Kommentar: So, nach einem - na ja, mehr oder weniger - erholsamen Urlaub ging das Schreiben viel leichter... Hier habt ihr das dritte Kapitel - was so lange gedauert hat, weil ich erst einen ewig langen Monolog von Ryou geschrieben, aber dann doch lieber das Flashback eingefügt hab.
Der Teil ist für: Frodos Tochter, Yami-Saya, DragoCeri und alle anderen Reviewer!
3. Kapitel - Antworten
Schweigend folgte Bakura den anderen. Mariks Frage ging ihm nicht aus dem Kopf. Was hatte Ryou dazu bewegt, ihn zu ‚behalten'? Er hatte ihn gequält, dominiert und dazu gezwungen, sich gegen seine Freunde zu stellen. Und doch hatte er Shadi darum gebeten, den Millenniumsring behalten zu dürfen.
Immer wieder sah Ryou unsicher zu seinem Koibito zurück. Seit seinem ‚Gespräch' mit Marik war er stumm hinter ihnen her gelaufen, nicht einmal auf seine gedanklichen Fragen antwortete er. Schließlich hielt er den Ägypter am Ärmel fest und blickte ihm direkt in die lavendelfarbenen Augen. "Was hast du zu ihm gesagt?", wollte er wissen, die braunen Schokoladenaugen blickten bittend.
"Nichts besonderes. Ich hab ihm nur eine Frage gestellt", antwortete Marik und grinste sein übliches selbstsicheres Grinsen. "Lass ihn doch! Ist doch schön, wenn er uns mal in Ruhe lässt. Sein Getue geht mir nämlich ganz schön auf die Nerven." Ryou funkelte ihn an. "Dir mag es ja egal sein, mir aber nicht!", fauchte er und drehte sich herum, ging auf den Millenniumsgeist zu und blieb ein paar Meter vor ihm stehen.
"Kura? Was hast du? Ist alles in Ordnung?", fragte er besorgt, als Bakura bei ihm angekommen war. Er griff nach dem Arm des Größeren, verschränkte ihre Finger miteinander. Der Millenniumsgeist reagierte nicht. "Bakura? Bitte, sprich mit mir!", flehte er und sah hilflos zu Yugi nach vorne. Doch dieser konnte auch nicht mehr tun, als ratlos die Schultern zucken.
Einen Moment lang lief Ryou still neben Bakura her. Er machte sich ernsthaft Sorgen, denn er wusste aus Erfahrung, dass seine Zwillingsseele sonst nichts so leicht aus der Bahn werfen konnte. "Yugi?", rief er schließlich nach vorne blickte kurz darauf in die violetten Augen seines Klassenkameraden. "Wäre es arg schlimm, wenn ich jetzt mit Bakura nach Hause gehen würde? Ich meine, wir können doch auch morgen am Projekt weiter machen, oder?" Yugi, der sich auch ein wenig um den Millenniumsgeist sorgte, nickte. "Natürlich, Ryou, kein Problem! Ich denke, ihr werdet dann wohl auch nicht heute Abend zu Seto kommen, oder?" Der weißhaarige Junge schüttelte den Kopf. "Nein, ich denke nicht... Danke, Yugi, ich komm dann morgen früh zu dir, ja? Sagen wir... so um neun Uhr?" Ein erneutes Nicken des Kleinsten war Antwort genug.
Dezent räusperte sich Marik. Er hasste es, wenn man ihn ignorierte und dass auch noch wegen dieses räudigen, blöden, nichtsnutzigen, alten Geists! Dummer Ryou, was machte er sich auch sorgen um diesen Idioten! Sollte doch lieber froh sein, dass er mal Ruhe gab!
Dennoch wurde er sowohl von Ryou als auch von Yugi im Moment nicht beachtet. "Bis morgen dann", verabschiedete sich Yugi und warf noch einen nachdenklichen Blick auf den ungewohnt ruhigen Bakura. "Tschüss ihr beiden", sagte Ryou noch, händigte Yugi den vollgeknipsten Film aus und schenkte Marik und ihm ein freundliches Lächeln, ehe er sanft, aber bestimmt Bakura in entgegengesetzte Richtung drehte, um die nahegelegene U-Bahn-Station aufzusuchen, ungeachtet der Proteste des lavendeläugigen Ägypters.
Der Ringgeist bekam davon herzlich wenig mit und ließ sich ohne Gegenwehr von seinem Hikari die Straßen entlang führen. In Gedanken ging er die verschiedenen Möglichkeiten durch, die Ryou dazu bewogen haben könnten, ihn zu ‚behalten'.
Liebe konnte es zu diesem Zeitpunkt nicht gewesen sein. Ryou hatte zwar von seiner Existenz gewusst, aber das war eigentlich auch schon alles gewesen.
Mitleid? Nein, unwahrscheinlich, warum auch sollte der Junge Mitleid mit seinem Peiniger gehabt haben?
Aus einer Laune heraus? Unmöglich! Ryou war keiner, der sich unbedacht auf irgend etwas einließ! Er dachte immer gründlich nach, wog Vor- und Nachteile ab, bevor er eine Entscheidung fällte!
Allerdings verstand er auch nicht so ganz, warum er ausgerechnet Ryou als Zwillingsseele erhalten hatte. Der Junge und er hatten wirklich nichts gemeinsam! Ryou war ruhig und sensibel, immer freundlich. Er selbst das genaue Gegenteil.
Bei Yami und Yugi verstand er vollkommen, warum die beiden zusammengeblieben waren. Sie waren sich nicht nur in ihrem Wesen ähnlich, nein, sie kamen auch blenden miteinander aus, halfen sich gegenseitig.
Bakura bemerkte kaum, wie er zusammen mit Ryou in die U-Bahn stieg. Genau so wenig, wie dass er an ihrer Station wieder heraus, die Rolltreppe nach oben bis zu ihrem Haus geleitet wurde. Erst, als er spürte, wie er umsichtig aus seiner Jacke befreit wurde, nahm er seine Umgebung wieder bewusst wahr.
"Wieso..?", begann er, wurde aber unterbrochen als Ryou aufschreckte und ihn aus großen, besorgten Schokoladenaugen ansah. "Was ist los?", erkundigte er sich und strich eine weiße Haarsträhne seines Hikaris zurück. Die Besorgnis war auch in der sanften Stimme des Kleinere zu hören, als er entgegnete: "Das sollte ich lieber dich fragen! Du hast seit der kurzen Unterhaltung mit Marik kein Wort mehr gesagt! Und auf überhaupt nichts reagiert! Was hat er da mit dir gemacht?!"
"Oh... Nun, er hat nichts mit mir gemacht. Er hat mir eine Frage gestellt, die mir einfach nicht aus dem Kopf geht", antwortete Bakura wahrheitsgemäß und schenkte Ryou ein leichtes Lächeln. Erleichtert darüber, dass seine Zwillingsseele wieder zu sich gekommen war, schmiegte Ryou sich an ihn, schlang die Arme um seinen Nacken und hielt ihn fest, als befürchte er, er könnte sich in Luft auflösen, sollte er ihn auch nur eine Sekunde lang nicht halten. Um seinem Koibito die benötigte Sicherheit zu geben legte Bakura ihm die Arme um die Hüfte, streichelte beruhigend die Seiten.
"Was wollte er den von dir wissen?", fragte Ryou schließlich und löste sich langsam von Bakura, um ihm in die Augen blicken zu können. "Bitte?", hakte dieser ein wenig verwirrt nach, ehe er begriff. "Ach so! Na ja... er hat mich gefragt, wie es dazu kam, dass du den Millenniumsring behalten hast, als der Wächter der Millenniumsgegenstände die anderen wieder mit genommen hatte. Und... ich wusste die Antwort darauf nicht, das hat mich ein wenig nachdenklich gemacht. Ich meine, du hattest doch nun wirklich keinen Grund, mich zu behalten! Jedenfalls weiß ich keinen...", erklärte er und schon wieder schlich sich ein nachdenklicher Schimmer in die dunklen Augen.
Fast schon erleichtert seufzte Ryou auf, drückte dann einen flüchtigen Kuss auf die leicht geöffneten Lippen Bakuras, um ihn daran zu hindern, wieder in seine Gedankenwelt abzutauchen. "Warum hast du mich denn nicht gefragt, wenn du es wissen möchtest?", fragte er und grinste schief. Ein wenig verblüfft sah Bakura ihn erst an, dann lachte er leise. "Ich hab mir bis jetzt nie Gedanken darüber gemacht!", gestand er und schüttelte leicht den Kopf. "Erzähl mir, wie du dazu kamst, bitte!"
Ryou nickte, löste sich dann vollkommen von Bakura und entledigte sich seiner Jacke und den Schuhen. "Lass uns ins Wohnzimmer gehen, dass könnte ein kleines Bisschen dauern.", entschied er, ging allerdings zuerst in die Küche, um zwei Tassen heiße Schokolade zu machen. Bakura jedoch begab sich direkt ins Wohnzimmer, machte es sich auf der Couch bequem und wartete ab.
Nachdem Ryou sich zu ihm gesellt hatte, herrschte erst mal eine kurze Zeit Schweigen. "Hmm... gut, wo fang ich am besten an...", murmelte der weißhaarige Hikari und zog die Stirn kraus. "Am Anfang", warf Bakura schmunzelnd ein, was ihm einen leichten Knuff in die Seite einbrachte. "Okay... also..."
Flashback
Nachdenklich saß Ryou in einem weichen Sessel in seinem Zimmer auf Kaibas Luftschiff. Erst vor wenigen Minuten hatte Yugi ihn zusammen mit den anderen verlassen, um nach Mai zu sehen. Zuvor jedoch hatte ihm sein kleiner Klassenkamerad erzählt, was alles passiert war. Stirnrunzelnd blickte er nun auf den goldenen Millenniumsring in seiner Hand.
Er konnte sich überhaupt nicht an etwas von dem erinnern, was Yugi ihm erzählt hatte. Er wusste nur, dass er einmal Yugi während eines Duells gegenüber stand und unter starken Schmerzen litt, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, wie es dazu gekommen war. Doch davor und auch danach war alles in rabenschwarzer Dunkelheit getaucht.
Ryou hatte nicht alles von dem verstanden, was Yugi ihm - mit einigen Kommentaren seitens Joey, Tristan, Duke und Thea - erzählt hatte. Der Sache mit dem Millenniumsgeist war er sich dunkel bewusst, dass war schon mal vorgekommen, damals, im Königreich der Duellanten, wobei ihm auch dort Teile seiner Erinnerung fehlten.
Vorsichtig fuhr er mit der Spitze des Zeigefingers kaum wahrnehmbar die Konturen des Millenniumsrings nach. Das Metall war angenehm warm. Nur schemenhaft erinnerte er sich an den Geist des Rings, den er sah, als dieser sich mit Yami duellierte und ihn selbst, Yugi, Thea, Joey und Tristan als Spielkarten benutzte. Er sah ihm ähnlich, zumindest auf den ersten Blick. Doch Ryou hatte gleich die Unterschiede gesehen. Der Geist war größer als er und muskulöser, seine Züge waren nicht so sanft und weich wie bei ihm, die Frisur wilder, der Augenausdruck härter und unnachgiebiger.
Leise seufzend legte der weißhaarige Junge den Millenniumsgegenstand zur Seite und stand auf, trat an das Fenster heran und blickte hinaus in den dunkelblauen Himmel, an dem graue, bauschige Wolken dahinflogen. Er konnte schon schwach die ersten Sterne leuchten sehen. Ryou lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand neben dem Fenster und starrte den goldenen, großen Ring an. Er konnte sich nur schwer vorstellen, wie es sein musste, als Geist in einem Gegenstand leben und das schon seit fünftausend Jahren.
Er wurde durch das leise Geräusch der sich öffnenden Tür aus seinen Gedanken gerissen und erblickte den in Baumwollstoff eingehüllten Wächter der Millenniumsgegenstände. "Guten Abend, Ryou", wurde er begrüßt, was er mit einem halblauten "Hallo" erwiderte. Er bot Shadi einen Platz gegenüber dem Sessel an, setzte sich dann ebenfalls wieder hin. Noch bevor der Ägypter den Grund für seinen Besuch sagen konnte, fragte Ryou: "Shadi... kannst du mir etwas über den Geist des Millenniumsrings erzählen?"
Das braungebrannte Gesicht des Ägypter sowie dessen dunkle Augen spiegelten keine Regung wieder. "Ich soll dir etwas über den Grabräuber erzählen? Warum?" Ryou lächelte lieb. "Es interessiert mich. Warum kam er als Geist in den Millenniumsring? Und warum bin ausgerechnet ich seine Zwillingsseele?"
Einen kurzen Moment herrschte Schweigen im Zimmer. Dann lehnte Shadi sich zurück, machte es sich bequem, als hätte er die Absicht, lange Zeit zu bleiben. "Nun, wie gesagt, er war vor fünftausend Jahren ein berüchtigter Grabräuber. Ich weiß nicht, wie viele Gräber er geplündert hatte. Jedenfalls wurde er eines Nachts dabei erwischt, als er dabei war, die Millenniumsgegenstände zu entwenden. Die Palastwachen konnten ihn nicht entwaffnen und überwältigen, somit wurde er dabei getötet. Ich kann dir nicht sagen, warum seine Seele in den Millenniumsring gezogen wurde, ich denke, das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Ich kann dir auch nicht sagen, warum du als seine Zwillingsseele ausgesucht wurdest. Der Ring entscheidet darüber, er wählt die passende Person aus."
"Aber", warf Ryou ein, der gespannt den ruhigen Worten des Ägypters lauschte, "wir sind vollkommen verschieden! Das, was ich über ihn erfahren habe... das entspricht so gar nicht mir. Yami und Yugi, die beiden sind sich wirklich ähnlich, aber bei uns..." Hierauf konnte Shadi ihm keine Antwort geben. "Wie gesagt, der Ring wählt..."
"Was ist mit Yami? Ich meine, du willst doch die Millenniumsgegenstände wieder mitnehmen und sicher verwahren, oder? Wirst du denn auch Yugi und Yami trennen?", fragte der weißhaarige Junge, ließ sich dabei nicht anmerken, woran er dachte. Der Wächter schüttelte den Kopf. "Nein, Yugi und der Pharao bleiben zusammen. Zum einen weil der Pharao es so wünscht, zum anderen, weil ich keinen Grund sehe die beiden jetzt zu trennen." "Hmm...", machte Ryou, blickte nachdenklich ins Leere.
Fast mechanisch griff er nach dem Millenniumsring, genoss das schwere, warme Gewicht des Metalls in seinen Händen. Er erinnerte sich noch genau daran, wie er ihn von seinem Vater bekommen hatte, nachdem dieser nach ewig langer Zeit wieder aus Ägypten zurück kam. Schon damals hatte er gefühlt, dass dieses Schmuckstück etwas ganz besonderes war - nur wie besonders hatte er erst viel später begriffen.
Leise seufzend ließ er den goldenen Ring wieder auf das kleine Tischchen gleiten. "Shadi..", begann er, holte noch einmal tief Luft. "Ich... würde gerne noch über etwas nachdenken... wegen dem Ring und der ganzen Situation überhaupt. Es ist noch so verwirrend... Ich weiß gar nicht mehr, was ich von der ganzen Sache halten soll!" Der ruhige Ägypter nickte verstehend mit dem Kopf. "Es eilt nicht, ich bin noch etwas länger hier. Ich werde morgen früh zu dir kommen, einverstanden?" Dankbar nickte Ryou, schenkte seinem älteren Gegenüber ein freundliches Lächeln.
Es war mittlerweile schon weit nach Mitternacht, doch Ryou konnte einfach nicht schlafen. Eine Zeit lang hatte er sich unruhig im Bett gewälzt, bis er schließlich entnervt aufgestanden war. Er hatte sich etwas zu Trinken geholt und saß nun schon mehrere Stunden mit unterschlagenen Beinen auf dem Sofa, betrachtete den warm schimmernden Millenniumsring, welcher auf dem Tisch lag.
Inzwischen wünschte er sich, er hätte Shadi nicht nach dem Ringgeist gefragt, denn jetzt kreisten seine Gedanken nur noch um ihn. Unterdessen wunderte er sich schon gar nicht mehr darüber, dass sein Geist so war, wie er war. Konnte man den nach 5000-jähriger Einsamkeit anders sein?
Er wusste, wie es war, wenn man alleine war. Sein Vater war ständig unterwegs, monatelang in fremden Ländern. Einsamkeit war das schlimmste, was einem wiederfahren konnte! Selbst wenn man Freunde hatte, mit denen man gut auskam, war es doch nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, dass man hatte, wenn man wusste, dass zuhause jemand auf einen wartete, dass das Haus nicht kalt und leer war, wenn man aufschloss, dass jemand da war, der sich um einen kümmerte und um den man sich kümmern konnte.
Vorsichtig, als würde das Artefakt bei der falschen Berührung in abertausende Splitter zerbersten, nahm Ryou den Millenniumsring in die Hand strich über die Konturen. Konnte der Geist fühlen, dass er den Ring in der Hand hielt? Spürte er die Berührungen, als würde er ihm direkt über die Haut streichen? Nahm er die Bewegungen wahr? Konnte er hören, was um ihn herum gesprochen wurde?
Sachte schüttelte er den Ring. "Hey, du!", rief er halblaut und kam sich dabei unbeschreiblich blöd vor. Was dachte er sich eigentlich dabei? Oder noch besser: was würden sich die anderen dabei denken, sollten sie irgend etwas davon mit bekommen?
Er schüttelte den Millenniumsring ein wenig heftiger. "Hey, hörst du mich?", fragte er und musste dabei über sich selbst leicht lachen. Nein, wie bescheuert...
Plötzlich nahm er eine undeutliche, verschwommene Bewegung neben sich wahr und drehte ruckartig den Kopf herum. Erschrocken wurden die schokobraunen Augen aufgerissen und er rutschte hastig bis zur Armlehne zurück, als er die leicht durchschimmernde Gestalt des Millenniumsgeistes sah, welcher ihn nicht gerade erfreut anfunkelte.
"Was soll das Theater? Kann man sich hier nach all dem Stress nicht mal in Ruhe ausschlafen? Also was willst du?", knurrte er und strich sich mit einer Hand die Haare ein wenig aus dem Gesicht. "Ähm...." Ryou war zu verblüfft, um mehr heraus zu bekommen. "Macht es dir spaß, mich zu nerven? Nicht nur, dass du schon die ganze Zeit hier rum rennst und so aufgewühlt bist, dass ich es auch ohne direkte Verbindung bemerke, willst du neuerdings, dass ich kotzen muss? Hör gefälligst auf damit, klar?!"
Während er sprach, wurde er immer blasser und Ryou begriff, dass der Geist sich wieder in den Ring zurückziehen wollte. "Hey, du! Warte!" Schnell schoss er nach vorne, griff nach dem Handgelenk des Größeren - und erwischte nur Luft. "Was?!" "Idiot!", murrte der Geist, der durch die missglückte Aktion Ryous wieder sichtbarer wurde und starrte den weißhaarigen Jungen durchdringend an.
Einen Augenblick lang herrschte Stille zwischen ihnen und Ryou nutzte den Augenblick um sich den Millenniumsgeist genauer anzusehen. Das weiße Haar schien noch wilder zu sein als bei ihrer ersten Begegnung und die braunen Augen blickten Müde, leichter Schatten lag unter ihnen. Scheinbar hatten auch Geister Schlaf bitter nötig...
"Bakura", brach der Größere der beiden schließlich die Stille und Ryou blickte ihn fragend an. "Du sollst aufhören, mich immer nur mit ‚Hey, du' anzusprechen! Nenn mich Bakura!" "Oh... Okay, gut, Bakura", sagte Ryou mit einem leichten Lächeln. "Tut mir leid wegen vorhin", entschuldigte er sich für das Schütteln des Ringes, welches den Innewohnenden wohl tatsächlich durchgerüttelt hatte. "Ich wusste nicht, dass du das bemerkst."
Einen Moment lang blickte Bakura den Jungen mit undeutbarem Blick an, als überlegte er, ob diese Entschuldigung erst gemeint war. Mit einem leichten Nicken deutete er dann an, dass er sie akzeptierte und setzte sich in den Sessel dem Sofa gegenüber. "Also, was willst du von mir?", griff er wieder die anfängliche Frage auf.
"Oh! Eigentlich nichts besonderes... Ich war nur ein wenig neugierig auf dich... Ich meine, wir haben uns ja nur mal ganz kurz ‚getroffen' und... ach, ich weiß nicht, ich hatte das Gefühl, dich kennen lernen zu müssen... Tut mir leid, dass ich dich gestört hatte!" Ryou war leicht rot geworden und wusste nur zu genau, dass er gerade nur unzusammenhängendes von sich gab, was Bakura wohl kaum verstehen konnte. Und überhaupt, warum sollte er ihn den kennen lernen wollen?!
Entgeistert starrte der Geist ihn an. Dann schüttelte er den Kopf. "Veralbern kann ich mich selbst!", knurrte er und entmaterialisierte sich, Ryou ignorierend, der aufgesprungen war und scheinbar erneut nach ihm greifen wollte. Warum sollte sein Hikari ihn denn jetzt noch kennen lernen wollen, schließlich würde er ihn, jetzt, wo der Pharao die Welt gerettet hatte, wieder in die Obhut Shadis geben!
Ryou konnte nichts anderes tun, als hilflos mit anzusehen, wie Bakura wieder verschwand. Er war sich sicher, einen kurzen Moment die Traurigkeit und Verletztheit in den dunkelbraunen Augen des Größeren gesehen zu haben. Ganz kurz zwar, aber dennoch eine Gefühlsregung.
Seufzend ließ er sich zurück aufs Sofa fallen, streckte sich leicht. Dieses ‚Gespräch' hatte ihm nun wirklich nicht helfen können... Langsam bemerkte auch er die Müdigkeit, die in ihm aufstieg. Vielleicht war es besser, einfach mal eine Nacht darüber zu schlafen?! Kaum zuende gedacht erhob er sich, streifte sich Hose, Socken und T-Shirt ab, um sich nur noch ihn Unterwäsche gekleidet unter die Bettdecke ins kühle Laken zu krabbeln. Er fröstelte leicht und eine Gänsehaut überzog den zierlichen Körper.
Doch beinahe sofort als er den Kopf ins Kissen schmiegte, schlief er ein.
Schrilles Piepen riss ihn am nächsten Morgen aus seinen Träumen, an die er sich sowieso nicht mehr erinnern konnte. Gähnend räkelte er sich, strampelte dabei mit den Füßen die Decke zur Seite. Noch nicht ganz wach rieb er sich den restlichen Schlaf aus den Augen, schwang dann die Beine zur Seite und stand auf. Nach kurzer Wäsche schlüpfte er in seine Kleidung und schloss gerade seine Hose, als die Tür aufging und Yugi herein kam.
"Guten Morgen, Ryou!", rief der Kleine ihm gut gelaunt entgegen und lächelte sein typisches Lächeln. Die dreifarbige Stachelfrisur war noch ein wenig verwuschelt, scheinbar war auch dieser vor noch nicht allzu langer Zeit aufgestanden. "Guten Morgen Yugi", erwiderte der weißhaarige Junge und errötete leicht, als sich mit lautem Knurren sein Magen bemerkbar machte.
Yugi lachte leise und hielt die Tür offen. "Ich bin auch gekommen, um dich zum Frühstück ab zu holen. Die anderen warten schon im Saal auf dich. Oh, Mokuba und Kaiba fehlen auch noch, aber ich glaube nicht, dass die beiden mit uns essen werden." Nun lachte auch der weißhaarige Junge, während er Yugi den Flur entlang folgte. "Das bezweifle ich auch! Kaiba ist sicherlich nicht gerade erfreut darüber, dass er erneut gegen dich verloren hat, Yugi. Wahrscheinlich wird er noch lange Zeit schmollen."
"Ja, vermutlich hast du damit recht", stimmte Yugi zu, kurz bevor die beiden Hikaris das Speisezimmer betraten. Joey, Tristan, Tea, Serenity und Duke warteten schon auf die beiden, von Mai, Odeon, Marik und Ishizu war noch nichts zu sehen. "Guten Morgen!", grüßte Ryou die anderen, setzte sich auf den freien Platz zwischen Tristan und Duke, während sich Yugi neben Joey nieder ließ. "Guten Morgen", kam es beinahe einstimmig von den anderen zurück, was kollektives Gelächter auslöste.
"Nun ja, da wir jetzt endlich vollständig sind..", begann Joey und rieb sich mit fröhlichem grinsen die Hände. "..können wir ja endlich anfangen! Guten Appetit!!" Schneller, als man gucken konnte hatte sich der blonde Duellant den Teller vollgeschaufelt und begann mit dem Frühstück. Tristan schüttelte nur den Kopf über seinen Kumpel, Serenity und Yugi lachten. Nach und nach bediente sich jeder an dem wirklich umfangreichen Frühstückstisch und bald schon herrschte gefräßige Stille, einzig durch das Geklapper des Geschirrs unterbrochen.
"Puuuuuh! Ich kann nicht mehr!" Pappsatt ließ Joey sich nach hinten fallen, rieb sich über den wohlgenährten Bauch. Ryou konnte nur leicht den Kopf schütteln. "Kein Wunder, du hast auch ganz schön viel gegessen", tadelte Yugi und grinste, als der Blondschopf einen auf beleidigt tat. Tristan piekte Joey in die Seite, kitzelte ihn so lange, bis dieser in loslachte und Lachtränen über seine geröteten Wangen liefen.
"Also wirklich, könnt ihr euch nicht ein mal nicht wie kleine Kinder benehmen", erklang die unterkühlte, beherrschte Stimme Kaibas, was zur folge hatte, dass sich Joeys sonst so freundliche Augen wütend funkelnd auf den Chef der Kaiba Corporation richtete. "Dir auch einen schönen Guten Morgen, Kaiba", schoss er zurück. "Ganz ruhig, Joey", hielt Serenity ihren Bruder zurück, dessen überschäumendes Temperament ihn beinahe wieder am überkochen war.
Ein süffisantes Grinsen legte sich auf Kaibas Lippen, als er Joey aus eisblauen Augen musterte. "Wie heißt es doch so schön, Wheeler: Hunde die Bellen beißen nicht. Aber eigentlich bin ich nur her gekommen, um bescheid zu geben, dass wir in zwei Stunden landen werden." Ohne weiteres Abzuwarten drehte sich der braunhaarige Duellant herum und verließ den Raum.
Joey plusterte die Backen auf und stieß anschließend zischen die Luft aus. "Dieser...!!", knurrte er und ballte die Hände zu Fäusten. "Nur nicht aufregen, Joey", beruhigte ihn Tristan und Yugi fügte noch ein "Er ist es nicht wert" hinzu. "Kam mir das nur so vor oder verging der Rückflug wirklich schneller?", wechselte Duke das Thema, spielte dabei abwesend mit seinem Würfelohrring. "Mir scheint es auch so, dass der Rückflug schneller verging", stimmte Thea zu, während die anderen sich schon erhoben. Schließlich musste man nicht die ganze Zeit am Frühstückstisch sitzen.
"Du, Yugi, kann ich dich mal kurz sprechen?", wandte sich Ryou an den Kleineren, welcher ihn anlächelte und zustimmte. "Natürlich. Komm, gehen wir ein Stückchen." Gemeinsam verließen sie den Raum, gingen den Flur entlang. "Ich weiß, die Frage ist bestimmt ein bisschen komisch, aber... wie ist das so mit Yami und dir? Ich meine, ich und Bakura haben ja nicht gerade viel Zeit damit verbracht, uns kennen zu lernen oder so... und... ach, ich weiß nicht..." Mit einem leichten Schulterzucken beendete er seinen Satz.
Yugi schwieg einen kurzen Moment, ehe er antwortete. "Ich weiß nicht, ob ich dir die Beziehung zu Yami so gut erklären kann. Es ist... Er ist immer für mich da, egal wann und egal worum es geht, ich kann immer zu ihm kommen. Er versteht mich, hört mir zu, genau so, wie ich ihm zuhöre. Zu wissen, dass er da ist, macht vieles leichter, weil ich mir sicher sein kann, dass er mir immer helfen wird. Er ist für mich ein genau so lieber und wichtiger Freund wie Joey oder die anderen."
Einen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden Jungen und jeder dachte über das nach, was Yugi gerade gesagt hatte. Schließlich lächelte Ryou den violettäugigen Duellanten freundlich an. "Es muss schön sein, zu wissen, dass immer jemand da ist. Weißt du, ich hab letzte Nacht nachgedacht. Ich meine, über die Situation im Ganzen.. Shadi war noch bei mir, wegen des Millenniumsrings. Ich dachte daran, wie es sein muss, Jahrtausende alleine in einem Schmuckstück gefangen zu sein und... Ich verstehe Bakura! Damit will ich nicht sagen, dass ich okay finde, wie er sich verhält und so, aber ich verstehe ihn. Es muss die Hölle sein, alleine und in der Dunkelheit gefangen zu sein..."
Er machte eine kleine Pause, blickte Yugi nicht an sondern sah aus einem der vielen Fenster des Luftschiffes. "Ich weiß, ihr macht euch sorgen darüber, wie Bakura mich behandelt und wie er sich immer verhält. Nachdem, was ihr mir über ihn erzählt habt, scheint er wirklich nicht der angenehmste Zeitgenosse zu sein. Aber... und darüber hab ich wirklich gründlich nachgedacht... ich will ihn nicht an Shadi zurück geben! Ich mein, es muss einen Grund geben, warum er zum Geist wurde, warum ich seine Zwillingsseele bin! Ich.. ich hab das Gefühl, ihn sehr zu verletzen, wenn ich ihn jetzt in Shadis Obhut gebe, als würde ich ihn damit verraten. Ich erwarte auch gar nicht, dass ihr das versteht... Und ich wollte es dir auch nur sagen, weil ich denke, dass du und Yami ein Recht habt, dass zu wissen... und ich... noch eine Bitte an euch habe. Falls das mit Bakura nicht funktionier, also, ich meine damit, falls er sich weiterhin so verhält wie er es tat, werde ich ihn an Shadi übergeben. Aber da ich nicht glaube, dass Bakura das zulässt, werde ich vielleicht - oder höchstwahrscheinlich - eure Hilfe brauchen... wenn es euch nichts ausmacht."
Erneut breitete sich Stille zwischen den beiden Klassenkameraden aus. Als Ryou einen kurzen Blick zu Yugi riskierte, meinte er sogar zu spüren, wie es in dem Kleineren arbeitete. Rasch richtete er seine Augen jedoch wieder auf das grau-weiße Wolkenmeer, dass vor dem Fenster vorbei zog. Erst ein leises Seufzen seitens Yugi brachte ihn dazu, ihn wieder anzusehen. "Ich verstehe zwar nicht, wie du nach all dem, was passiert ist, so etwas tun kannst, aber ich respektiere deinen Wunsch und natürlich helfe ich dir, sollte es Probleme geben! Ich hoffe, dass es gut geht..."
Erleichtert sah Ryou Yugi an. "Danke! Nun.. ich sollte wohl noch mit Shadi darüber reden..." Mit einem Lächeln wandte er sich von dem Jungen mit der stacheligen Frisur ab, ging ein paar Schritte, um wieder stehen zu bleiben und zurück zu blicken. "Weißt du, Yugi, irgendwie hab ich das Gefühl, dass dieses Mal alles gut gehen wird!"
Flashback Ende
Nachdem Ryou geendet hatte, herrschte lange Zeit Schweigen zwischen den beiden weißhaarigen Jungen. "Du hast mir schon damals alles verziehen, oder?", brach Bakura die Stille. Der Kleinere kuschelte sich enger an ihn und so spürte dieser das Nicken mehr als dass er es sah. "Ich hab mich zu jener Zeit nur kurz gewundert, warum du mich nicht Shadi mitgegeben hast, aber dann hatte ich das alles verdrängt und es genossen, zumindest etwas Freiheit zu haben. Als ich mich dann nach und nach in dich verliebt habe, war es mir so oder so egal gewesen, ab da zählte nur noch, dass du mich nicht irgend wann doch von dir stoßen würdest."
Heftig schüttelte Ryou den Kopf. "Niemals! Ich könnte dich niemals wieder gehen lassen. Anfangs hatte ich zwar etwas angst, dass alles zwischen uns wieder so werden würde wie es von Anfang an war, doch als du dich dann mit mir unterhalten hast, als du anfingst, ein Freund für mich zu sein, da wusste ich, dass ich richtig entschieden hatte!" Er richtete sich auf und blickte Bakura fest in die Augen. "Ich liebe dich, Bakura, und es ist mir völlig egal, was anfangs alles zwischen uns schief gelaufen ist. Mir reicht es, wenn du so bleibst, wie du jetzt bist; dass du mich nicht alleine lässt und immer für mich da bist. Mehr brauch ich nicht, mehr verlange ich nicht."
Der Kuss, den er auf die Lippen des Größeren drückte war sanft und voller Zärtlichkeit, sollte er doch all seine Gefühle in ihm wiederspiegeln. Die Arme um die schlanke Taille seines Hikaris geschlungen drückte er diesen an sich. Nachdrückliches Magengrummeln zerstörte allerdings die aufkommende Leidenschaft der beiden.
Ryous Wangen färbten sich tomatenrot und Bakura lachte leise. "Das ist nicht lustig", schmollte der Kleinere, boxte den Grabräuber spielerisch gegen die Schulter. Einen Blick auf die Wohnzimmeruhr werfend löste er sich von Bakura. "Was?! Schon so spät? Kein Wunder, dass ich Hunger habe!", entfuhr es ihm dann.
"Du wirst doch jetzt nicht noch in die Küche stehen und kochen wollen?", erkundigte sich Bakura, der sich ebenfalls nach der Uhr umgesehen hatte. Er hatte ebenso wenig wie sein Hikari bemerkt, wie die Stunden an ihnen vorbei geflogen sind. Nun war es kurz nach fünf und seit dem hastigen Frühstück hatten beide nichts mehr zu sich genommen.
"Doch, eigentlich schon", erwiderte Ryou verwundert. "Was dachtest du denn?" Bakura räkelte sich leicht. "Nun, mir schwebt da noch im Ohr, dass Kaiba ein Abendessen gibt..." "'Stilvolles' Abendessen", korrigierte Ryou und grinste. "Du meinst also, wir sollten Seto unsere Aufwartung machen, ja?" Der Millenniumsgeist nickte. "Natürlich! Der wird sich das sicherlich einiges kosten lassen und was spricht schon gegen ein solches Essen?"
Der Schüler lachte. "Okay. Ich sag Yugi bescheid, dass wir doch kommen werden und dann such ich dir einen Anzug raus. Die alten von meinem Vater dürften dir passen." Er gab seinem Koibito noch eine liebevollen Kuss und verließ dann das Wohnzimmer.
Kapitel 3 - Ende
Also.. ich bin nicht gänzlich mit diesem Kapitel zufrieden. grummel Ich hab so viel daran herumverbessert, aber irgendwie ist es trotzdem nicht so geworden, wie ich wollte. Lag vielleicht auch daran, dass ich so nervös war, weil ich das Ergebnis meiner Aufnahmeprüfung abwarten musste
Na ja, zumindest war's das jetzt und bald geht's weiter mit Kapitel 4.
Der Teil ist für: Frodos Tochter, Yami-Saya, DragoCeri und alle anderen Reviewer!
3. Kapitel - Antworten
Schweigend folgte Bakura den anderen. Mariks Frage ging ihm nicht aus dem Kopf. Was hatte Ryou dazu bewegt, ihn zu ‚behalten'? Er hatte ihn gequält, dominiert und dazu gezwungen, sich gegen seine Freunde zu stellen. Und doch hatte er Shadi darum gebeten, den Millenniumsring behalten zu dürfen.
Immer wieder sah Ryou unsicher zu seinem Koibito zurück. Seit seinem ‚Gespräch' mit Marik war er stumm hinter ihnen her gelaufen, nicht einmal auf seine gedanklichen Fragen antwortete er. Schließlich hielt er den Ägypter am Ärmel fest und blickte ihm direkt in die lavendelfarbenen Augen. "Was hast du zu ihm gesagt?", wollte er wissen, die braunen Schokoladenaugen blickten bittend.
"Nichts besonderes. Ich hab ihm nur eine Frage gestellt", antwortete Marik und grinste sein übliches selbstsicheres Grinsen. "Lass ihn doch! Ist doch schön, wenn er uns mal in Ruhe lässt. Sein Getue geht mir nämlich ganz schön auf die Nerven." Ryou funkelte ihn an. "Dir mag es ja egal sein, mir aber nicht!", fauchte er und drehte sich herum, ging auf den Millenniumsgeist zu und blieb ein paar Meter vor ihm stehen.
"Kura? Was hast du? Ist alles in Ordnung?", fragte er besorgt, als Bakura bei ihm angekommen war. Er griff nach dem Arm des Größeren, verschränkte ihre Finger miteinander. Der Millenniumsgeist reagierte nicht. "Bakura? Bitte, sprich mit mir!", flehte er und sah hilflos zu Yugi nach vorne. Doch dieser konnte auch nicht mehr tun, als ratlos die Schultern zucken.
Einen Moment lang lief Ryou still neben Bakura her. Er machte sich ernsthaft Sorgen, denn er wusste aus Erfahrung, dass seine Zwillingsseele sonst nichts so leicht aus der Bahn werfen konnte. "Yugi?", rief er schließlich nach vorne blickte kurz darauf in die violetten Augen seines Klassenkameraden. "Wäre es arg schlimm, wenn ich jetzt mit Bakura nach Hause gehen würde? Ich meine, wir können doch auch morgen am Projekt weiter machen, oder?" Yugi, der sich auch ein wenig um den Millenniumsgeist sorgte, nickte. "Natürlich, Ryou, kein Problem! Ich denke, ihr werdet dann wohl auch nicht heute Abend zu Seto kommen, oder?" Der weißhaarige Junge schüttelte den Kopf. "Nein, ich denke nicht... Danke, Yugi, ich komm dann morgen früh zu dir, ja? Sagen wir... so um neun Uhr?" Ein erneutes Nicken des Kleinsten war Antwort genug.
Dezent räusperte sich Marik. Er hasste es, wenn man ihn ignorierte und dass auch noch wegen dieses räudigen, blöden, nichtsnutzigen, alten Geists! Dummer Ryou, was machte er sich auch sorgen um diesen Idioten! Sollte doch lieber froh sein, dass er mal Ruhe gab!
Dennoch wurde er sowohl von Ryou als auch von Yugi im Moment nicht beachtet. "Bis morgen dann", verabschiedete sich Yugi und warf noch einen nachdenklichen Blick auf den ungewohnt ruhigen Bakura. "Tschüss ihr beiden", sagte Ryou noch, händigte Yugi den vollgeknipsten Film aus und schenkte Marik und ihm ein freundliches Lächeln, ehe er sanft, aber bestimmt Bakura in entgegengesetzte Richtung drehte, um die nahegelegene U-Bahn-Station aufzusuchen, ungeachtet der Proteste des lavendeläugigen Ägypters.
Der Ringgeist bekam davon herzlich wenig mit und ließ sich ohne Gegenwehr von seinem Hikari die Straßen entlang führen. In Gedanken ging er die verschiedenen Möglichkeiten durch, die Ryou dazu bewogen haben könnten, ihn zu ‚behalten'.
Liebe konnte es zu diesem Zeitpunkt nicht gewesen sein. Ryou hatte zwar von seiner Existenz gewusst, aber das war eigentlich auch schon alles gewesen.
Mitleid? Nein, unwahrscheinlich, warum auch sollte der Junge Mitleid mit seinem Peiniger gehabt haben?
Aus einer Laune heraus? Unmöglich! Ryou war keiner, der sich unbedacht auf irgend etwas einließ! Er dachte immer gründlich nach, wog Vor- und Nachteile ab, bevor er eine Entscheidung fällte!
Allerdings verstand er auch nicht so ganz, warum er ausgerechnet Ryou als Zwillingsseele erhalten hatte. Der Junge und er hatten wirklich nichts gemeinsam! Ryou war ruhig und sensibel, immer freundlich. Er selbst das genaue Gegenteil.
Bei Yami und Yugi verstand er vollkommen, warum die beiden zusammengeblieben waren. Sie waren sich nicht nur in ihrem Wesen ähnlich, nein, sie kamen auch blenden miteinander aus, halfen sich gegenseitig.
Bakura bemerkte kaum, wie er zusammen mit Ryou in die U-Bahn stieg. Genau so wenig, wie dass er an ihrer Station wieder heraus, die Rolltreppe nach oben bis zu ihrem Haus geleitet wurde. Erst, als er spürte, wie er umsichtig aus seiner Jacke befreit wurde, nahm er seine Umgebung wieder bewusst wahr.
"Wieso..?", begann er, wurde aber unterbrochen als Ryou aufschreckte und ihn aus großen, besorgten Schokoladenaugen ansah. "Was ist los?", erkundigte er sich und strich eine weiße Haarsträhne seines Hikaris zurück. Die Besorgnis war auch in der sanften Stimme des Kleinere zu hören, als er entgegnete: "Das sollte ich lieber dich fragen! Du hast seit der kurzen Unterhaltung mit Marik kein Wort mehr gesagt! Und auf überhaupt nichts reagiert! Was hat er da mit dir gemacht?!"
"Oh... Nun, er hat nichts mit mir gemacht. Er hat mir eine Frage gestellt, die mir einfach nicht aus dem Kopf geht", antwortete Bakura wahrheitsgemäß und schenkte Ryou ein leichtes Lächeln. Erleichtert darüber, dass seine Zwillingsseele wieder zu sich gekommen war, schmiegte Ryou sich an ihn, schlang die Arme um seinen Nacken und hielt ihn fest, als befürchte er, er könnte sich in Luft auflösen, sollte er ihn auch nur eine Sekunde lang nicht halten. Um seinem Koibito die benötigte Sicherheit zu geben legte Bakura ihm die Arme um die Hüfte, streichelte beruhigend die Seiten.
"Was wollte er den von dir wissen?", fragte Ryou schließlich und löste sich langsam von Bakura, um ihm in die Augen blicken zu können. "Bitte?", hakte dieser ein wenig verwirrt nach, ehe er begriff. "Ach so! Na ja... er hat mich gefragt, wie es dazu kam, dass du den Millenniumsring behalten hast, als der Wächter der Millenniumsgegenstände die anderen wieder mit genommen hatte. Und... ich wusste die Antwort darauf nicht, das hat mich ein wenig nachdenklich gemacht. Ich meine, du hattest doch nun wirklich keinen Grund, mich zu behalten! Jedenfalls weiß ich keinen...", erklärte er und schon wieder schlich sich ein nachdenklicher Schimmer in die dunklen Augen.
Fast schon erleichtert seufzte Ryou auf, drückte dann einen flüchtigen Kuss auf die leicht geöffneten Lippen Bakuras, um ihn daran zu hindern, wieder in seine Gedankenwelt abzutauchen. "Warum hast du mich denn nicht gefragt, wenn du es wissen möchtest?", fragte er und grinste schief. Ein wenig verblüfft sah Bakura ihn erst an, dann lachte er leise. "Ich hab mir bis jetzt nie Gedanken darüber gemacht!", gestand er und schüttelte leicht den Kopf. "Erzähl mir, wie du dazu kamst, bitte!"
Ryou nickte, löste sich dann vollkommen von Bakura und entledigte sich seiner Jacke und den Schuhen. "Lass uns ins Wohnzimmer gehen, dass könnte ein kleines Bisschen dauern.", entschied er, ging allerdings zuerst in die Küche, um zwei Tassen heiße Schokolade zu machen. Bakura jedoch begab sich direkt ins Wohnzimmer, machte es sich auf der Couch bequem und wartete ab.
Nachdem Ryou sich zu ihm gesellt hatte, herrschte erst mal eine kurze Zeit Schweigen. "Hmm... gut, wo fang ich am besten an...", murmelte der weißhaarige Hikari und zog die Stirn kraus. "Am Anfang", warf Bakura schmunzelnd ein, was ihm einen leichten Knuff in die Seite einbrachte. "Okay... also..."
Flashback
Nachdenklich saß Ryou in einem weichen Sessel in seinem Zimmer auf Kaibas Luftschiff. Erst vor wenigen Minuten hatte Yugi ihn zusammen mit den anderen verlassen, um nach Mai zu sehen. Zuvor jedoch hatte ihm sein kleiner Klassenkamerad erzählt, was alles passiert war. Stirnrunzelnd blickte er nun auf den goldenen Millenniumsring in seiner Hand.
Er konnte sich überhaupt nicht an etwas von dem erinnern, was Yugi ihm erzählt hatte. Er wusste nur, dass er einmal Yugi während eines Duells gegenüber stand und unter starken Schmerzen litt, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, wie es dazu gekommen war. Doch davor und auch danach war alles in rabenschwarzer Dunkelheit getaucht.
Ryou hatte nicht alles von dem verstanden, was Yugi ihm - mit einigen Kommentaren seitens Joey, Tristan, Duke und Thea - erzählt hatte. Der Sache mit dem Millenniumsgeist war er sich dunkel bewusst, dass war schon mal vorgekommen, damals, im Königreich der Duellanten, wobei ihm auch dort Teile seiner Erinnerung fehlten.
Vorsichtig fuhr er mit der Spitze des Zeigefingers kaum wahrnehmbar die Konturen des Millenniumsrings nach. Das Metall war angenehm warm. Nur schemenhaft erinnerte er sich an den Geist des Rings, den er sah, als dieser sich mit Yami duellierte und ihn selbst, Yugi, Thea, Joey und Tristan als Spielkarten benutzte. Er sah ihm ähnlich, zumindest auf den ersten Blick. Doch Ryou hatte gleich die Unterschiede gesehen. Der Geist war größer als er und muskulöser, seine Züge waren nicht so sanft und weich wie bei ihm, die Frisur wilder, der Augenausdruck härter und unnachgiebiger.
Leise seufzend legte der weißhaarige Junge den Millenniumsgegenstand zur Seite und stand auf, trat an das Fenster heran und blickte hinaus in den dunkelblauen Himmel, an dem graue, bauschige Wolken dahinflogen. Er konnte schon schwach die ersten Sterne leuchten sehen. Ryou lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand neben dem Fenster und starrte den goldenen, großen Ring an. Er konnte sich nur schwer vorstellen, wie es sein musste, als Geist in einem Gegenstand leben und das schon seit fünftausend Jahren.
Er wurde durch das leise Geräusch der sich öffnenden Tür aus seinen Gedanken gerissen und erblickte den in Baumwollstoff eingehüllten Wächter der Millenniumsgegenstände. "Guten Abend, Ryou", wurde er begrüßt, was er mit einem halblauten "Hallo" erwiderte. Er bot Shadi einen Platz gegenüber dem Sessel an, setzte sich dann ebenfalls wieder hin. Noch bevor der Ägypter den Grund für seinen Besuch sagen konnte, fragte Ryou: "Shadi... kannst du mir etwas über den Geist des Millenniumsrings erzählen?"
Das braungebrannte Gesicht des Ägypter sowie dessen dunkle Augen spiegelten keine Regung wieder. "Ich soll dir etwas über den Grabräuber erzählen? Warum?" Ryou lächelte lieb. "Es interessiert mich. Warum kam er als Geist in den Millenniumsring? Und warum bin ausgerechnet ich seine Zwillingsseele?"
Einen kurzen Moment herrschte Schweigen im Zimmer. Dann lehnte Shadi sich zurück, machte es sich bequem, als hätte er die Absicht, lange Zeit zu bleiben. "Nun, wie gesagt, er war vor fünftausend Jahren ein berüchtigter Grabräuber. Ich weiß nicht, wie viele Gräber er geplündert hatte. Jedenfalls wurde er eines Nachts dabei erwischt, als er dabei war, die Millenniumsgegenstände zu entwenden. Die Palastwachen konnten ihn nicht entwaffnen und überwältigen, somit wurde er dabei getötet. Ich kann dir nicht sagen, warum seine Seele in den Millenniumsring gezogen wurde, ich denke, das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Ich kann dir auch nicht sagen, warum du als seine Zwillingsseele ausgesucht wurdest. Der Ring entscheidet darüber, er wählt die passende Person aus."
"Aber", warf Ryou ein, der gespannt den ruhigen Worten des Ägypters lauschte, "wir sind vollkommen verschieden! Das, was ich über ihn erfahren habe... das entspricht so gar nicht mir. Yami und Yugi, die beiden sind sich wirklich ähnlich, aber bei uns..." Hierauf konnte Shadi ihm keine Antwort geben. "Wie gesagt, der Ring wählt..."
"Was ist mit Yami? Ich meine, du willst doch die Millenniumsgegenstände wieder mitnehmen und sicher verwahren, oder? Wirst du denn auch Yugi und Yami trennen?", fragte der weißhaarige Junge, ließ sich dabei nicht anmerken, woran er dachte. Der Wächter schüttelte den Kopf. "Nein, Yugi und der Pharao bleiben zusammen. Zum einen weil der Pharao es so wünscht, zum anderen, weil ich keinen Grund sehe die beiden jetzt zu trennen." "Hmm...", machte Ryou, blickte nachdenklich ins Leere.
Fast mechanisch griff er nach dem Millenniumsring, genoss das schwere, warme Gewicht des Metalls in seinen Händen. Er erinnerte sich noch genau daran, wie er ihn von seinem Vater bekommen hatte, nachdem dieser nach ewig langer Zeit wieder aus Ägypten zurück kam. Schon damals hatte er gefühlt, dass dieses Schmuckstück etwas ganz besonderes war - nur wie besonders hatte er erst viel später begriffen.
Leise seufzend ließ er den goldenen Ring wieder auf das kleine Tischchen gleiten. "Shadi..", begann er, holte noch einmal tief Luft. "Ich... würde gerne noch über etwas nachdenken... wegen dem Ring und der ganzen Situation überhaupt. Es ist noch so verwirrend... Ich weiß gar nicht mehr, was ich von der ganzen Sache halten soll!" Der ruhige Ägypter nickte verstehend mit dem Kopf. "Es eilt nicht, ich bin noch etwas länger hier. Ich werde morgen früh zu dir kommen, einverstanden?" Dankbar nickte Ryou, schenkte seinem älteren Gegenüber ein freundliches Lächeln.
Es war mittlerweile schon weit nach Mitternacht, doch Ryou konnte einfach nicht schlafen. Eine Zeit lang hatte er sich unruhig im Bett gewälzt, bis er schließlich entnervt aufgestanden war. Er hatte sich etwas zu Trinken geholt und saß nun schon mehrere Stunden mit unterschlagenen Beinen auf dem Sofa, betrachtete den warm schimmernden Millenniumsring, welcher auf dem Tisch lag.
Inzwischen wünschte er sich, er hätte Shadi nicht nach dem Ringgeist gefragt, denn jetzt kreisten seine Gedanken nur noch um ihn. Unterdessen wunderte er sich schon gar nicht mehr darüber, dass sein Geist so war, wie er war. Konnte man den nach 5000-jähriger Einsamkeit anders sein?
Er wusste, wie es war, wenn man alleine war. Sein Vater war ständig unterwegs, monatelang in fremden Ländern. Einsamkeit war das schlimmste, was einem wiederfahren konnte! Selbst wenn man Freunde hatte, mit denen man gut auskam, war es doch nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, dass man hatte, wenn man wusste, dass zuhause jemand auf einen wartete, dass das Haus nicht kalt und leer war, wenn man aufschloss, dass jemand da war, der sich um einen kümmerte und um den man sich kümmern konnte.
Vorsichtig, als würde das Artefakt bei der falschen Berührung in abertausende Splitter zerbersten, nahm Ryou den Millenniumsring in die Hand strich über die Konturen. Konnte der Geist fühlen, dass er den Ring in der Hand hielt? Spürte er die Berührungen, als würde er ihm direkt über die Haut streichen? Nahm er die Bewegungen wahr? Konnte er hören, was um ihn herum gesprochen wurde?
Sachte schüttelte er den Ring. "Hey, du!", rief er halblaut und kam sich dabei unbeschreiblich blöd vor. Was dachte er sich eigentlich dabei? Oder noch besser: was würden sich die anderen dabei denken, sollten sie irgend etwas davon mit bekommen?
Er schüttelte den Millenniumsring ein wenig heftiger. "Hey, hörst du mich?", fragte er und musste dabei über sich selbst leicht lachen. Nein, wie bescheuert...
Plötzlich nahm er eine undeutliche, verschwommene Bewegung neben sich wahr und drehte ruckartig den Kopf herum. Erschrocken wurden die schokobraunen Augen aufgerissen und er rutschte hastig bis zur Armlehne zurück, als er die leicht durchschimmernde Gestalt des Millenniumsgeistes sah, welcher ihn nicht gerade erfreut anfunkelte.
"Was soll das Theater? Kann man sich hier nach all dem Stress nicht mal in Ruhe ausschlafen? Also was willst du?", knurrte er und strich sich mit einer Hand die Haare ein wenig aus dem Gesicht. "Ähm...." Ryou war zu verblüfft, um mehr heraus zu bekommen. "Macht es dir spaß, mich zu nerven? Nicht nur, dass du schon die ganze Zeit hier rum rennst und so aufgewühlt bist, dass ich es auch ohne direkte Verbindung bemerke, willst du neuerdings, dass ich kotzen muss? Hör gefälligst auf damit, klar?!"
Während er sprach, wurde er immer blasser und Ryou begriff, dass der Geist sich wieder in den Ring zurückziehen wollte. "Hey, du! Warte!" Schnell schoss er nach vorne, griff nach dem Handgelenk des Größeren - und erwischte nur Luft. "Was?!" "Idiot!", murrte der Geist, der durch die missglückte Aktion Ryous wieder sichtbarer wurde und starrte den weißhaarigen Jungen durchdringend an.
Einen Augenblick lang herrschte Stille zwischen ihnen und Ryou nutzte den Augenblick um sich den Millenniumsgeist genauer anzusehen. Das weiße Haar schien noch wilder zu sein als bei ihrer ersten Begegnung und die braunen Augen blickten Müde, leichter Schatten lag unter ihnen. Scheinbar hatten auch Geister Schlaf bitter nötig...
"Bakura", brach der Größere der beiden schließlich die Stille und Ryou blickte ihn fragend an. "Du sollst aufhören, mich immer nur mit ‚Hey, du' anzusprechen! Nenn mich Bakura!" "Oh... Okay, gut, Bakura", sagte Ryou mit einem leichten Lächeln. "Tut mir leid wegen vorhin", entschuldigte er sich für das Schütteln des Ringes, welches den Innewohnenden wohl tatsächlich durchgerüttelt hatte. "Ich wusste nicht, dass du das bemerkst."
Einen Moment lang blickte Bakura den Jungen mit undeutbarem Blick an, als überlegte er, ob diese Entschuldigung erst gemeint war. Mit einem leichten Nicken deutete er dann an, dass er sie akzeptierte und setzte sich in den Sessel dem Sofa gegenüber. "Also, was willst du von mir?", griff er wieder die anfängliche Frage auf.
"Oh! Eigentlich nichts besonderes... Ich war nur ein wenig neugierig auf dich... Ich meine, wir haben uns ja nur mal ganz kurz ‚getroffen' und... ach, ich weiß nicht, ich hatte das Gefühl, dich kennen lernen zu müssen... Tut mir leid, dass ich dich gestört hatte!" Ryou war leicht rot geworden und wusste nur zu genau, dass er gerade nur unzusammenhängendes von sich gab, was Bakura wohl kaum verstehen konnte. Und überhaupt, warum sollte er ihn den kennen lernen wollen?!
Entgeistert starrte der Geist ihn an. Dann schüttelte er den Kopf. "Veralbern kann ich mich selbst!", knurrte er und entmaterialisierte sich, Ryou ignorierend, der aufgesprungen war und scheinbar erneut nach ihm greifen wollte. Warum sollte sein Hikari ihn denn jetzt noch kennen lernen wollen, schließlich würde er ihn, jetzt, wo der Pharao die Welt gerettet hatte, wieder in die Obhut Shadis geben!
Ryou konnte nichts anderes tun, als hilflos mit anzusehen, wie Bakura wieder verschwand. Er war sich sicher, einen kurzen Moment die Traurigkeit und Verletztheit in den dunkelbraunen Augen des Größeren gesehen zu haben. Ganz kurz zwar, aber dennoch eine Gefühlsregung.
Seufzend ließ er sich zurück aufs Sofa fallen, streckte sich leicht. Dieses ‚Gespräch' hatte ihm nun wirklich nicht helfen können... Langsam bemerkte auch er die Müdigkeit, die in ihm aufstieg. Vielleicht war es besser, einfach mal eine Nacht darüber zu schlafen?! Kaum zuende gedacht erhob er sich, streifte sich Hose, Socken und T-Shirt ab, um sich nur noch ihn Unterwäsche gekleidet unter die Bettdecke ins kühle Laken zu krabbeln. Er fröstelte leicht und eine Gänsehaut überzog den zierlichen Körper.
Doch beinahe sofort als er den Kopf ins Kissen schmiegte, schlief er ein.
Schrilles Piepen riss ihn am nächsten Morgen aus seinen Träumen, an die er sich sowieso nicht mehr erinnern konnte. Gähnend räkelte er sich, strampelte dabei mit den Füßen die Decke zur Seite. Noch nicht ganz wach rieb er sich den restlichen Schlaf aus den Augen, schwang dann die Beine zur Seite und stand auf. Nach kurzer Wäsche schlüpfte er in seine Kleidung und schloss gerade seine Hose, als die Tür aufging und Yugi herein kam.
"Guten Morgen, Ryou!", rief der Kleine ihm gut gelaunt entgegen und lächelte sein typisches Lächeln. Die dreifarbige Stachelfrisur war noch ein wenig verwuschelt, scheinbar war auch dieser vor noch nicht allzu langer Zeit aufgestanden. "Guten Morgen Yugi", erwiderte der weißhaarige Junge und errötete leicht, als sich mit lautem Knurren sein Magen bemerkbar machte.
Yugi lachte leise und hielt die Tür offen. "Ich bin auch gekommen, um dich zum Frühstück ab zu holen. Die anderen warten schon im Saal auf dich. Oh, Mokuba und Kaiba fehlen auch noch, aber ich glaube nicht, dass die beiden mit uns essen werden." Nun lachte auch der weißhaarige Junge, während er Yugi den Flur entlang folgte. "Das bezweifle ich auch! Kaiba ist sicherlich nicht gerade erfreut darüber, dass er erneut gegen dich verloren hat, Yugi. Wahrscheinlich wird er noch lange Zeit schmollen."
"Ja, vermutlich hast du damit recht", stimmte Yugi zu, kurz bevor die beiden Hikaris das Speisezimmer betraten. Joey, Tristan, Tea, Serenity und Duke warteten schon auf die beiden, von Mai, Odeon, Marik und Ishizu war noch nichts zu sehen. "Guten Morgen!", grüßte Ryou die anderen, setzte sich auf den freien Platz zwischen Tristan und Duke, während sich Yugi neben Joey nieder ließ. "Guten Morgen", kam es beinahe einstimmig von den anderen zurück, was kollektives Gelächter auslöste.
"Nun ja, da wir jetzt endlich vollständig sind..", begann Joey und rieb sich mit fröhlichem grinsen die Hände. "..können wir ja endlich anfangen! Guten Appetit!!" Schneller, als man gucken konnte hatte sich der blonde Duellant den Teller vollgeschaufelt und begann mit dem Frühstück. Tristan schüttelte nur den Kopf über seinen Kumpel, Serenity und Yugi lachten. Nach und nach bediente sich jeder an dem wirklich umfangreichen Frühstückstisch und bald schon herrschte gefräßige Stille, einzig durch das Geklapper des Geschirrs unterbrochen.
"Puuuuuh! Ich kann nicht mehr!" Pappsatt ließ Joey sich nach hinten fallen, rieb sich über den wohlgenährten Bauch. Ryou konnte nur leicht den Kopf schütteln. "Kein Wunder, du hast auch ganz schön viel gegessen", tadelte Yugi und grinste, als der Blondschopf einen auf beleidigt tat. Tristan piekte Joey in die Seite, kitzelte ihn so lange, bis dieser in loslachte und Lachtränen über seine geröteten Wangen liefen.
"Also wirklich, könnt ihr euch nicht ein mal nicht wie kleine Kinder benehmen", erklang die unterkühlte, beherrschte Stimme Kaibas, was zur folge hatte, dass sich Joeys sonst so freundliche Augen wütend funkelnd auf den Chef der Kaiba Corporation richtete. "Dir auch einen schönen Guten Morgen, Kaiba", schoss er zurück. "Ganz ruhig, Joey", hielt Serenity ihren Bruder zurück, dessen überschäumendes Temperament ihn beinahe wieder am überkochen war.
Ein süffisantes Grinsen legte sich auf Kaibas Lippen, als er Joey aus eisblauen Augen musterte. "Wie heißt es doch so schön, Wheeler: Hunde die Bellen beißen nicht. Aber eigentlich bin ich nur her gekommen, um bescheid zu geben, dass wir in zwei Stunden landen werden." Ohne weiteres Abzuwarten drehte sich der braunhaarige Duellant herum und verließ den Raum.
Joey plusterte die Backen auf und stieß anschließend zischen die Luft aus. "Dieser...!!", knurrte er und ballte die Hände zu Fäusten. "Nur nicht aufregen, Joey", beruhigte ihn Tristan und Yugi fügte noch ein "Er ist es nicht wert" hinzu. "Kam mir das nur so vor oder verging der Rückflug wirklich schneller?", wechselte Duke das Thema, spielte dabei abwesend mit seinem Würfelohrring. "Mir scheint es auch so, dass der Rückflug schneller verging", stimmte Thea zu, während die anderen sich schon erhoben. Schließlich musste man nicht die ganze Zeit am Frühstückstisch sitzen.
"Du, Yugi, kann ich dich mal kurz sprechen?", wandte sich Ryou an den Kleineren, welcher ihn anlächelte und zustimmte. "Natürlich. Komm, gehen wir ein Stückchen." Gemeinsam verließen sie den Raum, gingen den Flur entlang. "Ich weiß, die Frage ist bestimmt ein bisschen komisch, aber... wie ist das so mit Yami und dir? Ich meine, ich und Bakura haben ja nicht gerade viel Zeit damit verbracht, uns kennen zu lernen oder so... und... ach, ich weiß nicht..." Mit einem leichten Schulterzucken beendete er seinen Satz.
Yugi schwieg einen kurzen Moment, ehe er antwortete. "Ich weiß nicht, ob ich dir die Beziehung zu Yami so gut erklären kann. Es ist... Er ist immer für mich da, egal wann und egal worum es geht, ich kann immer zu ihm kommen. Er versteht mich, hört mir zu, genau so, wie ich ihm zuhöre. Zu wissen, dass er da ist, macht vieles leichter, weil ich mir sicher sein kann, dass er mir immer helfen wird. Er ist für mich ein genau so lieber und wichtiger Freund wie Joey oder die anderen."
Einen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden Jungen und jeder dachte über das nach, was Yugi gerade gesagt hatte. Schließlich lächelte Ryou den violettäugigen Duellanten freundlich an. "Es muss schön sein, zu wissen, dass immer jemand da ist. Weißt du, ich hab letzte Nacht nachgedacht. Ich meine, über die Situation im Ganzen.. Shadi war noch bei mir, wegen des Millenniumsrings. Ich dachte daran, wie es sein muss, Jahrtausende alleine in einem Schmuckstück gefangen zu sein und... Ich verstehe Bakura! Damit will ich nicht sagen, dass ich okay finde, wie er sich verhält und so, aber ich verstehe ihn. Es muss die Hölle sein, alleine und in der Dunkelheit gefangen zu sein..."
Er machte eine kleine Pause, blickte Yugi nicht an sondern sah aus einem der vielen Fenster des Luftschiffes. "Ich weiß, ihr macht euch sorgen darüber, wie Bakura mich behandelt und wie er sich immer verhält. Nachdem, was ihr mir über ihn erzählt habt, scheint er wirklich nicht der angenehmste Zeitgenosse zu sein. Aber... und darüber hab ich wirklich gründlich nachgedacht... ich will ihn nicht an Shadi zurück geben! Ich mein, es muss einen Grund geben, warum er zum Geist wurde, warum ich seine Zwillingsseele bin! Ich.. ich hab das Gefühl, ihn sehr zu verletzen, wenn ich ihn jetzt in Shadis Obhut gebe, als würde ich ihn damit verraten. Ich erwarte auch gar nicht, dass ihr das versteht... Und ich wollte es dir auch nur sagen, weil ich denke, dass du und Yami ein Recht habt, dass zu wissen... und ich... noch eine Bitte an euch habe. Falls das mit Bakura nicht funktionier, also, ich meine damit, falls er sich weiterhin so verhält wie er es tat, werde ich ihn an Shadi übergeben. Aber da ich nicht glaube, dass Bakura das zulässt, werde ich vielleicht - oder höchstwahrscheinlich - eure Hilfe brauchen... wenn es euch nichts ausmacht."
Erneut breitete sich Stille zwischen den beiden Klassenkameraden aus. Als Ryou einen kurzen Blick zu Yugi riskierte, meinte er sogar zu spüren, wie es in dem Kleineren arbeitete. Rasch richtete er seine Augen jedoch wieder auf das grau-weiße Wolkenmeer, dass vor dem Fenster vorbei zog. Erst ein leises Seufzen seitens Yugi brachte ihn dazu, ihn wieder anzusehen. "Ich verstehe zwar nicht, wie du nach all dem, was passiert ist, so etwas tun kannst, aber ich respektiere deinen Wunsch und natürlich helfe ich dir, sollte es Probleme geben! Ich hoffe, dass es gut geht..."
Erleichtert sah Ryou Yugi an. "Danke! Nun.. ich sollte wohl noch mit Shadi darüber reden..." Mit einem Lächeln wandte er sich von dem Jungen mit der stacheligen Frisur ab, ging ein paar Schritte, um wieder stehen zu bleiben und zurück zu blicken. "Weißt du, Yugi, irgendwie hab ich das Gefühl, dass dieses Mal alles gut gehen wird!"
Flashback Ende
Nachdem Ryou geendet hatte, herrschte lange Zeit Schweigen zwischen den beiden weißhaarigen Jungen. "Du hast mir schon damals alles verziehen, oder?", brach Bakura die Stille. Der Kleinere kuschelte sich enger an ihn und so spürte dieser das Nicken mehr als dass er es sah. "Ich hab mich zu jener Zeit nur kurz gewundert, warum du mich nicht Shadi mitgegeben hast, aber dann hatte ich das alles verdrängt und es genossen, zumindest etwas Freiheit zu haben. Als ich mich dann nach und nach in dich verliebt habe, war es mir so oder so egal gewesen, ab da zählte nur noch, dass du mich nicht irgend wann doch von dir stoßen würdest."
Heftig schüttelte Ryou den Kopf. "Niemals! Ich könnte dich niemals wieder gehen lassen. Anfangs hatte ich zwar etwas angst, dass alles zwischen uns wieder so werden würde wie es von Anfang an war, doch als du dich dann mit mir unterhalten hast, als du anfingst, ein Freund für mich zu sein, da wusste ich, dass ich richtig entschieden hatte!" Er richtete sich auf und blickte Bakura fest in die Augen. "Ich liebe dich, Bakura, und es ist mir völlig egal, was anfangs alles zwischen uns schief gelaufen ist. Mir reicht es, wenn du so bleibst, wie du jetzt bist; dass du mich nicht alleine lässt und immer für mich da bist. Mehr brauch ich nicht, mehr verlange ich nicht."
Der Kuss, den er auf die Lippen des Größeren drückte war sanft und voller Zärtlichkeit, sollte er doch all seine Gefühle in ihm wiederspiegeln. Die Arme um die schlanke Taille seines Hikaris geschlungen drückte er diesen an sich. Nachdrückliches Magengrummeln zerstörte allerdings die aufkommende Leidenschaft der beiden.
Ryous Wangen färbten sich tomatenrot und Bakura lachte leise. "Das ist nicht lustig", schmollte der Kleinere, boxte den Grabräuber spielerisch gegen die Schulter. Einen Blick auf die Wohnzimmeruhr werfend löste er sich von Bakura. "Was?! Schon so spät? Kein Wunder, dass ich Hunger habe!", entfuhr es ihm dann.
"Du wirst doch jetzt nicht noch in die Küche stehen und kochen wollen?", erkundigte sich Bakura, der sich ebenfalls nach der Uhr umgesehen hatte. Er hatte ebenso wenig wie sein Hikari bemerkt, wie die Stunden an ihnen vorbei geflogen sind. Nun war es kurz nach fünf und seit dem hastigen Frühstück hatten beide nichts mehr zu sich genommen.
"Doch, eigentlich schon", erwiderte Ryou verwundert. "Was dachtest du denn?" Bakura räkelte sich leicht. "Nun, mir schwebt da noch im Ohr, dass Kaiba ein Abendessen gibt..." "'Stilvolles' Abendessen", korrigierte Ryou und grinste. "Du meinst also, wir sollten Seto unsere Aufwartung machen, ja?" Der Millenniumsgeist nickte. "Natürlich! Der wird sich das sicherlich einiges kosten lassen und was spricht schon gegen ein solches Essen?"
Der Schüler lachte. "Okay. Ich sag Yugi bescheid, dass wir doch kommen werden und dann such ich dir einen Anzug raus. Die alten von meinem Vater dürften dir passen." Er gab seinem Koibito noch eine liebevollen Kuss und verließ dann das Wohnzimmer.
Kapitel 3 - Ende
Also.. ich bin nicht gänzlich mit diesem Kapitel zufrieden. grummel Ich hab so viel daran herumverbessert, aber irgendwie ist es trotzdem nicht so geworden, wie ich wollte. Lag vielleicht auch daran, dass ich so nervös war, weil ich das Ergebnis meiner Aufnahmeprüfung abwarten musste
Na ja, zumindest war's das jetzt und bald geht's weiter mit Kapitel 4.
