Kapitel 28: Feuerwhisky und Bing Crosby

„Was zum Teufel machst du hier?!!!" Narcissa zwang sich zur Ruhe. „Was machst du hier?" zischte sie dieses Mal in einem übertrieben verhaltenen Tonfall.

„Was heißt hier, was mache ich hier? Ich dachte, du würdest dich freuen…Upps…" Severus driftete gefährlich rechts, aktivierte dabei unabsichtlich den Plattenspieler und Bing Crosbys beschwingte Stimme erfüllte urplötzlich das Manor.

Oh the weather outside is frightful,

but the fire is so delightful.

And since we have no place to go,

let it snow, let snow, let it snow.

Das kann doch alles nicht wahr sein! Wie konnte die Situation nur so schnell, so außer Kontrolle geraten? Narcissa rannte zum Plattenspieler in der Absicht Bing Crosby für immer zum Schweigen zu bringen, während dieses schlechte Severus-Double sich sichtlich auf der Tanzfläche vergnügte.

„Du bist betrunken!"

Severus blieb wie vom Donner gerührt in seiner Schunkelei stehen und fixierte Narcissa mit durchtriebenen, schwarzen Augen. „Verdammt. Du merkst aber auch alles. Ja – ich bin betrunken. Ich bin so voll wie die verdammte Goblingilde nach dem Gringottsbörsencrash 1944." Nach der Feuerwhisky-Farne, die Narcissa entgegenströmte, hatte er damit keinesfalls übertrieben.

„Warum hast du die Musik ausgemacht? Magst du etwa keine Musik?"

Oh Gott…Wie war der Mann überhaupt hier reingekommen? Narcissas Blick fiel aufs Fenster. Fällt es auf, wenn ich ihn jetzt aus dem Fenster schupse?

„Als ob du ein großer Musikliebhaber wärst."

„Was soll das denn heißen? Ich kann… gut Radio spielen!" Oh nein…

„Severus! Wag es nicht!" Narcissa kam mit erhoben Finger auf ihn zu. „Wage es ja nicht den Plattenspieler wieder anzuschalten! Es ist ein Wunder, dass nicht schon das ganze Anwesen von deinem Besuch erfahren hat!" Irgendwie war das Wort Besuch komisch betont…

„Keine Musik? Einverstanden. Aber nur, wenn ich was Schönes geschenkt bekomme." Narcissa hatte geglaubt, dass niemand im betrunken Zustand schlimmer sein konnte als Lucius. Sie hatte sich getäuscht.

ZUR SELBEN ZEIT

IM SELBEN RAUM

Julius Malfoy lag, mit dem Rücken zu den beiden, versteckt auf der Couch und wollte seinen Ohren nicht trauen. Das war SNAPE!!!

„Sag mal, habt ihr hier einen Spieleabend veranstaltet, oder was?" Ein Rumpeln bedeutete Julius, dass Snape – er konnte es immer noch nicht fassen – sich vor den Kamin auf den Teppich gesetzt haben musste. Genau dorthin, wo sie gestern noch einen ausgiebigen Spieleabend veranstaltet hatten.

„Ja, unser verrückter Onkel hat darauf bestanden."

Verrückter Onkel?! Hey!

„Das Spiel des Wissens." Severus hob eine Karte auf, las den Text und ließ die Karte belustig wieder zurück auf den Stapel gleiten. „Diese Fragen sind eine Beleidigung."

Narcissa, welche gestern Abend schon große Mühe gehabt hatte, auch nur den Mars Planten zu überqueren, zog gekränkt eine Karte. Mal sehen, wie gut du wirklich bist, du Maulheld.

„Wo haben 1980 die Olympischen Spiele stattgefunden?" Ha. Muggelsport – Das weiß der nie!

„In Moskau." Kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Severus griff willkürlich nach der nächsten Karte, ging zur Bar und kam mit einer weiteren Flasche Feuerwhiskey zurück.

„Wie hieß der deutsche Nationaltrainer der Fußball-Weltmeisterschaft 1954?"

„Ähm…" Ich hasse Fußball! „Franz Beckenbauer!"

„Falsch. Sepp Herberger. Haha. Jetzt seid ihr schon zu zweit und habt dennoch keine Ahnung."

Wie konnte er so gemein sein? Narcissa entriss ihm blasiert die Flasche und schwenkte sie vor seiner Nase hin und her. „Oh ja, Severus, ich sehe genau, wie schlau du bist."

Doch dieser grinste nur. „Ja. Ja, ich weiß. Eine Schande, dass mein genialer Kopf eines Tages verfaulen muss."

„Du bist unmöglich."

„Ich weiß." Damit schob er ihr ein kleines Päckchen zu. „Frohe Weihnachten."

Narcissa war vollkommen perplex. War er etwa deshalb kommen? Um ihr ein Weihnachtsgeschenk zu überreichen? Ihre blauen Augen glitzerten vor Aufregung, als sie vorsichtig das Geschenk von seiner Verpackung befreite, während ihre zartgliedrigen Finger immer darauf bedacht waren das Papier nicht unnötig zu zerknicken. Im Inneren befand sich ein kleiner, blauer Samtkasten und darin…

„Das…kann ich nicht annehmen." In der Hand hielt sie einen Ring. Nein, nicht irgendeinen Ring, sondern einen Ehering. Weitergegeben von Generation zu Generation. Er war traumhaft schön und in jenem Moment hätte sie alles dafür gegeben, ihn auch nur für eine Sekunde am Finger tragen zu können.

„Er gehörte meiner Mutter."

Narcissa spürte, wie sich ihre Kehle zusammenschnürte. „Ich kann nicht."

„Ich weiß. Aber er gehört dir. So wie ich…"

Narcissa beugte sich zu ihm hinunter und ihre Lippen vereinten sich zum ersten Mal an diesem Abend zu einem leidenschaftlichen Kuss.

Oho…

Julius konnte sich sehr gut vorstellen, was da gerade hinter ihm vorging. Er spürte, wie sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. DAS erklärte natürlich einiges. Armer Michel. Die Frage war nur, wie schaffte er es nun unbemerkt bis zur Tür zu gelangen? Julius drehte sich um und –

BANG!

Jahrzehnte lang antrainierte Reflexe ließen Severus herumwirbeln. „Was war das?"

„Keine Ahnung. Der Weihnachtsmann."

Severus wandte seine Aufmerksamkeit wieder Narcissa zu. „Es gibt keinen Weihnachtsmann, Darling", erklärte er in typischer Lehrermanier.

Narcissa zog seinen Kopf erneut zu sich hinunter, um sich einen weiteren Kuss zu stehlen. „Und wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung, Herr Professor?"

„Erstens: Keine uns bekannte Spezies der Gattung „Rentier" kann fliegen. Zweitens: Es gibt rund zwei Milliarden Kinder auf der Welt, was bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von 3,5 Kindern pro Haushalt ganze 91,8 Millionen Haushalte ergibt, die ER besuchen müsste. Und um das zu schaffen, müsste der Weihnachtsmann 822,6 Besuche pro Sekunde durchführen! Das wiederum ergäbe, bei einer durchschnittlichen Entfernung von 1,3 km von Haus zu Haus, eine Gesamtentfernung von 120,8 Millionen km, welche er mit der 3.000-fachen Schallgeschwindigkeit zu bewältigen hätte! Und wenn jedes Kind auch nur ein kleines Lego-Set bekäme, dann hätte der Schlitten bereits ein Gewicht von 378.000 Tonnen geladen! Ein gewöhnliches Rentier kann jedoch nicht mehr als 175 kg ziehen. Man bräuchte also sage und schreibe 216.000 Rentiere! Das fällt doch auf! Außerdem erzeugen 378.000 Tonnen bei 3000-facher Geschwindigkeit einen lebensgefährlichen Luftwiderstand. Anders ausgedrückt: Der Weihnachtsmann würde in Flammen aufgehen. Wenn der Weihnachtsmann dir also irgendwann einmal Geschenke gebracht haben sollte, ist er jetzt tot!"

Narcissa lachte. „Wie feinfühlig von dir."

BANG!

„Was zum…" Einmal war merkwürdig, zweimal war…

Severus griff nach seinem Zauberstab, ging Richtung Couch und blickte in das bis über beide Ohren grinsende Gesicht seines Kollegen. „Hi." Severus griff Julius am Kragen, katapultierte ihn im hohen Bogen aufs Parkett und setzte zu einem verbotenen Fluch an.

„Severus, nicht!" Narcissa zerrte an seinem Duellierarm. „Du bringst ihn ja um!"

Doch Besagter schnaubte nur wenig begeistert. „An Weihnachten bring' ich niemanden um!"

Julius rappelte sich langsam auf. „Tut mir leid." Severus' Augen fixierten seinen Gegenüber.

„Nenn mir auch nur einen Grund, warum ich dein armseliges, kleines Muggeldasein nicht hier und jetzt beenden sollte, Malfoy?"

„Erstens: Weil du eben selbst gesagt hast, dass du an Weihnachten niemanden umbringst, und zweitens: Weil ich Michel versprochen hab', dass ich wieder komm' und ich kein Lügner sein will?" Julius lächelte seinen Gegenüber hoffnungsvoll an und Severus entließ hörbar die angestaute Luft, wobei er seinen Zauberstab senkte. Wenn Julius kein Squib gewesen wäre, wäre er bestimmt in Hufflepuff gelandet. „Verschwinde."

Lucius Malfoy ging, völlig zufrieden mit sich und der Welt, durch Malfoy Manor. Merlin sei gedankt – Heiligabend war endlich vorüber. Noch mehr „Stille Nacht, Heilige Nacht" und er hätte Geiseln genommen. Sowieso hatte er allen Grund stolz auf sich zu sein, hatte er sich doch dieses Jahr wirklich zusammengenommen, und wäre nicht der Ruf seines neuen Lords erfolgt, hätte es mit großer Wahrscheinlichkeit ein vollkommen normales Weihnachtsfest im Hause Malfoy gegeben. Wahrscheinlich das erste in knapp einem Jahrhundert. Na ja, soweit man das Wort „normal" in einer Zaubererfamilie überhaupt verwenden konnte. Dennoch hatte Lucius das merkwürdige Gefühl, dass irgendetwas, er konnte es einfach nicht genauer definieren, nicht stimmte. Natürlich war da die gewöhnungsbedürftige Präsenz seines Bruders, doch auch Draco, welcher sich seit Jahren nichts sehnlicher gewünscht hatte, als ein normales Familienleben, hatte gestern Abend ein wenig neben sich gestanden. Von Narcissa ganz zu schweigen. Diese Hexe konnte einen Mann wahrlich in den Wahnsinn treiben! Was sollte er denn noch tun, um ihr fortwährend gebeuteltes Familienleben wieder ins Lot zu rücken? Aber so weit so gut. Er konnte sich eigentlich nicht beschweren. Alles lief nach Plan. Früher oder später würde sie wieder ihm gehören und ihr rebellisches Verhalten ablegen. Er fragte sich insgeheim, ob sie sein Weihnachtsgeschenk schon geöffnet hatte. Ein diabolisches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Sie würde dahin schmelzen. Dafür kannte er seine Frau viel zu gut. Unter der harten Fassade, welche sie wie eine dicke Mauer um ihre zerbrechliche Seele aufgebaut hatte, war sie furchtbar sentimental. Eine Schwäche, welcher Lucius sich durchaus bewusst war. Nur zu schade, dass er seinen Plan nicht schon heute Abend ein wenig weiter ausbauen konnte… Doch von Grossek hatte ihnen gestern unmissverständlich klar gemacht, von welcher Bedeutung die heutige Besprechung sein würde und er wollte schließlich seinen neuen Meister nicht gleich bei der erstbesten Gelegenheit im Stich lassen. Es war besser erst sein Vertrauen zu gewinnen – viel besser. Außerdem konnte er den jungen Zauberer noch immer nicht wirklich einschätzen. Auf jeden Fall war er gefährlich und Lucius hatte nicht vor ins offene Messer zu laufen. Vielleicht sollte er vorher noch Narcissa Bescheid geben. Außerdem war er schon sehr gespannt auf ihre Reaktion bezüglich seines Weihnachtsgeschenkes…

Was immer Lucius Malfoy auch in seinem Kaminzimmer erwartet hatte, dies hier mit Sicherheit nicht. Severus Snape und seine Frau befanden sich gerade in einer Situation, welche keine weiteren Erläuterungen mehr benötigte. Und Lucius Malfoy fühlte sich, als würde er innerlich sterben. Niemals zuvor in seinem Leben war er so vor den Kopf gestoßen worden. Erst recht nicht von einer Frau und jetzt DAS… Frohe Weihnachten!

Unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, stand der britische Aristokrat ungläubig im Türrahmen und tat etwas vollkommen Unerwartetes – Gar nichts.

Severus Snape hörte, wie die Tür sich öffnet, schob Narcissa gezwungener Maßen etwas unsacht von sich und sah sich seinem schlimmsten Albtraum gegenüber: Lucius Malfoy. Doch diesem schien es ähnlich zu gehen, wenn man seinem perplexen Gesichtsausdruck irgendeine Bedeutung beimessen durfte. Wenn der Ex-Todesser auch vor knapp einer halben Stunde noch vollkommen betrunken gewesen sein mochte, war er jedoch nach diesem Schock gewiss wieder nüchtern. Ihm war vollkommen schleierhaft, warum Lucius sie noch immer stillschweigend anstarrte, aber keinesfalls undankbar für den sich dadurch für ihn bietenden Spielraum.

Innerhalb einer Millisekunde griff Snape nach seinem Zauberstab und der beförderte den Hausherren mit einem „Expelliarmus!" unsacht gegen das alte Steingemäuer, wo dieser bewusstlos liegenlieb.

„Lucius!" Narcissa rannte zu ihrem Ehemann hinüber und suchte nach seinem Puls.

„Ist er tot?" fragte der Zaubertränkemeister unberührt. Narcissas Blick sprühte vor Venom. „Nein."

Severus kniete sich neben seine Geliebte. „Ich glaube, es wird Zeit für den guten alten Amnesia."

„Amnesia? Was Besseres fällt dir nicht ein?!"

Severus schaute sie mürrisch an. „Wäre es dir lieber, wenn dein Göttergatte mit der Erinnerung an heute Abend aufwacht? Oder… überhaupt nicht?" Die rechte Augenbraue des Zaubertränkemeisters zog sich nach oben, doch der verschmitzte Ausdruck auf seinem Gesicht zeigte, dass es ihm mit Letzterem nicht ernst zu sein schien.

„Natürlich nicht!… Auf jeden Fall ist Lucius erst mal außer Gefecht gesetzt."

Snape hob das Kinn seines ehemaligen Schulfreundes an, welches daraufhin wieder matt nach unten schnellte. „Ja, das ist er wohl. Und das für die nächsten sechsunddreißig Stunden, wenn ich mich nicht irre."

Na ja, schlimmer konnte es heute Abend wohl nicht mehr kommen…

BANG!

Oh nein…

Julius Malfoy hatte das Gesellschaftsspiel fallen lassen, als er erneut das Kaminzimmer betrat. „Du hast ihn umgebracht!!!" (An Weihnachten!) Völlig aufgewühlt rannte der ältere Malfoy zu seinem Bruder hinüber. „Er – er atmet ja noch!"

„Wir alle machen Fehler" murmelte Snape und fing sich daraufhin einen Rippenstoß von Narcissa ein. Diese zierliche Frau schien viel mehr Kraft zu besitzen, als man ihr zutraute! „Aaaarrrr!" Narcissa blickte entsetzt zu ihrem Liebhaber hinüber. „Also Severus, jetzt werd' doch nicht kindisch, so hart habe ich nun wirklich nicht zugestoßen!" Doch anstatt zu antworten, schob Severus seinen linken Ärmel nach oben und enthüllte das Dunkle Mal.

„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Narcissa. Aber du warst nicht der Grund." Die beiden sahen sich einen Augenschlag lang schweigend an, bevor Narcissa zu Lucius leblosem Körper rannte und auch hier das, nun deutlich hervorstechende, Dunkle Mal enthüllte.

„Verdammt. Wenn Lucius nicht am Revel teilnimmt, wird von Grossek bestimmt misstrauisch werden. Verdammt, verdammt!"

Julius schaute verwirrt von Narcissa zu Snape. „von Wer? Kann mich mal bitte einer aufklären, was hier abläuft?"

Snapes Blick schien Julius nicht verlassen zu wollen und auch Narcissa beäugte ihren Schwager neugierig. „Es sei denn, jemand anderes kommt an seiner statt", erklärte sie nüchtern. „Genau das war auch mein erster Gedanke", entgegnete der Zaubertränkemeister trocken.

Spätestens jetzt war auch Julius klar, dass, was immer es auch war, was die beiden vorhatten, es etwas mit ihm zu tun haben musste und, nach ihren schadenfrohen Gesichtsausdrücken zu urteilen, es ihm wahrscheinlich gar nicht gefallen würde.

„Julius. Zieh dich aus!"

WAS?!

KURZ DARAUF

Als die Tür zu von Grosseks Allerheiligstem sich mit einem Knarren öffnete, musste Julius unwillkürlich schlucken. Der Squib war im Vergleich zu der hier zugegenen Zaubererschaft so schutzlos wie ein neugeborenes Baby, und er war sich dessen durchaus bewusst. In seinem Herzen herrschte nur eine dumpfe Resignation und wie ein Ertrinkender sich an einem Stück Treibholz auf dem Wasser festklammerte, hielt auch er sich an dem sprichwörtlichen Rettungsreif in seinen Armen fest. Julius schüttelte den Kopf. Furcht war noch niemals ein guter Ratgeber gewesen und er musste sich jetzt darauf konzentrieren, was momentan von Bedeutung war, um nicht sein Leben und das der Anderen zu gefährden.

Die großen viktorianischen Fenster waren verhängt und auf dem Kaminsims lag eine feine Staubschicht, ansonsten war das antike Esszimmer in einem tadellosen Zustand. Julius setzte sich an den einzig unbesetzten Platz rechts neben dem noch immer unbesetzten Platz am Tischende, welcher mit Sicherheit nicht für ihn bestimmt war, und verspürte Angst bei dem Gedanken, etwas auch nur rein unwillkürlich zu berühren. Dieser Ort fühlte sich an, als würde man eine Grabstätte betreten. Etwas Undefinierbares schwebte unheilvoll über ihm und allmählich begann der ältere Malfoy sich ernsthaft Sorgen zu machen, als er die fragenden Blicke bemerkte, welche von Zeit zu Zeit in seine Richtung geworfen wurden.

Julius' Blick fiel einmal mehr auf seinen Begleiter, was einer instinktiven Reaktion auf seine gegenwärtige Situation gleich kam, doch Julius Malfoy waren solche Blicke durchaus nicht fremd und so prallten sie nach einiger Zeit unbeachtet von ihm ab.

Du bist ein Malfoy, sagte sich Julius immer wieder im Stillen, wie ein Gebet, welches in Erfüllung gehen würde, wenn man es nur lange genug wiederholte. Doch dann schüttelte er vehement den Kopf. Für wen spielte er dieses Spiel eigentlich? Er WAR ein Malfoy. Er brauchte nicht so zu tun als ob…

Aber dennoch war es schlicht unmöglich, ihn für seinen jüngeren Bruder zu halten, welcherall das verkörperte, was Julius einerseits verachtete und andererseits begehrte – pure Macht, Stärke, Respekt und Überlegenheit, die mit tödlicher Grazie im Kampf den Tanz des Todes tanzten und in seinen grauen Augen so feurig und erbarmungslos brennen konnten, wenn er das verteidigte, was er begehrte und im nächsten Moment wieder voller Aufrichtigkeit sein konnten. Nein, dazu war er nicht fähig.

Seit seinen jüngsten Kindheitserinnerungen war Lucius sein Ansporn gewesen, die Meßlatte seiner Eltern, das zu erreichende Ideal. Lucius war all das gewesen, was Julius immer hatte sein wollen. Was also hatte seinen Bruder dazu getrieben, das zu tun, was er getan hatte? Und Julius wusste genauso wenig, ob er ihn dafür hassen sollte oder hassen konnte.

Mit einem Knacken schwang die schwere Holztür auf und der Raum war einmal mehr schweigsam, erfüllt von der puren Dunkelheit der Nacht, während eine alles einfrierende Kälte sich langsam über den Raum zu legen schien, als Arius von Grossek mit langen Schritten selbstsicher den Raum betrat, flankiert von zwei maskierten Todessern. Der Mond hätte seine Strahlen durch die Fenster geschickt, wären diese nicht von schweren rotsamtenen Vorhängen verdeckt gewesen.

Julius Malfoy versuchte, alle Emotionen aus seinem Inneren zu verbannen und absolute Ruhe und Gelassenheit zur Schau zu stellen, doch die Kälte ergriff unvermeidlich auch sein Herz. Er schauderte und versuchte verzweifelt die aufkeimende Panik zu unterdrücken, aber erneut verspürte er die Dunkelheit von allen Seiten auf sich zukommen. Sie stürmte auf ihn ein, nahm ihm den Atem und umhüllte seinen Geist. Julius Malfoy schloss seine Augen, und sammelte sich innerlich, während sein Atem ihn nur gestockt durchströmte. Er wurde beinahe erdrückt von der Angst und von der dröhnenden Stille, die sie mit sich brachte und als er seine Augen wieder öffnete, sah er in das sarkastisch lächelnde Gesicht von Grosseks.

Besagter hatte sich bereits ans Tischende gesetzt und beäugte Malfoy belustigt.

„Ein Kaninchen, Malfoy?" Julius war sich bewusst, wie vollkommen deplaziert ein weißes Kaninchen auf dem Schoß eines gefürchteten Todessers wirken musste, doch war dies vermutlich noch der beste Einfall des Abends gewesen.

Julius versuchte sein Bestes nicht gleich hier und jetzt aus der Rolle zu fallen und sah von Grossek unverwandt an. Dieser blickte daraufhin erneut auf das Kaninchen bevor er sich entschloss die Sache besser ruhen zu lassen und zur Tagesordnung überzugehen.

„Es tut mir leid, Sie alle zum zweiten Mal an Weihnachten Ihren Familien entreißen zu müssen, doch unsere Sache duldet keine weiteren Verzögerungen." Von Grossek schaute einmal mehr auf die nun vor ihm liegende Prophezeiung der Joanna von Renzenbrug, welche der Todesser links von ihm auf die Tischplatte hatte gleiten lassen.

„Ich habe die Prophezeiung der Joanna von Renzenbrug eindringlich studiert und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass wir schnell handeln müssen, wir alle, Kinder unseres Volkes, zusammengeschweißt durch unser Blut, müssen alles nur Erdenkliche tun, was zum Siege nötig ist, denn die Infiltration der Schlammblüter muss unter allen Umständen verhindert werden!" Viele der Zauberer nickten zustimmend.

„Was eine Einlagerung Ihresgleichen für die reinblütige Zaubererschaft bedeuten würde, braucht nicht näher erläutert zu werden. Es würde zu einer Verflüssigung des Blutes und damit einhergehend zu einer radikalen Reduzierung der Zauberfähigkeit im Allgemeinen führen! Die Geburtenrate nichtmagischer Nachkommen ist bereits bis in die allehrwürdigsten unserer Familien eingedrungen, meine Herren; und die völlige Liquidierung unserer gesamten Intelligenz- und Führungsschicht steht ins Haus! Die Zeit zu handeln ist gekommen!"

„Hört, hört!" Einige der Anwesenden klopften zustimmend auf die Tischplatte.

Von Grossek stand auf und ergriff voller Überzeugung abermals das Wort. „Deshalb müssen wir nun unsere Herzen erfüllen mit jener politischen Leidenschaft, die uns immer in den großen Schlachten unseres Volkes wie ein ewig brennendes Feuer verzehrte. Niemals dürfen wir jener falschen und scheinheiligen Objektivitätsduselei des Ministeriums verfallen, der die englische Zaubererschaft in ihrer Geschichte schon so viel Unglück zu verdanken hat! Unsere Art ist gefährdet und das mehr als jemals zuvor. Deshalb ist alles, was ihr und Ihresgleichen dient, gut und muss erhalten und gefördert werden. Was ihr und Ihresgleichen aber schadet, das ist schlecht und muss ein für alle Mal abgeschnitten werden!" 1

Julius schluckte. Von Grossek musste wahnsinnig sein…

„An der heiligen Stätte unserer Vorväter werden wir ihr Schicksal besiegeln! Dort, wo unsere Macht gebündelt ist, werden wir jedweden Widerstand brechen und im Keimersticken."

Seine Augen glitzerten vor Erregung, als er das Verständnis in den Augen seiner Kameraden aufkeimen sah. „Ja, meine Freunde. Wir werden nach Stonehenge gehen, dem Ursprung unserer keltischen Wurzeln. An jenem Abend, wo Mars, Saturn und Jupiter zum ersten Mal in diesem Jahrhundert entlang einer Linie an der Grenze von Steinbock und Schütze positioniert sind, werden wir, die Nachfahren reinen Blutes, unseren Vätern den langersehnten Tribut zollen, welcher unser aller Überleben sichern wird!"

Julius Malfoy spürte, wie er immer kleiner in seinem Stuhl zu werden schien, als plötzlich alle Todesser es ihrem Lord nachtaten und sich als Kollektiv demonstrativ erhoben.

„An jenem Abend werden wir den Geist Morganas zu uns rufen und das Geschwür der Schlammblüter ein für alle Mal aus unserer Mitte schneiden!"

Lange dauerte es, bis der Nachhall der Begeisterung verstarb und sich eine beängstigende Stille über das Land zu legen schien…

TBC

A/N: Hiermit entschuldige ich mich offiziell für dieses Chapter. Severus Snape ist nicht er selbst und wenn man nicht gerade gut drauf ist, als Snape-Fan versteht sich, wird man dieses Chapter hassen. Mir geht es ähnlich, da ich eigentlich Dark-Fics bevorzuge und Komödien überhaupt nicht in mein Spezialgebiet fallen. Keine Ahnung, was mich da geritten hat…Aber irgendwie hatte ich Lust GENAU DAS zu schreiben. Also wenn's euch gefallen hat, lasst es mich wissen. Anders herum natürlich auch…schließlich bin ich auch für konstruktive Kritik immer offen ;o)


1 Einige der Gedankengänge (in der kursiv gekennzeichneten Rede von Grosseks) stammen natürlich nicht von mir, sondern von unserem lieben Propagandaminister Herrn Goebbels, der so lustige Reden geschrieben hat, dass seine Partei immer mit absoluter Mehrheit gewählt wurde Ducktsichalstomatenfliegen Was denn?

Quelle: vgl.: Goebbels, Heinrich: Rede im Berliner Sportpalast, I943