Kapitel 33: Der Gargoyle
„Das wäre ganz schön fies…", entgegnete Franziska von Wallenstein mehr zu sich selbst als zu den übrigen Deutschen, welche sich zusammen mit ihr vor dem großen Kamin im Slytherin-Kerker versammelt hatten.
„Musst du gerade sagen", entgegnete Maximilian, welcher es sich auf der Ledercouch bequem gemacht hatte und alle, die Franzi kannten, lachten zustimmend auf. Maximilian klappte, ohne sie eines weiters Blickes zu würdigen, sein Buch auf und überflog beiläufig einige Artikel.
Franzi lächelte nach außen, doch spürte den Schmerz, der innerlich ihr Herz zerriss. „Ich muss noch was erledigen", erklärte die Hexe und flüchtete aus dem Kerker.
Franzi stand am offenen Fenster des Astronomie-Turmes und starrte nach unten. Was, wenn sie jetzt sprang? Würde es wehtun? Sie dachte an den Wind, der ihr offenes, blondes Haar umwehte, an die Freiheit des Falles, doch sie fürchtete sich vor dem Aufprall. Würde man um sie trauern?
Maximilian beachtete sie kaum noch. Sein gesamtes Ich konzentrierte sich derweil nur noch um die langersehnte Rache an Malfoy und sie war nicht Teil seiner Pläne. Nicht jetzt und wie es aussah auch nicht in Zukunft. Sie fühlte sich allein. Ihre „Freunde" lachten über sie, redeten über sie, verbesserten sie. Keinem würde es auffallen, wenn sie nicht mehr Teil ihrer kleinen Gemeinschaft sein würde. Franziska fühlte sich überflüssig.
Warum musste sie fühlen! Es war so kalt, so furchtbar kalt – Einsamkeit – eine unweigerliche Konsequenz der Liebe. Dann wollte sie halt nicht mehr lieben. Nie mehr. Franziska wollte diese Einsamkeit nicht mehr länger ertragen. Ein Herz aus Stein, warum hatte sie kein Herz aus Stein?
Jeder in ihrer Umgebung schien glücklich zu sein. Es tat so weh. Franziska erinnerte sich an Glück. Erinnerungen an jenen Moment, an dem man sich fühlte, als könne man alles erreichen, an dem man dachte, von jetzt an würde alles nur noch besser werden, dass man endlich das Glück finden würde, ohne jedoch zu ahnen, dass genau dieser Moment bereits das Glück war. Kurz und zerbrechlich, und dass es danach für lange Zeit nur noch bergab gehen konnte. Ein weiterer Schritt Richtung Abgrund.
Franziska schwang ihre Beine aus dem Fenster und hielt sich krampfhaft am Festerrahmen fest, bis sie ihre Arme aufgrund der Anspannung nicht mehr spüren konnte.
Eine Bewegung und du bist frei! Niemandem würde es auffallen! Einen kurzen Moment lang schweiften ihre Gedanken zu ihren Eltern, doch auch ihnen hatte sie es niemals recht machen können. Franziska spürte die Tränen in ihren Augen. Feigling! Feigling! Warum tust du es nicht einfach! Selbst dazu bist du nicht fähig! Keiner wird um dich weinen!
Franziska brach emotional zusammen, kletterte zurück in die Sicherheit des Turmes und verschloss panisch das Fenster. Ihre Beine gaben nach und die junge Hexe schlang weinend die Arme um die angewinkelten Beine, während sie auf dem kalten Steinboden unter dem Fenster saß.
Welchen Sinn hatte ihr Tod, wenn sie selbst damit niemanden verletzten konnte?
Jeder hielt sie für eine gefühlskalte Egoistin. Ersteres war sie bestimmt nicht, aber um ihren Ruf bräuchte sie sich sicherlich nicht sorgen…
Franziska wischte ihre Tränen aus den Augen und stand auf. Besser andere verletzen als sich selbst. Angefangen mit Maximilian von Hohenzollern. Nie wieder wollte sie diese Einsamkeit spüren. Nie wieder würde sie zum Opfer werden.
Maximilian von Hohenzollern schaute Blaise Zabini eindringlich an. „Dafür, dass er euer Star-Sucher ist, kommt Malfoy aber nicht oft zum Training." Maximilian flog eine weitere Schleife, umkreiste graziös das Stadion, und kehrte zu Blaise zurück, welcher aussah, als wäre ihm zuvor etwas Wichtiges entgangen.
„Jetzt wo du es sagst. Draco kommt in letzter Zeit wirklich ziemlich sporadisch zum Training – wenn überhaupt." Der Kapitän zuckte mit den Schultern. „Na ja, aber so lange er bei den Spielen weiterhin den Schnatz fängt, soll's mir egal sein. Außerdem wird Malfoy bestimmt einen guten Grund für seinen Ausfall haben. Schließlich ist er total verrückt nach dem Spiel."
„Den Grund kenn' ich schon", erklärte Maximilian grinsend. „Ich hab' ihn eben noch mit der Granger in der Großen Halle gesehen."
Zabini sah aus, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen – abserviert von einem Schlammblut – und auf Maximilians Gesicht zeichnete sich ein triumphierendes Lächeln ab, als er seinen Besen wieder landete und das Slytherin-Team allein zurückließ.
Schon wieder einer mehr. Maximilian warf den Besen unachtsam in eine Ecke, zog einen unscheinbaren Zettel aus seiner Hosentasche und strich genüsslich den Namen „Zabini" auf seiner kleinen Liste durch. Natürlich würden seine Erinnerungshilfen Draco nicht gleich vom Thron stoßen, doch jeder durchgestrichene Name war ein weiterer Riss im Sockel, auf dem Malfoy seit jeher thronte und es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis dieser Sockel in sich zusammenbrach… Eine wunderbare Vorstellung. Und er würde den kopflosen Slytherins in ihrer Not nur allzu gerne seine helfende Hand reichen.
Eine plötzliche Bewegung riss Maximilian aus seinen Gedanken. „Pansy! Was für ein Glück dich hier zu treffen!"
Ron war zu spät zum Zaubertränke-N.E.W.T.s-Kurs und das hieß NIEMALS etwas Gutes. Außer Atem rannte der Gryffindor um eine Ecke und – direkt in Professor Dumbledore, welcher interessiert den Gargoyle vor seinem Büroeingang betrachtete.
„Entschuldigen Sie, Sir. Ich hab' Sie nicht gesehen." Dumbledore lächelte Ron freundlich an.
„Aber Mr. Weasley, das weiß ich doch. Außerdem kommen Sie gerade richtig." Erneut strahlte der Schulleiter über beide Ohren.
Der muss ja auch nicht gleich in den Kerker! „Hm, Sir, ich kann jetzt wirklich nicht! Ich bin schon zu spät und Professor Snape…"
Dumbledore legte Ron beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Keine Angst, Mr. Weasley. Ich werde Ihnen ein Entschuldigungsschreiben für Professor Snape ausstellen und jetzt sagen Sie mir ehrlich – was halten Sie von meinem neuen Gargoyle?"
Ron sah die Steinfigur an und hätte wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass sie neu war, wenn Dumbledore es ihm nicht gesagt hätte. „Sie gefällt mir wirklich, Sir. Sie sieht so vollkommen… anders aus."
Dumbledore lachte leise. „Ja genau, das finde ich auch."
„Was ist mit dem Alten passiert?"
Dumbledore atmete schwer aus. „Ich weiß es nicht. Eines guten Morgens war er einfach verschwunden." Dumbledore schüttelte traurig den Kopf und Ron unterdrückte das Verlangen, seinen Schulleiter trösten zu wollen. „Ich weiß auch nicht, warum er uns nach all den Jahren verlassen hat. Vielleicht ist der arme Filch aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr in Lage, seine Arbeit so gewissenhaft auszuführen, wie er es sich wünscht und da ist Albert gegangen."
Albert? Dumbledore hatte seinem Büro-Gargoyle einen Namen gegeben?
„Gargoyles hassen Staub, müssen Sie wissen, Mr. Weasley. Sie sind sehr hygienische Weggenossen. Ich bin ernsthaft am überlegen, ob ich nicht vielleicht eine zweite Hausmeisterstelle ausschreiben soll. Aber das ist eine andere Geschichte. Der eigentliche Grund, warum ich Sie zum Bleiben aufgefordert habe, ist ein anderer. Nun da Albert ersetzt wurde, muss die Schule selbstverständlich eine Gargoyle-Einweihung am Freitag in vierzehn Tagen abhalten, wobei die obligatorische Rede traditionell von einem der Vertrauensschüler gehalten wird und da Sie ja nun schon Bekanntschaft mit Adolf gemacht haben, wollte ich Sie fragen, ob Sie nicht vielleicht Interesse daran hätten, Mr. Weasley."
Ron strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Natürlich, Sir!" Oh, seine Mutter würde sicherlich furchtbar stolz auf ihn sein, Percy würde sich schwarz ärgern, dass ihm endlich einer aus der Familie Konkurrenz machte und – das Wichtigste nicht zu vergessen – es würde gewaltig Eindruck auf Marie machen! Vielleicht würde er sogar in den Tagespropheten kommen!
Ron kam sage und schreibe 20 Minuten zu spät. Snape kochte vor Wut und seine Stimmung verbesserte sich nicht sonderlich, als Ron ihm und dem gesamten Kurs freudestrahlend von der bevorstehenden Gargoyle-Einweihung berichtete. Snape versuchte vergeblich, Gryffindor Punkte abzuziehen, doch rettete Dumbledores Entschuldigungsschreiben Ron abermals vor dem absoluten Aus. Ron war niemals besonders stark in Zaubertränke gewesen und dass er es bis jetzt durchgehalten hatte, kam einem Wunder gleich. Aber der junge Gryffindor stand bei Snape schon so tief in der Kreide, dass jeder weitere Ausrutscher ihm glattweg den Hals kosten konnte. Und wenn er den Kurs nicht abschloss, könnte der Gryffindor seine Aurorer-Karriere an den Nagel hängen.
Ron gesellte sich zu seiner Tischnachbarin Marie und die zwei brauten stillschweigend an ihrem Trank, während sie sich immer wieder heimliche Blicke zuwarfen und kurz vor Stundenschluss passierte das Unvermeintliche – Ron warf die falsche Wurzel in den Kessel. Seine Hand erstarrte, als er ungläubig in den Kessel blickte. Snape würde ihn rausschmeißen.
Das hast du nun davon, ständig mit diesem Mädchen zu flirten! hörte er die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf dröhnen.
Verdammt! Was sollte er denn jetzt machen? Diese Demütigung – und dann auch noch vor seiner Freundin! Wie sollte er ihr jemals wieder unter die Augen treten nach dieser Blamage? Und was war mit seinem Traumberuf? Ron schluckte hart, schaute sich verstohlen um und traf eine Entscheidung. Dann füllte er den Trank ab, beschriftete ihn und griff im Vorbeigehen nach Crabbe und Goyles Reagenzglas, wobei er jenes durch sein eigenes ersetzte, bevor er es mit gekonnter Unschuldsmiene am Lehrertisch abgab.
VIER TAGE DARAUF
Draco Malfoy marschierte in die Slytherin-Umkleidekabine und stellte mit Entsetzen fest, dass die Mannschaft schon ohne ihn angefangen hatte. Zornig marschierte der Erbe des Malfoy-Vermögens auf den Platz. „Zabini!" Der Teamchef ließ nicht lange auf sich warten und blieb im Schwebflug auf einer Höhe mit Draco. „Warum habt ihr ohne mich angefangen?"
„Du hältst es doch sonst auch nicht für nötig, uns mit deiner Anwesenheit zu beglücken, Malfoy."
„Und wer spielt auf meiner Position?"
„Maximilian von Hohenzollern." Das hatte gesessen – zumindest nach Malfoys Gesichtsausdruck zu urteilen. Zabini grinste. Hoffentlich würde ihm das einen kleinen Denkzettel verpassen. Schließlich war auch ein Malfoy nicht unersetzlich. „Ich hoffe, es macht dir nichts aus."
„Nein, ganz und gar nicht!" Damit stampfte der Schulsprecher zähneknirschend vom Platz.
„Nein Ron, ich werde ganz bestimmt nicht deine Gargoyle-Einweihungs-Rede schreiben!"
Ron rannte verzweifelt und wild mit den Armen gestikulierend hinter Hermione Granger her. „Hermione BITTE! Ohne dich bin ich aufgeschmissen und du weißt das! Wenn ich diese Rede schreibe, wird sich die gesamte Schule furchtbar blamieren und das kann doch keinesfalls im Interesse der Schulsprecherin sein!"
Hermione verdrehte die Augen. „Ron, jetzt komm' bitte mal wieder runter! Wir sprechen hier von Dumbledores Gargoyle-Einweihung, nicht von irgendeiner Staatsaffäre!"
Ron sah sie erstaunt an. „Heißt das etwa, dass ich nicht in die Zeitung komme?"
Dieser Junge war einfach nicht zu fassen! Hermione war es unbegreiflich, wie sie es all die Jahre mit diesem geistigen Tiefflieger ausgehalten hatte. „Nein, Ron. Du wirst ganz bestimmt NICHT in die Zeitung kommen!"
Damit machte Hermione Granger auf dem Absatz kehrt und versuchte Richtung Schulsprecherturm zu flüchten, doch leider ohne Erfolg, denn noch im selben Augenblick gelang es Ron, sie am Ärmel ihrer Robe zurückzuzerren. „Aber Hermione!"
Diese wirbelte sauer herum, als sie bemerkte, dass Ron sich in seiner Not an ihrer Kleidung festgekrallt hatte. „Nichts aber Hermione ! Und lass mich gefälligst los!"
Während des kleinen Geränkes fiel Rons Blick plötzlich auf Hermiones Hals und was er dort erblickte, brachte das Blut in seinen Adern zum kochen. „Was ist das!" schrie er, sein Zeigefinger starr auf Hermiones Halskette gerichtet. Der Anhänger zeigte eine silberne Schlange, welche mit einem Gold-Löwen verschmolz. Rons Mund bildete eine schmale Linie und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
Viel eindeutiger hätte die Botschaft ja nicht sein können! Harry hatte also doch Recht gehabt. „Malfoy! Du hast eine Halskette von Malfoyum?"
„Und wenn es so wäre? Ich wüsste nicht, was dich das angeht." Innerlich verfluchte sich Hermione, ihren Anhänger so offen getragen zu haben. Jetzt war es zu spät.
Jetzt schlägt's dreizehn! Ronald Weasley war zwar nicht der Junge, welcher einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, doch sein Gesichtsausdruck war in jenem Moment alles andere als freundlich. „Was mich das angeht? Was mich das angeht! Ich bin dein bester Freund! Zumindest dachte ich das! Aber anscheinend erfahre ich hier ja ohnehin immer alles als Letzter! Deinem Draco hättest du bestimmt sofort die Rede geschrieben, Mrs. Oberschlau! Aber lass dich von mir nicht aufhalten, verbringe deine kostbare Zeit lieber mit Malfoy. Der wird dich ohnehin wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, sobald er dich nicht mehr gebrauchen kann! Und glaub' ja nicht, dass du dann wieder bei mir angekrochen kommen kannst! Denn dann könnte es sein, dass ich es bin, der keine Zeit mehr für dich hat."
Hermione spürte die Tränen, welche sich ihren Weg an die Oberfläche zu bahnen versuchten, aber unterdrückte sie mit aller Macht. „Jetzt gehst du einen Schritt zu weit Ron und das weißt du! Und wenn du glaubst, dass ich mich so leicht von dir erpressen lasse, dann hast du dich geirrt, mein Freund! Die Sache mit Draco hat nichts – ich wiederhole – rein GAR NICHTS mit deiner Faulheit zu tun. Ich werde dir nicht helfen! JAHRELANG hast du bei mir Hausaufgaben abgeschrieben, Ron! Wenn du jetzt nicht lernst erwachsen zu werden, wann dann? Außerdem bin ich mir sicher, dass Marie nicht sehr beeindruckt wäre, wenn sie erfahren würde, dass ich deine Rede geschrieben habe!" Dann rannte sie davon und ließ einen vollkommen verbitterten Ronald Weasley allein zurück.
„Miststück!"
„Ja, ja so sind die Frauen nun mal."
Ron wirbelte herum und starrte in das Gesicht Maximilians von Hohenzollern. „Was willst du denn hier?"
Maximilian hob mit gespieltem Entsetzten die rechte Braue und reichte seinem Gegenüber versöhnend die eine Hälfte seines grünen Apfels. „Der Volksmund sagt dazu, so glaube ich, der Feind meines Feindes ist mein Freund. Und wir beide, so unglaubwürdig es für Außenstehende auch klingen mag, mein Freund, haben einen gemeinsamen Feind – Draco Malfoy."
TAG DER EINWEIHUNG
Franziska von Wallenstein fing Ron nach Kräuterkunde ab. Etwas war faul im Staate Dänemark. Und das gewaltig. Wenn ein von Hohenzollern freiwillig Zeit mit einem Weasley verbrachte und dabei dieses, ihm typische, selbstgerechte Lächeln auflegte, konnte dies eigentlich nur eines bedeuten: Ärger. Und ganz egal, was Maximilian diesmal auch vorhatte, Franziska würde ihm die Suppe gehörig versalzen.
Ron war wie immer vertieft in seine Rede. Er las einen Absatz nach dem andern, ließ dann den Zettel kurz sinken, um geistesabwesend einen Stützpfeiler des alten Gemäuers anzustarren und murmelte dabei die soeben auswendig gelernten Zeilen herunter.
Plötzlich wurde er hart gegen die Mauer gestoßen.
„Na, Weasley. Das muss aber eine verdammt interessante Lektüre sein, die du da hast."
Franziska riss dem Gryffindor den Zettel aus der Hand.
„Gib das sofort wieder her!"
Doch Franziska machte schnell einen Schritt zurück und hielt den soeben ergatterten Zettel, schützend außer Reichweite. Nachdem sie den Inhalt überfolgen hatte, fing sie an zu lachen.
„Oh mein Gott. Darauf wäre nicht einmal ICH gekommen! Gib's zu, die Rede hat Hohenzollern geschrieben, nicht du!"
Ron lief dunkelrot an. „Und wenn schon. Gib sie wieder her!"
Doch Franziska dachte gar nicht daran. Maximilian war nicht so untätig gewesen, wie sie vermutet hatte. Eigentlich hatte die kleine Spinne in ihrer Unwissenheit ein geradezu perfektes Spinnennetz gewebt, in welchem sich Draco Malfoy gewiss verfangen hätte. Doch diesen Sieg würde sie Maximilian nicht gönnen. Oh nein.
Nachdem Maximilian in den letzten Wochen alles daran gesetzt hatte, Draco Malfoy, auf mehr oder minder subtile Weise, unbeliebt zu machen, war es ihm dennoch verwehrt geblieben, seinen totalen Machtanspruch innerhalb der Slytherins zu Nichte zu machen. Doch ihr Vertrauen war angeknackst und Ronald Weasley, ein allerhöchstens temporärer Verbündeter, sollte Malfoy den Todesstoß versetzen, indem er – vor der versammelten Schülerschaft – von Malfoys und Grangers Liaison berichtete. Ein Geniestreich, wie Franziska stillschweigend festhalten musste. Die Slytherins würden Malfoy diesen Verrat niemals verzeihen und es dann auch noch von einem Gryffindor zu erfahren, welcher allem Anschein nach vertrauenswürdiger war als sie, war perfekt. Und Maximilian wusch seine Hände in vollkommener Unschuld und trat als der edle Retter der Stunde auf. Doch hatte dieser die Rechnung ohne sie gemacht.
Franziska zerriss die Ansprache vor Rons Augen. „Du wirst nichts über Malfoy in deiner Rede sagen, haben wir uns verstanden, Weasley!"
„Wieso nicht? Ich dachte, ihr mögt den Angeber genauso wenig wie ich."
Franziska kam noch einen Schritt näher und zwang Ron damit direkt an die Wand. „Ihr Männer seid doch alle gleich! Glaubst du etwa, dass Granger dir danach jemals wieder verzeihen wird! Vielleicht hast du deine Rache an Malfoy, aber deine kleine Freundin hast du damit auf jeden Fall verloren, du Schwachkopf! Hast du dir jemals um ihre Gefühle Gedanken gemacht? Natürlich nicht!" Für Männer war das gesamte Leben nur ein einziges, großes Schlachtfeld, auf dem der Sieger die Prinzessin erhielt. Aber nicht so lange sie noch in diesem Spiel mitmischte.
„Malfoy hat es verdient!" kreischte Ron. „Und ich will ihn bluten sehen für all die kleinen Spielchen, die er in den vergangen sechs Jahre mit uns getrieben hat! Ich tue das hier für Hermione! Und nicht anders herum! Er wird sie verletzten! Das weiß ich!"
Franziska erkannte, dass sie hier mit gut gemeinten Argumenten nichts mehr ausrichten konnte. Gut, sie konnte auch anders. „Jetzt hör mir mal gut zu, Weasley. Entweder du tust, was ich dir sage, oder ich gehe zu Professor Snape und erzähle ihm davon, wie du Crabbe und Goyles Trank als den deinen ausgegeben hast. Und dann bist du ein für alle mal draußen! Haben wir uns verstanden!"
Ron starrte das Mädchen vor ihm paralysiert an. „Aber Maximilian wird mich…"
„Lass den mal meine Sorge sein. Also, Weasley, haben wir einen Deal?" Ron nickte stumm. „Braver Junge."
Ron lief wie ein kopfloses Huhn nervös auf und ab. Ich hab' keine Rede! Ich hab' keine Rede!
„Der Vertrauensschüler Ronald Weasley…", erklang Dumbledores Stimme. Das war sein Stichwort. Mit hochrotem Kopf trat Ron nach vorne ans Rednerpult und lächelte verlegen Marie an, welche in der zweiten Reihe, gleich hinter den Professoren, saß.
„Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich übertreibe nicht, wenn ich sage,… dass der heutige Tag einer der aufregendsten und bedeutendsten in meiner bisherigen Vertrauensschüleramtszeit ist…"
Maximilian schaute entsetzt nach oben. Das war nicht die Rede, die er geschrieben hatte!
„Wenn man sich unseren neuen Gargoyle Adolf ansieht…"Unterdrücktes Lachen aus den deutschen Schülerreihen war zu vernehmen.
Ich hab's gewusst! Warum muss der erste (und wahrscheinlich letzte Gargoyle), dessen Einweihungsrede ich abhalten darf, den Namen eines Diktators haben? Warum?!
„…dann denke ich, kann man sehen, dass… die Architekten der Zauberkunstfachhochschule Edinburgh… eindrucksvoll bewiesen haben, zu welcher… Spitzenleistung sie fähig sind."
Maximilian von Hohenzollern wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Die Vorstellung Weasleys, welcher mit hochrotem Kopf und gebrochener Stimme, vollkommenen Blödsinn von sich gab, war an sich ja recht belustigend, aber die Art und Weise, in welcher Maximilian hier hintergangen wurde, würde nicht ohne Folgen bleiben und so starrte der deutsche Reinblüter den Rotschopf unheilvoll an, in der Hoffnung, dieser würde es sich vielleicht doch noch anders überlegen.
„…ist Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Dumbledore, zu verdanken. Adolf … strahlt mit seiner interessanten Architektur… Modernität, … ähm… Hoffnung,… Stolz und Zuversicht aus… Komponenten, die wir hier dringend brauchen."
Schallendes Gelächter erfüllte den Raum.
„Ich werde Weasley töten", zischte Maximilian.
„Warum? Doch wohl nicht, weil er seiner eigenen Rede den Vorzug gegeben hat, oder?" flüsterte ihm plötzlich Franziska von rechts ins Ohr.
Was zum Henker? Maximilian drehte sich wie in Zeitlupe zu ihr um. „Was soll das heißen?"
Franzi lächelte ihn verspielt an. „Nichts weiter. Nur, dass der Gryffindor weiß, was es heißt, den Rat einer Lady zu befolgen."
„Du kleines…"
Franzi legte ihm vielsagend ihren Zeigefinger auf die Lippen und steckte ihm beiläufig eine kleine Karte zu. „Tu' besser nichts, was du später bereust, Maximilian." Dann stand sie auf.
Maximilian starrte auf die weiße Karte in seiner Hand und öffnete sie vorsichtig.
Ich weiß, wer Malfoy vergiftet hat.
Maximilians Kopf schnellte nach oben und sein Blick bohrte sich ungläubig in Franzis Rücken. Sie hatte ihn in der Hand.
„…und damit möchte ich meine kleine Ansprache schließen. Ich wünschen allen ein möglichst stressfreies Schuljahr und viel Spaß beim anschließenden Büffet."
TBC
AN: So, war das jetzt genug Maximilian-Draco? Ich hoffe es hat euch gefallen Danke für die vielen, tollen Reviews!!! Naja, die Story ist zwar lang, aber hundert Kapitel werden es bestimmt nicht lol. Wir hoffen sie bis Weihnachten fertig zu haben (Ihr könnt euch schon auf was gefasst machen zwinker). Vielleicht machen wir aber noch ein paar Spin-off Chapter oder so nee Art Sequel….Mal sehen. Reviews are highly recommendable
