Author's Note: Ich glaube, ich beeil mich lieber etwas damit flöt Bald sitzt mir die Uni wieder im Nacken. Macht Euch doch hoffentlich nix aus, wenn Ihr schon das nächste Kapitel kriegt? Es ist länger geworden, als ich beabsichtigt hatte.
Vielen herzlichen Dank für all die vielen treuen Reviews : )
mimim: oh, sie hasst Snape nicht. Ganz im Gegenteil. Aber Du hast natürlich recht: es gibt nur ne begrenze Anzahl an Möglichkeiten, wie man Lilys Innenleben im ersten Kapitel so einer Story schildern kann - also nicht viel Originelles hier.
fabula: ich denke, es ist eher umgekehrt: dass die Freundschaft der Rumtreiber auf Außenstehende normalerweise sehr harmonisch wirkt. Darunter gibt es aber vielschichtige und komplexe Emotionen, die nicht ohne weiteres freigelegt werden können, auch gerade nicht von den 4 Beteiligten. Lily hatte nur grade einen "lichten Augenblick", als sie das so krass gesehen hat.
chambermaid: Dein Wunsch ist mir Befehl!
maia: wow, Du bist in der Theater-AG? Das hab ich mich nie getraut! Was spielt Ihr denn schönes? ; ) Freut mich, wenn Dir "meine" Lily sympathisch ist!
dragon: Danke, willkommen an Bord! Würd mich freuen, wenn Du weiterliest und mir Deine Meinung schreibst!
knuddel: ja, ich glaube, Band 6 brauchst Du teilweise. Es kommen ein paar Sachen vor, die ich von dort übernommen hab. Andere musste ich zumindest für diese Geschichteändern, damit es passt.
das-som: Ich find den neuen Titel besser. In der Geschichte kommt ein Buch vor, das so heißt und großen Eindruck auf Lily machen wird. Wer errät, worum es darin geht, bekommt das Kapitel gewidmet, in dem es aufgeklärt wird: )
So, wir setzen wieder da ein, wo Snape's Worts Memory endet...
2. Kapitel: James
Sweet child in time you'll see the line, the line that's drawn between the good and bad...
-- Deep Purple
James Potter zweifelte an seinem Verstand.
Er lag rücklings im Gras, ohne sich erinnern zu können, wie er dort gelandet war, und konnte keinen Finger rühren. Sein Kopf schmerzte, sein Blickfeld klärte sich erst nach ein paar Sekunden. Der Sommerhimmel über Hogwarts war unglaublich blau...
"Toll," hörte er eine vertraute Stimme neben sich sarkastisch murmeln. Dann schob sich der fettige, schwarze Kopf von Severus Snape in sein Blickfeld, als dieser sich auf einen Ellbogen stützte und das Gesicht aus dem Gras hob. Er lag in unmittelbarer Nachbarschaft zu James, allerdings auf dem Bauch. Einen Moment begegneten sich ihre Blicke, ausnahmsweise nicht feindlich gesonnen. Beide runzelten die Stirn, gleichermaßen unsicher, was hier vor sich ging. Es war in der Tat alles äußerst verwirrend.
James versuchte sich zu erinnern, was passiert war. Was für ein Tag war heute? Sommer... ZAGs. Über irgendwas hatte er sich geärgert. Irgendetwas Wichtiges.
"Ich würde nicht mit dir ausgehen und wenn ich nur die Wahl zwischen dir und dem Riesenkraken hätte..."
Ach ja. Richtig. Und als ob das noch nicht bitter genug gewesen wäre, hatte sie ihm praktisch zu verstehen gegeben, dass er für sie auf einer Stufe mit Schniefelus stand. Mit diesem bösartigen, ungewaschenen, rassistischen Schleimklumpen von einem Slytherin. Ich glaube, in meinem ganzen Leben bin ich noch nie so beleidigt worden, dachte James und wusste, wenn er nicht unpraktischerweise am Boden läge und sich nicht rühren könnte, würde er jetzt dem Schnatz die Flügel ausreißen, um sein Mütchen zu kühlen. Überhaupt hatte er den ja nur mitgebracht in der Hoffnung, dass Lily ihn damit sehen würde... Das hübscheste Mädchen von Hogwarts, zumindest nach James' Meinung. Nur leider nicht das umgänglichste. Setzte sich lieber für Severus Snape ein, als ein zivilisiertes Wort mit ihm zu wechseln!
Ja, was war jetzt eigentlich passiert mit Schniefelus? Im einen Augenblick hatte James noch auf seinen eigenen Füßen gestanden und hatte dem Schleimbolzen verkehrt herum in der Luft baumeln lassen. Levicorpus - einer der Flüche, die gerade in Mode waren, ohne dass jemand sagen konnte, wer die Idee zuerst gehabt hatte. Ursache und Wirkung, meine Damen und Herren. Severus wollte James ans Leben, ließ seine Wut jedoch an Lily aus. Dann war Lily auf Severus sauer, fiel aber über James her. James zog die einzig logische Konsequenz und reagierte sich an Severus ab, kaum dass Lily verduftet war. Das war bei näherer Betrachtung eigentlich fast bühnenreif. Aber was war dann passiert?
"Okay. Wer will sehen, wie ich Schniefelus die Unterhosen ausziehe?"
Und dann...?
Nichts mehr. Filmriss von einem Moment zum andern. Er erinnerte sich nur noch an einen Lichtblitz und einen Ruck, der ihn von den Füßen riss. Wahrscheinlich war er kurz weggewesen. Und so sehr er es auch versuchte, es war ihm nicht möglich, auch nur den Kopf zu heben. Er wollte lachen, weil es sich so merkwürdig anfühlte, nichts zu fühlen. Doch auch das ging nicht. Schniefelus hat mich ausgeknockt. Ich liege hier zwischen den Gänseblümchen und zähle Schäfchenwolken. Aber sagt's keinem, das wär mir irgendwie peinlich. Er hörte jemanden brüllen, reichlich ungehalten. Es tat ihm in den Ohren weh. Er beobachtete, wie Snape schwankend auf die Füße kam und Sirius ihn am Arm packte. Langsam drangen die Worte in sein Gehirn, es ging wohl um ihn.
"... hast du gemacht!" brüllte Sirius. Snape wandte leicht den Kopf, als tue ihm das Geschrei in den Ohren weh. Fragen wir uns das nicht alle mit schöner Regelmäßigkeit? dachte James. Kann Schniefelus jetzt schon ohne Zauberstab die Leute hintenrumheben? Verdammte Slytherins. Moment, ich hab's. Das war einer von denen, der mich erwischt hat. Pass auf, Tatze, wahrscheinlich lauern sie noch hier in der Nähe und ziehen dir gleich eins über!
Slytherins konnte er jedoch keine erblicken aus seiner unbequemen Rückenlage. Die halbe Schule stand um sie herum, doch Remus und Peter knieten neben ihm. "Komm schon, Krone," hörte er Peter sagen. "Komm hoch." Er hätte am liebsten gelacht über die Unsicherheit in seiner Stimme. Wie hatte Wurmschwanz nur je in Gryffindor landen können? Beim geringsten Anlass geriet er in Panik. Obwohl James zugegebenermaßen noch nicht mit Gewissheit sagen konnte, ob seine Unfähigkeit sich zu bewegen tatsächlich ein geringer Anlass war. Sein Kopf drehte sich nach wie vor, daher mochte es sein, dass er den Ernst der Lage verkannte.
Moony (dem man schon ein bisschen mehr Grips zuschreiben konnte als Wurmschwanz) blickte ebenfalls besorgt. "Hör zu, James," sagte er hastig, "ich weiß nicht, was das war, aber ich geh besser Flitwick holen..."
Doch dazu kam es nicht mehr. James sah aus der Froschperspektive, von wo er tatsächlich einen guten Blick auf die Szenerie hatte, wie Sirius gegen Snape tätlich werden wollte und prompt von irgendjemandes Expelliarmus! seinen Zauberstab aus der Hand gerissen bekam. Nun gut, Snape konnte es diesmal nicht gewesen sein. Wie immer er es geschafft hatte, sich aus dieser Klemme zu befreien und James am Boden festzunageln, er sah im Augenblick in etwa so benebelt drein wie James sich fühlte und schien sich nur mit Mühe auf den Beinen halten zu können. Das war offenbar auch seinen Slytherinmitschülern aufgefallen, so dass sie ihm jetzt zu Hilfe kamen. Siehst du, Tatze, hätte James gern gesagt, ich hab dich ja gewarnt. Und dachte: Meine Güte, was stimmt mit mir nicht? Ich hab ihm meine vortreffliche Analyse unserer Lage doch gar nicht mitteilen können.
Rosier griff Snape unter die Arme, während Wilkes seinen Zauberstab vom Boden aufhob. Na super, die haben mir noch gefehlt. Evan Rosier und Florence Wilkes, die Slytherin-Vertrauensschüler. Noch zwei Intimfeinde von James, wie er am Boden liegend sinnierte. Beide waren Jäger im Slytherin-Team und als solche per se eine Quelle ständigen Ärgers. Nicht dass Slytherin in den vier Jahren seit James Sucher des Gryffindor-Teams war, auch nur die leiseste Chance auf den Quidditch-Pokal gehabt hätte. Aber das Schlangengesocks versuchte natürlich, seine Unzulänglichkeiten auf dem Quidditchfeld dadurch wettzumachen, dass sie den Spielern, über die sie sich am meisten aufgeregt hatten, auflauerten und zusammenfluchten, wenn sich die Gelegenheit bot. Vorzugsweise, wenn sie wieder einmal knapp verloren hatten. Was selten vorkam, meistens verloren sie haushoch.
James kam sich allmählich etwas dämlich vor, wie er so rücklings auf dem Boden lag, und glaubte, dass es sich auch auf seinem Gesicht zeigte. Remus und Peter jedenfalls schauten mitleidig auf ihn herunter. Allerdings gab es nicht viel anderes, was er oder sie tun konnten. Und es gab ihm die Gelegenheit, das Geschehen vom Logenplatz zu verfolgen - wenn er auch lieber Rosier, Snape und Wilkes alle drei von den Füßen geflucht hätte. Auf der anderen Seite sah Sirius aus, als würde er das jetzt schon selbst besorgen. Doch da erhob sich Remus vom Boden und legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn daran zu hindern.
"Mach ihn los, Severus," verlangte er mit ruhiger Stimme von Snape.
Wilkes betrachtete ihn von oben bis unten wie ein besonders widerliches Insekt. "Auch schon aufgewacht aus deinem Koma, Vertrauensschüler?"
"Ich rede mit Severus, nicht mit dir," erklärte Remus gelassen.
Rosier schob sich mit einer raschen Wendung zwischen Remus und Wilkes. "Ah ja? Jetzt redest du mit Severus? Na, vielleicht hättest du mal mit deinen tollen Freunden reden sollen, bevor ihr alle zusammen über ihn hergefallen seid. Warum verpisst du dich nicht, Lupin, und überlässt deinen Job den Leuten, die was davon verstehen?"
Das war ziemlich unfair, fand James. Remus und Peter hatten ja praktisch nichts getan. Und überhaupt war im Grunde nur Snape an allem schuld. Hatte ihn ja schließlich niemand gebeten, die Luft mit seiner Anwesenheit zu verpesten.
"Wenn man sich mit dem Gesicht auf die Straße traut, muss man damit rechnen, dass die Leute Vorkehrungen treffen," meinte Sirius, dessen berühmter großer Klappe auch der momentane Verlust seines Zauberstabs nichts anhaben konnte, und fixierte Snape angeekelt.
Typisch Tatze. Ich denke und er redet.
"Holt jetzt vielleicht jemand mal Flitwick, der müsste sowas doch lösen können!" meinte Wilkes. "Pettigrew, du machst das!"
Der verblüffte Wurmschwanz gehorchte. Rosier drehte sich zum James um und musterte ihn schadenfroh. "Ich weiß nicht, Flo. Eigentlich hat er doch nie besser ausgesehen. Ich glaube, wir sollten jetzt alle wieder an unser Tagwerk gehen und Potter nach den Ferien hier vom Boden aufkratzen."
"Ich glaube eher, du solltest dir einen Mühlstein um den Hals hängen und in den See springen, Rosier!" schoss Sirius zurück.
Florence drückte Snape seinen Zauberstab in die Hand.
Wenn ich an meinen Zauberstab könnte, dachte James, dann würdest du schon kopfüber in der Luft hängen. Wenn ich wenigstens was sagen könnte... Merlin, ist das scheiße. Wenn ich Snape in die Finger kriege, dann -
"Ach du meine Güte!" tönte Professor Flitwick und eilte an James' Seite. Der winzige Lehrer presste die Faust auf den Mund. "Mr. Potter, können Sie mich hören?" James rollte die Augen und Flitwick machte eine beschwichtigende Geste. "Oh ja, schon gut. Sehen wir doch mal..." Er zückte seinen kleinen Zauberstab und wedelte über James' regloser Gestalt damit herum. James sah abwechselnd auf Flitwicks konzentrierte Miene und die der Leute, die über sie gebeugt standen. Sirius sah wütend aus, Remus nachdenklich mit gefurchter Stirn. So dumm James sich bei alldem vorkam, ein warmes Gefühl stieg in seiner Brust auf, weil seine besten Freunde sich so offensichtlich um ihn sorgten. Macht euch nicht ins Hemd, versuchte er ihnen zu telepathieren. Klar hab ich schon mal besser ausgesehen, aber das ist kein Grund, meine Beerdigung in allen morbiden Einzelheiten zu planen.
"Kurios," murmelte Flitwick. "Wie habt ihr das nur fertiggebracht?"
"Fragen Sie am besten das Schlangenpack!" knurrte Sirius.
"Ich glaube, er wollte was ausprobieren und hat sich aus Versehen selber von den Füßen gehauen," ließ sich Schniefelus mit honigsüßer Stimme vernehmen. Wiedermal typisch. Er könnte wahrscheinlich auf dem Totenbett liegen und hätte immer noch diesen säuselnden Ton drauf. Mit Flitwicks sich hinziehenden Murmeleien im Ohr hatte James viel Zeit, den schlaksigen, schwarzhaarigen Jungen so bedrohlich anzustarren, wie er es in seiner wenig dafür geeigneten Lage fertigbrachte.
Schniefelus war James' persönliches Projekt. Die Dunklen Künste und die Leute, die sie ausübten, waren zu bekämpfen. wo immer man ihnen begegnete. So hatte sein Vater es ihm beigebracht. Hier in Hogwarts war Severus Snape der Inbegriff der schwarzen Magie. Ständig brütete er über irgendwelchen verdächtig aussehenden Büchern und mixte unheilbringende Substanzen. Nicht selten drohte er damit, sie seinen Feinden unterzujubeln und ein oder zweimal hatte er das sicherlich schon getan. Auch wenn man ihm - von einem Ausrutscher in der zweiten Klasse abgesehen - nie etwas hatte nachwesen können. Aber das machte ihn in James' Augen natürlich erst recht zum Schwerverbrecher.
James empfand einen tiefen, geradezu körperlichen Ekel vor den Dunklen Künsten und ihren Trägern. Er wusste nicht allzuviel darüber, doch das Wenige, was er aufgeschnappt hatte, reichte ihm völlig aus. Die Beschreibungen einiger Flüche, die sein Vater ihm gegeben hatte, oder die Zutaten einiger Tränke, die er selbst nachgeschlagen hatte, lösten bei ihm Brechreiz aus. Orte wie die Nockturngasse, wohin er sich einmal mit Sirius geschlichen hatte, jagten ihm einen Schauer des Ekels über den Rücken. Nicht nur dass sie moralisch falsch waren, die Dunklen Künste und die Menschen, die sie praktizierten, waren auch... unsauber. Ihm fiel kein anderes Wort dafür ein. Wirklich, man brauchte sich nur Schniefelus und seine Fettfrisur und seine vergammelten Klamotten anzuschauen. Dann wusste man Bescheid.
Nein, solche mussten kleingehalten werden. Er erzählte seinem Vater oft von Schniefelus. Natürlich nicht die Details - irgendetwas sagte ihm, dass sein Vater es nicht schätzen würde, zu hören, wie sie wirklich mit dem Schleimball umgingen. Und James wollte, dass sein Vater nur das Beste von ihm dachte. Nathanael Potter zeigte Interesse an Severus - mehr als an den anderen Mitgliedern der Slytheringang; ganz wie sein Sohn. Vielleicht weil Snape so ein Paradebeispiel für die Dunklen Magier in ihrer ganzen Erbärmlichkeit war.
Ein warmes goldgelbes Licht brach aus der Spitze von Flitwicks Zauberstab und James hatte das Gefühl, als ob die unsichtbaren Ketten, die ihn am Boden hielten, schmelzen würden. Er fühlte sich augenblicklich wie neugeboren. Das Hämmern in seinem Kopf ließ zwar noch nicht nach, doch die schreckliche Taubheit seiner Glieder war wie weggeblasen. "Ah," lächelte Flitwick, als er sah, dass sein Zauber wirkte, und vermutlich hätte er noch mehr gesagt, doch James schoss wie der Blitz vom Boden hoch und stürzte sich, ohne sich um seinen Zauberstab zu kümmern, mit bloßen Händen auf Snape.
"Du Kakerlake!" beschimpfte er ihn. "Glaubst du, du kannst deine dreckigen Tricks an mir ausprobieren, du Missgeburt? Nach Askaban sollten sie dich schicken!"
Snape stieß ihn heftig von sich. "Halt die Fresse, Potter, oder ich hex sie dir so breit, dass du deinen Besen quer schlucken kannst." Er hatte nicht laut gesprochen, aber die kalte Gewissheit in seiner Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es ihm ernst war. Zudem, bemerkte James, hielt er seinen Zauberstab wieder in Händen. Andrerseits war keiner von ihnen allzu sicher auf den Beinen. Vor seinen Augen fing es wieder an zu flimmern. Er spürte, wie Sirius einen Arm um ihn schlang, damit er nicht umkippte. Der Ausgang so eines Duells wäre sicher interessant geworden... James merkte, dass Severus plötzlich sehr verächtlich dreinblickte. Als ob er wüsste, was ich grade gedacht hab. Wir hatten noch nie ein richtiges Duell. Ich war noch nie allein gegen ihn. Und aus gutem Grund, dachte er trotzig. Diese ganzen schwarzmagischen Tricks - ich bin doch nicht lebensmüde!
"Aber, aber!" meinte Flitwick begütigend, den das Vokabular zweier seiner begabtesten Schüler zu erschüttern schien. "Ich weiß nicht, was für eine Form von Magie hier praktiziert wurde, aber Sie sind offenkundig beide nicht ganz bei sich, deshalb wäre es das beste, Sie würden jetzt Madam Pomfrey aufsuchen. Ich hole inzwischen Professor Dumbledore, gemeinsam haben wir bessere Chancen herauszufinden, was hier passiert ist."
Seltsam genug, doch Flitwicks echauffierte Art bewirkte, dass sowohl James als auch Snape widerspruchslos den Weg zum Krankenflügel einschlugen. Bei jedem anderen Lehrer hätten sie den Aufstand geprobt. Wenn es einen Ort gab, an dem die Schüler von Hogwarts sich noch wenige gern aufhielten als in Filchs Gemächern, dann war es der Krankenflügel. Darin war James sich sogar mit Snape einig, ausnahmsweise. Sie starrten sich noch einen Moment hasserfüllt in die Augen, dann wandten sie sich beide ab und ließen sich - der eine von Sirius, der andere von Rosier - in Richtung der Schule helfen. Flitwick scheuchte den Rest der Beteiligten zum Abendessen.
Zehn Minuten später hatte Madam Pomfrey sie ungeachtet ihrer lautstarken Proteste eingetütet und in Betten möglichst weit voneinander entfernt verstaut. Was es für Professor Dumbledore etwas schwierig machte, sie beide gleichzeitig anzusprechen, als er kurz darauf durch die Tür kam und sie so freundlich begrüßte. als passiere es in seiner Schule jeden Tag, dass die beiden Jahrgangsbesten in Verteidigung gegen die Dunklen Künste sich mit unentschlüsselten Methoden in den Krankenflügel fluchten. Jeder von ihnen sah sich genötigt, einen Zitronendrop zu sich zu nehmen. So lagen sie dann im Bett und lutschten, während Dumbledore sich von Flitwick und den Schülern den Hergang der Ereignisse schildern ließ. Den zensierten Hergang der Ereignisse, da niemand von ihnen scharf darauf war, James' Drohung betreffs Snapes Unterhosen zu erwähnen.
Dumbledore, wie üblich nicht auf den Kopf gefallen, strich sich während der Erzählung ein paarmal über den Bart, fixierte sie alle abwechselnd aus seinen zwinkernden Kristallaugen und nickte schließlich: "Spontane Magie. Höchst ungewöhnlich in deinem Alter, Severus. Noch dazu mit bleibendem Resultat, das ist beachtlich."
Seine Augen begegneten denen des jungen Slytherin und ihre Blicke verhakten sich. Blau und schwarz, doch beide Augenpaare trugen einen identischen Ausdruck, den James gut kannte. Dumbledore sah ihn häufig so an, wenn er den meisten begründeten Verdacht hegte, dass James etwas vor ihm verbarg. Er sah, wie Snapes Kiefermuskulatur sich spannte und Dumbledores Augen sich weiteten und wie sein Schulleiter dann plötzlich den Blickkontakt abbrach. Um Snapes dünne Lippen spielte die Andeutung eines Lächelns. James runzelte die Stirn.
"Was für Zaubersprüche sind unmittelbar davor benutzt worden? Bei diesem Duell - ich nehme doch an, dass es eins war?" Dumbledores scharfen blauen Augen huschten zwischen Snape und James hin und her.
"Nein, Sir," sagte Severus kühl.
"Nein?" wiederholte Dumbledore.
"Ein Duell ist ein Zweikampf zwischen Zauberern. Das war keiner." Seine pechschwarzen Augen ließen James keinen Moment los. Darin konnte dieser die Rachedrohung lesen und grinste seinerseits. Snape verstand wirklich keinen Spaß. Aber es hatte ja auch keiner sein sollen.
"Nun gut, bei diesem Kampf," meinte Dumbledore. "Was war der letzte Zauber, mit dem dich jemand belegt hat, Severus?" Snape sagte es ihm. "Etwas Neues, ja?" seufzte Dumbledore. "Wir haben die Quelle dieser neuartigen Flüche immer noch nicht ausfindig machen können, obwohl die halbe Schule sie inzwischen zu benutzen scheint."
Die, die es können, dachte James mit einem Anflug von Stolz. Er hatte Levicorpus beim ersten Versuch auf die Reihe bekommen. Seine drei Freunde hatten etwas länger damit gebraucht. Es war ein kraftvoller Fluch. Phantasievoll außerdem. Zu schade, dass sie so etwas nicht in praktischer Verteidigung beigebracht bekamen. Auf der anderen Seite war es natürlich von Vorteil, wenn nicht jeder diese Sachen beherrschte. Es verlieh den Duellen und Streitereien mit Sicherheit eine neue Würze. Snape betrachtete ihn mit Todesverachtung, wie er, kaum dass er den Gedanken zuende gedacht hatte, feststellen konnte.
"Habt ihr eine Ahnung, wo die herkommen?" wollte Dumbledore wissen und beobachtete seine Schüler aufmerksam. "Ihr benutzt sie immerhin."
James und Severus starrten sich so feindselig an, als wolle jeder den jeweils anderen für die Misere verantwortlich machen. Doch Sirius sah Snape voll ins Gesicht und meinte herausfordernd: "Vielleicht hat ja jemand in den Ferien zuviele Bücher über die Dunklen Künste gelesen."
"Mag sein, Black." Snapes Augen funkelten. "Deine Eltern haben doch bestimmt so was zuhause herumstehen."
Sirius' Augen blitzten gefährlich. Klassisches Eigentor, dachte James. Nein, das glaube ich nicht, dass Schniefelus das ganze Zeug auf der Pfanne hat. Der ist zu dämlich dazu.
Dumbledore jedoch schüttelte den Kopf. "Ich bezweifle, dass diese Flüche irgendwo verzeichnet sind. Mir scheint es, als seien sie allesamt Neuerfindungen."
"Von jemandem von hier?" fragte Snape spöttisch. "Eher unwahrscheinlich. Wer weiß denn hier, wie man einen Zauberspruch kreiert?"
Der Schulleiter von Hogwarts sah ihn scharf an. "Wer in der Tat." Ihre Blicke prallten wieder aufeinander und schlossen den Rest der Anwesenden aus. Diesmal war es jedoch Snape, der den Augenkontakt unterbrach und so tat, als müsse er sein Kissen zurechtziehen. Dumbledore schien ein Seufzen zu unterdrücken. "Nun gut." Er stand auf. "Laut Madam Pomfrey fehlt euch beiden ja nicht allzu viel. Also, was immer als Spontanreaktion geflogen kam, kann nicht so ernst gewesen sein. Ich bitte euch aber trotzdem in eurem eigenen Interesse, von allzu aufregenden Unternehmungen abzusehen, damit ihr morgen fit genug seid für euer Examen in Verwandlung. Ruht euch noch etwas aus und dann geht abendessen."
Snape nahm den Rat ihres Schulleiters nicht an. Dumbledore war noch nicht richtig zur Tür hinaus, da schlug er bereits die Decke zurück und hievte sich aus dem Bett. James beschloss, es ihm gleichzutun. Er hatte gewiss nicht die Absicht, auch nur eine Sekunde länger im Krankenflügel herumzuhängen als unbedingt nötig war.
"Erstaunlich, dass er keine Schmutzspur hinterlässt, findest du nicht auch?" erkundigte sich Sirius bei James mit einem prüfenden Blick auf die Bettwäsche. Doch Snape knallte nur die Tür des Krankenflügels hinter sich zu, ohne sie eines Blickes zu würdigen. "Ist wirklich alles in Ordnung?" fragte Sirius.
"Na klar, was soll sein?" meinte James munterer als er sich in Wirklichkeit fühlte. "Der Schleimbolzen hat doch selber nicht gewusst, was er da eigentlich treibt. Deswegen hat es uns ja beide erwischt. Wusstest du, dass das geht? Magie ohne Zauberstab?"
"Ja," machte Sirius, als sie zusammen den Krankenflügel verließen. "Kommt aber normalerweise nur bei kleinen Kindern vor. Zeigt das magische und meschliche Niveau von Schniefelus ziemlich deutlich, meinst du nicht?"
James verzog das Gesicht. Dumbledore hatte es eher besorgniserregend gefunden, soviel hatte er geglaubt, an der ernsten Miene seines Schulleiters ablesen zu können. Wieder mal eine Abartigkeit von Schniefelus. So ein Gewürm wie der gehörte wirklich nach Slytherin wie die Faust aufs Auge. Was wie schon ungezählte Male vorher die Frage aufwarf, wie Evans alldieweil über diese Unerfreulichkeiten hinwegblicken konnte. Es müssen die Zaubertränke sein, überlegte James unglücklich. Und Slughorns dämlicher Club. Sie hat zwangsweise zuviel Zeit mit dem Schleimbolzen verbracht und sich eines Tages einfach gesagt: Hey, wer Asphodel und Wurmholz im zarten Alter von elf auseinanderhalten konnte, kann kein schlechter Mensch sein!
"Ich mach sie also krank!" platzte er heraus. Nachdem die Ereignisse des Tages sich etwas gesetzt hatten, stellte James fest, dass ihre Worte ihm am meisten nachgingen (abgesehen von den anhaltenden Kopfschmerzen von Snapes Fluch). "Was zum Teufel hab ich je gemacht?"
Sirius, der - wie James sehr wohl wusste - in der Vergangenheit schon mehr mit dem Thema drangsaliert worden war, als er zeitweilig geglaubt hatte, verkraften zu können, sog hörbar die Luft ein. "Um ehrlich zu sein, Krone, die Liste, die sie da gemacht hat, war doch ziemlich umfangreich, oder?"
"Danke, Tatze, das hilft mir unheimlich weiter." Sie gingen eine kleine Weile schweigend nebeneinander her - James unglücklich vor sich hinstierend, Sirius hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, mit James' nicht vorhandenem Liebesleben verschont zu werden und dem, seinen Freund aufzumuntern.
Erwartungsgemäß war es James, der das Schweigen erneut brach. "Ich kapiers trotzdem nicht," machte James schließlich seinem Herzen Luft. "Sie lässt sich lieber von einem Schniefelus Snape beschimpfen, als mit mir auszugehen - und behauptet dann noch zwischen mir und ihm gäbe es sowieso keinen Unterschied. In meinem ganzen Leben hat mich noch nie jemand so verkannt!"
Sirius kicherte. "Sie meint es gut mit dir. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, das weiß du doch. Frauen versuchen immer, einen in die Form zurechtzustauchen, wie sie einen gerne hätten. Wenn dir die Therapie nicht gefällt - such dir doch ne andere!"
James blieb mitten auf dem Korridor stehen. "Niemals," sagte er mit so viel Würde, dass Sirius anfing zu lachen. "Ich gelobe hier und jetzt, dass Lily Evans mein sein wird. Eines Tages. Früher oder später. Wenn ich Glück hab." Er rieb sich die Augen hinter seinen Brillengläsern.
Sirius betrachtete ihn grinsend. "Die Chancen dafür stehen vielleicht besser, als du glaubst," meinte er und hatte augenblicklich die uneingeschränkte Aufmerksamkeit seines besten Freundes.
"Wie kommst du darauf?" wollte James wissen.
"Hast du nicht zugehört, als sie dich beschimpft hat?"
"Doch," meinte James sarkastisch, "davon hätte ich nun wirklich kein Wort versäumen wollen!"
"Aber verstanden hast du anscheinend gar nix."
"Ob das ansteckend ist? Dich versteh ich grade auch nicht. Oder habt ihr alle was genommen?"
"Sie hat sich über die Nummer mit dem Schnatz aufgeregt."
James' Miene verdüsterte sich noch etwas mehr. "Das hab ich nur gemacht in der Hoffnung, dass sie mal rübergucken würde, okay?"
"Hat ja wohl auch funktioniert." Er hielt inne, um James nachzuäffen, der mit großen Augen und offenem Mund zu ihm aufsah. "Sie muss dir ja wohl ne Weile zugeguckt haben, wenn sie's gemerkt hat. Ja oder ja?"
"Also... ja." Ein verzücktes Lächeln breitete sich auf James' Zügen aus. Sie hatte ihn beobachtet. Sie hatte so genau gewusst, was er die ganze Zeit am See gemacht hatte, weil sie immer wieder rübergeschaut hatte. Und sie hatte so prompt auf der Matte gestanden, um Snape in Schutz zu nehmen, weil sie alles genau verfolgt hatte...
"Merlin, bist du leicht glücklich zu machen," spottete Sirius. "Liebe muss echt schön sein."
James beachtete ihn gar nicht, sein Brummschädel fühlte sich mit einemmal federleicht an. Es wär doch ein Witz, wenn ich das Mädchen nicht kriegen würde, das ich mir in den Kopf gesetzt hab. Und er wusste genau, warum er sie ausgesucht hatte. Nachdem er sie die ersten zwei Schuljahre konsequent an den Haaren gezogen und ihre Sachen verhext hatte, war sie nach den Sommerferien plötzlich mit diesem strahlenden, zahnspangenlosen Lächeln erschienen. Natürlich hatte es nicht ihm gegolten - zu der Zeit hatten sie schon eine wunderbare Feindschaft etabliert. Trotzdem hatte sein Magen dabei einen kleinen Salto geschlagen. Zum ersten Mal war ihm aufgefallen, wie hübsch sie war, wenn sie lächelte - und dann waren ihm noch eine Menge anderer Sachen an ihr aufgefallen, die er eigentlich wusste von seiner langjährigen Fehde mit ihr, die ihm aber jetzt erst richtig zu Bewusstsein kamen. Dass sie schlau war zum Beispiel. Und so mutig wie es sich für eine Gryffindor gehörte. Dass sie keine Angst hatte, öffentlich den Mund aufzumachen und Pissern wie Amos Diggory ein Licht aufzustecken. Dass Zaubertränke ihr Lieblingsfach war. Dass sie keine Ohrlöcher hatte wie die anderen Mädchen. Dass sie Zeitung las. Und tausende anderer Kleinigkeiten.
Sie war ziemlich groß für ein Mädchen in ihrem Alter, fast so groß wie er selber. Doch zu Lily passte ihre Größe wie das sonnenuntergangfarbene Haar, die unheimlich grünen Augen und die winzigen Sommersprossen auf ihrer Nase und ihren Wangenknochen, die sie feurig und unschuldig zugleich aussehen ließen... Wirklich, es gab gar keine Alternative. Nach Lily wäre jede andere Frau eine Zweitbesetzung. Und umgekehrt: wer von den Jungen in Hogwarts würde besser zu Lily passen? Der Riesenkrake, dass ich nicht lache! Und jetzt - nur Minuten nachdem er so düster in die Zukunft geblickt hatte wie noch nie - sah es zum ersten Mal danach aus, als zeichnete sich tatsächlich ein Silberstreif am Horizont ab. Schwungvoll bog er um die Ecke, die Hand am Geländer und den Fuß auf der ersten Treppenstufe, als ihm zum ungezählten Mal am heutigen Tag schwarz vor Augen wurde. Hätte Sirius ihn nicht aufgefangen, wäre er achtkant die Treppe heruntergekugelt.
"Tatze?" wisperte James und klammerte sich an der Schuluniform seines besten Freundes fest, während er um sein Gleichgewicht kämpfte.
"Was, Krone?" fragte Sirius und versuchte reichlich erfolglos, ihn wieder auf die Füße zu stellen.
"Heute nacht schlaf ich bestimmt gut."
Author's Note: James schreiben macht Spaß : ) Aber im nächsten Kapitel kommt erst mal Lucius zu Wort.
Feedback wär wie immer traumhaft - das beflügelt Euren Schreiberling!
