Des Widerspenstigen Zähmung

Sie schafften Sirius hinauf in Milas Zimmer. Nachdem sie ihn von der Trage hinunter auf ihr Bett verfrachtet hatten, wandte sich Mila in Richtung Tür. „Ich werde sehen, was ich Madam Pompfrey abluchsen kann. Wartet hier auf mich." „Lass uns gehen", bat Hermine und hielt sie zurück. „Ron und ich werden zu Zweit vermutlich mehr Chancen haben etwas zu stibitzen. Und Du kannst schon mit dem Verband anfangen."

Mila zögerte kurz. Sie wollte nicht mit Sirius so ganz allein sein. Aber Hermine hatte Recht. Und Harry wäre ja auch noch da, beschwichtigte sie sich selbst. Also keine Gefahr. Sie nickte zögerlich. „Vermutlich habt ihr Recht. Aber lasst euch nicht erwischen und seid vorsichtig! Okay!" Beide nickten und flitzten hinaus in Richtung Krankenflügel.

Mila ging währenddessen hinüber zu ihrem Kleiderschrank und öffnete eine der Schwingtüren. Während sie mehrere Stapel Wäsche durchwühlte, ließ Sirius sie keinen Moment aus den Augen. Harry konnte den sehnsüchtigen Ausdruck in seinem Blick fast greifen.

„Ich hatte hier doch … verdammt!" Milas Kopf tauchte wieder aus dem Kleiderschrank auf, ihre Stirn war gerunzelt. „Ich war mir sicher, noch Verbände zu haben!" Ein entnervtes Seufzen entfuhr ihr. „Dann muss ich wohl doch noch zu Madam Pompfrey." Doch ehe sie sich auch nur der Tür zugewandt hatte, ertönte ein „Ich mach' das schon!" von Harry und auch dieser rauschte aus dem Raum.

Jetzt waren Sirius und Mila doch allein. Beide sahen sich eine Moment lang stumm in die Augen. Allein dieser Blick brachte Mila fast um den Verstand. Ein Kribbeln wanderte ihr Rückgrat hinunter und ihre Hände wurden unfreiwillig feucht. Sirius hatte sich verändert. Damit hatte sie gerechnet. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass 12 Jahre Askaban ihn nicht vollkommen zerstört, sondern ihn sogar noch stärker gemacht hatten.

Nein, gebrochen hatten sie ihn sicher nicht! Er hielt sich immer noch stolz und aufrecht. Und er war mindestens noch genauso stur wie früher – wenn nicht sogar noch mehr. Sicher … er war zynischer geworden. Wer wäre das allerdings nicht! Sein Lächeln war auch seltener geworden. Aber er war auch reifer geworden und nahm sein Leben nicht mehr so sehr auf die leichte Schulter wie zu seiner Schulzeit. Außerdem … der leicht harte Zug um seinen Mund machte ihn noch attraktiver für sie. Männlicher. Sie war schon als junges Mädchen heillos in ihn verliebt gewesen – und nichts hatte sich offenbar an dem Kribbeln, welches er mit einem einfachen Blick in ihre Augen auszulösen vermochte, verändert.

Während ihr diese Gedanken durch den Kopf huschten, setzte sie sich wortlos neben ihn auf einen Stuhl, senkte vorsichtshalber ihren Blick und löste vorsichtig den Knoten des behelfsmäßigen Verbandes. Ihre Stimme wollte ihr sowieso nicht mehr gehorchen. Während sie sich auf ihre Arbeit konzentrierte, sah ihr Sirius allerdings weiterhin ins Gesicht.

Auch er erinnerte sich in diesem Moment an ihre gemeinsame Schulzeit. In den kurzen Jahren in Hogwarts hatte sich diese Frau von einer Raupe in einen Schmetterling verwandelt. War sie in den ersten zwei Jahren neben Lily blass und unscheinbar erschienen, hatte sie sich in den folgenden Jahren zu einer wahren Schönheit entwickelt. Nach jeden Sommerferien hatte er verblüfft ihre Veränderungen bemerkt – und war jedes Mal noch weit mehr von ihr fasziniert gewesen. Ja, er hatte sich sogar in sie verliebt. Zu James hatte er einmal gesagt: Wenn ich jemals heiraten sollte, dann wird Mila meine Frau! ´ Sein bester Freund hatte daraufhin nur wissend gelächelt und schien kein bisschen überrascht.

Verdammt, wie hätte er sich auch nicht verlieben sollen? Mit einem Mal hatte ihr stumpfes Haar sich von wirren Locken in fließenden, lockigen Samt verwandelt. Ihre Augen leuchteten und … Unwillkürlich räusperte er sich bei seinen nicht ganz jugendfreien Gedanken. Er benahm sich wie ein unreifer Schuljunge, sobald sie ihm irgendwie nahe kam. Und nun war sie bedenklich nahe.

Er roch sie. Das er lange in der Animagi-Gestalt gelebt hatte, hatte seine Spuren hinterlassen. Seine Sinne waren schärfer geworden. Eine Tatsache, die ihm oft das Leben gerettet hatte. Und ihn jetzt fast verrückt werden ließ! Wenn er sich auch nur ein kleines Stück nach vorn neigte, könnte er … Bei seinem Räuspern sah Mila vom blutigen Verband auf und ihm direkt in die braunen Augen. Verdammt, sie war in den letzten 14 Jahren seit ihrem letzten Zusammensein wirklich noch schöner geworden.

Mila öffnete ihre Lippen um etwas zu sagen und sein Blick blieb an diesen hängen. Er könnte sie jetzt wirklich einfach …

„Wir haben es!" Beide fuhren auseinander, Mila sprang sogar vom Stuhl auf. Hermine und Ron polterten herein und stießen mit ihren Schultern die Tür auf, gefolgt von Harry, dessen ganze Arme voll mit Verbandsrollen waren. Auch Ron und Hermine waren schwer beladen. Jeder von ihnen trug mehrere Fläschchen, die in den buntesten Farben leuchteten. „Leider wussten wir nicht, was Du brauchst. Daher haben wir fast den ganzen Krankenflügel leer geräumt", erklärte Ron atemlos und ließ einige Fläschchen vorsichtig auf den Tisch neben ihm rutschen.

Ungläubig starrte Mila die Flaschen an. Dann lachte sie einfach los und strubbelte ihm durch die roten Haare. „Ihr … ihr seid wirklich unglaublich", lobte sie immer noch lachend. „Ich hätte vermutlich nicht mal die Hälfte erbeutet." Konzentriert nahm sie die verschiedenen Fläschchen in Augenschein, während Harry einige Verbandsrollen neben seinen Paten auf das Bett legte. „Ich brauche warmes Wasser", erklärte Mila dann.

Während Hermine eine Porzellanschale mit warmem Wasser füllte, nahm Mila ein sauberes Tuch aus dem Schrank und zerriss es in Streifen. Als die Schale mit leicht schaukelndem Wasser neben ihr auf einem Stuhl stand, griff sie sich eines der Fläschchen und träufelte vorsichtig ein paar Tropfen hinein. Das Wasser färbte sich sofort blassorange. „Glaubst Du, dass es gehen wird", fragte sie leise und sah zu Sirius auf. Der nickte. „Natürlich. Indianer kennen keinen Schmerz, oder!" Sie lächelte leicht. „Stimmt. James und Du waren ja vom Stamme ‚Die Unbesiegbaren´!"

Sie tauchte einen der Stoffstreifen in die Flüssigkeit und verzog das Gesicht, als die Flüssigkeit einen ihrer Kratzer benetzte. „Au", murmelte sie leise. „Soll ich?" Harry sah sie besorgt von der Seite an, doch sie schüttelte den Kopf. „Geht schon. Dein Vater hat schon immer gesagt ich solle aufhören, mich so mädchenhaft anzustellen." Sie grinste. „Das war wohl mein größtes Manko."

Vorsichtig legte sie den Stoffstreifen über Sirius Wunde. Sobald er Kontakt mit seiner Haut hatte, stieg ein feiner Dampf auf und es zischte leise. Ganz egal wie tapfer Sirius auch in diesem Moment tat, er konnte einfach nicht verheimlichen das er die Zähne fest aufeinander biss und kurz die Augen schloss. Nach ungefähr einer Minute nahm Mila den Stoffstreifen fort und warf ihn unachtsam in eine Ecke. Die Wunde blutete immer noch.

„Hat es nicht funktioniert?" fragte Hermine daher ängstlich. Sirius lockerte seine verkrampfte Kiefernmuskulatur und lächelte dann schief. „Wenn das mal so schnell ginge. Ich muss Dich wohl enttäuschen Hermine, denn das Ganze war jetzt nur zum Reinigen der Wunde." „Oh", war alles, was ihr dazu einzufallen schien.

Mila griff nach dem Zauberstab und ließ die reinigende Flüssigkeit und das Tuch im Nichts verschwinden. Dann griff sie zur nächsten Flasche. Diese Mal war die Flüssigkeit von dunklem Rot. Sie entkorkte sie langsam und träufelte vorsichtig ein paar Tropfen auf die Wunde. Wieder ertönte ein Zischen, dieses Mal aber leiser und offensichtlich nicht so schmerzhaft. Die Wunde verschwand ohne eine Narbe zurückzulassen.

Anerkennend nickte Sirius ihr zu. „Du kannst es immer noch. Madam Pompfrey wäre stolz auf Dich." „Woher weißt Du soviel übers Heilen?" fragte Hermine verblüfft und starrte auf die grade verheilte Wunde hinunter. Mila zuckte nur mit den Schultern. „Ich war zu Beginn meiner Schulzeit ein ziemlicher Eigenbrödler und bin gerne in den Krankenflügel verschwunden, um meinen Schulkameraden aus dem Weg zu gehen. Besonders den Slytherins … Außerdem hab ich mich schon immer für diese Kunst interessiert und Madam Pompfrey gern geholfen."

Während sie die Überbleibsel ihrer Arbeit endgültig beseitigte, setzte sich Sirius auf und grinste. „Außerdem war sie grandios im Zaubertränkeunterricht! Ihre Fähigkeiten zu heilen haben uns Rumtreibern so manches Mal den Ar...", er unterbrach sich selbst und hüstelte, „Ich meine natürlich den Hintern gerettet. Sonst sähe ich wohl heute aus wie Moody. Und Dein Dad wäre wohl auch in den Wind geschossen worden, wenn er sein hübsches Lächeln eingebüßt hätte."

„Seid ihr so oft in Schwierigkeiten geraten?" Sirius winkte ab. „Wenn man Remus bei Vollmond ohne Wolfsbanntrank versucht im Zaum zu halten, geht das nicht ohne Blessuren", erklärte er lapidar. Bei seinen Worten murmelte Mila säuerlich: „Dass sie ihn nicht in der heulenden Hütte gelassen haben, weil es für sie viel aufregender war mit ihm draußen zu sein, erwähnt er jetzt natürlich nicht." Hermine hörte ihre Worte. „Soll das heißen, dass ihr euch absichtlich mit einem Werwolf angelegt habt und das nur aus Spaß?" fragte sie höchst aufgebracht. „Cool!" war alles, was Ron dazu sagte. „Siehst Du!" Triumphierend verschränkte Sirius die Arme vor der Brust. „Er findet es auch klasse." Hermine schnaufte verächtlich. „Er", sie betonte das Wort absichtlich geringschätzig, „ist auch ein Holzkopf!" Und sofort lagen sich die beiden wieder in den Haaren.

Während Ron und Hermine erneut begannen sich zu kabbeln und Harry verzweifelt versuchte zu schlichten, begann Mila trotz allem einen Verband um Sirius Hüfte zu wickeln. „Sieh sie Dir an. Eben hat er sie noch mit einem Oktopus-Fluch mit Zähnen und Klauen verteidigt, weil sie jemand Schlammblut genannt hat und jetzt …"

Bei diesem Schimpfwort verdunkelte sich Sirius Blick. „Wer hat das gesagt?" forderte er zu wissen. Mila zögerte kurz, dann seufzte sie. „Erinnerst Du Dich noch an Deinen lieben Cousin Lucius?" Er nickte knapp. „Einer der Verwandten, auf die ich problemlos verzichten könnte." „Nun. Weiß der Himmel wie, aber irgendwie hat er es mit Deiner vertrockneten Cousine geschafft sich fortzupflanzen. Und dieser Spross seiner Lenden – Draco - geht mit den Dreien hier nach Hogwarts und ist genauso charmant wie sein Vater."

Sirius verzog vielsagend das Gesicht – und dieses Mal nicht aus Schmerz. Einen Moment schwieg er, dann fragte er leise: „Hat er Dich auch so genannt?" Als sie nicht antwortete, war das für ihn Antwort genug. „Wenn ich diesen Rotzlöffeln in die Finger kriege", polterte er los und brachte damit sogar die zwei Streithähne zum Schweigen. „Beruhige Dich! Er kann ja eigentlich nichts dafür. Bei den Eltern." „Trotzdem hat er nicht das Recht, Dich so zu nennen! Und außerdem hatte ich auch solche Eltern, Mila Laundry! Dafür aber wenigstens genug Grips um zu wissen, das man Menschen nicht ohne Grund so übel beleidigen sollte!" Er kochte vor kaum unterdrückter Wut.

Beschwichtigend legte Mila ihm die Hand auf die Brust. „Ist schon in Ordnung." Die Wärme ihrer Hand drang durch sein Hemd und ließ ihn fast vergessen, warum er so wütend war. „Trotzdem." Seine Stimme klang erneut eigenartig rau. Und Harry, der von einem zum anderen sah konnte sich nicht gegen das Gefühl wehren, dass bei Beiden mehr im Spiel war, als bloße, rein platonische Freundschaft. Viel mehr!


Nachdem Mila den Verband gut verknotet hatte, stütze Sirius sich auf und stopfte sein blutiges Hemd achtlos zurück in die Hose. „Danke", murmelte er kurz angebunden und machte Anstalten aufzustehen. „Ich muss wieder zurück in den Wald. Ich hab euch alle schon genug in Gefahr gebracht." „Aber", begann Harry, während sein Pate sich den Mantel überstreifte. Er konnte doch nicht einfach wieder gehen. Er verstand nicht sonderlich viel vom Heilen, aber wenn er von Quidditch-Spielen mit irgendwelchen Verletzungen im Krankenflügel landete, steckte ihn Madam Pompfrey immer mindestens für ein paar Stunden ins Bett, damit er sich ausruhte.

Irritiert sah er zu Mila, die das Fläschchen wieder sorgfältig verkorkte und gar nichts daran zu finden schien, dass sich Sirius einfach so davon machen wollte. Sie lächelte sogar ganz komisch.

Als Sirius aufstand und mit dem rechen Fuß auftrat zuckte er vor Schmerz zusammen und plumpste unverrichteter Dinge zurück aufs Bett. „Mein Fuß", keuchte er und zerrte an seinem Schuh. Der Fuß war doppelt so dick wie normal und sah ziemlich gebrochen aus. Sogar für den Laienblick von Harry. „Der ist wohl auch noch dran, Mila", prophezeite Sirius und sah zu Mila auf, die sich in diesem Moment zu ihm umdrehte.

„Ich weiß." Das Lächeln war breiter geworden. Und in der Hand hielt sie mehrere Gipsbinden. Jetzt war es an Sirius, irritiert die Stirn zu runzeln. „Wozu brauchst Du die denn? Dort drüben steht doch Madam Pompfrey Knochen-Fix." Er wies mit dem Finger auf ein anderes, giftgrünes Fläschchen. „Ich weiß", erklärte Mila wieder und begann die Gipsbinden in Wasser einzuweichen. „Harry könntest Du mir wohl kurz zur Hand gehen?"

Dieser sah jetzt endgültig verwirrt drein. Warum wollte Mila ihm einen Gips verpassen, wenn sie doch … Und auch Hermine schien das Ganze nicht so recht zu begreifen. „Warum machst Du es denn auf Muggel-Art? Dann kann er doch überhaupt nicht …" Sie stockte und auch bei Sirius schien der Groschen gefallen zu sein.

„Nein. Oh nein! Das ist doch nichts Dein Ernst!" polterte er wieder und zog den Fuß weg, als Mila damit beginnen wollte, eine Mullbinde um ihn zu wickeln, damit der Gips nicht an der Haut festklebte.

„Mila, ich kann nicht hier bleiben! Ron, gib mir bitte die Flasche." Bei dessen kleinster Bewegung wirbelte Mila herum und funkelte ihn so giftig an, dass Ron es für definitiv besser hielt nicht danach zu greifen. „Sorry Sirius. Aber meine Mum bringt mich um, wenn ich in Verteidigung gegen die dunklen Künste durchrassle. Und Mila ist schließlich die Professorin!" Zufrieden wandte sich Mila wieder Sirius zu, der aussah, als würde er sehr gerne die Hände um ihren schlanken Hals legen, um zuzudrücken.

„Tja Sirius. So wie es aussieht hast Du zwei Möglichkeiten. Entweder lässt Du mich den Fuß eingipsen und bleibst, bis Deine Knochen auf gute, alte, normale Weise wieder zusammenwachsen. Dann könntest Du Dich ausruhen und endlich wieder ein paar Kilos zunehmen. Oder - Du kriechst auf allen Vieren zurück zum Wald. Dann kann ich allerdings nicht garantieren, dass der Fuß jemals wieder richtig zusammenwächst. Und Du müsstest Dich wieder in den Hund verwandeln. Worauf ich Dich dann an die Leine legen und Dir den größten Maulkorb verpassen werde, den Du je gesehen hast!"

Sie lächelte angriffslustig. Sirius hingegen lief vor Wut puterrot an und sah sie so vernichtend an, dass wohl jeder Andere kreischend die Flucht ergriffen hätte. Doch Mila blieb ganz ruhig und wartete auf seine Entscheidung.

Einige Minuten vergingen, dann stieß er einen unflätigen Fluch aus, der sicher nicht für die Ohren von Halbwüchsigen bestimmt war, und legte den Fuß zurück in Milas Reichweite. „Hexe", entfuhr es ihm schließlich und Mila nickte. „Stimmt, ich bin ja eine. Danke für das Kompliment."

Sorgfältig umwickelte sie den Fuß und sah dann, nachdem sie dem schmollenden Sirius etwas Abschwellendes eingeflösst hatte, auffordernd in Harrys Richtung, der diesen kleinen Machtkampf nicht ohne Grinsen verfolgt hatte. Da war Sirius ja ziemlich gelinkt worden. „Bitte halte mir den Fuß fest, während ich ihn eingipse", bat sie und Harry nickte. Vorsichtig brachte sie den Fuß in die richtige Position – allerdings nicht ohne unangenehm knackende Geräusche und Sirius leise Flüche, während er sich in der Bettdecke festkrallte.

„Entschuldige", murmelte Mila leise und sah ihn von unten herauf an. „Aber ich kenne Dich zu gut. Andere Argumente hättest Du nicht gelten lassen." Sirius antwortete nicht und sah viel lieber die Decke an.

Seufzend übergab sie den Fuß vorsichtig an Harry und nahm die erste Gipsbinde aus der Schüssel. Sorgfältig und besonders vorsichtig gipste sie den Fuß von den Zehen bis zur Wade hinauf ein. Harry musste einmal sogar von Ron abgelöst werden, da der Fuß bei jeder neuen Binde schwerer wurde und Sirius es anscheinend nicht mehr für nötig hielt, ihm auch nur ein bisschen behilflich zu sein.

Als sie fertig waren und der Gips endlich fest und hart geworden war, legten sie ihn vorsichtig zurück aufs Bett. Mila griff nach einem Filzstift auf ihrem Schreibtisch. Ohne etwas zu sagen, kritzelte sie schnell etwas auf den Gips und legte dann die Hände auf Rons und Hermines Schulter.

„Kommt. Abendessen ist schon vorbei und ihr habt sicher Hunger. Genauso wie unser mürrischer Patient. Wartest Du hier Harry? Wir bringen euch etwas aus der Küche mit." Harry nickte und zog sich einen Stuhl ans Bett heran. „Geht ruhig. Ich passe auf, dass er keine Schränke zertrümmert und sich Krücken baut." Ein leises Kichern von Hermine war zu hören, als sie den Raum verließen.

Endlich allein herrschte lange Schweigen zwischen Harry und Sirius. Harry machte dies aber nicht viel aus. Er hatte seinen Paten schließlich als furchtbar stolzen Mann kennen gelernt – das ihn eine Frau so einfach in die Ecke drängen konnte, kratzte vermutlich verdammt an seinem Ego. Nach einigen Minuten beugte sich Harry vor und betrachtete Milas Geschriebene auf dem Gips. Er lächelte, als er die Zeilen las. „Was hat sie geschrieben?" erklang plötzlich Sirius Stimme. Harry sah auf. Sein Pate starrte immer noch an die Decke, er wirkte aber nicht mehr allzu wütend. „Sieh es Dir selbst an", erklärte Harry und reichte ihm eine Hand. Er half Sirius dabei sich aufzusetzen. Als sich dieser über seinen Gips beugte, sah Harry genau das kleine Lächeln, dass über sein Gesicht huschte, als er die Zeilen las: ‚Du bist immer noch ein furchtbar sturer Hund, Sirius Black. Aber auch immer noch genauso tapfer.´


Nun war Sirius also ans Bett gefesselt – eine Tatsache, die ziemlich an seinen Nerven zerrte. Es war ihm ja schon letztes Jahr schwer gefallen auf den Grimmauldplatz, seinem verhassten Elternhaus, beschränkt zu sein. Damals war es wenigstens ein Haus gewesen. Mit Rückzugsmöglichkeiten. Dass es jetzt nur noch ein Zimmer war, welches er durch seinen Gipsfuß nicht einmal durchqueren konnte, machte die Situation noch schlimmer!

Um ihm das Alles ein wenig zu erleichtern, verlegten Harry, Ron und Hermine ihre Freizeit zum größten Teil in Milas Schlafzimmer. So hatte er wenigstens ein bisschen Abwechslung. Nach jedem Schultag schlichen sie sich zu ihm und waren nun kaum mehr im Gryffindor-Turm anzutreffen. Sirius fand nach einer Weile Gefallen daran, mit den drei Kids zu büffeln. Besonderen Spaß machte es ihm Hermine herauszufordern. Die beiden fochten so manches Mal regelrechte Wettkämpfe aus, wer wohl mehr über ein Thema wusste. Und es brachte sie jedes Mal fast zur Weisglut, wenn Sirius ihr unter die Nase rieb, dass er und James für dieses Wissen kaum hatten büffeln müssen.

Die einzige wirkliche Schwierigkeit in dieser Zeit ergab sich daraus, dass Mila und Sirius nun gezwungen waren, den kleinen Raum miteinander zu teilen. Es war schließlich nicht möglich, einfach ein anderes Zimmer zu beziehen, ohne den Grund dafür benennen zu können.

Für ein geringes Maß an Privatsphäre war daher behelfsmäßig ein großes Tischtuch mitten im Zimmer aufgehängt worden, welches wenigstens ein bisschen davon ermöglichte. Eigentlich war es einer guten Idee entsprungen – aber es machte Sirius stellenweise das Leben zur Hölle. Jeden Morgen und jeden Abend musste er Milas Schatten hinter diesem Tuch ertragen. Da das Fenster auf seiner Seite des Zimmers lag, war sie gezwungen ihre Hälfte mit einer Kerze zu erleuchten. Das Kerzenlicht malte ihre Konturen auf den Stoff und ließ ihn so manches Mal mehr erahnen als seine geschundene Seele verkraften konnte. Jede Kurve, jedes Tal ihres Körpers konnte er betrachten und sie doch nicht berühren.

Nach einer Weile versuchte er einfach die Augen zu schließen und jedes verführerische Geräusch von der anderen Seite zu ignorieren – doch es gelang ihm einfach nicht. Selbst vor seinem geistigen Auge formte sie sich – außerdem gelang es ihm nie lange, die Augen geschlossen zu halten. Es war einfach zu verlockend ihren Körper mit Blicken zu verschlingen.

Auch Mila setzte es zu, ihn in ihrer Nähe zu wissen und ihn nicht berühren zu können. Sein Lachen zu hören und zu wissen, dass es nicht ihr galt. Sie konnte ihn manchmal fast körperlich spüren. Obwohl er zwei Meter von ihr entfernt hinter diesem dummen Vorhang schlief. Beide wurden von Tag zu Tag frustrierter.

Jedes Mal wenn Sirius sie auch nur ansah, wollte er sie küssen. Sie in den Armen halten. Sie … Er gab ein ungeduldiges Geräusch von sich, fuhr sich frustriert durch die Haare und trommelte auf die Bettdecke ein. Nicht nach 12 Jahren Askaban und 2 Jahren Flucht. Er war nicht mehr so wie damals. Damals wäre er fähig gewesen, ihr etwas zu bieten. Aber jetzt … Als gesuchter Mörder … Sie hatte etwas Besseres verdient! Jemanden, der gut zu ihr war und sie auf Händen trug. So wie er es so gern wollte. Ohne sich ständig umsehen zu müssen.

Sie für sich zu gewinnen durfte er nicht einmal hoffen. Das wäre einfach nicht fair. Gott, er wurde noch verrückt in diesem kleinen Zimmer!

Als sich die Tür leise öffnete, spannte er unwillkürlich jeden Muskel an und bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor. Askaban hatten ihn eben doch geprägt, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte. Obwohl niemand zu wissen schien, dass er hier war, erwartete er einen Feind. Und ein Kampf würde ihm wenigstens einen Teil der Anspannung abbauen lassen. Seine Sinne spannten sich – und entspannten sich erst wieder, als Mila hinter dem Vorhang auftauchte. Er war fast enttäuscht.

Sie ließ sich zu ihm aufs Bett plumpsen und sah ihn ernst an. „So geht das nicht weiter", eröffnete sie ohne Umschweife. „Du wirst immer gereizter, solange Du in diesem Zimmer fest hängst. Und ich werde immer gereizter, wenn Du gereizter wirst. Also habe ich einen Vorschlag." „Du gibst mir doch das Knochen-Fix?" fragte er hoffnungsvoll, doch sie schüttelte den Kopf. „Ich habe ein Abkommen mit Dumbledor. Du darfst Dich auf dem Schlossgelände frei bewegen, wenn Du in der Gestalt des Hundes bleibst. Du solltest mit ein wenig Übung auch auf 3 Pfoten laufen können." „Und ein großer schwarzer Hund würde nicht auffallen?" fragte er stirnrunzelnd und setzte sich auf. „Nun ja." Mila stand von der Bettkante auf und Sirius wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich vor ihm in Sicherheit brachte.

„Dumbledor meinte es wäre kein Problem, wenn … Du in meiner Nähe bliebest. Sozusagen als …" Sie trat noch einen Schritt zurück und wappnete sich augenscheinlich für das Schlimmste. „… als Haustier." Unwillkürlich schloss Mila die Augen. Jeden Moment würde er anfangen zu schreien. Ganz sicher. Diese Schmach würde er nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Dazu war er zu stolz!

Doch es geschah nichts dergleichen. Eigentlich saß er nur im Bett und schien ernsthaft über diesen Vorschlag nachzudenken. Mit größter Mühe schaffte sie es, ihr Kinn am Herunterklappen zu hindern. Er war nicht böse? „Brillant. Wieso bin ich nicht selbst darauf gekommen?" Sirius schüttelte über sich selbst den Kopf. Ja, wieso war ihm das nicht selbst eingefallen? ‚Weil Du Dich gar nicht von ihr entfernen wolltest und deswegen in diesem gottverdammten Zimmer geblieben bist‚ damit sie Dich immer finden kann!' wisperte eine kleine Stimme in seinem Kopf. Ärgerlich wischte er sie beiseite.

„Gut, abgemacht. Auch wenn mir der Ausdruck ‚Haustier´ nicht wirklich gefällt. Wo gehen wir hin?"

„Äh …" Mila hatte nicht damit gerechnet, dass Sirius sich so schnell in sein Schicksal ergeben würde und daher nicht mit der Möglichkeit gerechnet, ihn sofort mitnehmen zu müssen. „Ich … äh … ich habe jetzt Unterricht. Wenn Du möchtest …" Doch er ließ sie gar nicht erst ausreden. In der nächsten Sekunde war er in Gestalt des Hundes schon vom Bett gehüpft und sah sie erwartungsvoll an. Der Gips war allerdings jetzt für die Hundepfote ein wenig zu groß. „Warte." Mila zog ihren Zauberstab hervor und tippte den Gips sachte an. Sofort schrumpfte er und passte sich der Hundepfote an. „Jetzt geht es wohl besser." Sie ging hinüber zur Tür und öffnete sie. Mit wedelndem Schwanz schlüpfte er hindurch und folgte ihr humpelnd hinunter in ihren Klassenraum.