An alle lieben Reviewer – ich weiß, ich habe Euch lange warten lassen, aber ich hoffe, Ihr bleibt mir treu und lasst ein paar glücklich machende Reviews da!

Kapitel 5

Kanonen und andere Kleinigkeiten

Jack rieb sich noch immer das Kinn, als das Fuhrwerk den schlammigen Weg aus dem Inneren der Insel verließ und im Außenbezirk der Hafenstadt, die nun nass und trübe schimmernd in nächtlicher Stille vor ihnen lag, auf das unregelmäßige Kopfsteinpflaster holperte. Marie, deren Kopf aus seine Schoß lag, wimmerte bei den harten Bewegungen, erwachte jedoch nicht aus der Ohnmacht. Sie hatte eine Menge Blut verloren und nun auch noch seine zweitbeste Hose versaut. Aber er war geneigt, über diese Tatsache hinwegzublicken, weil er sicher war, dass sie so eine Schramme überleben würde und er sich deswegen überhaupt nicht schämen musste, versonnen ihren Ausschnitt zu betrachten.

Die anderen Mitfahrer hatten sich soweit beruhigt und dafür war Sparrow dankbar, denn ewig hätte er das Geplärre von Williams Sohn nicht ertragen. Dabei mochte er Kinder – wenn man nett zu ihnen war, führten sie einen irgendwann zu ihren Müttern. Bei dem Gedanken an Justins Mutter zuckte er kurz zusammen. Ah, ja, Elisabeth, eine Perle der Karibik. Es war schade um sie. Er strich Marie gedankenverloren durch das schwarze Haar und fing dann Turners Blick auf.

„Was denn?", fragte er unschuldig. „Ich habe nichts Falsches gemacht!"

„Was? Dieses Mal nicht?" Die Stimme des Schmiedes troff von Sarkasmus. „Du hast mit der Dame die Piraten in mein Haus gelockt, das nun in Trümmern liegt – und Du hättest fast meinen Sohn auf dem Gewissen!" Seine Stimme hob sich, so dass sie durch die leeren Gassen halten und sich Nanny auf dem Vordersitz, die Justin im Arm hatte, entrüstet umdrehte und William mit einem Zucken ihrer Augenbraue abrupt wieder beruhigte. „Ich hätte von Anfang an wissen müssen, dass Du Unglück über meine Schwelle bringst!"

Scheinbar schwer getroffen, lege Jack eine Hand auf seine Brust.

„Oh, einen Moment, Herr „Ich bin kein Pirat"! Du lebst in Tortuga. Hast Du gedacht, dass wäre ein Erholungsparadies für Kinder und klapprige Kindermädchen?" Die nächste Ohrfeige traf ihn, diesmal von Nannys von zahlreichen Rührteigen gestärkter Handfläche. „Ist ja gut, ja, die hab ich verdient", murmelte er entnervt und freute sich schon auf sein Schiff, auf dessen Deck er bald wieder der Herr und nicht der Sündenbock für alle möglichen frustrierten Existenzen sei würde. Am Kai kam der Wagen zum Stehen und Jerome, dessen hünenhafte Gestalt Jack ein wenig unangenehm an einen gewissen untoten Piraten erinnerte, half seiner Frau vom Bock und sah sich um, erblickte jedoch außer ein paar Betrunkenen keine Gefahr. William würdigte Jack keines Blickes und schickte sich auch nicht an, ihm zu helfen, Marie von der Ladefläche zu heben. Jack runzelte die Stirn. „He, Schmied, Dir ist schon klar, dass Marie Deinem Kleinen den Hintern gerettet hat? Sie hat sich vor ihn geworfen."

William, schon im Begriff, mit raschen Schritten über den Kai auf die „Black Pearl" zuzugehen, stockte plötzlich und drehte den Kopf. Sein Zopf hatte sich gelöst und ein paar seiner von der südlichen Sonne gebleichten Haarsträhnen verdeckten sein Gesicht, doch dann machte er abrupt kehrt und trat wieder an den Wagen, um Marie sehr vorsichtig aus Jacks Armen zu nehmen. Dabei kreuzten sich die Blicke der Männer und plötzlich sah Jack im Licht, das aus den Fenstern der Häuser in die Dunkelheit des Kais sickerte, den flackernden Hauch eines Lächelns in Wills Augen.

„Dann wollen wir meinem Sohn mal zeigen, was Dein Schiff so kann", sagte er, schob Marie in seinen Armen zurecht und trug sie dann hinüber zur Gangway. Inzwischen hatten sich an der Reling der „Pearl" die Gesichter der Matrosen gezeigt und ein paar Rufe wurden laut, die Will begrüßten. Hinter dem Schmied betraten seine beiden Bediensteten die schwankende Planke. Nanny hielt Justin so eng umklammert, als fürchte sie, in die Höhle des Teufels selbst zu geraten und Jerome blickte grimmig drein, scheinbar bereit, jeden über Bord zu schicken, der seine Frau oder seinem Schutzbefohlenen etwas anzutun.

Jack lächelte und zwirbelte seinen Bart, dann folgte er mit angemessenem Schritt, wie es sich für den besten Piraten der Karibik gehörte. Nun lief alles darauf hinaus, perfekt zu werden. Er hatte Marie, er hatte Will und – er hatte Riesenprobleme. Im letzten Moment duckte er sich, als plötzlich, nach einem für seinen viel zu kurzen warnenden Pfeifen eine Kanonenkugel direkt hinter ihm die Reling zerfetzte. Rufe schallten plötzlich durch die Nacht, die erregten Stimmen seiner Crew, die er nach dem Zwischenfall mit Marie in der Kneipe hatte vollzählig an Bord warten lassen – und die Stimmen der Männer von dem großen Schiff direkt neben ihnen am Kai.

„Segel setzen, Ihr Ratten! Nichts wie weg hier!" Er rannte auf die Brücke und beobachtete zufrieden, wie die Segeltuchwände nach unten rauschten, gelöst von den kundigen Händen seiner Crew, der er sein Leben anvertraut hätte. Eine weitere Kugel schlug auf Deck ein und er sah, wie Will seine Leute vor dem splitternden Holz in den Niedergang brachte, um kurz darauf wieder über das Deck zu rennen, um an den Seilen zu helfen, die den Anker hielten. Jack fluchte, riss das Steuerrad herum und die „Pearl" nahm sofort Fahrt auf, als der Wind knallend in die Segel fuhr und sie stolz nach vorne blähte. Unter dem Donnern der Geschütze des anderen Schiffes, das soeben auch seeklar gemacht wurde, schoss Jacks ganzer Stolz hinaus aus dem Hafenbecken, in die offene See, die die Piraten mit einer steifen, warmen Brise begrüßte. „Will", brüllte er über Deck, als er bemerkte, dass sein Schiff nicht mehr getroffen wurden und nur Pfeifen und Platschen noch davon kündigten, dass sie beschossen wurden. „Schau mal nach, was die hinter uns so treiben!"

Mit weit ausholenden Schritten eilte der Schmied über die Trümmer, die auf dem Deck lagen und glitt auf den vom Regen schlüpfrigen Planken kein einziges Mal aus, was Jack ein stolzes Lächeln entlockte – ja, alles, was dieser Junge hatte, hatte er von ihm gelernt.

„Sie laufen nicht aus! Keine Ahnung, warum!", klang es kurz darauf von Will zurück, der am Heck an der Reling stand und den ruhigen Blick wagte, für den Jack gerade keine Zeit hatte. „Sie haben zum Feuern beigedreht, rühren sich aber jetzt keinen Meter mehr!"

„Seltsam", murmelte Jack ironisch und fasste die hölzernen Griffe des Steuerrades fester, den Geruch der See und der überstandenen Gefahr genießend. Er schnitt eine Grimasse, als er sah, wie zwei seiner Männer, die von Splittern der Reling getroffen worden waren, blutend und murrend über das Deck humpelten und sich mit Branntwein behandeln ließen. Hätte er nicht dafür gesorgt, dass seine Leute bei jedem anderen Schiff im Hafen das Ruder manipulierten, dann hätte diese Fahrt wohl geendet, bevor sie richtig begonnen hatte. Mit einem Grinsen entspannte er sich, gönnte sich eine Portion Schnupftabak und drehte sich dann zu Will um. „Ich war so frei, die anderen Schiffe lahmzulegen, denn ich wollte keine Verfolger. Das mit Deinem Haus – eh, ja, das war ein Unglücksfall. Ich baue Dir ein Neues. Auf St. Kitts zum Beispiel. Oder auf Cuba!"

Wills Gesichtszüge entgleisten nun vollständig.

„Du hast gewusst, dass Ihr in Gefahr seid?"

Jack pfiff die ersten Takte eines unzüchtigen Liedchens und war sehr zufrieden mit sich und der Welt.

„Nun, Marie hat ein paar ihrer Verfolger bis auf die Unterhosen ausgezogen, ausgeraubt und vollkommen lächerlich gemacht, da kann so etwas wie blutige Racheaktionen schon mal vorkommen."

„Jack Sparrow." William Turners Stimme brach fast vor Bestürzung. „Du hast das inszeniert! Die Piraten sollten Dir und Marie folgen, damit ich gar keine andere Wahl sehe als mit Euch zu kommen!"

Jack sparte sich eine Antwort, pfiff die nächste Strophe und sah sich dann Williams Zornesausbruch ungerührt an, bis dieser sich soweit beruhigt hatte, dass er im Bauch des Schiffes verschwinden konnte, ohne den Niedergang hinabzustürzen. Über der „Pearl" riss der Himmel auf und die Sterne leiteten die Piraten auf ihrer Fahrt nach Dominica.