du wohl kaum damit einverstanden sein, wenn er mich hier in meiner Unterwäsche bewundern kann, du Ork!" Rastlos ließ sie ihren Blick immer wieder über ihre Umgebung schweifen, schon beinahe damit rechnend das Gesicht eines sehr amüsierten Elben auszumachen. Er hatte sie beim verdreschen zweier Tierquäler genauso überrascht, wie beim Baden und einem Saufgelage, wieso also auch nicht, nachdem sie sich selbst an einer Angel aufgehangen hatte? Doch so sehr sie auch suchte – halb erleichtert, halb enttäuscht – musste sie feststellen, dass er nirgendwo auszumachen war.
Indessen hatte sich Siägä ihr erbarmt. Immer noch lachend machte er sich daran Ravenas Kleid zu entwirren. Er wollte sich gar nicht erst ausmalen was geschehen würde, wenn jemand sie nun beobachten würde. Erneut musste er kichern. Die Ansicht von ihm, wie er an Ravenas Hintern herumwerkelte, musste unwiderruflich zu falschen Schlussfolgerungen führen – und Klatsch verbreitete sich schnell in Gadara. Als er endlich fertig war und Ravena, immer noch hoch rot, ihren Rock wieder in Ordnung gebracht hatte, drückte er ihr erneut die Angel in die Hand. Den Blick, den sie ihm darauf zuwarf, hätte man fast schon als entgeistert bezeichnen können.
„Ach komm schon Ravena. Nur noch ein einziges Mal. Tu es für mich.", versuchte er sie zu überreden, seinen Hundeblick aufsetzend. Endlich schien er einmal eine Disziplin gefunden zu haben, in dem ihm das Mädchen nicht den Rang ablief. So wenig er Ravena auch für ihr Talent mit dem Bogen beneidete, es konnte ab und an sehr frustrierend sein immer, aber auch wirklich immer, zurückstehen zu müssen – und das auch noch hinter einer Frau.
„Na gut", seufzte sie schließlich, sich innerlich für ihr Nachgeben strafend, „aber wenn du nachher von einem Angelhaken aufgespießt im Fluss landest sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt." Also ging sie wieder in Position, tief durchatmend. So schwer konnte das doch nicht sein. Man musste einfach nur diese Angelschnur ins Wasser werfen. Überhaupt kein Problem, nicht für sie. Dieses Mal würde sie endlich etwas fangen, davon war sie überzeugt. Mit einer schnellen, fließenden Bewegung brachte sie die Rute in Position, holte aus und-
„Autsch!"
Vor lauer Schreck fiel Ravena die Angel aus der Hand. Diese Stimme kam ihr nur allzu bekannt vor. Eine Stimme, wie sie lieblicher nirgendwo existierte, doch für den Moment klang sie wirklich wütend. Blitzschnell drehte sie sich um. Sie hätte über das Bild, das sich ihr bot, lachen müssen, wäre es nicht schon wieder sie gewesen, die der Grund für all das Durcheinander war. Sie hatte tatsächlich etwas gefangen: den Elb ihrer Träume. Ihr Angelhaken hatte sich mitten in einem seiner Kriegerzöpfe verirrt.
***
Legolas hörte den Zwerg schon lange bevor er tatsächlich neben ihn trat.
„Weshalb so fidel, mein Freund?", wandte sich der Elb an einen versonnen vor sich hin kichernden Gimli.
„Nimm es mir nicht übel, Legolas. Aber im Moment lässt sich deine Fährte leichter aufnehmen, als die eines Stinktieres." Mit einem wissenden Lächeln sah er von der niedrigen Anhöhe, auf der sie standen, hinunter zum Fluss. Auf einem kleinen Felsplateau, das sich am Ufer des Stroms erhob, versuchten ein ihnen inzwischen nur allzu bekannter Rotschopf und ihr Freund ihr Glück beim Angeln. Gimli hatte sich nur bei Ravenas Chefin nach dem Aufenthaltsort des Mädchens erkundigen müssen um seinen Freund ausfindig zu machen. Für eine Weile beobachteten sie das ausgelassene Spiel der beiden in einmütigem Schweigen, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, bis schließlich der Zwerg die Stille brach.
„Nun, Legolas, hast du deine Entscheidung getroffen? Einen Tag konnten die Elben noch schinden, aber morgen werden Haldir und Herr Elrond wieder zurückreisen und mit ihnen ihr Gefolge. Werden wir nun mit ihnen aufbrechen?"
Legolas antwortete nicht sofort. Stattdessen starrte er weiter auf seine Geliebte. Sie war wie ein Feuer, ein ewig loderndes Feuer, das ihn anzog wie das Licht die Motte, ihn ebenso willenlos machte. Erst einmal in seinem gesamten Leben hatte etwas einen vergleichsweise starken Sog auf ihn ausgeübt. Die See. Die See, die er jetzt in Ravenas blauen Augen wiederfand. Sie waren genauso weit und tief wie das Meer, und allein ihnen wollte es gelingen, seine Sehnsucht zu stillen. Immer wenn Ravena ihn anblickte wusste er, dass er zu Hause angekommen war. Er liebt sie.
„Ja, ich habe meine Entscheidung gefällt", ließ er schließlich verlauten, „ich werde wohl noch etwas hier verweilen."
Zufrieden blickte Gimli ihn an. „Wusste ich's doch." Dennoch konnte er sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen. Die Macht der Gewohnheit war einfach zu stark. „Ich wusste, du würdest die einzigartige Landschaft hier noch genießen wollen." Er legte etwas Anzügliches in seinen Blick. „Und dort unten läuft anscheinend eine ganz besondere Sehenswürdigkeit dieses Landstriches herum. Was für mich die Frage aufwirft, weshalb sie da unten ist und wir uns hier oben hinter einigen Sträuchern verstecken. Lass und herunter gehen!"
Doch Legolas hörte gar nicht, was sein Freund sagte. Ein gedankenverlorenes Lächeln umspielte seine Lippen. „Sieh sie dir an, Gimli! Sie sind so vertraut miteinander."
Überrascht blickte der Zwerg zu seinem Freund hinauf. Sollte er da etwa einen Funken Eifersucht herausgehört haben? Eifersucht auf einen unreifen Jungen, der sein Herz ganz offensichtlich bereits an eine andere verschenkt hatte? Wiederum entfloh seiner Kehle ein amüsiertes Kichern. Würde er etwas höher reichen, hätte er dem Elb jetzt einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter gegeben.
„Sieh einer an, der Herr Elb benimmt sich auf seine alten Tage wie ein grüner Jungspund." Jetzt musste auch Legolas mit in Gimlis Lachen einfallen – kannte er sich doch selbst kaum noch wieder, wenn er in der Nähe dieser Frau war. „Ist es denn wirklich so schlimm?"
„Glaub mir, mein Freund, das willst du gar nicht wissen." Um ein weiteres, verdächtiges Glucksen zu unterdrücken machte sich der Zwerg daran, seine Pfeife zu stopfen. Schweigend beobachteten sie die beiden weiter. Es zeigte sich schnell, dass der Junge ein wahrer Meister seines Fachs war, während Ravena, nun ja, zumindest mit vollem Elan bei der Sache war. Ihr Enthusiasmus ließ sie noch nicht einmal bemerken, dass sich der Angelhaken in ihrem Kleid verfangen hatte – und sie den beiden Gefährten geradewegs ihre Unterwäsche präsentierte. Als der Elb das Missgeschick bemerkte, spürte er unverzüglich, wie er bis über beide Ohrenspitzen puterrot wurde. Verschämt drehte er sich um – immerhin wollte er sich von dem Zwerg nicht schon wieder Lüsternheit nachsagen lassen. Aber ein Blick auf Gimli verriet ihm einmal mehr, dass der Zwerg in dieser Hinsicht wohl weniger Hemmungen kannte. Ohne sich zu genieren verfolgte er das ihm gebotene Spektakel weiter.
„Also, mir ist es ja ein Rätsel, wie jemand, der auf hundertfünfzig Schritt ohne zu hadern mit einem Pfeil ins Schwarze trifft, solche Schwierigkeiten haben kann eine Angelschnur ins Wasser zu werfen.", meinte er amüsiert, nachdem er einen kräftigen Zug von seiner Pfeife genommen hatte.
„Gimli!" Legolas wollte es nicht glauben. Wie konnte dieser abgebrühte Zwerg bloß solch eine Seelenruhe bewahren, während Ravena dort unten, wenn auch unfreiwillig, ihre Unterwäsche präsentierte? „Hab wenigstens so viel Anstand und dreh dich um."
Lachend tat der Zurechtgewiesene wie ihm geheißen, sich immer noch über seinen Freund amüsierend. „Weshalb auf einmal so zimperlich, mein Freund? Immerhin bin nicht ich es, der sie schon nackt beim Baden überrascht hat."
Etwas entnervt verdrehte Legolas die Augen. „Ich habe nicht gewusst, dass sie in dem Fluss war!"
Doch das war für Gimli kein Argument. „Ja ja, das hätte ich hinterher auch behauptet." Mit einem Feixen wagte er, trotz Legolas' Aufforderung, sich Abzuwenden, einen kurzen Blick über die Schultern. Dabei befahl im sein Zwergenstolz unverzüglich, den Elb ein weiteres Mal zu necken.
„Mir dünkt, dass du jetzt bestimmt gerne in der Haut dieses Jungen stecken würdest." Ein süffisantes Grinsen umspielte seine Lippen. Ein Grinsen, das Legolas sofort seinen guten Vorsatz, Ravenas Privatsphäre zu achten, vergessen ließ. Schneller noch als Gimli es für möglich gehalten hatte, schoss der Kopf des Elben wieder in Richtung seiner Angebeteten. Er spürte, wie ihm augenblicklich das Blut in den Kopf schoss. Was hatte dieser grüne Junge an SEINER Geliebten zu schaffen? Hätte Gimli ihn nicht zurückgehalten, er hätte für nichts mehr garantieren können.
„Sag ich's doch, wie ein grüner Jungspund", murmelte der Zwerg mehr zu sich als zu seinem Freund und dann zu Legolas, mahnend, „Ist es normal unter Elben mit zunehmendem Alter immer weniger nachzudenken? Der Junge hat ihr bestimmt nur mit dem Haken geholfen." Sprachlos starrte der Prinz auf den Zwerg hinab. Er hatte recht! Der Zwerg hatte recht und er selbst hatte aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Verstand verloren. Wie war das möglich? Er handelte doch sonst nie so unüberlegt.
„Ach Gimli, was ist nur los mit mir?"
Einmal mehr musste der Zwerg über seinen Freund lachen. „Du bist verliebt Legolas, du bist verliebt."
Just in diesem Moment der Ablenkung flog Ravenas Angelhaken geradezu in Richtung des Elben. Zu spät erkannte er die Gefahr. Der Haken vergrub sich tief in einem seiner Zöpfe und noch bevor er etwas unternehmen konnte, wurde sein Kopf auch schon in einer scharfen Bewegung nach vorne gezogen.
„Autsch!" Sein verletzter Stolz ließ seine Stimme etwas schärfer klingen, als er es beabsichtigte. Ja hatte er denn in dieser einen Woche wirklich alles verlernt, was er sich über die Jahrhunderte hinweg angeeignet hatte? Zuerst lässt er sich von seinem Pferd bombardieren, dann aus dem Hinterhalt überfallen und nun auch noch in seinem eigenen Versteck überraschen? Etwas entnervt seufzte er auf. Es wurde wirklich allerhöchste Zeit, dass Ravena ihn endlich küsste und er wieder Ordnung in sein Gefühlschaos bringen konnte. Diese Ungewissheit über ihrer beider Zukunft würde ihm noch den letzten Nerv rauben.
„Legolas!" Er vernahm Ravenas panischen Ausruf und zum zweiten mal an diesem Tage schoss ihm das Blut bis in die Ohren. Jetzt würde sie auch noch herausfinden, dass er sie heimlich beobachtet hatte. Ob sie wohl sehr wütend auf ihn war? Wenn nicht sie, dann ganz bestimmt der Junge. Nun schämte er sich dafür, seine Präsenz nicht sofort kund getan zu haben, doch als er Ravena und Siägä endlich entdeckt und mit eigenen Augen gesehen hatte, wie ausgelassen sie herumalberten, war er sich wie ein schändlicher Eindringling vorgekommen. Ach, wie sehr wünschte er sich, selbst solch eine Bindung zu ihr zu haben.
Endlich hatte sie ihn erreicht. Was hatte er nur dort in den Büschen zu suchen gehabt? Er hatte sie doch nicht etwa beobachtet? Ein roter Schleier legte sich über ihre Wangen, als sie an das dachte, was er dann wohl noch alles zu Gesicht bekommen hatte.
„Ver... verzeiht bitte. Ich... ich hatte Euch doch nicht gesehen." Weitere Entschuldigungen murmelnd, stellte sie sich auf die Zehenspitzen um den Angelhaken aus seinem Zopf zu klauben. Trunken von ihrer unerwartenden Nähe ließ er alles mit sich geschehen, sog ihren Duft ein, fühlte ihre Hände, die sein Haar fast zärtlich auf der Suche nach dem Haken durchforsteten. Es kostete ihn alle Mühe, sie nicht einfach auf der Stelle zu küssen.
„Habe ich Euch... Habe ich Euch Schmerzen zugefügt?" Nachdem sie den Haken endlich in ihren Händen hielt, schaute sie ihm fragend in die Augen. Verzückt – das einzige Wort, das in diesem Moment Legolas Gemütszustand entsprechen würde. Da war es wieder, dieses Blau, sein Hafen, sein Zuhause. Wie in Trance nahm er ihre Hände und führte sie zu seinen Lippen.
„Ihr könntet mir doch niemals Schmerzen zufügen, meine Dame." Ravena konnte sich den plötzlichen Schwindel, der sie angesichts seines Lächeln befallen wollte, nicht erklären. Sie war im Begriff alles um sich herum zu vergessen, als sie plötzlich ein ziemlich störendes Räuspern im Hintergrund vernahm. Nur sehr ungern kamen die beiden wieder in die Wirklichkeit zurück.
„Nun, mein Freund", Gimli nahm einen kräftigen Zug von seiner Pfeife, „Ich wage zu behaupten, dass es endlich einem weiblichen Wesen gelungen ist, dich an Land zu ziehen – im wahrsten Sinne des Wortes."
Alle vier mussten sie lachen und dennoch wünschte sich Ravena im Moment nichts sehnlicheres, als dass Legolas sie, wie damals während dem Ball, ein weiteres mal „entführen" würde. Allein schon der Gedanke an eine Stunde zu zweit genügte, um ihr Herz schneller schlagen zu lassen. Doch unter den wachsamen Blicken Siägäs würde das wohl nur sehr schwer möglich sein. Eine Tatsache, derer sich auch Legolas nur allzu schmerzlich bewusst war. Nun, immerhin konnte er sich mehr als glücklich schätzen überhaupt Zeit mit seiner Geliebten zu verbringen. Also nahm er sie schnell bei der Hand und führte sie das kurze Stück zum Fluss hinab, wo noch immer die Angel lag.
„Wir müssen doch noch Euer Abendmahl fangen, meine Dame.", erwiderte er lachend Ravenas fragenden Blick. Noch bevor sie irgendwelche Einwände vorbringen konnte, war er auch schon mit seinen ihm so eigenen, geschmeidigen Schritten auf das Felsplateau gesprungen und balancierte die Angel in seiner linken Hand. Seine Rechte hielt er einladend zu Ravena hin. Als wäre sie in einem unsichtbaren Bann gefangen, ergriff sie seine Hand und ließ sich zu ihm auf den Felsen ziehen.
„Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist." Ravena wollte sich nicht ausmalen, was noch alles geschehen könnte. Sicherlich waren ihre Fettnäpfchen für den heutigen Tag noch lange nicht ausgeschöpft – nun, zumindest nicht, solange sie noch eine Angel in ihrer Hand hielt.
„Ach was, meine Dame, ich werde Euch helfen." Ohne weiter auf Ravenas Einsprüche einzugehen, lotste er sie vor sich, sodass sie nun mit dem Rücken zu ihm stand. Sie sog scharf die Luft ein, als sie Legolas Fingerspitzen auf dem Weg zu ihren Händen wie zufällig über ihre Hüften gleiten spürte. Unbewusst führte er für den Bruchteil einer Sekunde seine Nase zu Ravenas Nacken, sog ihren lieblichen Geruch ein. Es kostete ihn all seine Selbstkontrolle die ihm dargebotene Haut nicht zu kosten, sie nicht mit unzähligen Küssen zu bedecken. Wieder lächelte er. Er war ja selbst Schuld – hatte er sich dieser süßen Marter doch freiwillig ausgeliefert.
Atemlos horchte Ravena Legolas' Instruktionen. Ohne sich weiter zu wehren, ließ sie es geschehen, dass er ihre Finger in die richtige Position brachte, konzentrierte sich dabei voll und ganz auf die Zärtlichkeit seiner Berührungen. Noch nie in ihrem Leben hatte ein Mann sie so sanft berührt. Sie wusste, dass er ihr etwas erklärte – spürte sie doch das feine Kitzeln in ihrem Nacken immer dann, wenn sein Atem die winzigen Härchen streifte. Allerdings war sie so sehr in seiner Umarmung gefangen, dass sie unfähig war seinen Worten einen rechten Sinn zu verleihen. Glücklicherweise war das auch nicht von Nöten, denn der Elb hatte schon längst die Führung übernommen. Routiniert platzierte er die Angel hinter ihnen.
„Und wenn ich ‚jetzt' sage, müsst Ihr die Schnur ganz geschwind nach vorne schnellen lassen. Verstanden?"
Ravena lachte. „Verstanden, mein edler Herr."
„Jetzt!" Gemeinsam schleuderten sie die Angelschnur nach vorne. Ravenas Augen weiteten sich vor Freude, als sie erkannte, dass dieses Mal nichts schief gegangen war und der Köder tatsächlich im Wasser planschte, dort, wo er auch hingehörte.
„Seht Ihr, das war doch gar nicht so schwer." Obwohl Legolas sich durchaus darüber im klaren war, dass für den Moment keine weitere Notwendigkeit mehr bestand in dieser Position zu verweilen, machte er keinerlei Anstalten seine Umarmung zu lösen – erst recht nicht, da Ravena keine Einwände dagegen zu haben schien. Ganz im Gegenteil, das Mädchen fiel immer weiter zurück, bis sie schließlich ganz an Legolas Brust lehnte. Der Elb nahm diese Tatsache nur allzu glücklich zur Kenntnis. Da kam es ihnen beinahe wie eine Störung vor, als urplötzlich die Angelschnur zu zucken begann. Überrascht schreckten die beiden verliebten auseinander. Ein Fisch hatte angebissen.
„Das scheint ein ziemlich großer Bursche zu sein." Sofort verstärkte Legolas wieder seinen Griff um die Rute. „Den werden wir so nicht aus dem Fluss bekommen. Haltet die Angel gut fest." Damit löste er sich, wenn auch nur widerwillig, von seiner Geliebten, um in das am Ufer noch recht seichte Wasser des Flusses zu waten. Ravena hatte derweil alle Mühe, die Angel nicht ihren Finger entgleiten zu lassen.
„Siägä, beweg die sofort hierhin!" Als er gerade im Begriff gewesen war für etwas mehr Abstand zwischen Ravena und Legolas zu sorgen, hatte ihn der Zwerg mit einem interessanten Gespräch über die Schifffahrt in Gadara abgelenkt. Dementsprechend hatte er die Aufregung über den angebissenen Fisch nur am Rande mitbekommen, doch als Ravenas Schrei ihn erreicht hatte, war er innerhalb weniger Sekunden bei ihr. Unverzüglich half er Ravena dabei, den Griff um die Angel zu verstärken, während Legolas sich unten im Fluss jede Mühe gab den Fisch zu schnappen. Doch allem Anschein nach war das arme Tier noch lange nicht bereit so einfach mit seinem Leben abzuschließen. Es lieferte dem Elb einen würdigen Kampf, während dem Legolas auch den ein oder anderen Flossenschlag einstecken musste. Es war wirklich zum verzweifeln, gerade dann, wenn er dachte, ihn sicher in seinen Händen zu halten, entwischte ihm der glitschige Fisch wieder. Eine missliche Lage, die Ravena sofort richtig einzuschätzen wusste. Also überließ sie Siägä und dem hinzugetretenen Gimli die Angel, während sie selbst Legolas in den Fluss folgte, um dem Elb zur Hilfe zu eilen.
Es war ein harter Kampf und lange Zeit war es unersichtlich, wer ihn für sich entscheiden würde. Sowohl Ravena als auch Legolas waren bereits völlig durchnässt. Doch schlussendlich war es Ravena, der es gelungen war das zappelnde Etwas zu bändigen und in ihren Armen zu halten. Es war wahrhaft ein prächtiges Exemplar.
„Ich hab ihn, ich hab ihn!"
Nicht nur Legolas, sondern auch Siägä und Gimli jubelten ihr zu.
„Gut gemacht, Ravena, halt ihn fest und jetzt Vorsicht mit der Schnur." Wachsam näherte sich Legolas seiner Angebeteten und entfernte den Haken von dem scheinbar betäubten Tier. Doch kaum war es von dem lästigen Stück Metall befreit schlug seine Flosse ein weiteres Mal kräftig aus. Ravena war darüber so überrascht, dass sie erschrocken einen Schritt nach hinten auswich und über einen, im Wasser unsichtbaren, Stein stolperte. Wenig elegant landete sie mit ihrem Hintern im Fluss – der Fisch hatte längst seine Chance gesehen und das weite gesucht. Vollkommen perplex wanderte ihr Blick von der Stelle, an der der Fisch verschwunden war zu Legolas' Augen. Wie auf ein geheimes Zeichen hin fingen die beiden an, ausgelassen zu Lachen.
„Ihr seid ganz nass, meine Dame." Immer noch verschmitzt grinsend half er ihr wieder auf, vergaß danach allerdings wieder einmal ihre Hand los zu lassen. „Mir dünkt, dass ihr mit Apfel und Bogen besser umgehen könnt."
Der Rotschopf antwortete mit einem süffisanten Lächeln. „Na wartet, mein Herr. Diese Aussage werdet ihr noch tunlichst bereuen." Damit bückte sie sich schnell um dem Elb eine gehörige Portion voll Wasser ins Gesicht zu spritzen. Doch diese Attacke gegen seine Person konnte Legolas natürlich nicht ohne Gegenwehr mit sich geschehen lassen. Ebenso schnell wie in seinem eigenen, landete nun auch in Ravenas Gesicht ein Schwall Wasser.
Mit offenem Mund beobachtete Siägä die ausgelassen im Wasser tobenden Gestalten. Auch um seine Mundwinkel herum begann es verdächtig zu zucken. Die beiden benahmen sich ja schlimmer als jedes Kind.
„Sagte ich es doch, wie ein grüner Jungspund." Zufrieden nahm Gimli einen Zug von seiner Pfeife.
Legolas genoss jede einzelne Sekunde ihrer kleinen Wasserschlacht. Schon lange war es ihm nicht mehr vergönnt gewesen, sich so ausgelassen zu fühlen, wie in der Gegenwart dieser ganz besonderen Frau. Als sie endlich schwer atmend zur Ruhe kamen, wollte es ihm kaum noch gelingen seinen Blick von ihr zu wenden. Das nasse Kleid klebte betörend eng an ihrem Körper und die weiße Bluse, die sie darunter an hatte, gewährte ihm nun wohl etwas mehr Einblick in ihr Dekolleté, als es sich geziemte. Außerdem hatte sich während ihrem Kampf ihr unglaublich langes Haar gelöst, sodass es nun wild über ihre Schultern fiel. Ravena ging es indes nicht viel anders. Auch Legolas war klatschnass. Sein weißes Hemd gab für den Moment mehr von seinem muskulösen Oberkörper preis als, es tatsächlich bedeckte und, die langen Haare klebten triefnass an seinem Kopf. Erst einem räuspernden Siägä konnte es gelingen, sie wieder zur Vernunft zu bringen. Immer noch lachend, aber keines Wegs ohne die Blicke voneinander lassen zu können, stiegen sie schließlich aus dem Wasser.
„Es ist wohl besser, wir machen uns auf den Weg. Es beginnt schon zu dunkeln und Ravena braucht etwas Trockenes zum anziehen." Schon war Siägä dabei, seine Angelutensilien zusammenzupacken, immer noch über das verlorene Abendmahl mosernd.
„Wir werden euch noch ein Stück des Weges begleiten, wenn es Euch recht ist."
Siägä seufzte auf. „Wieso nur wusste ich, dass diese Frage kommt?"
***
Siägä und Gimli gingen voran, während Legolas und Ravena ihnen gemäßigteren Schrittes folgten. Es war ein herrlicher Abend. Noch wollte die Sonne der Nacht nicht den Vortritt lassen, sodass die Welt in ein warmes, angenehmes Licht getaucht wurde. Von dem hoch stehenden Hirsefeld, das nahe der Straße verlief, wehte ein angenehmes Aroma zu ihnen herüber. Legolas wusste Gimli nicht genug zu danken. Es gelang seinem Freund doch immer wieder, diesen Siägä in ein Gespräch zu verwickeln. Lächelnd wagte es Legolas sogar, einen Arm um Ravena zu legen und sie etwas näher an sich heranzuziehen.
„Ihr zittert ja, meine Dame.", hauchte er leise in ihr Ohr. Das tat sie wirklich. Allerdings war sich Ravena nicht so sicher, ob es wirklich von ihrer nassen Kleidung herrührte. Sie vermutete viel mehr, dass der Herr neben ihr seinen nicht unwesentlichen Teil dazu beitrug. Also schenkte sie ihm ein leises Lachen.
„Das ist nichts. Ich bin sicher, wenn die Sonne erst einmal mein Kleid getrocknet hat, wird sich das wieder legen.", log sie.
„Aber mir ist zu Ohren gekommen, dass Menschen sehr schnell fiebern, wenn sie frieren." Legolas ließ nicht locker – immerhin wollte er seine Geliebte nicht wegen ihm todkrank im Bett liegen sehen. Doch alles was er Ravena mit seiner Überbesorgtheit entlocken konnte, war ein weiteres Lächeln.
„Aber nicht bei dieser Hitze. Meine Sachen sind bestimmt bald wieder trocken." Tatsächlich waren ihre Kleider kaum noch feucht. Nur ihr Haar klebte nach wie vor nass an ihrem Rücken.
Kaum merklich waren sie immer weiter hinter den anderen zurückgeblieben. Immer wieder sah man den Elb einen abschätzenden Blick nach vorne und zur Seite, dem Hirsefeld, werfen. Anschließend sah er zu Ravena. Ob er es wagen durfte? Er hatte es schon einmal getan, doch dieses mal würde man das Hirsefeld falsch interpretieren können. Plötzlich musste er grinsen. Wenn ja, würde es bestimmt eine Ohrfeige hageln, wenn nicht gar Prügel mit dem Besenstiel. Amüsiert musste er an Siägäs Auftritt vom vergangenen Morgen denken. Doch alles in ihm schrie nach trauter Zweisamkeit mit ihr – und die war im Beisein dieses Jungen ganz sicherlich nicht zu erreichen. Er entschloss sich, die Maulschellen zu riskieren. Indessen war Ravena die plötzliche Unruhe des Elben nicht unbemerkt geblieben. Was er nur hatte? Es lag doch nicht etwa eine Gefahr in der Luft?
„Legolas? Was habt Ihr denn?" Sie spürte Legolas zögernden Blick auf sich ruhen. Was nur mit ihm los war?
„Ravena?"
„Ja?"
„Versprecht Ihr mir, nicht böse zu sein?"
Irritiert suchte sie seine Augen, hoffte, dort eine Antwort auf seine merkwürdigen Reden zu bekommen. Sie begann sich ehrlich Sorgen zu machen. „Aber weswegen sollte ich Euch denn böse sein?"
Plötzlich formten sich seine Lippen zu einem breiten Grinsen. „Wegen dem, was ich nun tun werde."
Noch bevor sie darüber nachsinnen konnte, was diese Aussage zu bedeuten hatte, spürte sie auch schon zwei kräftige Arme, die sie über die Schultern hievten und sie geradewegs in das Hirsefeld hineintrugen. Empört schrie sie auf, doch Siägä und Gimli waren wohl schon zu weit voraus, um ihre Schreie noch wahrzunehmen. Sie fasste es einfach nicht, wollte es einfach nicht wahrhaben, in welch würdeloser Position sie sich gerade befand. Entrüstet hieb sie ihm immer wieder auf den Rücken ein.
„Lasst mich sofort los, Ihr ungehobelter Elb!"
Das amüsierte Lachen, das sie daraufhin erhielt, steigerte ihre Wut noch mehr. Oh ja, sie hatte sich gewünscht, von Legolas wieder entführt zu werden, aber doch nicht in ein schäbiges Hirsefeld. Sie hatte wirklich gedacht sie wäre ihm mehr wert. Waren denn ausnahmslos alle männlichen Wesen gleich? Sie hatte wirklich gedacht, Legolas wäre anders.
Endlich war der Elb zu der Überzeugung gelangt, sich weit genug von der Straße entfernt zu haben. Ein Donnerwetter befürchtend ließ er sie schließlich wieder auf ihren eigenen Füßen stehen – nicht ohne ein letztes Mal tief durchzuatmen. Seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Kaum hatte Ravena ihre Freiheit wieder, teilte sie auch schon eine knallende Ohrfeige aus. Der rote Abdruck ihrer Hand auf seinem Gesicht hätte sie beinahe schwach werden lassen, doch dieses Mal hatte er den Bogen eindeutig überspannt. In seiner Gegenwart hatte sie sich erlaubt weich zu sein. Sie hatte sich ihm geöffnet, ihm vertraut. Wie oft schon hatte sie es willenlos geschehen lassen, wenn er sie mit der größten Selbstverständlichkeit entwaffnet hatte? Und nun das, ein Hirsefeld! Als wäre sie nur ein dahergelaufenes Flittchen. Wieder einmal zierten ihre Wangen die altbekannte Röte, doch dieses Mal nicht aus Scham, sondern aus Wut. Sie schlug ihm vor die Brust.
„Wie könnt ihr es wagen mich so zu entehren? Ihr... Ihr grobschlächtiger Elb, Ihr... Ihr ungehobeltes Etwas... Oh, wie könnt Ihr es wagen? Wie könnt Ihr nur? Und ich dachte wirklich, ihr wärt anders!" Damit wollte sie auf dem Absatz kehrt machen und gehen, doch noch bevor sie sich auch nur einen Schritt von ihm wegbewegen konnte, spürte sie schon wieder seine Arme, die sie umfingen – so stark, dass sie ihr kein Entkommen ermöglichten und doch so ungeheuer zärtlich. Sie musste sich regelrecht dazu zwingen, sich nicht erneut in seinem Geruch zu verlieren. Verdammt, wieso konnte er ihr auch so einfach den Wind aus den Segeln nehmen? Aber so leicht würde sie es ihm dieses Mal nicht machen.
„Ihr braucht gar nicht zu glauben, dass ich mich Euch in einem Hirsefeld hingebe, Ihr... Ihr... ach, was auch immer Ihr seid!"
Völlig verdutzt über diese Aussage erlaubte er sich ein herzliches Lachen. Da hatte sie ihn aber ganz gehörig missverstanden. Glaubte sie denn wirklich er würde sich für ihre erste gemeinsame Nacht ein Hirsefeld aussuchen? Gerade so, als sei sie nichts als ein dahergelaufenes Flittchen? Er wollte doch nur etwas ungestörte Zeit mit ihr verbringen. Nun, eins musste er ihr lassen, sie war sehr leidenschaftlich, mehr noch, als er es jemals für möglich gehalten hätte.
„Euch mir hingeben?" Wieder dieses Lachen. Instinktiv suchten ihre Augen den Blickkontakt.
„Etwa nicht?" Sie merkte, wie sie zu zögern begann. Ihr schwante etwas Unheilvolles. Sie hatte sich gerade doch nicht schon wieder fürchterlich blamiert?
Aber Legolas beschloss, sie noch etwas im Unklaren zu lassen. Sie hielt ihn für einen ungehobelten Rüpel? Nun, dann sollte sie doch. „Das klingt mir gerade so, als hättet Ihr schon einige Erfahrung mit dem ‚sich hingeben' im Hirsefeld, meine Dame."
Ravena spürte sich vor lauter Empörung die Luft anhalten. Aufgebracht tippte sie ihm mit ihrem Zeigefinger auf die Brust. „Ich wüsste nicht, was Euch das angeht, HERR ELB!" Die Schamesröte stieg ihr so heiß ins Gesicht, wie selten zuvor. War sie denn wirklich so leicht zu durchschauen? Ob sie in seinen Augen nun weniger Wert war? Nun, wo er die Wahrheit zumindest ahnte? Sie spürte, wie die Unsicherheit von ihr Besitz ergriff.
„Ahhh, ich habe also einen wunden Punkt berührt?" Legolas klang immer noch amüsiert. Seine Geliebte war also nicht nur Leidenschaftlich, sondern sie besaß auch schon Erfahrung. Welch ungeahnten Seiten so ein Hirsefeld doch aufdecken konnte.
„Habt Ihr nicht!", log sie, „Und jetzt lasst uns besser von hier verschwinden. Bauer Ortolf sieht es nicht besonders gern, wenn sich Paare in seinen Feldern tummeln."
„Zum ‚sich hingeben'?" Erheitert zog er eine Augenbraue hoch. Er wusste, er bewegte sich auf gefährlichem Terrain, auf sehr gefährlichem Terrain sogar. Sie war wütend und vor allem verunsichert. Er war sich darüber bewusst, dass all das sein Werk war, doch diese neu entdeckte Seite an ihr faszinierte ihn. Es war ihm ein Rätsel, wie sie gleichzeitig so schüchtern und doch so Leidenschaftlich sein konnte. Er hielt sich seine schmerzende Wange – ein eindeutiges Zeichen ihres Temperaments. Sie war wirklich um einiges stärker, als es den Anschein hatte.
„Ihr macht Euch über mich lustig! Wir werden ja sehen was Ihr dazu sagt, wenn eine Schar Hunde hinter Euch her ist."
Legolas schenkte ihre ein strahlendes Lächeln. „Ihr vergesst meine elbischen Sinne, hiril nîn. Ich werde die Hunde schon früh genug hören."
„Ach, Ihr meint genau so wie Ihr die Banditen früh genug gehört habt?"
In diesem Moment wurde ihm einmal mehr klar, wieso es unter all den Elben in Mittelerde ausgerechnet ihr, einer Menschenfrau, gelungen war sein Herz zu stehlen. Sie war die einzige, die ihm gehörig Paroli bieten konnte, die ihm ungefragt ihre Meinung sagte, ohne sich um irgendwelche nichtssagenden Titel zu scheren. Dennoch konnte er sich einer aufsteigenden Röte nicht erwehren. Wer wurde denn auch schon gerne an seine Missgeschicke erinnert? An solch peinliche noch dazu?
„Ein Punkt für Euch." Damit machte er es sich erst einmal auf dem Boden bequem. Seine Hände hielt er einladend zu Ravena hin. Das Mädchen konnte es nicht fassen, da hatte er doch tatsächlich die Dreistigkeit es sich mitten in dem Feld bequem zu machen. Noch weniger konnte sie es fassen, dass sie seine Hände, diese Tempel der Zärtlichkeit, auch wirklich ergriff. Sie war gerade im Begriff sich neben ihm niederzulassen, als er sie lachend zu sich auf seinen Schoß zog.
„Wir wollen doch nicht, dass Euer Kleid schmutzig wird." Verschmitzt grinste er sie an, doch dann wurde er plötzlich ernst. „Ravena..." Gedankenverloren strich er ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Eine unbewusste Geste, die in der jungen Frau dennoch ungeahnte Schauer der Verzückung auslöste. „Ich muss mich bei Euch für mein Verhalten entschuldigen. Es lag mir wirklich fern, Euch in irgendeiner Form zu entehren. Ich wollte doch nur etwas Zeit mit Euch alleine verbringen – ohne ständig von einem geschwungenen Besenstiel, der wie ein Damoklesschwert über meinem Kopfe schwebt, bedroht zu werden." Sie lachte leise und fuhr mit ihren Fingerspitzen die markanten Linie seiner Wangen nach. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, als er seine Augen schloss und sich wie ein kleines Kätzchen in ihre Berührungen schmiegte. Gespielt theatralisch seufzte sie auf.
„Also gut, ich verzeihe Euch – aber ein Rüpel bleibt Ihr trotzdem." Sie drohte ihm lachend mit ihrem Zeigefinger, den der Elb sofort ergriff und mit federleichten Küssen bedeckte. Jetzt war es an ihr, die Augen zu schließen und jede seiner sanften Berührungen zu genießen. Sie ließ ein leises Murren hören, als die Liebkosungen plötzlich unterbrochen wurden. Mit einem unwilligen Seufzer öffnete sie wieder ihre Augen. Wieso nur hatte er aufgehört? Sie weiteten sich noch mehr, als sie erkannte, dass all das nur ein simples Ablenkungsmanöver gewesen war um seine Lippen unbeobachtet bis zu ihrem Terrain vordringen zu lassen. Erwartend sah er ihr in die Augen. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt. Würde sie ihn nun endlich küssen? Er jauchzte innerlich als sie sein Gesicht in ihre Hände nahm und es langsam zu ihren Lippen führte.
Ravena konnte es nicht fassen. Sie war tatsächlich im Begriff, ihren Elb zu küssen. Endlich würden ihre Lippen die Erfüllung finden, nach denen es sie nun schon so lange verlangte. Kein Siägä, kein Gandalf, kein tölpelhafter Betrunkener war in der Nähe, der sie daran hindern konnte. Sie war gerade im Begriff seine Lippen mit ihren zu bedecken, als er sein Gesicht plötzlich zur Seite drehte – und der Kuss unbeholfen auf seiner Wange landete.
„Was...?" Vor lauter Empörung schaffte sie es noch nicht einmal einen vernünftigen Satz zu Stande zu bringen. Wütend nahm sie erneut sein Gesicht in ihre Hände und zwang ihn sie Anzuschauen. „Was bitteschön war das gerade?" Sollte er denn wirklich nur Spielchen mit ihr getrieben haben? War denn nichts ernst gemeint gewesen? Aber sie hatte doch von der Liebe zu ihr in seinen Augen gelesen. Das konnte sie sich nicht alles eingebildet haben, oder doch? Plötzlich schlug sein Gesichtsausdruck in blankes Entsetzen um.
„Ravena, Eure Bemerkung über die Hunde eben..."
„Ja?" Angesichts seiner bestürzten Stimme schwante ihr nichts gutes.
„...das war kein Scherz gewesen, oder?"
„Nein", krächzte sie, „heißt das...?"
„Das heißt wir sollten lieber so schnell laufen, wie wir können." Zu schnell für jedes menschliche Auge war er auch schon aufgesprungen, Ravena mit sich nach oben ziehend. Er zeigte in eine Richtung, die anscheinend entgegengesetzt der sich nähernden Hunde lag. „Da lang!"
Den Rotschopf an der Hand nehmend rannte er los. Es ging quer durch die Hirse, Grashalme peitschten ihnen ins Gesicht. Die Angst vor den immer näher kommenden Hunden machte ihnen Beine. Mittlerweile waren sie so nah gekommen, dass sogar Ravena ihr wütendes Gebell hören konnte. Sie wusste nicht, wie viele Verfolger sie hatten, doch es war wohl mehr als einer. Der Elb beschleunigte sein Tempo mit jedem Schritt, den sie rannten. Er verfluchte sich dafür, dass er keine Waffen bei sich trug. Aber wer hätte denn schon mit solch einem Angriff gerechnet? Obwohl er voll und ganz von der Flucht eingenommen wurde gelang es ihm doch noch einen unwilligen Schrei auszustoßen. Schon wieder hatte ihm das Schicksal diesen Kuss missgönnt. Ob er wohl jemals wieder die Chance haben würde, diese süßen Lippen auf seinen zu spüren? Aber darüber würde er noch ausgiebig nachdenken können, wenn er sich und Ravena vor den Hunden gerettet hatte. Plötzlich spürte er, wie Ravena hinter ihm fiel. Erschrocken blieb er stehen und half ihr wieder auf. Es galt wirklich keine Zeit zu verlieren.
„Alles in Ordnung?" Als Ravena nickte, rannte er auch schon weiter. Die Sorge um seine Geliebte trieb ihn voran. Immer schneller und schneller. Doch plötzlich hielt er abrupt an. So abrupt, dass eine nach Luft schnappende Ravena geradewegs in Legolas Rücken hineinrannte.
„Was ist los?", gelang es ihr schließlich zwischen zwei Atemstößen hervorzubringen, doch dann sah sie das Übel selbst. Sie waren an das andere Ende des Feldes gelangt, dass man von der Straße aus nicht hatte sehen können. Unglücklicherweise fiel gerade diese Seite des Ackers steil ab, sodass sich vor ihnen ein bodenloser Abgrund auftat. Nun, bodenlos war vielleicht übertrieben, aber doch so tief, dass kein Mensch einen Sprung ohne Verletzungen überstehen würde. Unvermittelt drehte sich Legolas zu seiner Geliebten um und umfasste ihre Schultern. Er schaute ihr tief in die Augen.
„Ravena, vertraut Ihr mir?"
Überrascht sah sie ihn an. „Ja!" Was hatte er nur vor?
„Wirklich?"
„Ja!" Plötzlich existierten für sie nur noch seine Lippen, die sich hart auf ihre eigenen pressten. Noch bevor sie wirklich realisierte, was Legolas gerade getan hatte, war er auch schon wieder zurückgewichen und in einem schnellen Sprung den Abhang hinunter gesprungen. Erschrocken sah Ravena dem Elb hinterher. Die Angst packte sie. Er wollte sie doch nicht etwa mit den Hunden allein lassen? Aber das hatte Legolas keineswegs vor. Erwartungsvoll breitete er weit seine Arme aus.
„Springt!"
„Was?" Entsetzt schaute sie ihn an.
„Vertraut mir, Ravena! Ich werde Euch auffangen!" Das konnte nicht sein ernst sein! Springen? Aus dieser Höhe? Sie würde sich alle Glieder brechen.
„Bitte Ravena, beeilt Euch!" Verzweifelt rief Legolas sie an. Alles, was er nun tun konnte war von ganzem Herzen hoffen, dass sie ihm wahrhaft vertraute und sprang. Er sah die Angst, die Zweifel in ihren Augen und ihr Zögern schmerzte ihn. Liebte sie ihn denn nicht? Niemals würde er sie fallen lassen!
Nervös wanderte Ravenas Blick immer wieder von Legolas zu den sich nähernden Hunden. Auch wenn sie ihre Gestalten noch nicht ausmachen konnte, erkannte das Mädchen doch, wie sie die Hirse in ihrem unerbittlichen Lauf niedermähten. Sie spürte immer noch Legolas Lippen auf ihren. Die Berührung war so kurz gewesen, dass man sie kaum als einen richtigen Kuss bezeichnen konnte. Dennoch hatte sie ein neues, ungeahntes Feuer in ihr entfacht. Liebte sie ihn? Ja! Und vertraute sie ihm auch? Die Antwort war auch ja! Ohne noch einmal zurückzuschauen sprang sie in die Tiefe – nur um einen kurzen Moment später von zwei kräftigen Armen aufgefangen zu werden. Keine Sekunde zu spät, denn dort, wo eben noch Ravena stand, kamen nun fünf zähnefletschende Hunde wütend zum stehen.
Doch Ravenas Schwung war so stark gewesen, dass sie alle beide zu Boden kullerten. Als sie schließlich zu einem Halt kamen war es Legolas, der sich über Ravena abstützte, immer bedacht, sie durch sein Gewicht nicht zu erdrücken. Völlig außer Atem sahen sie sich lange Zeit einfach nur in die Augen. Niemand wagte diesen Moment durch ein gesprochenes Wort zu zerstören. Etwas war geschehen, etwas bedeutendes. Sie hatte den Sprung gewagt, ihm vertraut, ihm ihr Leben in die Hände gelegt und er hatte sie nicht enttäuscht. Er war da gewesen als sie ihn gebraucht hatte und am Ende hatte er sie sogar gerettet.
Immer noch auf dem Rücken liegend, stützte sich Ravena langsam auf ihren Ellenbogen ab. Eine Hand führte sie zu Legolas Wange. Ohne ein einziges Wort liebkoste sie diese für einen Mann so unfassbar weiche Haut, machte dort weiter, wo sie ihm Hirsefeld aufgehört hatte. Sie setzte sich noch etwas weiter auf, hauchte ihm einen sanften Kuss auf seine Wange, wanderte immer weiter zu seinem Mund...
Ungeduldig erwartete Legolas das, was nun kommen würde, als sie plötzlich erschrocken den Kopf zur Seite stieß und seine Lippen ungeschickt ihre Wangen streiften. Aus den Augenwinkeln hatte sie wahrgenommen, wie sich einer der Hunde an den gefährlichen Abstieg wagte, seine Beute nicht aufgebend. Noch schien er keinen sicheren Weg gefunden zu haben, doch sicher war sicher. Entschuldigend deutete Ravena auf das Tier.
„Wir machen wohl besser, dass wir hier wegkommen. Kommt schon, ich kenne einen Weg hier heraus." Seufzend stand auch Legolas auf. Da war es schon wieder geschehen! Er schwor sich Ravena heute nicht eher frei zu geben, bis sie ihm einen Kuss, nur einen einzigen, gewährt hatte.
***
Mittlerweile war die Nacht herein gebrochen und am endlosen Firmament erstrahlte Luna in ihrer vollen Pracht. Beglückt darüber, gebraucht zu werden, wies sie einem verliebten Paar den Weg. Sich immer wieder verstohlene Blicke und ab und an ein Lächeln zuwerfend, wanderten sie Hand in Hand über eine weite Wiese. Immer wieder blieben sie verwundert stehen, die ersten Tautropfen betrachtend, die im hellen Mondlicht wie silberne Perlen schimmerten. Plötzlich war es Legolas als hörte er ein altbekanntes Rauschen. Beinahe verdutzt blieb er stehen.
„Aber das ist ja das..."
„Meer?", beendete Ravena seinen Satz. Schon längst hatte sie mit all ihren Sinnen die salzgeschwängerte Luft wahrgenommen. Plötzlich schlich sich eine brillante Idee in ihr Bewusstsein. „Kommt!"
Damit führte sie den erstaunten Elb geradewegs einen kleinen Hügel hinauf. Nachdem sie während ihrer Flucht den kleinen Abhang hinunter gesprungen waren, hatte Ravena erkannt, dass sie sich nahe der Dünen befanden. Sich der Liebe des Elbenvolkes zu der See erinnernd, hatte sie beschlossen, Legolas am Meer entlang zurückzuführen. Je höher sie nun den Hügel wanderten, desto lauter wurde das Meeresrauschen, fast schon konnte man es als Tosen bezeichnen. Als sie endlich oben angekommen waren verschlug es dem Elb beinahe den Atem. Sie hatten einen wunderschönen Blick auf den unendlich scheinenden Ozean. Der Mond spiegelte sich silbern auf des Meeres weiter Decke und weit im Hintergrund, für Ravenas Augen fast schon unsichtbar, erhoben sich majestätisch die Klippen von Gadara. Lächelnd führte sie den verblüfften Legolas die Dünen hinab zum Strand, ein spitzbübisches Grinsen umspielte ihre Lippen.
„Etwas romantischer als ein Hirsefeld, oder?" Erst als sie schon ihre Schuhe ausgezogen und wie ein kleines Kind in die Ausläufer der Wellen gelaufen war, kam der Elb wieder zu Sinnen. Lachend tat auch er es ihr gleich. Darauf bedacht, sie schnellstmöglich einzuholen, lief er ihr hinterher, genoss das prickelnde Gefühl, als das Wasser, das erste mal seine nackten Füße umspielte. Schon hatte er sie eingeholt und in seiner Umarmung gefangen. Jubelnd umfasste er ihre Hüften, drehte sich einmal mit ihr im Kreis herum. Seine Augen verloren sich in dem hellen Blau ihrer Augen, das im Mondlicht fast weiß schimmerte. Da war sie schon wieder, diese unbeschreibliche Leichtigkeit, die er nur in ihrer Gegenwart fühlen konnte. Bei ihr konnte er ganz er selbst sein, konnte sich fallen lassen, ihr die Führung überlassen. Lachend entfloh sie aus seiner Umarmung, lief den Strand entlang. Sie wollte fangen spielen? Nun, darin war er gut. Noch bevor sie sich versah war sie auch schon wieder in seinen Armen. Dieses mal wehrte sie sich nicht dagegen. Wie könnte sie auch? Nie war sie inniger und sanfter berührt worden als von ihm. Seine Hände, für sie waren es Tempel der Zärtlichkeit, erkundeten ihren Rücken, die elbische Gründlichkeit ließ keine Stelle aus. Plötzlich nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung hoch oben bei den Klippen wahr. Angestrengt kniff sie ihre Augen zusammen, versuchte etwas zu erkennen. Ihr beider Tanz mit dem Meer hatte sie immer näher an die Klippen herangeführt, sodass es ihr nun gelang zwei blonde Elben auszumachen.
Erhaben standen sie an dem höchsten Punkt und schauten, dem stürmischen Wind trotzend, auf das weite Meer hinaus. Ihr goldenes Haar peitschte wild um ihre Köpfe, doch keiner schien sich davon beirren zulassen. Bewundernd sah Ravena zu den beiden Gestalten hinauf.
„Was tun sie dort oben?"
Legolas, der dem Blick seiner Geliebten schon längst gefolgt war, lächelte wissend. „Sie scheinen Abschied von der See zu nehmen."
„Abschied?", erschrocken riss sie ihre Augen auf, „wieso denn Abschied?"
„Nun, das Fest ist vorüber und es gibt eigentlich keinen Grund mehr, noch länger hier zu verweilen."
Entgeistert starrte sie ihn an. Der Elb hätte ihr genauso gut gleich eine Ohrfeige verpassen können. Mit einem schnellen Ruck entriss sie sich seinen Händen und drehte ihm den Rücken zu. Sie wollte unter keinen Umständen, dass Legolas wusste, wie nahe ihr seine Abreise ging und wie sehr sie sich schämte. Wie hatte sie nur so unsagbar dumm sein können anzunehmen, dass sie ihm etwas bedeutete. Natürlich würde er abreisen. Er war ein Prinz, ein Elbenprinz noch dazu und sicherlich war sie seiner nicht würdig. Aber da waren doch all seine Berührungen, die so viel Wärme, so viel mehr versprachen. Hatte er sich nur einen Spaß mit ihr erlaubt? Zu ihrem Missfallen bemerkte sie, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Aber sie würde nicht anfangen zu weinen! Nicht vor ihm! Sie hatte sich schon lächerlich genug gemacht. Plötzlich spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter.
„Hiril nîn, es tut mir leid, ich habe mich falsch ausgedrückt." Unbeholfen versuchte er seinen Fehler wieder gut zu machen. „Sie sind es, die sich verabschieden. Für sie ist das Fest vorüber. Sie haben keinen Grund mehr, noch länger hier zu verweilen.", und dann, leiser, „ich aber schon."
„Ihr aber schon?", brachte sie schließlich atemlos heraus. Neue Hoffnung keimte in ihr auf, doch noch wagte sie es nicht, sich zu ihm umzudrehen.
„Ja, ich habe Euch. Wollt Ihr denn, dass ich noch bleibe?"
Vollkommen überrascht über die Wendung der Ereignisse wandte sie sich ihm nun doch zu. „Wie bitte?"
Er trat noch einen Schritt auf sie zu und strich ihr eine verirrte Haarsträne aus dem Gesicht. Dabei liebkoste er wie zufällig mit den Spitzen seiner Finger ihre Wange.
„Wollt Ihr", dann verbesserte er sich selbst, „willst du, dass ich noch bleibe, Ravena?" Die letzten Worte hauchte er mehr in ihr Ohr, als dass er sie tatsächlich aussprach. Wieder suchte sie seine Augen, suchte nach einem Zeichen dafür, dass sie sich verhört hatte, doch alles, was sie sah, war aufrichtige Zuneigung. Sie konnte es nicht fassen. Er wollte also wirklich bleiben? Nur wegen ihr? War es wirklich möglich, sich innerhalb von wenigen Minuten so zerstört und dann wieder derartig beflügelt zu fühlen? In ihrem Gefühlschaos blieb sie ihm eine Antwort schuldig. Stattdessen fiel sie ihm stürmisch um den Hals und vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. Mit einem seligen Lächeln schloss er seine Arme um seine Geliebte, hielt sie so fest wie ein Ertrinkender, der sich an seinen Retter klammert. Erst als er die Tränen bemerkte, die sich, sei es aus Erleichterung, sei es aus Freude, doch noch ihren Weg über Ravenas Wangen gebahnt hatten, verringerte er den Druck seiner Umarmung. Sie wollte protestieren, aufgebracht seine Zärtlichkeiten zurückfordern, als sie plötzlich seine Hände auf ihren Wangen spürte. Sanft, so unendlich sanft umfing er ihr Gesicht und bedeckte es, der Spur ihrer Tränen folgend mit seinen Küssen.
Überrascht riss Ravena ihre Augen auf. Seine Berührungen waren kaum mehr als ein Hauch und dennoch beschleunigte sich ihr Herzschlag augenblicklich. Wie ein Regen aus unzähligen Sternschnuppen empfand sie in ihrer unsagbaren Wonne das Kribbeln, das ihren Körper abwechselnd hinauf und hinab lief. Als schließlich alle ihre Tränen versiegt waren ruhte er, suchte er eine bequeme Pose. Schließlich lehnte er sich mit seiner Stirn gegen ihre, dabei nie den Augenkontakt aufgebend. Ein glückliches Lächeln umspielte seine schönen Lippen.
Wieder einmal wunderte sie sich über die Tiefe seiner Augen. Sie war sich sicher, dass sie blauer waren, als der Ozean, der sie umgab. Wie konnte sie sich in ihnen nur gleichzeitig so gefangen aber auch derartig frei fühlen? Gefangen, weil seine Gegenwart sie sprachlos machte und sie jeglichem klaren Gedanken beraubte, aber frei, weil sein Blick so vieles versprach, so viele neue Möglichkeiten für sie öffnete, von denen sie noch kaum etwas ahnte. Er sprach von Liebe, von Vertrauen, von Hingebung. All das war für sie nur sehr schwer zu fassen.
Auch Legolas war gefangen, gefangen von ihrem einzigartigem Wesen, das sie in seinen Augen schöner aussehen ließ, als jede Elbe. Ihre Aura strahlte heller als der leuchtendste Stern am nächtlichen Himmel Mittelerdes. Und wenn sie einmal verlöschen würde, dann würde er mir ihr gehen, dessen war er sich in diesem Moment sicherer als jemals zuvor.
Da standen sie, zwei ineinander verschlungene Figuren. Im nächtlichen Mondschein kaum noch als Einzelwesen auszumachen. Ihre Nasen trafen sich, neckten sich, ein Kuss wie ihn die Eisvölker im hohen Norden pflegten.
„Ravena", Sie erschauerte beim Klang ihres Namens, „Als du mich, für einen Dieb haltend, vom Pferd bombardiert hast", bei der Erinnerung an ihr erste Begegnung musste er verträumt lächeln, „hast du dich mit deinen Äpfeln geradewegs in mein Herz geworfen." Erstaunt sah sie ihn an. Sie musste wirklich am Träumen sein. Niemand, wirklich niemand sagte solche Dinge zu ihr. Sie spürte, wie ihr das Herz bis zum Halse schlug, ihre Knie immer weicher wurden. Welch süße Worte würden noch aus seinem schönen Munde kommen?
„Seit damals gab es keine Minute, in der du nicht Teil meiner Gedanken warst. Du bist mittlerweile zu der Luft geworden, die ich zum atmen brauche, du bist das Wasser ohne, das ich verdursten würde. Ohne dich wäre mein Leben nicht mehr lebenswert."
Zitternd klammerte sie sich an dem Elb fest. Sie spürte ihre Beine den Dienst versagen und konnte doch nichts dagegen tun. Noch einmal streichelte Legolas ihr über ihr Gesicht – gerade so, als würde er Zeit für seine nächsten Worte schinden wollen.
„Ich", er sah ihr so tief in die Augen wie niemals zuvor, „Ich liebe dich, Ravena."
Er liebte sie! Er hatte es gesagt, er hatte es wirklich gesagt. Ob ihre Ohren ihr nur einen hässlichen Streich gespielt hatten? Aber nein, seine Augen verrieten ihn, bestätigten alle seine lieblichen Worte als die reine, unverfälschte Wahrheit – und die Wahrheit war, dass er sie liebte. Diese drei Worte, diese süßen Worte, so schlicht sie doch sein mochten, machten Ravena in dieser Stunde, in dieser Sekunde, in genau diesem Moment zu dem wahrscheinlich glücklichsten Wesen in ganz Mittelerde.
„Du liebst mich?" Ihre Stimme brach beinahe, war kaum noch eines Wortes fähig, doch sie wollte es noch einmal aus seinem Munde hören, wollte sich davon überzeugen, dass sie sich nicht verhört hatte.
„Ja, mehr als alles andere." Legolas fühlte sich wie einige Stunden vorher, als er mit offenen Armen darauf gewartet hatte, dass sie endlich den Abhang hinunter springen würde. Er fühlte dieselbe Ungewissheit, dieselbe Aufregung, dieselbe Hoffnung. Doch genauso wie er all dies empfand, fühlte er auch dieselbe Erleichterung, als sie ihre Arme um seinen Nacken schlang und endlich seine Lippen mit ihren versiegelte. In diesem Moment trat alles um sie herum in den Hintergrund. Vergessen waren die Elben, die sie mit ihren kühnen Augen, zufrieden lächelnd, beobachteten, kaum noch wahrgenommen wurden die Ausläufer der Brandung, die immer noch wild ihre Füße umspielten. Das Tosen des Ozeans – in ihren Ohren, die nur noch den flüsternden Liebesschwüren des Gefährten ihr Gehör schenkten, klang es nicht lauter als das Summen einer verirrten Biene. Einzig und allein sie beide bestanden in ihrem selbstgeschaffenem All. Sterblichkeit oder Unsterblichkeit verloren in solchen Momenten, an solchen Orten, ihre Bedeutung. Ob die Vermischung der beiden Geschlechter, der Quendi und der Atani verwerflich war? Nun, es spielte keine Rolle mehr. Legolas selbst hatte sich in dieser Nacht, während diesem Kuss, dieser fast schon unschuldig anmutenden Geste, aus freien Stücken an sie gebunden und somit sein eigenes Schicksal besiegelt. Ihr Schicksal würde von nun an auch seines sein.
***
Oki, da war er endlich der langersehnte Kuss *hihi* ich hoffe es hat euch gefallen? Bitte reviewt mir doch auch weiterhin so fleißig und wie schon mal erwähnt, es dürfen auch alle die reviewen, die sich bisher noch nicht zu Wort gemeldet haben *g* (falls es die überhaupt gibt?! *grübel*)
So hier noch kurz(?) zu den letzten Reviews:)
@Dora: Die Orks hatten insofern meiner Kreativität geschadet, als das ich dann keine Ahnung mehr gehabt hätte wie ich sie dann wieder einbauen sollte...und was deine Vermutungen angeht *hihi* psssst *g* aber ansonsten noch ohne Kommentar:)
@sam: es freut mich, dass dir das umgeschriebene Kapitel besser gefällt:) und ich hoffe, dass ich mich wegen den langen Wartezeiten bessern werde.
@Miranjor: ich hoffe du hast beim lesen der Geschichte noch bis zum Schluss durchgehalten, bzw. bis zum vorläufigen Schluss *g* und dass sie dir dann auch gefallen hat. *lol* das mit dem Namen ist witzig, aber ich glaube Tarek ist ja kein so seltener Name.
@Tanlaith: *Blumenstrauß dankend annimmt*:) Also ich glaube ja das mit der Abreise wäre jetzt vorläufig mal zu aller Zufriedenheit geklärt *hihi*:) und was Legolas Papi angeht, da bin ich mir gerade schon was feines am ausdenken *kicher*
@Michiru-chan: Was is denn ein Furuba Fieber? *dumm guck* Aber hoffentlich bist du mittlerweile wieder gesund?! Nene, da hast schon recht *hihi* die beiden sind fies, sehr fies sogar *g*
@Dawnlady: Hey das freut mich:) und ich hoffe was das Updaten angeht werde ich in Zukunft schneller sein.
@Sanctus: Ui so viel lob *rotwerd* danke, danke, danke, das lässt mein Schreiberherz schon gleich viel höher schlagen:)
@Omi Wetterwachs: *jui* endlich ist meine lieblings Schokoladenlieferantin wieder da *freu* hey, meine Tante hat auch so einen Westhighland Terrier, aber der arme Hund *lol* also ich will hier ja wirklich niemanden zu Missetaten anstiften *g* Aber das Melamin eine Bodenbeschichtung is hab ich auch noch nicht gehört *lol*:)
@Nenime: Wie schon gesagt, das lange Warten tut mir ehrlich leid und ich hoffe, dass ich mich ab jetzt bessern kann:)
@Miriel: Ja ich weiß was du von der Story hältst und ich hoffe sie gefällt dir noch immer:)
Und dann gilt mein Dank natürlich auch noch feanen und leve-chan:) Viele, vielen Dank euch allen und nur immer schön so weiter machen *g*
