Kapitel 16
Küss mich

Brass ging den Gang entlang auf Grissoms Büro zu. Er sah Catherine vor Grissom stehen und mit ihren Armen fuchteln. Ihre Stimme hallte über Flur.

„Was hast du bloß getan, Gil? Sara ist gerade heulend an mir vorbei nach draußen gestürmt!"

Brass sprintete zu ihnen.

„Wo ist Sara hingelaufen?"

Catherine wirbelte herum.

„Nach draußen auf den Parkplatz, denke ich."

In diesem Moment klingelte das Handy des Captains. Er sah auf die Anzeige und nahm ab.

„Sara?"

Doch statt einer Antwort hörte Brass Sams Stimme, dann ein Scheppern, dann den Wortwechsel der beiden.

Grissom und Catherine starrten ihn an. Sie hatten ihn noch nie so erbleichen sehen.

„Bitte nicht", flüsterte Brass, drehte sich um und rannte los.

Grissom und Catherine holten ihn am Ausgang ein. Brass, presste sich seitlich an die Wand, lugte durch die Tür und entsicherte seine Waffe.

„Jackson ist bei ihr. Holt Verstärkung! Und seid vorsichtig, er ist bewaffnet."

Mit diesen Worten ließ er die beiden stehen und lief geduckt auf den Parkplatz. Im Schutze eines Wagens scannte er die Autoreihen. Am Rande des Parkplatzes sah er eine Bewegung und rannte, immer noch geduckt, weiter. Nun hörte er Saras Stimme, wenige Meter vor sich.

„Welcher Wagen denn?"

„Der rote da vorne. Und mach zu!"

„Au! Sam, ich bin umgeknickt! Verdammt, ich kann nicht auftreten."

„Weiber! Lass mal sehen …"

Brass hörte einen dumpfen Schlag, dann das Aufkeuchen des Mannes und einen Schuss. Er sah Sara aufspringen, doch Sam war schneller und brachte sie zu Fall. Nun stand er über ihr und richtete den Lauf seiner Pistole auf sie.

„Du elende Schlampe! Genau wie deine Doppelgängerin und ihre Göre. Na warte!"

Mit einem Satz war Brass neben ihm.

„Waffe runter, Jackson, oder ich schieße!"

Sam lachte.

„Na, wen haben wir denn da?"

Brass sah Sams Pistole ruckartig in seine Richtung zielen und die Mündung aufblitzen, drückte selbst ab und warf sich zur Seite. Zu spät. Ein stechender Schmerz durchzuckte seine rechte Schulter, dann spürte er den Aufprall auf dem Boden und sah seine Waffe davon schlittern.

Brass fluchte und blickte auf. Jackson stand immer noch zwischen ihm und Sara, lachte und zielte erneut auf ihn. Dann fiel ein Schuss.

Sam brach zusammen und Brass sah zu Sara. Sie starrte auf die Waffe in ihrer Hand und ließ sie fallen. Hinter Sara tauchten Cops auf, dahinter Grissom, Catherine, Nick, Warrick und Greg. In der Ferne ertönten Krankenwagensirenen.

Brass versuchte, sich aufzurichten, sackte jedoch sofort wieder zusammen. Er fasste an seine Schulter. Sie war voller Blut.

„Jim!" Sara sprang auf und kniete sich neben ihn.

„Halb so wild. Bei dir alles in Ordnung?", murmelte Brass. Seine Augenlider flatterten.

„Jim, bleib bei mir, hörst du?"

Er fühlte ihre Hand sanft an seine Wange schlagen und ihren Atem dicht über sich. Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Küss mich", flüsterte er.

Er spürte Saras Lippen und verlor das Bewusstsein.

Saras Kopf sank auf Brass' Brust. Hinter ihnen stoppte ein Krankenwagen, Türen öffneten sich, Schritte kamen näher, eine Trage wurde abgestellt.

„Sara, zur Seite", erklang eine bekannte Stimme.

Sie rückte ein Stück und sah zu, wie Hank und ein weiterer Sanitäter die Lebenszeichen von Brass checkten und die Wunde versorgten. Dann hievten sie den Captain auf die Trage und trugen ihn hinüber zum Wagen.

Sara stand schwankend auf und fühlte einen Arm um ihre Schultern. Es war Grissom.

„Wir fahren mit", sagte er zu Hank in einem Tonfall, der keine Widerrede duldete, schob Sara zur offenen Tür, half ihr in den Wagen, setzte sich neben sie und griff nach ihrer Hand.

Hank kletterte ebenfalls ins Innere und schloss die Tür. Der Krankenwagen raste los.

Während der Fahrt sagte keiner ein Wort. Sara starrte auf Brass und die Handgriffe, mit denen Hank seine Blutung zu stillen versuchte.

Im Krankenhaus angekommen, sahen Grissom und Sara hinterher, wie die Sanitäter mit Brass in der Notaufnahme verschwanden.

TBC