Kapitel 6: Himmel, Hölle und andere seltsame Orte

Düster, dunkel und gefährlich glühten die Farben auf den Steinwänden in der Unterwelt. Phoebe hatte sich vorsorglich mit einigen starken Elixieren ausgestattet und ging nun entschlossen durch einen langen, schwach erleuchteten Gang. Sie wusste zwar nicht, wo sich das Fragment des Dolch befand, doch sie wusste, wo sie nachfragen musste. Früher war sie hier oft mit Cole gewesen und hatte nach Informationen gesucht.

Nach einigen Minuten blieb sie vor einer großen, schweren Steinwand stehen, und schlug dreimal dagegen. Ein kleiner Spalt öffnete sich, und eine tiefe Stimme fragte:

„Passwort?"

Phoebe sah in die dunkelroten, eindeutig dämonischen Augen. Sie wusste, dass es kein Passwort gab, sondern das der Dämon, der die Tür bewachte, nach Gefühlen suchte. Nach Angst, Liebe, Hass oder Mut. Es war ein leichtes für den Empathen die Gefühle der Langeweile und die Mordlust des Wächterdämons, auf ihn zurückzuschicken.

Der Mann merkte nicht, dass er einer der Mächtigen Drei gegenüberstand, und er merkte nicht, dass sie seine eigenen Gefühle für ihre verkaufte.

„Du kannst durch."

Ein Lächeln huschte der Hexe über das Gesicht, als sie einen Schritt gegen die Wand mache und diese sich einfach auflöste...

Paige hatte sich gerade erst „Oben" manifestiert, da wurde sie schon von einigen Wächtern des Lichts umringt.

„Was machst du hier!", schrie einer. Die Hexe kannte ihn von Früher er war dauernd bei ihr im Social Center gewesen.

„Sean?", fragte sie und der Wächter wurde rot, als sich die Blicke der Anderen auf ihn richteten.

„Paige, du darfst hier nicht sein! Du bist nur zur Hälfte eine Wächterin des Lichts und hast noch keine Ausbildung hinter dir!", sagte Sean und griff sich die Hexe. Schnell zerrte er sie hinter eine der strahlend weißen Säulen und schickte die Anderen mit einer Handbewegung weg.

„Du bist ein Wächter des Lichts?", fragte Paige verblüfft. Der Mann sah sie verwundert an.

„Das fällt dir jetzt auf!", entgegnete er und noch bevor die Hexe etwas sagen konnte brach er ein: „Ist auch egal. Was machst du hier?"

Paige überlegte kurz. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte, doch nach einer Weile entschied sie sich dagegen. Es war ja schließlich eine der größten Sünden.

„Ich suche Leo!", sagte sie schließlich und Sean sah sie verwundert an.

„Katrina war doch schon hier und hat nachgefragt. Wir wissen nicht wo er ist und wir können ihn nicht aufspüren!" Der junge Mann merkte langsam, wie Paige verlegen wurde.

„Warum bist du wirklich hier?"

„Also ich weiß ja nicht..." Piper hielt die Hand ihrer Schwester fest umklammert. Die zwei Hexen gingen einen schwarzen Gang entlang. Obwohl keine einzige Fackel oder andere Lichtquellen zu sehen waren, war der schmale Gang relativ hell.

„Vertrau mir, die Avatare sind zwar Dämonen, Wächter des Lichts, Hexen und andere Wesen, aber sie sind vernünftig!" Prue ging ein wenig voraus. Seit sie sich mit einem Zauberspruch auf diese Ebene gebeamt hatten, klammerte Piper sich an sie.

„Das meine ich ja nicht! Diese ganze „Dolch stehlen und dich töten Geschichte" macht mich ein wenig nervös! An so etwas Großem haben wir uns noch nie herangetraut, vielleicht ist es ja zu groß für uns..." Prue blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihrer Schwester.

„Piper...", begann sie und sah ernst zu ihrer Schwester. „Bitte vertrau mir. In nächster Zeit werden viele seltsame und schreckliche Dinge passieren, aber ich bitte dich: Vertrau mir! Es ist alles für Wyatt und für das Gute!"

Piper verstand nicht, was ihre Schwester da sagte. Vielleicht sollte es sie aufbauen, doch das Gegenteil war der Fall...

Patrice schrie vor Spaß. Sie sprang meterhoch und machte Salti, ohne wirklichen Kraftaufwand. Immer wieder und wieder feuerte sie ihre Flammen ab und traf die Wächter der Finsternis, die völlig ohne Vorwarnung angegriffen wurden. Kaum hatte Phoebe sie mit einem Zauberspruch in das alte Lagerhaus, indem die Wächter ihr Lager hatten, gebeamt, schon hatte sie angefangen zu kämpfen. Sie wusste zwar, dass die Meisten weglaufen würden, doch es war ihr egal. Seit sie in dieser Welt war, hatte sie keine Dämonenjagd mehr nach „ihren" Methoden gemacht. Sie genoss den Kampf wirklich. Einige der Wächter versuchten sie mit ihren Armbrüsten zu treffen, doch Patrice wich ihnen einfach aus oder fing sie in der Luft ab. Sie war kein Wächter des Lichts, daher brauchte sie auch nicht das Gift zu fürchten.

Wieder lachte sie auf und schoss die letzten Wächter mit ihren Feuerbällen ab.

Sie seufzte kurz, dann knackte sie mit den Fingern und lockerte ihr Genick.

Plötzlich richteten sich ihre Nackenhaare auf und sie fuhr herum.

Direkt hinter sie hatte sich ein Mann geblinzelt. Er sah relativ jung aus, doch durch den edlen, schwarzen Anzug und die blaue Krawatte wirkte er älter, als er war.

„Du bist ein Warlock!", sagte Patrice und lud einen Feuerball auf. Der junge Mann, der eine schmale Brille trug und die Hände in den Hosentaschen hielt, lächelte.

„Du bist ein Dämon.", sagte er, und nach einem prüfenden Blick fügte er hinzu: „Halb-Dämon."

In Patrice Augen funkelte die Kampflust. Sie spürte, dass ihr Gegenüber mächtig war, mindestens so mächtig wie sie.

„Warum jagst du dann die Wächter der Dunkelheit?", fragte der Mann mit sanfter Stimme.

Etwas an ihm kam dem Halb-Dämon bekannt vor.

„Weil es Spaß macht?", antwortete sie und machte einige Schritte um den Warlock herum.

Prüfend musterte sie ihn von Oben bis Unten. „Und was willst du?"

Ganz plötzlich schlug die Stimmung über und im Gesicht des Mannes machte sich die gleiche Kampflust, wie in Patrices breit.

„Spaß."

Sofort reagierte der Halb-Dämon und sprang zurück. Sie feuerte ihre Flamme ab, doch der Mann blinzelte sich weg und erschien einige Meter direkt über Patrice. Mit den Füßen voran stürzte er auf den Halb-Dämon, doch sie konnte sich mit einem beherzten Rückwärtssalto retten.

Wieder lud sie nach und feuerte ihre Flammenbälle ab, doch erschrak sie. Der Mann hob die Hand und mitten im Flug wurden die Geschosse weggebeamt und gegen die angrenzenden Wände gelenkt. Patrice wurde blass und angeregt zugleich. Sie kannte diese Art des Beamens, es waren die blauen Funken der Wächter des Lichts.

Der Mann sah die Überraschung in Patrices Augen und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Wer bist du?", fragte der Halb-Dämon und lud einen Feuerball auf, doch der Mann sah auf seine Armbanduhr und machte ein erschrockenes Gesicht.

„Oh nein, nein, nein! Schon so spät!" Er sah grinsend zur verwirrten Patrice, die ihren Feuerball sinken ließ.

„Nenn mich einfach Ben.", sagte der Mann und blinzelte sich winkend weg.

Eine Weile stand Patrice regungslos da und kam sich sehr veralbert vor.

„So was von unhöflich..."

Paige löste sich wieder in tausend blaue Funken auf und flog langsam nach oben, doch mitten im Flug durchzog ein Donner das Haus und die Hexe landete unsanft auf dem Dachboden.

„Ihr könnt mich doch nicht einfach rauswerfen!", blaffte sie gegen die Holzdecke, doch es kam keine Antwort. Sie ließ einen deutlichen Laut der Entnervung verlauten, dann stand sie auf. Sie verschränkte die Arme und ging zum Buch der Schatten. Immer noch war die Seite mit der Anrufung der Familienmagie aufgeschlagen. Sie sah zu der kleinen Notiz.

„Vertraut ihr nicht."

„Hm..." Die Hexe blätterte einige Seiten weiter und stoppte bei dem Spruch, einen Geist zu beschwören.

„Kerzen!", befahl sie und fünf weiße Kerzen, die zuvor auf dem Tisch gelegen hatten, verteilten sich im Kreis auf dem alten Teppich. Dann ging sie zu den Kerzen und zündete sie an.

Hör die Worte,

hör mein Flehn

musst mich heute wieder sehn

überschreit die große Schwelle

und kehr zurück an deine Quelle."

Zuerst schien nichts zu geschehen, doch dann erschien Prue. Jedoch nicht in den üblichen hellen, weißen Kugeln und durchsichtig wie es Geister sein sollten, sondern in einem roten Schimmer, wie bei der Astralprojektion.

Paige stockte der Atem.

„Was...?" Sie ging einige Schritte zurück. „Wieso bist du gekommen und nicht Grandma, sie habe ich gerufen!"

Prue sah sie mit einer Mischung aus Sorge und Bedrohung an.

„Ich habe es euch doch gesagt: Unsere ganze Verwandtschaft ist zurzeit nicht verfügbar."

„Was hast du mit ihnen gemacht!", blaffte Paige die Ältere an.

Diese stockte kurz, dann sah sie ihrer Schwester in die Augen.

„Noch nicht."

Paige verstand nicht, doch hatte sie auch keine Zeit mehr irgendetwas zu tun. Direkt hinter sie hatte sich eine zweite Prue astralprojektiert und hielt ihre Hände fest, während die Andere mit Hilfe der Telekinese ein Elixier vom Tisch auf die Jüngere schleuderte. Kaum war das Glas zersprungen schrie Paige auf und ihr gesamter Körper wurde zu Stein.

Die zweite Astralprojektion verschwand, und nach einer Weile tat es ihr die Erste gleich.

Wie lange die zwei Hexen schon diesen seltsamen Gang entlang gegangen waren, wussten sie nicht. Aber nach einer halben Ewigkeit kamen sie schließlich zu einer großen, weißen Tür.

„Bereit?", fragte Prue ihre Schwester. Piper nickte und entschlossen klopfte die Ältere gegen die Tür, doch anstatt irgend eine Antwort, wurden sie weggebeamt und fanden sich auf einer großen, hellen Plattform wieder.

„Wo sind wir?", fragte Piper und sah sich um.

„Wir sollten jetzt beim Tribunal sein.", antwortete Prue und sah sich auch um.

„Tribunal?", hackte die Jüngere nach.

„Das ist sozusagen der Rat der Drei Mächte. Im Grunde eine Art Versammlung von Gut, Böse und Neutral um wichtige Entscheidungen zu treffen."

„Und woher weist du das?", fragte Piper. Ihr kam das alles irgendwie unheimlich vor.

Prue ging einige Schritte zur Mitte und sah sich weiter um. Es war nur ein einfacher Raum, ohne Wände oder Türen, nur ein weißer Boden mit einem seltsamen Kristall in der Mitte.

„Hier wurde über mich gerichtet."

„Gerichtet?", brach es aus der Jüngeren. Ihre Schwester drehte sich lächelnd um und wollte erklären:

„Als ich starb wurde hier entschieden, ob ich wiedergeboren werde, oder...", doch sie wurde unterbrochen. Als sie kurz auf den Kristall in der Mitte trat, schoss ein kleiner Lichtstrahl nach oben und ein Fenster öffnete sich. Wie ein Monitor zeigte es etwas.

Dort stand Prue, neben ihr Grandma und über den Beiden waren mehrere durchsichtige Köpfe, die riesengroß und unecht wirkten. Es waren nur Projektionen.

„Es sei entschieden. Die Hexe möge zu ihrer Familie gehen und dort ihre Aufgaben als Ahne aufnehmen."

Als letztes Bild sah man Prue, wie sie verunsichert, aber lächelnd zu ihrer Großmutter sah, dann verschwand das Bild.

„Was war das!", fragte Piper und kam näher. Prue schien ebenfalls überrascht, doch sie fing sich schnell wieder.

„Das muss der Kristall der Wahrheit sein, oder so was. Er zeigt Erinnerungen. Und..."

Piper sah auf. „Und?"

Prue stellte sich genau neben den Kristall und legte ihre Hände über dessen Mitte, dann machte sie eine anhebende Handbewegung und der Kristall hob sich schwankend in die Luft.

„Schnell, nimm den Stein!", sagte die Ältere und man konnte ihr die Anstrengung ansehen.

Piper verstand zuerst nicht, doch dann sah sie ein starkes leuchten, unter dem hellen, großen Kristall, den Prue oben hielt. Schnell ging sie hinunter und griff nach dem Stein, doch eine starke Kraft drückte sie weg.

„Prue es geht nicht!", sagte Piper und strengte sich weiter an, doch es half nichts. Ihre Hand wurde immer wieder weggedrückt.

„Entspann dich und atme ruhig! Versuch den Rhythmus der Wellen auszumachen und dann durch die Lücken zu greifen!" Doch die Jüngere wurde noch verwirrter.

„WAS FÜR EIN RHYTHMUS!", blaffte sie und versuchte es weiter, doch es half nichts. Resignierend stand sie auf.

„Lass ihn runter!", befahl sie ihrer Schwester, und Prue gab nach. Sie hätte den tonnenschweren Kristall auch nicht länger halten können. Prue lockerte sich und sah zu ihrer Schwester: „Also, dieses Kraftfeld arbeitet als Motor. Er hat einen Rhythmus mit dem dieses Feld aktiv gehalten wird, du musst einfach..." Doch Piper wollte nichts hören und machte ihre typische Handbewegung, nach der, der Kristall mit lautem Knall explodierte. Schnell reagierte sie dann noch mal und ließ die entstandenen Splitter in der Luft erstarren.

„Such dir einen aus!" Sie drehte sich zu ihrer älteren Schwester um und grinste ihr ins Gesicht. Diese lächelte verlegen und sah sich nach dem gesuchten Stein um. Nach kurzer Zeit sah sie auf und griff sich einen kleinen, runden Stein, aus dessen inneren eine seltsame Leere zu spüren war.

„Das ist er?", fragte Piper und nahm den Stein aus Prue Hand. „Er sieht so...normal aus."

„Aber er ist es, in ihn sind die Engel eingesperrt!", sie lächelte, dann holte sie einen Zettel aus ihrer Hosentasche.

„Lass uns Heim gehen."

Ein übler Gestank lag in der Luft der stickigen und schlecht beleuchteten Bar. Phoebe versuchte ihre Gefühle zu verbergen und immer nur die, von ihr empfangenen Emotionen zu reflektieren. Sie wusste, dass viele Dämonen Angst oder ähnliches riechen konnten. Zielstrebig ging sie zur Bar, an der mehrere Dämonen saßen. Nur wenige Gestalten waren in dem großen Raum in menschlicher Form, daher wurde die Hexe schon seltsam angeschaut. Einige der Dämonen und anderen Wesen kannte Phoebe, doch sie versuchte es zu verbergen.

Am Ziel angekommen setzte sich die Hexe auf einen Hocker und winkte den Barkeeper, der anscheinend eine Art Schweine-Dämon war, herbei.

„Was darf's sein, Hexe?", fragte er und ein leises Grunzen hallte nach.

„Woher weist du, dass ich eine Hexe bin?", fragte Phoebe und setzte ein böses Gesicht auf.

Das Schwein grunzte amüsiert und antwortete:

„Also ein Dämon bist du nicht, das würde ich riechen, und nachdem nur Magische Wesen hier rein kommen, bleibt nicht viel übrig!"

Phoebe lächelte kühl und bestellte ein Bier. Während der Dämon die Bestellung holte, drehte sich die Hexe um und sah durch die Bar. Lauter unheilige Gestalten: Dämonen, Warlocks und anderes Getier. Etwas in einer kleinen Ecke des Ladens erregte dann ihre Aufmerksamkeit. Ein großer Haufen Dämonen stand um einen Tisch und brüllte und johlte.

„Was ist da los?", fragte sie dann den Barkeeper, als der mit dem Bier zurückkam.

„Armdrücken. Seit einigen Tagen ist so ein Mädchen hier, dass jeden Dämon zum Armdrücken mit Wetteinsatz auffordert." Er grunzte kurz. „Bis jetzt hat sie noch jeden abgezockt."

„Danke." Phoebe griff sich die kalte Flasche und legte einige Scheine auf den Tresen. Dieses Mädchen wollte sie dann doch mal näher ansehen.

Je näher sie dem Haufen kam, desto lauter und wüster klangen die Zurufe. Alle möglichen Flüche wurden geschrieen und die Hexe wurde beinahe rot, doch sie fing sich.

Als sie an der Menge ankam, versuchte sie einen Blick durch die Dämonen zu werfen, doch sie standen zu nahe beieinander. Plötzlich schrieen alle auf und sie konnte eine tiefe Stimme fluchen hören, dann öffnete sich ein Gang und ein roter Dämon, der sich den Arm rieb, kam heraus. Phoebe nutzte ihre Chance und rutschte durch den Gang und wurde ganz nach vorne zum Tisch geschoben. Sie wollte protestieren, doch stockte ihr der Atem, als sie das Mädchen sah.

„Patrice!", schrie sie und starrte auf ihre Tochter, die jedoch kühl und unnahbar hochsah.

„Kennen wir uns?", fragte sie kühl und Phoebe konnte nicht einmal mit ihrer Empathie etwas spüren, doch sie wollte ihre Tarnung nicht auffliegen lassen. Sie fing sich schnell und setzte ein ebenso kühles Gesicht auf, wie ihre Tochter.

„Nein, du siehst nur jemandem ähnlich, den ich mal getötet habe.", sagte Phoebe kalt und setzte sich gegenüber ihrer Tochter auf den Stuhl. Sofort ging ein Raunen durch die Menge und Patrice sah herausfordernd zu ihrer Mutter.

„Dein Einsatz?", fragte sie und nickte zu einem Haufen Geldbeutel, Schmuck, Bargeld und Säcken. Phoebe überlegte kurz, dann griff sie an ihren Gürtel und zückte die Elixiere, die sie mitgebracht hatte und einige Dämonen schreckten zurück.

„Drei Vernichtungselixiere, die garantiert Jeden zur Hölle jagen.", sagte sie stolz und hielt die Fläschchen kurz hoch, dann stellte sie sie etwas abseits auf den Tisch.

Patrice legte ihren Arm in die übliche Position und Phoebe hackte sich ein.

„Drei...zwei...eins!", zählte Patrice an, und Beide fingen an zu drücken. Zwar war Phoebe stark, doch sie hatte kaum eine Chance gegen einen Halb-Dämon. In wenigen Sekunden hatte sie ihre Tochter fast bis zum Tisch runtergedrückt.

„Du hast keine Chance, Hexe.", sagte Patrice und grinste frech.

„Ach ja?" Phoebe wollte jetzt erst recht nicht verlieren, sie musste gewinnen! Aber sie konnte keinen Zauber sprechen, das würde auffallen, also blieb nur noch ihre Empathie.

Wenn sie damit Gefühle und Zauberkräfte reflektieren kann, warum nicht auch simple Körperkraft? Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf Patrices Anstrengung, und nach einer Weile gelang es ihr. Langsam lenkte sie die Kraft ihrer Tochter gegen sie, und nach einer Minute schrieen wieder die Dämonen auf. Phoebe hatte gewonnen.

Außer Atem und mit einem triumphalen Lächeln sah sie ihrer Tochter ins Gesicht, die trotz ihrer Niederlage gut gelaunt war.

Einige Zeit wurde die Hexe von den Dämonen herumgeschubst und beglückwünscht, doch als Patrice sagte, dass das alles für heute war, löste sich die Menge auf. Phoebe packte ihre Elixiere wieder weg, und als keiner mehr in Hörweite war, fauchte sie los:

„Was machst du hier! Weist du, was das für ein Ort ist!"

Ihre Tochter zuckte zusammen. „Natürlich! In meiner Welt bin ich dauernd hier, oder jedenfalls in anderen Bars."

„Und ich erlaube dir das!", hackte Phoebe nach und Patrice grinste.

„Nicht wirklich, aber Dad erlaubt es, und er deckt mich immer!"

Phoebe wollte noch nachlegen, doch stockte sie und ihr Gesicht wurde seltsam melancholisch.

„Wie geht es Cole?" Der Halb-Dämon sah sie mitleidig an.

„Ihm geht es gut. Ihr seit verheiratet, er hat eine tolle Tochter und er hat das Gute und Böse vereint, jedenfalls vorläufig."

Eine Weile sagte niemand etwas, doch dann durchbrachen einige Warlocks, die sich um die Zwei geblinzelt hatten, die friedliche Stimmung. Weder Phoebe noch Patrice rührten sich.

„Ihr habt meinen Cousin getötet, Hexen!", sagte einer von ihnen und lud eine Blitzkugel auf.

„Weist du wovon er redet?", fragte Patrice ohne sich um die aggressive Haltung zu kümmern. Phoebe winkte ab. „Nicht wichtig, wir haben Paiges Freund vernichtet, du weist schon Richard." Patrice sah auf und machte ein aufgeklärtes Gesicht. „Ach so!"

Die Warlocks wurden immer ungehaltener und nun luden alle ihre Magie auf, doch bevor sie sie einsetzen konnten, gingen sie in Flammen auf und verschwanden.

Phoebe sah auf. Sie wurden anscheinend von keinem anderen Dämon oder so getötet.

„Was war das?", fragte sie ihre Tochter.

„Reflektionszauber. Jeder der mit purer Tötungsabsicht einen Anderen angreift bekommt seine eigene Waffe zu spüren. Reine Sicherheitsmassnahme hier.", beschwichtigte Patrice und wollte einen Schluck aus Phoebes Bier nehmen, doch die Hexe entriss es ihr.

„Wie alt bist du eigentlich!"

„21!", entgegnete Patrice.

„Du weist, ich kann nachprüfen ob du lügst!", sagte Phoebe, doch Patrice grinste nur.

„Kannst du nicht. Vor Jahren schon habe ich einen Schutztrank gegen die Empathie von meiner Mutter genommen. Du weist ja nicht, wie schrecklich es ist, immer die Wahrheit sagen zu müssen..." Phoebe sah sie misstrauisch an, und noch bevor ihre Tochter etwas sagen konnte, kippte die Hexe das Bier runter. Der Halb-Dämon sah sie zuerst entsetzt, und dann trauernd um das gute Bier an.

„Schmeckt sowieso nicht... Und DU gehst sofort nach Hause!", sagte Phoebe, doch ihre Tochter winkte ab.

„Ich warte hier auf die Wächter der Finsternis."

„Hier!"

Patrice nickte. „Sie sollen alle heute hier auftauchen, alle zusammen. Wieso weis ich auch nicht."

„Du weist schon, dass es auch eine Falle sein kann? Woher weist du das überhaupt?"

„Hab meine Quellen.", sagte die Tochter knapp und versuchte einen unschuldigen Blick aufzusetzen, doch Phoebe kannte dieses Gesicht gut. Sie setzte es selbst immer auf, wenn sie etwas verbotenes getan hat

„Und was machst du hier?", fragte dann die Tochter.

„Ich war früher immer mit Cole...", sie stockte und wechselte das Wort. „Mit deinem Vater hier, wenn wir Informationen brauchten." Patrice sah sie belustigt an.

„Dein Cole ist nicht mein Vater, genauso, wie du nicht wirklich meine Mutter bist. Aber ich hab dich trotzdem lieb.", sagte sie und lächelte. Phoebe sah sie glücklich an. Noch nie hatte sie jemanden, den sie nicht wirklich kannte, aber trotzdem so nahe war.

„Und du suchst den Schaft?", setzte dann Patrice an.

Phoebe nickte, und legte die Stirn auf ihre Arme, die auf dem Tisch lagen. „Ich hab aber keine Ahnung, wo ich suchen soll! Ich war schon in zwei anderen Bars und hab nicht das geringste herausgefunden."

„Wie viel hast du ausgegeben?"

Die Hexe sah hoch. „Was?"

„Na, wie viel Geld hast du deinen Informanten gegeben?"

Phoebe wurde rot. „Nichts?"

Patrice sah sie amüsiert an. „Du hast echt nicht viel mit Dämonen zu tun, oder?"

„Hey, sonst vernichte ich sie und mache keine Geschäfte mit ihnen!"

„Schon gut, schon gut!", beschwichtigte Patrice und sah sich im Laden um, dann erhellte sich ihr Gesicht. „Hey Charlie!"

Phoebe zuckte zusammen. Ein riesiger, krokodielartiger Dämon, der anscheinend nur einen Lendenschurz und seine eigene Schuppenhaut trug, bewegte sich auf den Tisch zu. Phoebe verkrampfte und wollte nach ihren Elixieren greifen, doch Patrice hielt sie zurück.

Als der Dämon schon fast gegen den Tisch stieß stoppte er und machte ein angestrengtes Gesicht, dann erhellten sich seine kleinen schwarzen Augen und ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. „Patrice!"

Der Halb-Dämon stand auf und lachte zusammen mit dem Krokodil. Sie machten einen Handschlag und der Mann klopfte der wesentlich kleineren Patrice auf die Schulter.

„Altes Mädchen, wie geht es dir?"

„Hey, ich bin nicht alt!" Die Jüngere stieß belustigt gegen Charlies Schulter.

„Was machst du denn hier in dieser Dimension?", fragte er dann mit tiefer, aber doch recht freundlicher Stimme. „Weis dein Vater davon?"

„Klar, er hat mich sogar hergeschickt. Ich soll einer befreundeten Familie helfen.", erklärte Patrice und zeigte auf Phoebe. Der Dämon stutzte und wurde grimmig.

Phoebe starrte dem zwei Meter Mann in die kleinen Augen. Einige Zeit hielt sich der kühle Blickkontakt aufrecht, doch plötzlich sah der Dämon weg und richtete sich wieder an Patrice.

„Sehr unhöflich deine Freundin...", grummelte er und Phoebe viel ein Stein vom Herzen. Sie wurde rot, sprang auf und streckte dem Mann die rechte Hand entgegen.

„Tut mir wirklich leid! Hi, ich bin Ph..." Doch sie konnte nicht zu Ende reden. Patrice fiel ihr ins Wort und vervollständigte ihren Satz: „Physalis! Eine Freundin meines Vaters!"

Erst stutzte Phoebe, doch dann wurde ihr klar, wieso ihre Tochter sie unterbrochen hatte. Wahrscheinlich waren die Namen der Mächtigen Drei einfach bekannter als ihr Aussehen.

Misstrauisch sah das Krokodil erst auf Patrice, die ihn beschwichtigend ansah, dann zu Phoebe. Schließlich lächelte er und gab ihr die Hand.

„Also, was gibt es?" Der Riese setzte sich auf einen Stuhl, der unter dem Gewicht der Echse quiekte. Erst jetzt sah Phoebe den meterlangen, Schuppigen Schwanz des Krokodils, doch um ihn nich noch irgendwie zu beleidigen setzte sie sich auch hin.

„Weist du etwas von einem Dolch der Engel?", fragte Patrice wohl bedacht nicht zu laut zu reden. Man konnte sehen, wie Charlie angestrengt nachdachte, doch er schüttelte den Kopf.

„Und wie sieht's mit dem Griff des Typhon aus?", hakte Patrice nach und Phoebe sah zu ihr.

Der Halb-Dämon machte eine leichte, kaum sichtbare Kopfbewegung, die die Hexe sofort verstand. Sie würden später darüber reden.

„Du meinst das Stückchen geweihtes Holz mit Drachenleder?" Patrice Gesicht hellte sich auf und sie nickte begeistert.

„Klar, wieso?" Charlie sah sie etwas naiv an.

Patrice lächelte verlegen, dann kam sie etwas näher. „Willst du wirklich wissen, wieso?"

Das Krokodil sah sie an, dann schüttelte er lachend den Kopf:

„Nicht wirklich, wenn dein Dad es braucht soll es mir Recht sein!"

„Gut!" Der Halb-Dämon grinste. „Also, wo kann ich ihn finden?"

„Leicht wird es nicht...", begann der Mann. „Aber das hat dich ja noch nie gestört!

Es ist im alten Herzen dieser Unterwelt."

Patrice schien nicht ganz zu verstehen, doch Phoebe verstand:

„Dort, wo Cole zur Quelle des Bösen wurde, dort, wo das Buch der Dunkelheit liegt."

Der Mann machte eine zustimmende Handbewegung. „Ganz genau." Dann drehte er sich um, winkte zu dem Barkeeper und nach einer Sekunde wurde eine Flasche zu ihrem Tisch geschimmert. Nach einem kräftigen Schluck fuhr er fort:

„Aber ganz so leicht ist es nicht, denn das Buch ist der Schlüssel zum Griff, und nur das Böse kann es berühren und aus der Höhle tragen."

„So wie bei dem Buch der Schatten...", murmelte Phoebe mehr zu sich selbst, doch der Dämon sah auf. Sofort sprang die Hexe ein und beschwichtigte: „Ich habe mal versucht es zu stehlen! Ich konnte es nicht einmal anfassen!" Wieder sah Charlie die Frau misstrauisch an, doch er ließ ab.

„Kein Problem, wir sind doch alle Dämonen!", sagte Patrice und sah überdeutlich zu ihrer Mutter. Doch plötzlich lachte Charlie auf und die zwei Frauen sahen zu ihm.

„Ihr zwei wisst nicht, was „böse" heißt! Nur die Quelle des Bösen und die zwei Vertrauten können es berühren!"

„Kein anderer Dämon!", blaffte Patrice und das Krokodil nickte. „Verdammt..."

Sie war sichtlich genervt, doch Phoebe wirkte entspannter.

„Und wer sind diese „Vertrauten"?"

„Die Seherin und die Königin waren die Vertrauten.", antwortete er.

Nun stieß auch Phoebe ein „Verdammt" aus und Patrice sah amüsiert zu ihrer Mutter.

„Na, ja...trotzdem danke Charlie.", sagte das Halbblut und stand auf. Nach einer Weile tat es ihr Phoebe nach. „Wirklich danke, du hast uns sehr geholfen!"

„Kein Problem, schönen Frauen helfe ich doch gerne.", sagte der Mann und lächelte der Hexe nach, die zusammen mit ihrer Tochter langsam vom Tisch wegging, doch ganz plötzlich schnellte die Hand des Krokodils zu Patrice und hielt sie zurück.

„Pass auf deine Freundin auf, sie ist eine gute Hexe, das rieche ich!", flüsterte er. Patrice stutze, doch dann setzte sie ihr Lächeln auf. „Danke, ich werd's mir merken!"

Dann löste der Mann seinen Griff und ließ das Halbblut gehen.

„Übrigens!", rief sie dann noch zurück. „Die Kleinigkeit da ist für dich!"

Der Dämon sah sich um, und ein breites Grinsen überkam sein grün-verschupptes Gesicht, als er auf den Berg von Geldbeuteln, Säckchen und anderen Gegenständen sah.

Gerade waren sie aus der großen Steintür getreten, da hielt Patrice abrupt an.

„Da hätt ich doch glatt die Wächter der Dunkelheit vergessen!" Schnell ging sie wieder durch die Wand und erschauderte.

„Patrice, was...?", Phoebe kam ebenfalls durch die Wand und erschrak. Mitten in der Bar hatte sich eine große Menge Wächter der Finsternis versammelt und redeten anscheinend mit jemandem, den sie umzingelt und im Visier ihrer Armbrüste hatten. Patrice wollte losstürmen, doch ihre Mutter hielt sie zurück.

„Das sind viel zu viele! Selbst für uns Beide!" Erst wollte das Halbblut protestieren, doch dann resignierte sie. Es waren wirklich zu viele.

Plötzlich ging ein Ruck durch die Menge und die Wächter feuerten ihre Bolzen ab, doch anscheinend wurden die Geschosse umgelenkt und die Angreifer selbst gingen in Flammen auf und verschwanden. Ein Raunen ging durch die Bar, und dort wo gerade noch über zwei Dutzend Wächter der Finsternis standen, stand ein Mann im Anzug. Er klopfte sich den Staub vom feinen Stoff und drehte sich zu Patrice.

„DU!", schrie sie ihn an und stampfte nach vorne, doch bevor sie ihn erreichen konnte, blinzelte er sich grinsend weg. Der Halb-Dämon schrie auf und feuerte eine Flammenkugel auf die Stelle, wo der Mann gerade gestanden hatte...