ᴇᴍɪʟʏ ʜᴜɴᴛᴇʀ
6. November 1993
Harry war gar nicht glücklich darüber, dass Cedric Diggory den Schnatz gefangen hatte. In seinen Augen hatte er versagt, aber niemand machte ihm einen Vorwurf, dass er vom Besen gefallen war. Er wurde angegriffen! Madam Pomfrey war relativ zuversichtlich, dass er in den nächsten Tagen entlassen wurde und ich hoffte, dass er dann endlich aufhören würde, sich Vorwürfe zu machen.
Hätte ich Harry doch aufgefangen, aber nein, ich war zu blöd dafür. „Was machst du so?", fragte mich meine beste Freundin und schmiss sich neben mich aufs Sofa.
An diesem Sonntagvormittag hatte ich mich auf ein Sofa in der Ecke des Gemeinschaftsraums zurückgezogen und versuchte nun einen Roman zu lesen, den Hermine mir netterweise geliehen hatte. Doch ich konnte mich nicht konzentrieren, ich hatte zwar noch einen Aufsatz zu schreiben, doch meine Motivation war gleich null und der Raum war mir zu voll. Durch das regnerische Wetter draußen, hatten sich die meisten Schüler in ihre Räume verzogen und spielten nun leise Zauberschnippschnapp oder wärmten sich vor den Flammen auf.
„Ich lese Ginny, das sieht man doch", erwiderte ich gereizt. Sie zuckte mit den Schultern und holte ihre Hausaufgaben heraus. Eine Weile war es still; Hermine hatte sich auch zu uns gesetzt, es war nur das Kratzen der Feder auf Pergament zu hören. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf dieses Buch und klappte es zu. „Ich gehe frische Luft schnappen", sagte ich und stieg aus dem Portraitloch.
Ich zog meine Jacke fester um mich und stapfte auf den See zu. Seit dem Vorfall beim Quidditchturnier waren die Dementoren nicht mehr ganz so nah am Schloss. Dumbledore war wirklich stinkwütend auf sie gewesen.
Eine Weile lief ich neben dem See entlang und starrte ins Leere. Im Moment ging es mir nicht sonderlich gut, es war als würde mir etwas fehlen. Wenn ich nur wüsste was. Am Seeufer ließ ich mich ins Gras plumpsen, dass zwar immer noch eiskalt und nass war, aber das war mir herzlich egal. Ich war gerne hier, und dachte nach. Langsam fror der See zu, etwas, was ihn noch schöner machte.
„Na Hunter, wo sind deine tollen Freunde?", fragte mich genau die Stimme, die ich im Moment am wenigsten hören wollte. Konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief durch, dann drehte ich mich um, und starrte in die silbernen Augen von Draco Malfoy. Silber? Nein, wohl eher matschgrau.
„Was willst du Malfoy?", sagte ich eiskalt. „Ich habe jetzt keine Lust auf deine nervigen Kommentare, denkst du, du kannst mich verletzen? Dazu kann ich nur nein sagen, du nervst mich, aber glaub nicht, dass du eine so wichtige Rolle in meinem Leben spielst, denn das tust du nicht." Meine Stimme war am Gefrierpunkt angekommen und ich starrte ihm mit meinem Todesblick in die Augen.
Der wirkte offensichtlich, denn er sah mich schockiert an. Ich hatte ihm noch nie so genau gesagt, was ich von ihm hielt, aber es tat gut, ihm endlich mal die Meinung zu geigen. Langsam stand ich auf und ging auf ihn zu. „Wir sehen uns morgen Malfoy, in Zaubertränke. Diesmal hat Snape hoffentlich andere Paare zusammengestellt. Vielleicht kannst du mir nur einmal im Leben einen Gefallen tun und ihn fragen, ob ich mit Blaise Zabini tauschen kann, dann hast du deinen Freund zurück und ich arbeite mit Harry. Wärst du so lieb?", fragte ich ihn mit zuckersüßer Stimme. „Danke", fügte ich hinzu und klopfte ihm auf die Schulter, ehe ich an ihm vorbei, direkt aufs Schloss zuging.
Er sah mir nach, das konnte ich spüren. Möglichst lässig lief ich durchs Schlosstor, darauf bedacht, nicht in Gelächter auszubrechen. Kaum war ich um die Ecke verschwunden konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen. Malfoy's Gesichtsausdruck war unbezahlbar. Damit hätte er nicht gerechnet, nachdem er mich so dumm angeschwätzt hat. So etwas sollte ich öfters tun.
Ginny und Hermine hatten den Lachanfall ihres Lebens, als ich ihnen von meiner Begegnung mit Malfoy erzählte. Zum ersten Mal seit Tagen ging es mir wieder besser. Ein wenig konnte Malfoy einem ja schon leidtun, nachdem ich meinen ganzen Frust rausgelassen hatte. Aber wer eignete sich denn besser dafür, als der Erzfeind?
OoOoOoOo
ᴅʀᴀᴄᴏ ᴍᴀʟꜰᴏʏ
Was war das denn jetzt? Völlig schockiert starrte ich Emily hinterher, wie sie durchs Schlossportal lief, als wäre es das einfachste jemanden so zu hassen. Warum hasste sie mich so? Ihre Worte hatten mich mehr verletzt, als ich zugeben möchte. War es so schrecklich mit mir zusammen zu arbeiten?
In Gedanken versunken lief ich in den Gemeinschaftsraum und setze mich in einen Sessel in der Ecke. Es war früh am Sontagmorgen und die meisten schliefen noch, oder waren beim Frühstück in der großen Halle. Mein Magen knurrte, doch ich ignorierte ihn. Meine Lust auf Essen war heute vergangen. Eigentlich wollte ich nur einen schnellen Spaziergang am See machen, um meinen Kopf frei zu bekommen, doch dann hatte ich Emily dort sitzen sehen und irgendetwas an ihrem Gesichtsausdruck hatte mich dazu gebracht, sie anzusprechen. Wer hätte gedacht, dass sie so eskalieren würde?
Blaise kam durch das Portraitloch und setzte sich in den gegenüberliegenden Sessel. „Du siehst scheiße aus", meinte er knapp und musterte mein Gesicht.
„Na vielen Dank auch."
„Was ist los Draco? Du benimmst dich in letzter Zeit echt komisch."
Seufzend erzählte ich ihm von meiner Begegnung mit Emily am See. Doch Blaise war nicht schockiert oder belustigt, er sah mich eher triumphierend an. „Ich wusste es!"
„Was wusstest du?", fragte ich scharf. Was wusste Blaise, was ich nicht wusste?
„Du stehst voll auf Hunter!"
„Niemals!", platzte es sofort aus mir heraus.
„Jaja, bilde dir das nur weiter ein." Blaise zuckte mit den Schultern und sah mich belustigt an. „Aber sag am Ende nicht, ich hätte es dir nicht gesagt!" Weg war er.
Na toll. Er hatte schon mehrmals Andeutungen in die Richtung gemacht, aber so direkt war er noch nie. Es war eine schlechte Idee gewesen, ihm davon zu erzählen, jetzt dachte er wirklich ich stand auf Emily. Ganz toll Draco, ganz toll.
Genervt schüttelte ich den Kopf und lief ihn mein Zimmer, um meine Sachen zu holen. Zurück in meinem Sessel erledigte ich den Rest meiner Hausaufgaben. Da die meisten Schüler an diesem Sonntag draußen waren, hatte ich den Gemeinschaftsraum fast für mich alleine, lediglich ein paar ältere Schüler saßen vereinzelt auf ein paar Sesseln und lernten. Dadurch, dass mich niemand störte, hatte ich mehr Zeit und Konzentration für meine Hausaufgaben, und erledigte sie auch langsamer als sonst, da sie dadurch meistens gründlicher und durchdachter waren. Vater wäre stolz auf mich, dass ich so gewissenhaft meine Hausaufgaben erledigte.
Nachdem ich den letzten Satz geschrieben hatte, packte ich alles ein und streckte mich. Ein Blick auf die Uhr, das einzig technische Gerät, dass in Hogwarts funktionierte, zeigte mir, dass es 13 Uhr war. Noch genügend Zeit, um die Bücher, die ich für meine Artithmantikhausaufgaben benötigt hatte, in der Bibliothek zurückzugeben.
Auf dem Weg begegnete ich niemandem, doch ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass ich Recht gehabt hatte: Viele waren draußen, saßen herum und lasen, oder machten einen Spaziergang. In der Bibliothek gab ich Madam Pince das Buch zurück. Bevor ich wieder ging, beschloss ich hier ein bisschen zu stöbern, vielleicht war es doch nicht so schlecht hier seine Hausaufgaben zu erledigen, da es hier definitiv ruhiger war, als im Gemeinschaftsraum. Als ich um die Ecke ging, hätte ich fast gelacht, heute meinte das Schicksal es echt nicht gut mit mir.
Emily hatte definitiv eine Begabung für's Blickespüren, denn sie sah auf und musterte mich abschätzig. Mein Herz machte einen Stich, als sie mich so ansah, als ob sie mich aus tiefstem Herzen hassen würde. „Kann es sein, dass du mir folgst?", sagte sie kühl, dann wandte sie sich ab und schrieb weiter an ihrem Aufsatz, als ob ich nicht existieren würde. Dieses Mädchen machte mich irre. Kopfschüttelnd lief ich heraus.
Da mein Spaziergang heute Morgen gescheitert war, machte ich mich diesmal wirklich auf den Weg nach draußen. Vielleicht begegnete ich ja Blaise.
Blaise war wirklich draußen, er ließ gerade seinen ganzen Charme an einem Mädchen aus Ravenclaw aus und wäre gewiss todsauer, wenn ich ihn stören würde, deshalb lief ich an ihm vorbei, doch nicht ohne noch schnell mit den Augenbrauen in seine Richtung zu wackeln. So viel Spaß musste sein.
OoOoOoOo
ᴇᴍɪʟʏ ʜᴜɴᴛᴇʀ
7. November 1993
Malfoy war echt komisch in letzter Zeit. Dass ich ihn überhaupt an einem Ort, wie der Bibliothek antreffen würde, hätte ich schon nicht geglaubt, aber dass er dann nichts gemeines sagen würde, wunderte mich sehr.
Es war Montag und ich wartete erneut auf Professor Snape. Hoffentlich musste ich nicht wieder mit Malfoy zusammenarbeiten, meine Laune war sowieso schon im Keller. Wenigstens wurde Harry heute morgen aus dem Krankenflügel entlassen, doch der Start in den Tag verlief alles andere als blendend für mich.
Erstmal wollte ich früher aufstehen, um produktiver zu sein, doch mein Wecker namens Ginny Weasley hatte verschlafen und dann vergessen mich zu wecken. In der großen Halle hatte ich dann meine Kaffeetasse umgestoßen und der ganze Kaffee ist auf meine Uniform geplatscht, sodass ich mich umziehen musste, und dann ist mir aufgefallen, dass ich meinen Zauberstab in meinem Zimmer vergessen hatte. Die Krönung war, dass ich auf dem Weg, Peeves begegnet bin und er Tintenfässer nach mir geschmissen, und zu meinem Leidwesen getroffen hatte, weshalb ich duschen musste. Super Tag. Ganz toll. Es war ein Wunder, dass ich pünktlich zum Unterricht kam.
Die Tür ging auf und ich ging als Letzte herein, aus Angst auf die Tafel zu sehen und meinen Namen neben Malfoys stehen zu sehen. Die Tür knallte hinter mir ins Schloss, als ich wütend auf die Tafel sah. Super. War ja klar. Ich warf Snape einen Blick zu, den er glücklicherweise nicht gesehen hatte, sonst wäre ich jetzt tot.
Dann lief ich zu Malfoy herüber und sah ihn an. „So Malfoy, jetzt dürfen wir wieder zusammenarbeiten. Komm. Los. Geh mir auf die Nerven, da freust du dich doch schon drauf", sagte ich schnippisch und ließ meine Tasche auf den Boden plumpsen.
Verwirrt sah er mich an. Meistens hatte ich meine Gefühle unter Kontrolle, doch heute war ich einfach genervt und meine Nerven waren restlos aufgebraucht.
„Beruhig dich, ich kann nichts dafür, dass du heute so genervt bist. Mann, was ist denn heute wieder mit dir falsch?"
Schnaubend drängelte ich mich an ihm vorbei und suchte die Zutaten, für den heutigen Trank, heraus. Malfoy hatte offensichtlich erkannt, dass es heute besser war, mich nicht zu reizen, wenigstens etwas, was heute klappte. Zu früh gefreut, denn als wir fast fertig waren, sagte er das schlimmste, was er einem Mädchen sagen konnte:
„Hast du deine Tage, oder warum bist du so gereizt?"
Mit offenem Mund sah ich ihn an und mein Geduldsfaden riss komplett.
„Wie kannst du es wagen?", schrie ich ihn an. „Du bist so ein Arschloch, was denkst du dir dabei? Kannst du nicht wenigstens einmal in deinem ganzen traurigen Leben mal still sein und dich nicht komplett daneben benehmen?" Die ganze Klasse starrte mich an, doch das war mir in diesem Moment herzlich egal. Sollten sie doch glotzen.
„Miss Hunter, ich dulde so ein Geschrei nicht in meinem Unterricht. 20 Punkte Abzug für unmögliches Benehmen. Seien sie nun still und brauen sie weiter. Sie können froh sein, dass ich sie nicht zum Direktor schicke."
Süß, zog er mir Punkte ab. Interessierte mich nicht.
Doch ich wollte nun wirklich nicht zum Schulleiter und meine Note komplett versauen, als nickte ich stumm und biss die Zähne zusammen.
Meine Finger zitterten, als ich weiter die letzte Zutat schnitt, doch nicht vor Angst, sondern vor unterdrückter Wut. Mein Gesicht war knallrot, doch es interessierte mich nicht. Heute war einer dieser Tage, da war mir alles egal. Ich war wütend. Stinkwütend.
Wie konnte Malfoy es wagen, so etwas zu fragen? Am liebsten würde ich ihm in sein hübsches Gesicht schlagen. Mit voller Wucht ausholen und ihm eine ballern. Für den Rest der Stunde musste ich mich damit begnügen, Malfoy mit Blicken zu erdolchen; ihn anschreien riskierte nicht mal ich.
Gegen Ende der Stunde hatte ich mich ein wenig beruhigt und lief als erster heraus. „Mann, was war denn heute los?", fragte mich Harry, als wir draußen auf dem Weg in die große Halle waren.
„Heute ist nicht mein Tag und Malfoy hat eine komplett inkompetente Frage gestellt und dem ganzen den Rest gegeben", erwiderte ich schulternzuckend, doch ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich an seinen geschockten Gesichtsausdruck dachte. Es war unbezahlbar. Das hatte ich gebraucht.
„Dem hast du's richtig gezeigt", meinte Harry lachend und ich musste auch lachen. Der Knoten, der den ganzen Tag schon in meinem Magen lag, löste sich und ich steuerte deutlich glücklicher auf den Gryffindortisch zu.
„Danke", meinte ich lächelnd, als wir uns setzten. „Du hast mich echt aufgemuntert."
„Dazu sind beste Freunde doch da", sagte er lächelnd und biss in seine Lasagne.
