Author's Note: Hallo meine Lieben, es geht weiter. Ich hoffe, es geht weiter so gut vorwärts, allerdings geh ich demnächst selber noch in Urlaub zu meiner Schwester in die USA. Und wenndann die Uni wieder anfängt, pfeif ich sowieso auf dem letzten Loch : ) Aber ich will Euch keine Angst machen. Die Story wird fortgesetzt. Schon weil mir Euer Feedback soviel Spaß macht - vielen lieben Dank dafür!
Maia: ein selber geschriebenes Theaterstück, wow : ) einen schönen Urlaub wünsch ich Dir und hoffentlich gefällt Dir das Neue, wenn Du zurückbist und mal wieder ins Internet schaust!
chambermaid: So stell ich ihn mir vor. Er geht für seine Ziele buchstäblich über Leichen und dahin möcht ich ihn allmählich bringen im Lauf der Geschichte. Mit Rückfällen versteht sich ; ) sonst wärs ja langweilig.
mimim: nee, Voldemort hat damit ausnahmsweise mal nichts zu tun ; ) Aber er wusste es auch und hat sich rausgehalten, bis Lucius schon erwachsen war. Als er erstmal das Dunkle Mal hatte, hat sein Großvater sich nicht mehr getraut, ihm was anzutun. Ich werd die Geschichte übrigens etwas abändern, was Lucius' Vater betrifft. Aber davon mehr im nächsten Lucius-Kapitel.
tashgan: vielen vielen Dank! Das freut mich aber, wenn Dir mein Geschreibsel so gut gefällt : ) Ich hoffe, Du liest mehr davon, auch wenn erst mal wieder Lily und dann James zu Wort kommen. Aber bald werden sich ohnehin die Wege der 3 kreuzen und der Plot entwickelt sich richtig : )
Hier ist das neue Kapitel, worin Lily in die Ferien fährt, Bellatrix sie aushorchen will, Alice ihr ins Gewissen redet und ihre Mutter eine große Neuigkeit erzählt. Mir hats Spaß gemacht, Euch hoffentlich auch : )
Kapitel 4: Lily
Innocence is a face that always lies.
-- The Tea Party
Lilys schlechte Laune hielt bis Beginn der Ferien an. Das Nachspiel um die Vorfälle am See hatte sie mit großem, uneingestandenem Interesse, jedoch lieber von weitem verfolgt. Was nicht sonderlich schwergefallen war, da die ganze Schule vor Gerüchten brummte. Da war zum Beispiel der rätselhafte Umstand, dass Potter und Black in der Verwandlungsprüfung tags darauf auf keinen grünen Zweig gekommen waren. Lily war zwar nicht dabei gewesen, kannte aber durch den Buschfunk sämtliche Einzelheiten ihres Versagens. Nach den Schuldigen musste man - nach Ansicht der Schülerschaft - nicht lange suchen: Es war völlig klar, dass die Slytherins hier Rache genommen hatten für die Quälerei eines der Ihren und alle hatten sich angewöhnt, einen großen Bogen um Severus Snape zu machen. Was diesem nach all dem vermutlich ganz recht war.
Lily für ihren Teil hatte sich nie darum geschert, was die anderen über Snapes diverse unheimliche Begabungen dachten. Jetzt fragte sie sich jedoch, ob er nicht insgeheim darunter litt, dass ihn alle für ein Sicherheitsrisiko hielten. Geschickt mit Flüchen, geschickt mit Zaubertränken und jetzt auch noch der Ausrutscher mit der spontanen Magie. Erst gestern war Lily dazugekommen, als Remus Lupin ein paar Gryffindor-Erstklässler davon abbringen musste, stablose Magie im Gemeinschaftsraum zu üben. Nicht das sie irgendwelchen Erfolg damit gehabt hätten auch ohne sein Einmischen. Ab einem gewissen Alter funktionierte dieser Gebrauch des magischen Potenzials nur noch in außergewöhnlichen Situationen, wenn man wirklich fuchsteufelswild war oder Todesangst hatte, so hatte Lily als gewissenhafte Junghexe es zumindest in Wafflings "Theorie der Magie" nachgelesen
Was natürlich die Frage aufwarf, was in Merlins Namen Potter getrieben hatte, dass Snape dermaßen die Beherrschung verlor, dachte Lily, als sie am ersten Ferientag durch die mittlerweile fast komplett verlassenen Korridore des Westflügels schlenderte, unterm Arm die letzten Anweisungen für ihr Sommerprojekt in Zaubertränken. Die Bibliothek sollte am letzten Tag eigentlich geschlossen sein, doch obwohl der Raum dunkel war bis auf ein grünliches Licht an einem der vorderen Tische, waren die Türen weit geöffnet. Wer immer es geschafft hatte, dort jetzt noch nach Gutdünken zu schalten und zu walten, machte sich offsichtlich nicht die Mühe, irgendetwas von seinem Treiben zu verbergen.
"Pssst, Evans!" zischte eine weibliche Stimme aus dem Halbdunkel. Lily drehte sich um und sah jemanden im Eingang zur Bibliothek stehen. Ein Mädchen mit langem, glänzendem, pechschwarzem Haar winkte sie zu sich herüber, drehte sich dann um und betrat die Bibliothek, ohne abzuwarten, ob sie ihr tatsächlich folgen würde. Lily erstaunte weniger diese Selbstsicherheit, mit der sie hier herumkommandiert wurde als die Kontaktaufnahme an sich.
Bellatrix Black benahm sich ohnehin, als gehörte ihr die Schule und nach allem, was Lily wusste, war es auch beinahe so. Die Blacks gehörten zu Hogwarts' wichtigsten Geldgebern, wie Professor Slughorn ihr einmal erzählt hatte. Er hatte sie aufmerksam betrachtet und eine seiner wichtigen Pausen gemacht. Professor Slughorn mochte ein phlegmatischer, genussüchtiger Mensch sein, aber Lily dachte oft, dass sie und viele andere Muggelgeborene ohne seine Hilfe in der Zauberergemeinschaft einfach verloren gewesen wären. Sie mochte die Art, wie er mehr andeutete als sagte und erwartete, dass sie sich selbst einen Reim darauf machte. In diesem Fall lag die Erkenntnis natürlich darin, dass die alten, reinblütigen Familien es nicht sehr schätzten, die Erziehung der Muggelgeborenen praktisch mitbezahlen zu müssen.
Lily sah sich argwöhnisch um, als sie die Bibliothek betrat. Doch Bellatrix schien tatsächlich allein zu sein. Jedenfalls lauerten keine anderen Mitglieder der Slytheringang in den Fluren der Bibliothek. Es wäre nicht so außergewöhnlich gewesen, wenn sie ein Schlammblut in einen verlassenen Teil der Schule gelockt und dort zusammengeflucht hätten. Im Fall der Slytherins waren dies selbstverständlich nur Gerüchte. Anders als Potter und seine bescheuerten Freunde machten sie keine Show daraus, mit der sie möglichst viele Leute unterhalten wollten, sondern sie verfolgten eine "Agenda". Sie tyrannisierten andere aus politischen Gründen. Nachweisen konnte man ihnen nie etwas. Die Slytherins waren Meister im Regelbrechen - was sie jedoch nicht davon abhielt, sich lautstark über jeden zu beklagen, der dasselbe machte, aber einem anderen Haus angehörte - und das hübsche, schwarzhaarige Mädchen, das soeben eine einladende Geste zu Lily hin machte, an ihrem Tisch Platz zu nehmen, war ihre ungekrönte Königin.
Aber heute waren sie nur zu zweit - das Schlammblut und die Prinzessin von Slytherin - und obwohl ein Teil von Lily sich ärgerte, dass sie ihrer Mitschülerin nachlief wie in Hund seinem Herrn, überwog doch die Neugierde, was Bellatrix von ihr wollen konnte (und was die andere überhaupt hier machte). Sie setzte sich. Bellatrix lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und betrachtete Lily aus ihren schwerlidrigen Augen so gelassen, als säßen sie in ihrem heimischen Wohnzimmer und nicht in einem längst für die Ferien geschlossenen Teil der Schule. Sie machte keine Anstalten zu erklären, warum sie hier waren, doch Lily ahnte bereits, dass es eine Masche war, um sie aus dem Konzept zu bringen.
Nun, das Spiel konnten zwei spielen. Lily würde nicht diejenige sein, die zuerst das Wort ergriff. Sie beschäftigte sich anderweitig, während sie wartete, dass Bellatrix zur Sache kam. Ein dünner Stapel Dokumente und ein dickes, in Leder gebundenes Buch lagen auf dem Tisch. Lily drehte leicht den Kopf, um den Titel lesen zu können. "Zeit des Feuers". Es sagte ihr nichts. Nicht nur, dass es ihr nicht bekannt vorkam, es hatte auch einen unverfänglichen Titel, der nicht enthüllte, was sich dahinter verbarg. Sie betrachtete die Papiere daneben. Keine Notizen, sondern amtlich aussehende Formulare. Der Briefkopf war ihr allerdings bekannt: St. Mungo's Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen.
"Bewerbungsunterlagen?" rutschte es Lily heraus, bevor sie sich bremsen konnte. Sie fluchte innerlich, weil sie nun doch als erste ihr Schweigen gebrochen hatte. Doch es schien ihr einfach zu ungewöhnlich, dass jemand wie Bellatrix Black sich Gedanken über einen möglichen Beruf machen sollte, noch dazu in der fünften Klasse. Nicht etwa, dass sie dumm gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Arrogant, eigenwillig und respektlos wie sie war, mochte Bellatrix der Alptraum der meisten ihrer Lehrer sein, doch in ihren Noten spiegelte sich nichts dergleichen wider. In den fünf Jahren, die sie gemeinsam hier zur Schule gingen, war Bellatrix immer mit an der Spitze des Jahrgangs gewesen. Doch Lily hatte nie gedacht, dass so ein verwöhntes, reinblütiges Prinzesschen andere Ziele im Leben haben sollte, als sich einen tauglichen Ehemann zu ergattern und dafür zu sorgen, dass ihre Linie nicht ausstarb. Es schien einfach widersinnig, dass Bellatrix tatsächlich arbeiten gehen sollte, um ihren Unterhalt zu verdienen.
Bellatrix wölbte eine schwarze Braue. "Dachtest du, meine Familie lebt von einem Schatz im Keller, der sich bei jedem Vollmond auf wundersame Weise mehrt?"
Es war nicht die Antwort, die Lily erwartet hatte. Doch sie beschloss, die Gelegenheit wahrzunehmen. "Was tun sie?"
"Mein Vater ist schon lange tot," meinte Bellatrix mit einer ziemlich gleichgültigen Handbewegung, die Lily schockiert hätte, wenn sie von ihrer unberechenbaren Mitschülerin im Lauf der Jahre nicht schon ganz andere Sachen erlebt hätte. "Meine Mutter war früher in der Kommission für Experimentalmagie. Als sie meine Schwestern und mich bekam, arbeitete sie zuhause weiter."
"Ist sie Alchemistin?" fragte Lily, hoffnungsvoll, aus dieser unerwarteten Quelle endlich etwas über die genaue Laufbahn eines Alchemisten in Erfahrung zu bringen.
Ein rätselhafter Ausdruck trat in die schwerlidrigen Augen des anderen Mädchens. "Nein, sie beschäftigt sich mit Flüchen. Mit der Erforschung von Flüchen, die Seelenenergie zu ihrer Ausübung erfordern." Sie beobachtete Lily aufmerksam, ein kleines Lächeln spielte um ihre Lippen. Wie die Unverzeihlichen Flüche, dachte Lily. Abgesehen von Heilmagie, waren die meisten Zaubersprüche, die Seelenenergie erforderten, Dunkel. Zum Beispiel die Unverzeihlichen. Lily erinnerte sich, etwas darüber gelesen zuhaben, dass eine Studie über ebendiese Elladora Black vor das Wizengamot gebracht hatte. Aber dies hier zur Sprache zu bringen, war vielleicht nicht klug.
"Severus hat mir erzählt von deiner..." fing Bellatrix an und Lily spürte einen heißen Knoten im Magen. Was dachten die Slytherins von ihr wegen ihres Einsatzes für Snape?
"...Obsession."
"Oh." Also darum ging es. Severus war es tatsächlich aufgefallen, dass sie Interesse an der Wissenschaft der Wissenschaften zeigte. Er schien immer so teilnahmslos, wenn sie nach dem Unterricht beide noch mit Professor Slughorn redeten. Aber in dem Zusammenhang hatte sie einmal ganz arglos erwähnt, dass sie sich alchemistische Studien als ihre Zukunft vorstellen könnte. Slughorn hatte sie freundlich und etwas mitleidig angesehen und dann zu Severus geblickt. Lily wusste inzwischen, warum. Zum Einen hatte es in der dreitausendjährigen Geschichte der Alchemie noch nie ein Miglied der Gilde gegeben, das kein Reinblut gewesen war. Kein Wunder also, wenn ihre Zahl immer geringer wurde. Und zweitens: wenn jemand aus dieser Schule und diesem Jahrgang von der Gilde ausgesucht werden würde, dann der bleiche, schwarzhaarige Junge neben ihr.
Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, meinte Bellatrix: "Wenn du in deinen Recherchen über die Gilde schon bis zu den Aufnahmestatuten vorgedrungen bist, wird dir sicher aufgefallen sein, dass Schlammblüter dort nicht gern gesehen sind."
Lily sprang auf. "Wenn du mir solche Ausdrücke an den Kopf schmeißt, weiß ich nicht, was ich hier noch verloren habe!"
"Nein, Lily!" Bellatrix griff über den Tisch nach ihrem Handgelenk. "Ich finde es toll, was du vorhast. Es zeigt Charakter. Die meisten Reinblüter würden es nicht wagen, ihre Ziele so hoch zu stecken. Vielleicht weil sie - im Gegensatz zu euch Muggelgeborenen - wissen, dass die Aussichten, in die Gilde zu kommen, gleich null sind. Vielleicht aber auch, weil ihnen sowieso immer alles auf dem silbernen Tablett serviert wird, und sie verlernt haben, sich richtig anzustrengen."
Lily ließ sich langsam auf ihren Stuhl zurücksinken. "Denkst du das wirklich?" fragte sie leise.
"Ich sage immer, was ich denke; frag meine leidgeprüften Lehrer," scherzte Bellatrix. "Eine ungewöhnlichere Berufswahl für eine muggelstämmige Hexe kann ich mir jedenfalls kaum denken. Das zeigt aber zumindest, dass du auf dem richtigen Weg bist. Du gehörst zu den wenigen, die den Makel ihrer Geburt komplett abschütteln könnten. Es ist schade, dass du nicht in Slytherin bist, Lily, wir könnten dir vielleicht helfen."
"Na klar," schnaubte Lily, "das wäre ein Spaß. Prügelknabe für die Reinblütergang mit der obligatorischen Anrede Schl..."
"Sei nicht albern!" lachte Bellatrix. "Es gibt bei uns nicht weniger Halbblüter und Muggelgeborene als in allen anderen Häusern. Kennst du unseren einen, einsamen Grundsatz nicht?"
"Bigotte Rassisten sind uns willkommen?" versuchte Lily es.
"Was funktioniert, ist erlaubt," deklamierte Bellatrix vergnügt. "Unser Prinzip ist die Prinzipienlosigkeit. Die Säuberung der Schule von Muggelgeborenen war eine Idee von Salazar, die man im historischen Kontext sehen muss. Es lag nicht in seiner Natur. Der Sprechende Hut verteilt die Leute nach Charaktereigenschaften und unsere Halbblüter und Muggelgeborene geben gute Slytherins ab. Gerade deswegen weil sie mehr oder weniger ins kalte Wasser geschmissen worden sind. Die meisten Reinblüter sitzen unter dem Hut und stellen sich an,Oh bitte, mein Daddy war schon in Slytherin...'" Lily lachte, Bellatrix verdrehte die Augen. "Du wärst vielleicht überrascht zu hören, wer bei uns alles kein Reinblut ist. Selbstverständlich kann ich keine Namen nennen. Unsere Leute sind da empfindlich..."
Lily kam nicht mehr dazu, eine geeignete Antwort darauf vom Stapel zu lassen, weil ihre traute Zweisamkeit in diesem Moment unterbrochen wurde. "Was macht ihr denn noch hier?" wollte Alice Stewart, die Gryffindor-Vertrauensschülerin der Sechstklässler wissen. "Wie seid ihr überhaupt hier reingekommen? Die Bibliothek ist längst geschlossen!"
"Man hat seine Mittel und Wege," erwiderte Bellatrix träge und machte keine Anstalten, von ihrem Stuhl aufzustehen.
"Los, raus mir euch!" kommandierte Alice und stemmte eine Hand in die Hüfte. "Der Hogwartsexpress fährt in zwanzig Minuten ab."
Lily stand auf und gesellte sich zu Alice an der Tür, die ungeduldig darauf wartete, dass sie die Bibliothek erneut versiegeln konnte. Bellatrix reckte die Arme über den Kopf wie ein kleines Mädchen, seufzte, suchte umständlich ihre Sachen zusammen und folgte Lily zur Tür. In dem Moment fiel Alice auf, dass Bellatrix ein Buch an sich gedrückt hielt. "Was klaust du da, Black?"
"Das ist mein Eigentum und ich nehme es wieder mit, wenn du nichts dagegen hast," erklärte Bellatrix freundlich.
Alice verrenkte sich den Kopf nach dem Titel - und erstarrte. "Woher hast du das?" fragte sie mit völlig veränderter Stimme.
Bellatrix machte einen Schritt auf sie zu: "Na, was denkst du wohl?" fragte sie so schelmisch wie ihr Cousin in seinen schlimmsten Zeiten.
"Dieses Buch hierherzubringen - dazu hast du kein Recht," erregte sich Alice. "Es ist seit seinem Erscheinen auf dem Index, du darfst es nicht einmal besitzen. Ich sollte dich anzeigen dafür."
Bellatrix lächelte nur verächtlich. "Wenn du unbedingt die Fehler deiner Eltern wiederholen willst, tu dir keinen Zwang an, Stewart. Renn doch zu Dumbledore, dann könnt ihr euch gegenseitig euer Leid klagen, weil die bösen Slytherins euch das Leben schwer machen."
Alice drehte ihren Zauberstab zwischen den Fingern, als könne sie sich nur mit Mühe zurückhalten, Bellatrix einen Fluch auf den Hals zu jagen. "Darauf kannst du Gift nehmen, Black. Ich gehe zu Dumbledore und wenn ich dich nochmal damit erwische, wie du volksverhetzende Bücher in der Schule spazierenträgst, gehe ich geradewegs zum Ministerium."
Bellatrix trat mit der ganzen Selbstsicherheit, die ihre Erziehung ihr eingeimpft hatte, auf die größere Schülerin zu. "Ich lerne, was ich will, Stewart - und nicht nur, was ich von den senilen alten Schwachköpfen hier vorgekaut kriege." Sie lächelte süß. "Das solltest du auch tun. Vielleicht würdest du dann ein paar Dinge klarer sehen."
Lily blickte aufmerksam von einer zur andern, konnte sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass sie das Problem nicht ganz erfasste. Es schien um das Buch zu gehen, das Bellatrix bei sich hatte. "Zeit des Feuers". Sie wusste immer noch nicht, was es damit auf sich hatte. Aber eigentlich war dieser Tage jeder Anlass gut genug, dass Gryffindors und Slytherins sich an die Kehle gingen. Die Feindschaften zwischen Reinblütern aus unterschiedlichen Häusern waren logischerweise immer besonders ausgeprägt, da die meisten sich von frühster Kindheit an kannten und nicht selten die bereits etablierten Fehden ihrer Eltern fortsetzten.
Alice Stewart, obwohl aus einer alten Zaubererfamilie stammend, gehörte zu den entschiedensten Verfechtern der Gleichheit von Reinblütern und Muggelstämmigen und ihre Stellung als Vertrauensschülerin gab ihr die Möglichkeit, tatsächlich etwas dafür zu tun. Bellatrix Black hingegen - wenngleich eine mindestens ebenso begabte Hexe wie Alice - war ihr wandelndes Gegenteil. Im ständigen Konflikt mit den meisten Lehrern hatte sie die Macht, die sie über einen nicht unbeträchtlichen Teil der Mitschüler hielt, nicht in Form eines Vertrauensschülerabzeichens von Professor Dumbledore verliehen bekommen, sondern sie sich auf anderen Wegen erkämpft, erschlichen und ergaunert. Auf Slytherinart eben.
Beide waren Autoritäten unter der Schülerschaft, doch wo die eine die bestehenden Strukturen unterstützen und bewahren wollte, tat die andere alles, um sie zum Einsturz zu bringen. Alice verließ sich auf ihren Intellekt als Überzeugungskraft und auf die Richtigkeit ihrer Ansichten. Wenn man den Leuten das Offensichtliche klar machte, dann würden sie es schon verstehen. Bellatrix war von Grund auf anderer Auffassung. Sie wickelte die meisten Menschen um den Finger oder schüchterte sie ein, damit sie machten, was sie wollte. Es bedurfte Kraft, um ihr widerstehen zu können, und die hatte nicht jeder in Hogwarts. Nicht einmal die Lehrer, darüber war sich Lily im Klaren.
Alice beäugte ihr jüngeres Gegenüber abfällig und ihr Tonfall kühlte noch um ein paar Grad ab. "Ich warne dich, Black. Glaub ja nicht, dass du so weitermachen kannst wie bisher. Die Schulleitung hat sich deine Spielchen lange genug angeschaut. Du bist ein unerträglicher Störenfried, den lieben langen Tag tust du nichts anderes, als deine Mitschüler gegeneinander aufhetzen. Teile und herrsche, nicht wahr?"
"Du hast es begriffen, Stewart. Und was willst du dagegen machen?" fragte Bellatrix mit hochgezogenen Augenbrauen, als interessiere sie die Antwort auf diese Frage tatsächlich.
"Bella!" ertönte eine Jungenstimme am anderen Ende des Korridors. Alle drei Mädchen drehten sich um und sahen Avery und Lestrange aus Bellatrix' Gang auf sie zukommen. "Kommst du nicht? Die anderen sind schon am Zug."
"Doch," sagte Bellatrix kurzangebunden. "Ich bin hier fertig." Sie ließ Alice stehen und lächelte Lily gewinnend an. "Denk darüber nach, was ich dir gesagt habe, ja, Evans?" Bester Laune enteilte sie in die Ferien. Alice starrte ihr mit verschränkten Armen nach - nicht resigniert, mehr so, als malte sie sich im Geiste schon den Moment aus, wenn Bellatrix mit ihrer unsäglichen Attitüde ein für allemal auf die Schnauze fallen würde. Schließlich verdrehte sie die Augen, schüttelte leicht den Kopf und fuhr sich geistesabwesend durch die schulterlangen, braunen Haare, als wollte sie so die düsteren Gedanken vertreiben. So aufreizend die Geste bei Potter war, so natürlich und unaffektiert wirkte sie bei ihr, fand Lily.
"Du solltest dich von solchen Leuten fernhalten, Lily," meinte Alice. "Im Gegensatz zu mir hast du immerhin die Wahl, ob du dich mit ihr herumschlagen willst oder nicht." Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sie das an manchen Tagen für ein Privileg hielt.
"Wir haben uns nur unterhalten."
Alice lächelte schwach. "Ich hab auch nichts anderes angenommen. Aber ich zweifle nicht daran, dass jede vertrauliche Unterhaltung mit Bellatrix sich früher oder später Dingen wie Abstammung, Geschichte und Tradition zuwendet. Außerdem ist es nicht nur sie, sie kennt auch andere - ältere - die sich ebenfalls ein bisschen zu sehr für diesen morbiden Kram interessieren." Sie furchte die Stirn. "Wie auch immer, ich hab jedenfalls nicht vor, mir nächstes Jahr, wenn ich Schulsprecherin bin, von boshaften reinblütigen Bälgern wie ihr auf der Nase rumtanzen zu lassen. Wenn ich sie beim Ministerium anzeigen muss, damit Ruhe ist, dann soll es in Merlins Namen eben so sein."
Lily sah sie neugierig an. Alice hatte von ihrem zukünftigen Amt gesprochen, als sei alles bereits unter Dach und Fach. Im Grunde konnte ja auch nichts mehr schiefgehen. Wem sonst sollte Dumbledore den Posten anbieten? Alice hatte nicht nur von allen derzeitigen Sechstklässlern den ausgeprägtesten Sinn für richtig und falsch und das meiste Durchsetzungsvermögen - sie war auch gewillt, die Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen. Etwas, das man bei weitem nicht von allen in diesen heiligen Hallen behaupten konnte. Außerdem hatte sie die besten Noten des Jahrgangs, das war allgemein bekannt und immer noch der wichtigste Grund, jemanden zum Schulsprecher zu ernennen.
Lily machte sich tief in Gedanken auf den Weg zum Zug. Sie irrte sich vielleicht, aber im kommenden Sommer war es gut möglich, dass Bellatrix Black und sie um diesen Posten konkurrierten. Bellatrix mochte dreist und aufsässig sein, aber keiner ihrer Lehrer konnte bestreiten, dass sie eines der größten Talente war, das in diesem Jahrhundert über die Schwelle von Hogwarts getreten war. Vor allem in Zauberkunst und Verteidigung glänzte sie. Anfang des letzten Jahres war sie sogar zur Vorsitzenden des Duellierclubs gewählt worden. Und dann waren da noch die guten Beziehungen der Familie Black und ihr Einfluss im Elternbeirat... Nein, Bellatrix würde sich nicht zurücklehnen und zusehen, wie ein Schlammblut Schulsprecherin wurde - vollkommen egal, wie sie sich vorhin über die Halbblüter in Slytherin geäußert hatte.
Lily kam es unwirklich genug vor, dass sie gerade das wohl erste vernünftige Gespräch mit Bellatrix Black geführt hatte in der ganzen Zeit, die sie einander kannten. Sollte ihr Engagement am See doch für etwas gut gewesen sein? Seit sie sich erinnern konnte, war sie für die Slytheringang eine Zielscheibe gewesen, hatte vulgäre Bemerkungen von den Jungen und stichelnde Bosheiten von Florence Wilkes und Bellatrix Black ertragen müssen. Der einzige, der sich stets zurückgehalten hatte, war Severus Snape. Und jetzt versuchte Bellatrix auf einmal... nun ja, mit ihr Freundschaft schließen, konnte man es wohl nicht direkt nennen. Aber sie bot ihr zumindest einen Waffenstillstand an. Sie musste herausfinden, was das bedeutete. Und was es bedeutete, dass sie das intellektuell gehaltvollste Gespräch des ganzen Schuljahres ausgerechnet mit einer Slytherin geführt hatte.
Letzteres stieß ihr besonders sauer auf, als sie sich zu Kate und Susie in ihr Abteil setzte und prompt mit Fragen über Professor Slughorns Party am Abend zuvor bombardiert wurde. Es war schwer, mit ihnen über die Dinge zu reden, die ihr am Herzen lagen. Nicht so sehr, wenn es um Persönliches ging. Sie alle wussten von Petunia und wie sehr Lily unter der Ablehnung ihrer älteren Schwester litt. Doch die Liste der Dinge, über die Lily sich Gedanken machte und die für ihre Freundinnen nachvollziehbar waren, war kurz. "Lily, mein Schatz," hatte ihr Vater kurz vor seinem Tod einmal nachsichtig zu ihr gesagt. "Du kannst es den Leuten nicht übelnehmen, wenn sie nicht vierundzwanzig Stunden am Tag darüber reden wollen, wie wir am besten die Welt retten."
Irgendwie schien seit dem Tod von Harold Evans alles den Bach runterzugehen. Mit Petunia hatte sie sich schlimmer entzweit denn je, die magische Welt wurde von einem größenwahnsinnigen Massenmörder heimgesucht, ihr mehr oder weniger geheimer Traum, Alchemistin zu werden, lag nach wie vor in unerreichbarer Ferne... Und jetzt hielten ihre beiden besten Freundinnen sie auch noch für ein Potter-Groupie und das offensichtlich schon eine ganze Weile, auch wenn sie es nicht laut ausgesprochen hatten. Im Nachhinein konnte Lily jetzt viele wissende Blicke zuordnen, die Susie und Kate sich zugeworfen hatten, wenn sie sich über Potter aufregte.
Ich brauche eine richtige Freundin, beschloss Lily, als sie am Bahnhof King's Cross aus dem Zug stieg. Aber erst mal eine finden. Sie muss eine Hexe sein, möglichst kein Reinblut oder wenn doch, dann kein fanatisches. Sie muss Grips haben und Humor und sich für mehr interessieren als Sirius Blacks schöne Augen. Ich sollte eine Annonce in der Schülerzeitung aufgeben...
Dieser und ähnliche Gedanken wurden jedoch kurzzeitig aus ihrem Gehirn verbannt, als sie ihre Mutter über das Gleis auf sich zukommen sah. Lily ließ die Reisetasche fallen. "Mummy!" Sie stürzte sich in die Arme ihrer Mutter.
"Ach, Kind!" lachte Sally Evans und schlang die Arme um ihre jüngere Tochter. Lily war es manchmal peinlich, wie nah ihre Mutter am Wasser gebaut hatte. Ob Lily nun wegfuhr oder wieder zurückkam - ihre Mutter vergoss stets Tränen. Sie hielt Lily bei den Armen fest und schob sie ein bisschen von sich weg: "Du siehst wunderbar aus, Liebes. Dabei hattest du doch all diese anstrengenden Prüfungen."
"Halb so wild," grinste Lily und schulterte ihre Tasche. Eingehakt bei ihrer Mutter gingen sie auf den Ausgang zu. "Ich denke, es ist ganz gut gelaufen."
"Das ist mein Mädchen," meinte Mrs. Evans und streichelte ihren Arm. "Du weißt, wie stolz ich auf dich bin, nicht wahr, mein Engel?"
"Doch, Mummy," nickte Lily. Sie wusste es wirklich. Ihre Eltern waren von Anfang an begeistert gewesen, eine Hexe in der Familie zu haben. Sie hatten sie immer unterstützt, wollten auch alles über Hogwarts und die magische Welt im allgemeinen wissen und Lily hatte ihnen so viel erzählt, dass es Reinblutfanatikern wie Bellatrix garantiert die Schuhe ausgezogen hätte, wenn sie davon wüssten. Lily wusste von anderen Muggelstämmigen, dass die längst nicht alle nichtmagischen Eltern so auf die Besonderheit ihres Kindes reagierten.
"Es gibt große Neuigkeiten," lächelte Sally Evans und lud Lilys Reisetasche in den Kofferraum. "Deine Schwester hat sich verlobt."
"Was?" Lily gefror das Blut in den Adern. Das letzte Mal, als sie Petunia gesehen hatte, war diese mit einem unansehnlichen Walross mit Schnauzbart ausgegangen, das sie ein klitzekleines Bisschen an Professor Slughorn erinnert hatte, jedoch nichts von dessen unbekümmertem Charme besaß. Der konnte doch wohl nicht der Glückliche sein? "Aber Petunia ist erst achtzehn!" empörte sich Lily.
Ihre Mutter lächelte wehmütig. "Ich war auch erst achtzehn, als ich mich mit deinem Vater verlobt habe."
"Aber du hast Daddy doch geliebt, er war doch deine große Liebe! Petunia heiratet bloß, damit sie ausziehen kann und mich nicht mehr sehen muss!"
"Lily, was soll denn das?" Mrs. Evans wurde böse. "Was ist denn los mit dir? Deine Schwester glaubt, sie hat den Mann ihres Lebens gefunden und sie wird das doch wohl besser beurteilen können als du."
Lily schluckte, als sie ins Auto stiegen. Das fing ja gut an. Ihre Mutter wollte die Komplikationen zwischen ihren beiden sehr unterschiedlichen Töchtern einfach nicht wahrhaben. Und Lily tat besser daran, das Thema auszusitzen, als den Zorn ihrer Mutter auf sich zu ziehen. Obwohl sie wirklich nicht begreifen konnte, wie ihre Mutter Petunia so etwas hatte erlauben können. Mit achtzehn! Petunia will ihre eigene, normale, möglichst freaklose Familie, dachte sie aufgebracht. Aber Mummy sieht das einfach nicht. Gefrustet starrte sie durch die Fensterscheibe nach draußen
"Oh, mein Kleines," Mrs. Evans beugte sich herüber und küsste ihre jüngere Tochter auf die Wange. "Du wirst doch nicht eifersüchtig sein, weil Petunia heiratet. Warte esnur ab, im Nu hast du auch jemanden gefunden. Ein hübsches Mädchen wie du."
Lily hätte sich am liebsten irgendwo den Kopf eingerannt. "Nein, Mummy," sagte sie trocken. "Ich werde die erste muggelstämmige Alchemistin in der Geschichte der Gilde. Dann sehn wir weiter."
Author's Note: Wie meinem aufmerksamen Publikum gewiss nicht verborgen geblieben ist, war in diesem Kapitel von einem Buch die Rede, das genauso heißt wie meine Story. Damit hat es logischerweise eine Bewandtnis : ) Wagt es irgendjemand, eine Vermutung abzugeben, worum es darin gehen könnte?Ein kleiner Tip: Es ist ein historisches Thema. Ein Auszug aus der Zauberergeschichte, über den Harry mal einen Aufsatz schreiben musste. Und für den Streit zwischen Reinblutfanatikern und Liberalen ist es besonders wichtig.
