Author's Note: Ich hoffe wirklich, es geht so gut und zügig weiter mit der Story. Irgendwann sollte ich allerdings noch meine verbleibende Hausarbeit schreiben... Aber bis dahin amüsiert Euch mit Lucius und dem neuen Kapitel : )
Vielen lieben Dank an alle, die reviewt haben: fairy, fabula, pirat, chambermaid, mimim, das-som & Maia!
Fairy: Ich stell ihn mir auch extrem unreif vor lolAber in dieser Geschichte wird ihm eine Menge übles Zeug zustoßen, dann gibt sich das ; ) Zurückgeschlagen hat er ihn nicht, aber er hat es geschafft, dass er nicht weiter vordringen konnte. Jepp, James ist nicht im Club - und dafür gibts auch einen Grund. Du magst lauter böse Leute, ist Dir das schon aufgefallen: ) Ich auch.
chambermaid: Florence kommt von der Denkariumszene, als Bertha Jorkins meint, sie hätte jemanden mit diesem Mädchen knutschen sehen. Das verarbeite ich übrigens auch ; ) Danke für die Zeiteinheit!
Mimim: das mit der stablosen Magie kommt bei mir öfter vor. Severus lernt das noch richtig professionell : )
das-som: Ja, in einem Interview hat sie das mal gesagt, aber in der SWM-Szene spielt er mit dem Schnatz und zeichnet ihn auch. Außerdem brauch ich ihn für diese Geschichte unbedingt als Sucher, Du wirst schon sehen warum!
Maia: Das freut mich, wie gesagt: ich krieg nicht genug von Eurem feedback : ) Was für ein Stück spielt Ihr denn?
So, noch ein Wort zum neuen Kapitel: Die Story ist wirklich ab 16. Einen Vorgeschmack warum das so ist bekommt Ihr in diesem Kapitel. Es kommt zwar (noch) nix Grafisches vor, aber es wird von Kindesmissbrauch und Mord an einem Haustier gesprochen bzw. angedeutet. Ich glaube, ich muss das explizit erwähnen, nur damit's hinterher nicht heißt, ich hätt Euch nicht gewarnt. Daher die lange Vorrede. Und jetzt los : )
Kapitel 3: Lucius
How you mixed with the darkness at such a young age
until in your chemistry science and violence turned silence to rage
-- Indigo Girls
Nahezu die gesamte reinblütige Zaubererjugend Großbritanniens hatte sich auf dem Gelände von Malfoy Manor eingefunden, um seinen Geburtstag mit ihm zu feiern, doch Lucius Malfoy wusste, er war der einzige, der dem Moment, in dem er tatsächlich einundzwanzig wurde, Aufmerksamkeit schenkte. Zwei Minuten nach Elf am Abend war es immer noch angenehm warm und die Sterne lagen eingebettet in ein samtig-kobaltblaues Himmelszelt. Unten hingegen beleuchteten bunte, magische Kerzen und Fackeln den Park, der zu Tristan Malfoys Anwesen gehörte. Zelte und Pavillons waren aufgebaut worden. Der laue Abendwind trug die Musik und die Stimmen und das Gelächter der jungen Hexen und Zauberer weit - doch das Anwesen der Malfoys lag abgeschieden und gut geschützt vor neugierigen Muggeln in einer einsamen Talsenke. Einer der letzten unbefleckten Orte Englands, wie Tristan Malfoy sich gegenüber Gästen oft äußerte und zustimmendes Nicken erntete.
Die Hexen und Zauberer, die als Besucher hierherkamen, suchten die Entfernung vom muggelverseuchten Rest der Welt mehr als die lautere Gesellschaft seiner Familie, dachte Lucius spöttisch. Er wusste nur zu gut, dass die Malfoys bei den meisten ihrer Mitmenschen alles andere als beliebt waren. Doch wie Generationen von hellhaarigen, grauäugigen Aristokraten vor ihm kümmerte ihn dies wenig. "Wenn du die Wahl hättest, Lucius," hatte sein Großvater ihn vor Jahren zu später Stunde gefragt, "zwischen Liebe, Respekt und Furcht, wie würdest du dich entscheiden?" Lucius war die Antwort nicht schwer gefallen. Er liebte seinen Großvater nicht, er fürchtete ihn - doch dieser hatte trotzdem die ganze Macht. So war er zum ersten Mal mit dem Grundsatz der Malfoys in Berührung gekommen.
Heute zumindest waren das Haus und der Park voller Gäste. Nicht gewillt, eine Gelegenheit zum Politisieren auszulassen, hatte sein Vater nicht nur Lucius' Freunde in seinem Namen eingeladen, sondern auch deren Eltern und einige andere Freunde aus seiner eigenen Schulzeit. Oder vielmehr war es wohl auf den nach wie vor ungebrochenen Willen seines Großvaters zurückzuführen, der es seinem Sohn nicht zutraute, das Netz aus Beziehungen und Abhängigkeiten, das Crispin Malfoy zu seiner Zeit aufgebaut hatte, lebendig und funktionstüchtig zu erhalten. Mit Recht, wie Lucius dachte. Tristan Malfoy war ein schwacher Mann. Mit einundzwanzig war Lucius besser darin, menschliche Schwächen zu durchschauen und zu seinem Vorteil zu nutzen, als sein Vater es je werden würde. Unabgesprochen war Crispin Malfoy dazu übergegangen, mehr und mehr von seiner Verantwortung seinem Enkel anstatt seinem Sohn aufzubürden, und Lucius kam dieser mit der kalten Passion eines Mannes nach, der tut, wofür er geboren ist.
Selbst heute abend wollte ihn die Politik nicht verschonen. Eine Ankündigung war geplant, die sein ganzes Leben verändern sollte - wenn sie auch eigentlich nur einen weiteren Stein in dem Mosaik ausmachte, das sein Leben war. Einundzwanzig war jung für einen solchen Schritt, doch er verstand, was seinen Vater und Elladora Black dazu bewogen hatte, so rasch zu handeln. Es galt, der Öffentlichkeit das Maul zu stopfen, nachdem Elladoras älteste Tochter durch ihre Muggelehe den Familiennamen befleckt hatte. Lucius hatte nicht die geringste Absicht, ihr diese Geste zu verwehren, zumal es ohnehin schon seit Jahren abgesprochen war, dass er Elladoras zweitälteste Tochter heiraten würde, sobald Narzissa einundzwanzig war. Und so stahl er sich einen letzten privaten Augenblick, bevor er wieder seine Rolle spielen musste. Niemand merkte, dass das Geburtstagskind sich bei Einbruch der Nacht kurz von seiner eigenen Feier zurückzog.
Beinahe hätte er den Moment verpasst. Es war eine Gewohnheit, die er angenommen hatte, als er elf wurde. Jedes Jahr in der Nacht zu seinem Geburtstag legte er sich auf die Lauer, um die Sekunde, in der er ein Jahr älter wurde, abzuwarten. Zehn Jahre. Zehnmal hatte er bereits so seinen Geburtstag gefeiert: zwei Minuten nach Elf war üblicherweise ein guter Zeitpunkt, sich für einen winzigen Moment vom Trubel des Festes abzuseilen und sich den Luxus zu gönnen, eine kleine Weile nur den eigenen Gedanken nachzuhängen. Mit jedem Jahr wurde Lucius sich deutlicher bewusst, wie wenig seine Gedanken tatsächlich ihm gehörten. Er war der Malfoy-Erbe und es war sein Glück, dass er nicht insgeheim den Wunsch hegte, Zaubertränke zu brauen oder neuartige Besenmodelle auszutesten. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen, die er sich nicht selbst ausgesucht hatte und doch wäre er mit jeder anderen Beschäftigung kreuzunglücklich gewesen.
Von dort, wo er stand, hatte Lucius einen guten Blick nicht nur über die Festivitäten im Park, sondern weit über die Grundstücksgrenzen hinaus. Wiltshire. Hier, so hatte man es ihm von klein auf beigebracht, schlug das Herz Britanniens. Hier befand sich das älteste Erbe des Landes, seine tiefste und undruchdringlichste Magie. Avebury. Stonehenge. Die großen Steinkreise. Er versuchte sich das Land an dem Abend vorzustellen, als er zur Welt gekommen war. War es ein lauer Juniabend gewesen wie dieser? Hatte sein Vater, der nur wenig älter als Lucius jetzt gewesen war, hier auf der obersten Terasse gestanden, an die hohe schmiedeiserne Brüstung gelehnt und dem Wind gelauscht, der leise in seinen Ohren flüsterte? Wenn er aufgepasst hätte, hätte der Wind ihm vielleicht erzählt, was das Leben für seinen einzigen Sohn und Erben bereithielt, dachte Lucius mit einem Anflug von Bitterkeit. So oder so ähnlich musste es gewesen sein. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Tristan die Hand seiner gebärenden Gemahlin gehalten und mit ihr gemeinsam auf das Kind gewartet hatte.
Das Kratzen von Klauen auf der Balustrade und ein sanftes Schuhu von links wiesen ihn unaufdringlich darauf hin, dass anderswo auch noch nicht geschlafen wurde. Eine kleine Schleiereule hangelte auf dem Geländer näher und streckte ein flaumiges Bein aus, damit er die daran befestigte Briefrolle abnehmen konnte. Dann verschwand sie wieder in die Nacht. "Bella," lächelte Lucius entzückt. Seine düsteren Gedanken verflogen. Pünktlich auf die Minute. Auch wenn sie das nicht wissen konnte, er hatte nie jemandem von seinem Geburtstagsritual erzählt. Der Glückwunsch enthielt nichts Überraschendes: Gratulation zum Geburtstag, Willkommen in der Familie, ein verschmitzter Hinweis auf sein Geschenk, schließlich Grüße an ihre Mutter und ihre Schwester und im Zusammenhang damit eine Verwünschung Albus Dumbledores, der ihr partout nicht hatte gestatten wollen, anlässlich der Verlobung ihrer älteren Schwester die Schule für einen Abend zu verlassen, dass ihn der Teufel hole!
In jeder Zeile schimmerte die Vertrautheit und die tiefe Zuneigung durch, die sie mit ihrem Schwager in spe verband und die nicht von ungefähr kam. Es war ein besonderer Moment in Lucius' Leben gewesen, als er bei Orion Blacks Beerdigung entdeckt hatte, dass die damals dreizehnjährige Bellatrix ihren Vater ebenso verachtete wie er den seinen. Hinzu kam, dass Elladora in seiner Teenagerzeit zu einer Art Ersatzmutter für ihn geworden war. Sie war es, die ihn in den Dunklen Künsten unterrichtete, als Crispin Malfoy an seine Grenzen stieß. Doch anders als während der Unterrichtsstunden mit seinem Großvater hatte Lucius sich hier aus Achtung einem fremden Willen unterworfen, nicht aus Furcht, mit geheimem Hass im Herzen. Die Gründe, aus denen er zu Elladora aufblickte und sich jeder ihrer Anweisungen fügte, waren echt und sie hatten ihn stark gemacht, anstatt ihn zu verkrüppeln.
„Ich bin immer noch der Meinung, es wäre leichter, Imperius auf ein menschliches Ziel zu werfen."
„Leichter?"
„Was ist damit gewonnen, absolute Macht über eine Katze zu erlangen?"
„Du solltest über alles auf der Welt Kontrolle haben wollen."
„Ich möchte zuallererst über meine Mitmenschen Kontrolle haben."
„Nicht über dich selbst?" kam es mit sanftem Spott von seiner Lehrerin. Sie betrachtete ihn sinnierend. „Du scheinst Katzen zu mögen."
"Mehr als Hunde," erwiderte er. Den Bruchteil einer Sekunde, bevor die Aufforderung kam, sah er in Elladoras Augen, welche Wendung die Unterhaltung nehmen würde.
Elladora nickte. „Dreh ihr," sagte sie so freundlich und beiläufig, dass ihm die Bedeutung ihrer Worte um ein Haar entgangen wäre, „den Hals um."
Er machte sich keine Illusionen darüber, in welche Art Familie er einheiraten würde. Die Blacks waren nicht anders geartet als die Malfoys, das machte die Verbindung ja so sinnvoll. Narzissa war mit denselben Vorstellungen, denselben Idealen, denselben ungeschriebenen Regeln großgeworden wie er selbst. Ähnlich wie ihre Mutter verfolgte sie noch andere Ambitionen als eine vorteilhafte Ehe. Elladora hatte unmissverständlich klargemacht, dass der Ehevertrag Narzissas Recht auf weitere Ausübung ihres Berufs beinhalten musste - so wie sie es sich in ihrer eigenen Ehe ausbedungen hatte. Anders als ihre Mutter hatte Narzissa jedoch kein Interesse an den Dunklen Künsten. Sie schwebte in höheren Sphären - im wahrsten Sinn des Wortes. Lucius hatte einmal versucht, sich mit ihr darüber zu unterhalten, hatte aber bald erkennen müssen, dass die Materie - obwohl Astronomie stets eins seiner Lieblingsfächer gewesen war und er es bis zum Ende belegt hatte - tatsächlich zu hoch für ihn war. Sie hatte gelächelt und es gut sein lassen mit der Erkenntnis, dass er eine Frau neben sich dulden konnte, die mehr Grips hatte als er.
Seine Welt änderte sich und Lucius, dem diese Veränderung Macht, Rang und Status gab, fühlte sich mehr denn je als ein Teil von ihr. Zum ersten Mal seit Grindelwalds Sturz gab es wieder Hoffnung. Lange hatte die rechtmäßige Elite der Zaubererwelt in ständiger Erniedrigung nach dem letzten Krieg gelebt. Ihre Kräfte schienen aufgezehrt, ihr Wille zur Macht gebrochen. Die Generation von Lucius' Eltern und Großeltern hatte zu lange der Vergangenheit nachgetrauert, anstatt die Zukunft anzugehen. Doch die Stimmung war umgeschlagen. Die Allianz zweier so alter und traditionsbewusster Familien wie der Blacks und der Malfoys war ein machtvolles Symbol in dieser Zeit des Aufschwungs. Die Reinblüter waren wieder im Begriff, an den Platz zurückzukehren, der ihnen zustand, den ihr Blut ihnen garantieren sollte. Viel zu lange hatten Schlammblüter und Muggelfreunde die magische Welt immer wieder an den Rand des Abgrunds gebracht. Jetzt endlich konnte die alte Lebensweise wiederauferstehen.
Und Lucius - nicht ahnend, dass er gerade jetzt den letzten friedlichen Augenblick für viele Jahre erlebte - dachte mit einiger Verwunderung, dass er sein ganzes Leben lang, wie weit er sich auch zurück erinnerte, sein Zuhause nicht geliebt hatte; es nicht zu schätzen gewusst hatte und die Menschen, die seine Familie waren oder sein würden auch nicht. So wie er mit seinen Gedanken nie ganz bei dem gewesen war, womit er sich gerade beschäftigte, war sein Herz auch nie an dem Ort gewesen, an dem er sich gerade aufhielt. Doch heute abend war es hier. Und schlug ruhig und sicher in dem Bewusstsein, zur richtigen Zeit zu leben.
"Jede Zeit ist die richtige, um sich sein eigenes Schicksal zu schaffen," ergänzte eine ruhige Stimme seinen Gedankengang.
Lucius war zu gut geschult in der Kunst, nie den Eindruck zu erwecken, er habe etwas zu verbergen, selbst wenn ihm das Herz bis zum Hals schlug, dass er nicht mehr zusammenzuckte, wenn ihn unerwartet jemand aus dem Dunkel ansprach. Nicht einmal, wenn dieser Jemand Lord Voldemort persönlich war. Seine Stimme hätte Lucius unter tausenden erkannt, doch hier auf dem Balkon seines Hauses an seinem Geburtstag ging sie ihm aus undefinierbaren Gründen noch mehr unter die Haut als sonst. Vielleicht weil das Szenario so ungewohnt war.
"Herr," grüßte er mit einer Verbeugung. "Das ist ein unerwartetes Vergnügen."
Voldemort machte ein gleichmütige Handbewegung, als er sich zu Lucius an die Balustrade gesellte. "Wohl kaum so unerwartet, Lucius. Ich bin deinetwegen gekommen, wie du dir sicher denken kannst."
Lucius wusste, dass der Dunkle Lord das Datum seines Geburtstags kannte. Es war an seinem 18. gewesen, einer kühlen und regnerischen Nacht im Gegnsatz zu der heutigen, dass er in einem Kreis aus schwarzverhüllten Gestalten vor Voldemort niedergekniet war. Blutmagie hatte ihn stärker an seinen Meister gebunden als ein bloßes Treuegelöbnis. Trotzdem schien es ihm unwahrscheinlich, dass sein Herr eigens nach Wiltshire gekommen war, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren.
"Ich fordere deine Anwesenheit beim Konzil der Ritter von Walpurgis, das in drei Nächten von heute an stattfinden wird."
So war das also. Er würde die Malfoys zum ersten Mal offiziell im Dunklen Orden vertreten dürfen. Sein Großvater war inzwischen zu krank, um das Bett zu verlassen. Gute Neuigkeiten.
Er schlug die freudig glühenden Augen nieder und fühlte Voldemorts Lächeln mehr als dass er es sah. "Es gibt keinen Grund, mit deinen Emotionenen hinter dem Berg zu halten, Lucius. Zumindest nicht hier, wo nur wir beide sind. Ich weiß, wie es dir dabei geht." Lucius beobachtete den Mann neben ihm. Eine blasse, langfingrige Hand berührte die schmiedeeiserne Brüstung. Der Nachtwind spielte mit der Kapuze des schwarzen Umhangs, in den der Dunkle Lord sich gehüllt hatte, und gab den Blick frei auf ein eigenartig verwischtes Profil und zu Boden gerichtete Augen, deren Glühen einen schwachen roten Schein über hohe Wangenknochen warfen. "Zum einen verschafft es dir natürlich Genugtuung, dass der Terror deiner Kindheit so leiden muss. Zum anderen bist du verbittert, weil nicht du es bist, der dieses Leiden verursacht hat. All die Rachephantasien," sagte Voldemort fast veträumt, "über denen du so viele Jahre gebrütet hast - nun müssen sie unerfüllt bleiben. Der senile, alte Narr ist die Mühe nicht wert."
Lucius stand neben seinem Meister und wagte kaum zu atmen, als er seine innersten und tief verborgenen Gefühle ans Licht gezerrt und fachmännisch zerlegt werden sah. Es stimmte, was Voldemort sagte. Das Monster, das seine Kindheit zur gelebten Hölle gemacht hatte, bewohnte nicht länger die sterbliche Hülle von Crispin Malfoy. Aber die anderen waren noch da. Sein Vater, der Schwächling. Und all die anderen, die es gewusst und weggesehen hatten. Nicht auszuschließen, dass sein Vater sogar selbst das gleiche durchlitten hatte als Kind - und dennoch keinen Finger gerührt hatte, um Lucius davor zu retten...
Der Dunkle Lord drehte sich zu ihm um. "Du wirst es gut machen, Lucius." Er lächelte und berührte Lucius' Hand mit den Fingerspitzen. Die Berührung war überraschend warm. "Du bist stark, denn du bist durch eine harte Schule gegangen in diesem Haus. Vergiss das nie." Lucius wollte etwas sagen, doch Voldemort schnitt ihm das Wort ab. "Du solltest jetzt hinuntergehen und dich verloben. Wie es schon den ganzen Abend geplant ist. " Lucius' Augen weiteten sich. Er hätte eigentlich nicht überrascht sein sollen. Voldemort wusste alles, daher natürlich auch, wie seine Untergebenen ihre Zukunft planten. Zumal Elladora Black einen hohen Rang im Dunklen Orden bekleidete und außer Voldemort selbst niemandem verantwortlich war.
"Lucius." Voldemorts Stimme hielt ihn noch einmal zurück. Er drehte sich um.
"Ich hoffe, du wirst ein gutes Lebensjahr haben."
Lucius verneigte sich und ging. Er konnte die Hand seines Herrn noch auf seiner fühlen. Voldemort tat den Menschen das an mit seiner unverschleierten, absoluten Aufmerksamkeit. Wenn der Dunkle Lord den Blick abwandte, hatte man das Gefühl, das Licht gehe aus. Und man befände sich wieder im Schatten. Voldemorts Worte hatten alte Wunden wieder aufgerissen, an deren nie ganz abgeheiltem Schorf Lucius sonst nur in Momenten größter Geistesabwesenheit herumkratzte. Es war nicht die Art von Gedanken, die Lucius bei seiner Verlobung mit sich herumtragen wollte, doch es war schwer, die Stimme seines Herrn aus seinem Kurzzeitgedächtnis zu verbannen. Er schlug den Weg nach unten in einem Zustand der Unruhe und Erbitterung ein.
Mit Hilfe der zahlreichen Spiegel, an denen er auf seinem Weg in die Haupthalle vorbeikam, überzeugte er sich flüchtig, dass er einen würdigen Bräutigam für Narzissa abgab. Das Glas reflektierte eine elegante, aufgeräumte Erscheinung in dunkler, gutgeschnittener Kleidung. Das lange glatte Haar, dessen auffallende Farbe er mit seinem Vater und Großvater teilte, fiel weich und knisternd auf seine Schultern. Sein Mienenspiel hatte er im Griff, auch später, als sein Vater in der Halle seine und Narzissas Hände ineinanderlegte. Die kühlen, grauen Augen verrieten nichts von dem Aufruhr, der in ihm tobte.
Sein Großvater starb. Deswegen hatte sich der alte Mann in der letzten Zeit so vehement auf Elladoras Seite gestellt: beide hatten ihre eigenen Gründe, die geplante Hochzeit voranzutreiben. Elladora wollte die Schande auslöschen, die Andromeda über das fürnehme und gar alte Haus der Blacks gebracht hatte. Und Crispin wollte die Zukunft der Malfoys gesichert wissen. Es war ein letzter Akt der Willkür über seinen Enkelsohn. Lucius blickte Elladora an. Es war gut möglich, dass sie es auch gewusst hatte. Immer schon. Vielleicht hatte der Dunkle Lord seine Informationen sogar von ihr. Die beiden standen auf vertrautem Fuß miteinander. Sie hatte Lucius schließlich in seinem Namen ausgebildet und er hatte ihr vieles anvertraut, was er noch keinem anderen Menschen gestanden hatte.
Er hörte sich reden, sah sich das Glas heben, um mit allen anderen auf seine und Narzissas Gesundheit anzustoßen. Aber in ihm brodelte es. Sie wussten es alle. In diesem Moment war er sicher. Jedes von diesen lächelnden Gesichtern maskierte die eine Frage, die sich in ihrem Geist formte: War er überhaupt fähig, ein Ehemann und Vater zu sein oder hatten Crispins Abartigkeiten ihn fürs Leben geschädigt? Eine perverse Neugier schien hinter der Fassade der Achtung und Zuneigung seiner Mitmenschen zu schlummern.
Lucius hielt Narzissas Hand und trug den Kopf um so höher. Er hätte davonlaufen können, als er siebzehn und damit volljährig wurde. Die Schande seiner Familie von den Dächern schreien und alle Brücken hinter sich abbrechen. Ein schwächerer Mann hätte es getan. Ein schwächerer Mann hätte seinen Namen verraten und darauf verzichtet, sich zu nehmen, was er wirklich wollte. Aber nicht Lucius.
Ich will Crispin Malfoys Erbe, dachte er. Ich will es. Wenn die ganze Welt weiß, wie meine Kindheit ausgesehen hat, dann soll auch das ganze Welt wissen, dass es mich nicht gebrochen hat.
Author's Note: Es war kürzer als das letzte, aber hoffentlich hat's Euch genauso gut gefallen.
