Kapitel
4
Männergespräch
Grissom
klopfte an Brass' Bürotür und trat ein. Der Captain
richtete sich in seinem Stuhl auf und schaute seinen Freund und
Kollegen prüfend an. Der CSI sah mitgenommen aus.
„Gibt es was Neues über den Ex-Mann?", fragte Grissom.
„Mr. Henderson wohnt ebenfalls in Las Vegas, ist aber bis morgen auf Geschäftsreise. Sagt seine Sekretärin. Wir überprüfen das. Und ihr? Was hat die Obduktion ergeben?"
„Den Verletzungen nach zu urteilen ist die Mutter vergewaltigt worden. Die Tochter nicht. Beide waren gefesselt, als sie erschossen wurden. Unter den Fingernägeln von Mrs. Henderson haben wir Hautpartikel gefunden – die einzige DNA, die wir haben. Für die Vergewaltigung hat der Täter ein Kondom benutzt, und die Haare, die wir am Tatort gefunden haben, gehören ausschließlich Mutter und Tochter."
Grissom ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Brass fallen und rieb sich die Schläfen.
„Migräne?", fragte Brass.
Grissom nickte und fuhr fort:
„Sara und Greg überprüfen noch die Fingerabdrücke, die Fußabdrücke und die Kugeln."
Grissom nahm einen Kugelschreiber von Brass' Schreibtisch und begann, am Klipp herumzuspielen. Brass lächelte.
„Und weshalb bist du hergekommen? Geht's um dein Dreamteam?"
Grissom sah überrascht auf.
„Sara und Greg?"
Brass nickte.
Grissom fixierte den Kugelschreiber in seiner Hand.
„Ich mag es nun mal nicht, wenn Persönliches zu Problemen bei der Arbeit führt."
Brass lachte.
„Gil, ich hatte nicht den Eindruck, dass Greg und Sara Probleme bei der Arbeit haben. Im Gegenteil. Zur Zeit haben sie eine der höchsten Erfolgsquoten im LVPD, und das, obwohl Greg ein Frischling ist. Sara …"
„Sara war doch früher nicht an ihm interessiert!"
Grissom feuerte den Kugelschreiber quer über Brass' Schreibtisch und verschränkte die Arme. Brass stand auf und schloss die Tür. Kopfschüttelnd setzte er sich auf den Stuhl neben Grissom.
„Und das wurmt dich?"
„Sie albern herum, sie flirten, sie haben ständig Körperkontakt – und sie haben zusammen geduscht!"
„Gil, das war zur Desinfektion, kein romantisches Spritzvergnügen …"
„Sie waren nackt, sie waren zusammen und Sara hat es offensichtlich genossen!"
Brass lachte lautlos in sich hinein. So in Rage hatte er seinen Freund in all den Jahren noch nie erlebt.
Grissom packte ihn am Arm.
„Ich glaube, sie sind zusammen. Was meinst du?"
„Ach, daher weht der Wind. Warum fragst du das nicht Catherine? Sie ist doch diejenige, wenn es ums Menschliche hier im Labor geht."
Grissom lehnte sich im Stuhl zurück und massierte seine Stirn.
„Catherine redet nicht mehr mit mir, seit ich die Einladung zu Lindsays Geburtstag verschwitzt habe. Ich war statt dessen auf dem großen Nevada-Kakerlakenrennen. Meine Kleinen haben es sogar bis in die Endrunde geschafft, stell dir das vor …"
Brass merkte, wie sich die Haare auf seinen Oberarmen aufstellten. Was fand Grissom bloß an diesem Ungeziefer?
„Nein", sagte er schnell, bevor Grissom noch weiter ausholen konnte.
Grissom schaute ihn fragend an.
„Nein, ich glaube nicht, dass sie zusammen sind. Das Geplänkel ist harmlos. Aber ganz und gar nicht harmlos ist, was du daraus machst. Schließlich bist du derjenige, der Sara immer und immer wieder abgewiesen hat. Was erwartest du? Dass sie abwartet, ob du dich irgendwann doch noch öffnest? Dass sie aus Liebe zu dir zugrunde geht? Hast du eigentlich bemerkt, wie schlecht es ihr ging, bevor sie so eng mit Greg befreundet war? Sie hat getrunken! Und jetzt, wo es ihr wieder besser geht und sie über dein Verhalten hinweg zu kommen scheint, spielst du dich so auf? Mit welchem Recht? Du hast doch zu Dr. Lurie gesagt, dass du deine Chance nicht ergreifen willst."
Brass merkte, wie seine Hände zitterten. Er holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Grissom schaute ihn mit offenem Mund an.
„DAS hast du gehört?"
„Ja, und nicht nur ich."
„Sara?"
Brass nickte.
Grissom stützte sein Gesicht in seine Hände.
„Ich bin so ein Idiot."
Brass biss sich auf die Zunge. Am liebsten hätte er seinen Freund geschüttelt. Wie konnte Grissom sich so eine Chance entgehen lassen? Was hätte er selbst dafür gegeben, an Grissoms Stelle zu sein. Er hätte Sara nicht abgewiesen. Oh nein. Er … Brass' Gedanken stoppten. Nein, in diese Richtung wollte er nicht weiterdenken. Vom ersten Tag an, als Sara auf Grissoms Ruf hin in Las Vegas aufgetaucht war, hatte sie eine seltsame Faszination auf Brass ausgeübt. Er hatte sich immer eingeredet, dass bloß väterliche Gefühle im Spiel waren, eine Art Beschützerinstinkt, hervorgerufen durch seine Schuldgefühle gegenüber Ellie und Holly Gribbs, doch wenn er ehrlich war …
„Jim?"
Brass zuckte zusammen.
„Hm?"
„Hast du gesehen, welche Ähnlichkeit Mrs. Henderson und ihre Tochter mit Sara haben?"
„Oh ja. Und ich hab kein gutes Gefühl, dass sie an diesem Fall arbeitet …"
TBC
