Einkaufszentren eben

Den ganzen restlichen Tag saß Harry nervös in seinem Zimmer und versuchte sich abzulenken. Er schrieb an seinen Hausaufgaben weiter und nahm sich sogar extra lange Zeit für Zaubertränke, denn das war bereits seine gesamte Schulzeit hinweg das mit Abstand schlechteste Fach von ihm. Jetzt, wo er sich im letzten Jahr so sehr ins Zeug gelegt hatte, dass er gleichauf mit Hermine, der bisher Jahrgangsbesten, war, fiel das noch mehr auf, denn in Zaubertränke war er nur ein bisschen besser geworden.

Harry zog seine letzte Tafel Schokolade aus dem „Honigtopf", einem Laden in Hogsmead, dem Dorf in der Nähe von Hogwarts, hervor und begann auf seinem Bett ausgestreckt Snapes Aufsatz über den Stein der Weisen zu schreiben, was ihm ausnahmsweise mal nicht schwer fiel, denn er hatte ihn in seinem ersten Schuljahr selbst in der Hand gehabt und vor Voldemort geschützt. Bei der Erinnerung daran wie Voldemorts Gesicht aus dem Hinterkopf von Harrys damaligen Verteidigung gegen die dunklen Künste-Lehrers Quirell starrte, lief ein kalter Schauer über seinen Rücken. Er schrieb noch den letzten bekannten Besitzer, Nicolas Flamel, auf und stopfte den Aufsatz zurück zu seinen Schulsachen. Es war inzwischen fast um fünf und Harry nahm seinen Koffer und seinen Besen und machte sich auf den Weg nach unten. Im Esszimmer der Dursleys bot sich ihm ein irgendwie seltsames aber nicht ganz unvertrautes Bild.

Onkel Vernon saß in seinem besten Anzug und mit geputzten Schuhen am Tisch und trommelte ungeduldig mit den Wurstfingern auf dem Tisch, Tante Petunia kümmerte sich mit entschlossenem Eifer um das Kaffeetrinken, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt und Dudley, ebenfalls im besten Anzug, lugte ängstlich hinter der Küchentheke hervor. Er war erst dreimal anderen Zauberern außer Harry begegnet. Beim ersten hatte ihm ein Ringelschwänzchen aus der Hose gelugt, beim zweiten war seine Zunge auf über einen Meter Länge angeschwollen und beim dritten Zauberer hatte er an der Zimmerdecke gehangen.

Harry stellte gleichmütig seinen Koffer und den Besen an der Tür zum Flur ab und setzte sich an den Tisch. Ihm fiel auf, dass Tante Petunia einmal mehr gedeckt hatte und auch ein fünfter Stuhl dastand. Die Dursleys würden sich eher die Zunge abbeißen, als sich die Blöße zu geben, unhöflich zu einem angekündigten Gast zu sein, ganz egal, wie sehr sie ihn verabscheuten.

Angespannt blickte Harry immer wieder zur Tür oder aus dem Fenster. Es war inzwischen schon halb fünf und in einer halben Stunde wollte Bill erst kommen aber Harry fühlte sich so gespannt wie eine Bogensehne. Die Minuten schienen quälend langsam zu vergehen. Es war fast wie im Zaubertränkeunterricht. Da saß Harry auch immer wie auf glühenden Kohlen und wartete nur so auf das Klingeln. Nur hatte er da noch Snapes Hakennase im Nacken und musste irgendwelche Substanzen zusammen mixen. Es wurde viertel vor fünf. Tante Petunia klimperte in der Küche laut mit der Teeschachtel und der Teekanne. Es wurde zehn Minuten vor fünf. Harry überlegte, ob Zaubertränke nicht doch eine angenehme Alternative wären. Punkt fünf Uhr. Es klingelte an der Tür. Onkel Vernon fuhr so stark zusammen, dass die Kuchenplatte in der Mitte des Tisches einen kleinen Hopser machte, in der Küche zerbrach etwas und Dudley rannte mit einem Quieken in sein Zimmer.

Harry stand auf und ging zur Tür. Seltsam. Er hatte die ganze Zeit aus dem Fenster neben der Tür gestarrt aber weder etwas gehört noch gesehen. Er öffnete die Tür und blickte geradewegs in das grinsende Gesicht von Bill.

Er grinste zurück: „Hi, Bill! Komm rein!"

Bill, so cool wie immer und mit noch etwas längerem Pferdeschwanz und einem Piercing in  der Unterlippe, über das sich Mrs. Weasley furchtbar aufgeregt hatte(„Du siehst aus wie einer dieser Roadies!"), trat ein und begrüßte Harry.

„Hallo, Harry! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!" Er zwinkerte und deutete auf den Zauberstab in Harrys Hosentasche. Dann folgte er Harry ins Esszimmer. Tante Petunias Blick war sofort missbilligend auf dem Drachenzahnohrring und den langen, flammend roten  Haaren und den Drachenhautstiefeln hängen geblieben(und natürlich wurde auch das Piercing nicht in der Liste der zu verachtenden Dinge nicht vergessen). Onkel Vernon begrüßte ihn steif und bot ihm an, mit ihnen etwas zu trinken.

„Oh, nein danke!", wehrte Bill ab, „Harry wird erwartet. Wir sollten uns nicht verspäten. Harry, hast du deine Sachen schon unten?"

Harry nickte und deutete in den Flur.

„Ah, gut! Dann werden wir uns mal auf den Weg machen. Danke für Ihr Angebot."

Er folgte Harry zurück in den Flur und beide zogen wieder ihre Jacken an. Onkel Vernon versperrte mit seiner massigen Statur die Tür zum Wohnzimmer, als wolle er um jeden Preis verhindern, dass Bill auch nur einen Schritt zurück in ihr Heim tat. Tante Petunias Pferdegesicht lugte über Onkel Vernons Schulter.

„So, haben wir auch nichts vergessen? Du hast alle Umhänge, Bücher und so weiter? Nun, dann auf Wiedersehen!"

Die Dursleys sahen so aus, als würden sie genau das befürchten, würgten aber trotzdem ein „Auf Wiedersehen" hinaus.

Bill nahm ihm Hedwigs neuen Käfig ab und ging hinaus. Harry winkte mit der Hand, in der er seinen Besen hielt und riss dabei fast eine Vase herunter. Bill war bereits draußen und Harry beeilte sich ihm zu folgen.

Draußen blieb er mit offenem Mund stehen. Vor ihm stand ein riesiges Motorrad auf dem gut und gerne Hagrid Platz gehabt hätte.

„Wo hast du denn das her?"

Die Antwort von Bill fiel etwas gedrückter aus. „Von Sirius. Er hat mir erlaubt es zu benutzen, bis du es fahren kannst."

Harrys Stimmung sank ein wenig, doch Bill schien das bereits erwartet zu haben und stieg auf und klopfte auf den freien Platz hinter sich. „Komm, steig auf! Wir werden erwartet!"

Kaum hatte Harry getan, wie ihm geheißen, hob das Motorrad ab und drehte in der Luft, dass Harry fast übel wurde. Bill drückte das Gaspedal runter und der Motor heulte auf und ihr Gefährt machte einen Satz nach vorn und flog mit einem Tempo, das selbst das beste Muggel-Auto niemals erreicht hätte. Nach dem ersten Schreck hatte sich Harry schnell an das Gefühl gewöhnt und genoss den Wind in seinem Gesicht, der ihm die Haare nach hinten blies.

Als sie über London flogen, kam ihm auf einmal ein Gedanke. Er klopfte Bill auf die Schulter und rief:" Bill, ist das nicht gefährlich? Die Muggel müssen uns doch sehen!"

„WAS?"

Harry wiederholte seine Frage schreiend.

„Ach so! Nein! Das Motorrad ist verzaubert! Es kann nur von Hexen und Zauberern gesehen werden und genauso die darauf sitzenden. Und das Beste ist, dass niemand einen sehen kann, wenn man das nicht möchte!", schrie Bill aber seine Worte wurden von den Motorengeräuschen und dem Wind fast weg getragen und Harry verstand nur die Hälfte und reimte sich die andere zusammen.

Harry lehnte sich ein bisschen zur Seite um auf die Straßen unter ihnen sehen zu können. Sie flogen verdammt hoch und alles sah Streichholzklein aus.

Von vorne kam Bills Stimme: „Harry, wir sind bald da! Halt dich gut fest!"

„Wir sind doch noch gar nicht bei Nummer zwölf!", schrie Harry zurück.

„Wer sagt denn, dass wir dahin wollen?"

Einen Moment fühlte sich Harry an die List der Todesser im letzten Schuljahr erinnert und fragte sich, ob er in eine Falle gelaufen war, aber da Bill völlig ruhig vor ihm auf dem Motorrad saß und noch dazu völlig allein verwarf er den Gedanken wieder. Er konnte es selbst kaum glauben! Er verdächtigte seine Freunde und die Leute, die ihn mehrmals gerettet hatten, Spione zu sein. Wenn Ron und Mione das wüssten, würden sie ihn umbringen! Das heißt, sie würden ihn umbringen, wenn sie in der Lage dazu wären.

Auf einmal ging ihr Gefährt steil nach unten und Harry musste sich schnell an Bills Jacke festhalten um nicht herunter zu fallen.

Bill rief eine Entschuldigung nach hinten und korrigierte den Kurs etwas. Harry wurde trotz seiner Besenerfahrung etwas übel.

Zum Glück für ihn setzten sie kurz darauf in einer Seitenstraße auf und fuhren in gemächlicherem Tempo in Richtung der Hauptstraße, über die sie kurz zuvor geflogen waren.

Hier herrschte reger Betrieb und Harry schwankte zwischen Begeisterung und Entsetzung während Bills gewagter Fahrmanöver, mit denen er sich zwischen den berühmten roten Doppeldeckern, Taxis, Kleinwagen, Fahrrädern und bisweilen sogar Fußgängern hindurch zwängte. Irgendwann hielt es mit quietschenden Reifen auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums an und Bill stieg ab und bedeutete Harry es ihm nachzutun.

Etwas wackelig auf den Beinen stand dieser kurz darauf auf dem Beton und sah sich um. Es sah äußerst Muggelartig um ihn herum aus.

Er folgte Bill in einen Fahrstuhl und zwei Stockwerke aufwärts. Als die Türen sich dann mit einem seltsamen Geräusch öffneten stellte Harry verdutzt fest, dass sie in einem Muggel-Kaufhaus waren, nicht nur das: Es war Harrods, das Nobelkaufhaus in London. Er war mit den Dursleys Anfang der Ferien hier gewesen, die nur noch hier einkauften seit sein Onkel, er leitete eine Bohrmaschinenfirma namens „Grunnings", einen großen Coup gelandet hatte und nun äußerst reich war. 

Bill zog den staunenden Harry am Ärmel seines Pullis hinter sich her einen Gang entlang zu einem Geschäft. Harrys Verwunderung wuchs von Sekunde zu Sekunde als ein großer Mann in einem dunkelblauen Umhang sie anrempelte. Tatsächlich! Ein Umhang! Überhaupt sah es, bis auf die Tatsache, dass man durch die großen Fensterscheiben Muggel-London sehen konnte und der Schriftzug „Harrods'" von überall her zu lesen war, äußerst magisch aus.

Ein goldener Flieger, ähnlich denen im Ministerium flog über seinen Kopf hinweg in der Fahrstuhl hinein und neben ihm lief gerade jemand mit dem Tagespropheten in der Hand vorbei.

„Ähm…Bill, wo sind wir?"

„Harrods', Zaubererabteilung!", antwortete dieser gutgelaunt und spazierte vor ihm her in den Laden. Es war ein Bekleidungsgeschäft!

Rons ältester Bruder ging selbstsicher durch die roten Samtsessel und die langen Reihen von Kleidungsständern zur Verkaufstheke, hinter der ein Kobold in einer schwarzen Uniform mit goldenen Knöpfen stand. Seine langen Finger ertasteten ein Stück Stoff auf der Suche nach Fehlern darin. Er zuckte leicht zusammen als Bill die kleine Glocke vor ihm läutete.

„Wir hätten gern Mr. Potters Umhänge.", sagte der ehemalige Schulsprecher.

„Name?", fragte dieser ohne aufzublicken.

„Harry Potter und Bill Weasley."

"Auftragsbestätigung?"

Bill kramte einen Moment in seiner Tasche und zog dann ein sorgfältig zusammengefaltetes Dokument heraus. Der Kobold streckte seine langen feingliedrigen Hände danach aus und betrachtete es über die Ränder seiner Brille hinweg. Er nickte kurz zu Bill: „Wartet einen Moment."

Er ging durch einen schmalen Durchlass, der offensichtlich für Kobolde gemacht war und blieb dort einige Minuten. Dann kam er mit mehreren Kleidersäcken über dem Arm wieder.

Er breitete sie in aller Ruhe auf der Theke aus, so dass Bill jeden einzelnen von ihnen sehen konnte.

„Ja, das scheinen alle zu sein. Das macht?"

Der Kobold tippte etwas in eine altmodisch aussehende goldfarbene Kasse und antwortete dann: „35 Galleonen und 13 Sickel, bitte."

Harry schnappte unhörbar nach Luft. So viel? Es waren doch bloß Umhänge! Bill legte ihm unauffällig die Hand auf die Schulter und schob ihn, nachdem er bezahlt hatte hinaus.

„Hier!", Bill drückte ihm lächelnd die Umhänge in die Hand. „Die möchtest du sicher lieber selbst tragen. Sind schließlich ziemlich wichtig!" Er zwinkerte. Sie kauften noch ein paar Sachen, hauptsächlich Kleidung und Bücher(Harry kaufte sich ein uralt aussehendes über Aritmantik, von dem er todsicher war, dass Hermione es noch nicht hatte) und gingen dann wieder hinaus.

Diesmal flogen sie nicht, sondern fuhren ganz normal auf der Straße hinter einem alten Taxi.

Bill schien mindestens hundert Mal irgendwelche Verkehrsregeln einfach zu vergessen und so etwas wie Geschwindigkeitsbegrenzung war anscheinend auch ein Fremdwort für ihn. Wenig später hielten sie vor einer alten roten Telefonzelle, die Harry nur zu bekannt war.

„Hier?", fragte er etwas verwirrt.

Bill zuckte nur mit den Schultern: „Klar, wo willst du deine neuen Teamkollegen denn sonst treffen?"

„Moment mal! Willst du mir etwa sagen, dass ich jetzt gleich auf die englische Nationalmannschaft treffen werde?"

„Ja, will ich!", meinte Bill vergnügt und trat in die Telefonzelle, die mit ihm nach unten verschwand.

Mit einem Augenrollen und einem „Ich glaub das alles nicht!" folgte Harry ihm.

Als er in der Vorhalle seinen Zauberstab hatte inspizieren lassen ging er weiter, blieb aber automatisch vor dem großen Springbrunnen stehen. Nachdem er in Harrys fünften Schuljahr zerstört worden war, war die Anordnung der Figuren erneuert worden. Sie standen nun Rücken an Rücken auf gleicher Ebene und erhoben den Zauberstab, die Hände oder sonst etwas. Harry blickte in das goldene Gesicht des Zauberers. Er erinnerte ihn an Sirius. Normalerweise wurde er todtraurig wenn er diesen Springbrunnen ansah aber heute füllte ein Glücksgefühl seinen Bauch, wie er es lange nicht mehr gehabt hatte. Auf diese Weise hatte er das Gefühl, sein Pate könnte bei diesem wichtigen Tag in seinem Leben dabei sein. Er zwinkerte der Statur zu und rannte dann hinter Bill her, der schon fast am Fahrstuhl war.

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Ja, ja! Ihr dürft mich umbringen. Ich bin in dem Kapitel absolut nirgendwo hingekommen! Ich tapse auf der Stelle! HILFEEEE!!!!

Und ich bin ein bisserl enttäuscht! Nur ein Review? Schüff! Dabei bin ich doch krank! Und ich habe auch eine Entschuldigung für das miese Kapitel! Ich stehe unter Hustensafteinfluss! Jawohl!

Im nächsten Kapitel: Harry in der Nationalmannschaft, sein erstes Treffen mit Krum und ein bisschen Draco ist auch dabei…

See ya,

Aeril