Kapitel 1
Dreckige Geschäfte
„He", sagte Jack entrüstet, als ein Besoffener von seinem Kumpan über den Tisch geschleudert wurde, an dem der Kapitän saß und seiner Lieblingsbetätigung nachging. Auf seinem Schoss räkelte sich eine von der südlichen Sonne gebräunte Schönheit mit Rehaugen und Brüsten, die über ihren Ausschnitt quollen. Sie sprang jedoch aufkreischend fort, als die Flasche Rum auf dem Tisch durch die Wucht des Aufpralls aufspritzend wegschleuderte. Doch da wurde der Betrunkene schon von seinem Prügelpartner vom Tisch gezogen und in einer anderen Ecke gründlich zusammengeschlagen.
Jack zuckte mit den Schultern und versuchte, das Mädchen im Gewühl der gut gefüllten Taverne auszumachen, doch sie war schon bei einem anderen zahlenden Kunden zugange. Der „Schwarze Walfisch" war eine der zwei Tavernen in Tortuga und bot neben gutem Essen und Trinken auch die Möglichkeit, sich mit der „Dame" der Wahl auf ein Zimmer zurückzuziehen.
Der Kapitän der „Black Pearl", die draußen am Pier vertäut lag, hatte schon lange keine Minne mehr gesungen oder um es besser zu sagen seinen Mast schon lange nicht mehr versenkt. Dementsprechend war seine Laune düster und wurde auch nicht besser, als ihm eine Schankmagd eine neue Flasche brachte, die dem Versuch, ihr in das prächtige Hinterteil zu kneifen, geschickt auswich.
Mit den Zähnen entkorkte er den Rum und nahm dann einen großen Schluck. Mit einem Seufzen nahm er dann noch einen. Und noch einen. Mit trübem Blick, hinter dem trotz des Alkohols ein blitzschneller Verstand saß, betrachtete er müßig die bunte Gesellschaft aus Seeleute, Huren und Einheimischen. Verdutzt blinzelte er, als er im hinteren Bereich der Kaschemme, dort, wo es zu der Tür ging, die in die hinteren Zimmer führt, einige Gestalten erblickte. Die drei rauen Gestalten waren kein sehr ungewöhnlicher Anblick, aber die vierte Gestalt, eine Kapuze über dem Kopf und sich offenkundig heftig wehrend, brachte Jack zu einer Regung. Er hob die Augenbraue. Immerhin gab es unter der Kapuze zwei hübsche Brüste, eine wohlgeformte Gestalt unter einem kostbaren roten Kleid und - nun ja, sollte das Gesicht der Frau auch hässlich sein, so konnte er ihr die Kapuze ja wieder überziehen.
Jack grinste und erhob sich. Ein wenig Abwechslung. Er schlenderte hinüber zu der Tür, die eben hinter der seltsamen Gruppe zugefallen war und öffnete sie. Der Gang war düster und nur von einer Öllampe erhellt, die an der Wand hing und deren Flammen tanzende Schatten auf die weiß gekalkten Wände warf. Eine Tür klappte, ganz am Ende des Flures und Jack schlich leise näher. Hinter den anderen Pforten erklangen die Laute menschlicher Lustbarkeiten und der Kapitän verdrehte die dunklen Augen schwärmerisch zur Decke. Ah, oui, l'amour.
Vor der Pforte zu seiner Süßen, die er in großartiger Geste zu retten plante – er hatte Übung darin – verharrte er und presste das Ohr an das wurmstichige Holz. Männerstimmen murmelten.
„Was für ein Glücksgriff."
„Und was für Titten."
„He, der Kapitän hat nicht gesagt, dass wir uns nicht ein wenig mit der Kleinen amüsieren dürfen."
Gegröle erklang und einige Geräusche, die besagten, dass jemand auf ein quietschendes Bett geworfen wurde.
„Macht Ihr mal die Fußfesseln ab!"
Sparrow überprüfte seinen Atem, den er akzeptabel fand, sein Kopftuch, das er zurechtrückte und den Sitz seiner Waffen – natürlich perfekt. Doch in dem Moment, als er die Tür öffnen wollte, bracht drinnen die Hölle los. Holz splitterte, männliche Schmerzensschreie erklangen und Flüche, die selbst Jack erstaunten, weil er sie nicht kannte. Neugierig ging er etwas in die Knie, um durch das große Schlüsselloch zu blicken und sah nur noch etwas Rotes, das sich durch den Raum auf ihn zu bewegte.
Die Tür schwang nach innen auf und er verlor das Gleichgewicht. Das nächste, was er spürte, war ein Stiefel, der mit bemerkenswerter Wucht sehr zielsicher seine Kronjuwelen zerquetschte. Er sah Sternchen und kippte wimmernd noch weiter unkontrolliert nach vorne.
Im Fallen sah er noch, was die junge Dame mit den anderen drei Männern angestellt hatte und während er sich am Boden wälzte und die Entscheidung traf, dass sein Kopf nicht so schützenswert war wie andere Körperteile, war er recht froh darüber, so glimpflich davongekommen zu sein. Er hatte sowieso nie Kinder gewollt.
Plötzlich senkte sich ein Säbel an seine Kehle hinab und ein engelsgleiches Gesicht erschien in seinem eingeschränkten Sichtfeld. Schwarze Locken, grüne Augen und ein entzückender Schmollmund, der gerade sehr missbilligend verzogen war.
„Da Du der einzige von den Kerlen bist, der noch bei Bewusstsein bist – wer bist Du?"
Sie hatte eine Stimme wie Honig und Jack wusste, dass er verliebt war.
„Captain Jack Sparrow von der „Black Pearl", angenehm."
Als Antwort bekam er einen Tritt in die Rippen.
„Bist Du der Scheißkerl, der die drei hier angeheuert hat?"
„Nein", ächzte er und krümmte sich zusammen. „Ich wollte Euch retten, weil ich im Schankraum sah. Immerhin bin ich ein Gentleman."
Die junge Frau zog eine Augenbraue nach oben und spuckte neben ihn auf den Boden.
„Ich brauche keine Rettung."
„Das merke ich gerade, vielen Dank." Da Jack noch immer nicht tot war, rollte er sich vorsichtig auf den Bauch und kam auf die Knie. Mit einem entwaffnenden Grinsen hob er die Hände, auch wenn es schwer fiel. „Oh Engel, von Deiner süßen Klinge oder Zunge zu sterben wäre mein größter Traum."
Sie Klinge an seinem Hals verschwand und die Dame stemmte eine Hand in die Hüfte.
„Bei Gott, Du bist solch ein Idiot – Du könntest wohl nicht mal einen Kerl dazu bekommen, Dir zu gehorchen."
Sie schüttelte den Kopf und begann, die Waffen und das Gold der drei bewusstlosen Piraten einzusammeln. Jack war wie paralysiert.
„In Ordnung, ich bin der Idiot und Ihr seid?"
Die Frau wendete sich zu ihm um und grinste mit ihrem Kirschmund.
„Ich bin Bloody Marie, Kapitän der „Windtänzer". Und ich glaube, Du bist der Mann, den ich gerade brauche."
Jack war begeistert.
