Mission Malfoy Manor
Ginny hatte sich wieder in den Raum der Wünsche zurückgezogen. Sie lag auf einem weichen Bett und die Regale waren gefüllt mit Büchern über Gedanken-Transformation, Telekinese und so weiter. Auf ihrem Nachtschränkchen stand die Flasche mit dem Anti-Schmerz-Trank von Madam Pomfrey.
Ihre Augen waren geschlossen und sie konzentrierte sich. Wieder erkannte sie etwas. Zuerst nur Schatten, dann Umrisse und schließlich sah sie Draco. Er hatte sich vor dem Gitter zusammengerollt und berührte die Hand seiner Mutter.
"Sie liegt ja immer noch da."
Draco schien ihre Worte gehört zu haben, doch Ginny hatte sich einen Moment lang nicht in der Gewalt und schon war die Verbindung wieder weg.
Zitternd langte sie nach dem grünen Fläschchen und nahm gleich mehrere Tropfen. Als sie sich beruhigt hatte, versuchte sie es erneut. Diesmal ging es schneller.
"Draco, kannst du mich hören?"
Angstvoll blickte er sich um.
"Wer ist da? Wo bist du?"
"Ich bins, Ginny."
"Klein-Wealsey?"
Seine Stimme klang schrill.
"Jetzt werd ich schon völlig verrückt."
"Nein, wirst du nicht. Hör zu, Harry und wir anderen wollen dich darausholen. Wir bereiten gerade alles vor."
Ginny bemerkte wie sie schwächer wurde. Sie zitterte und Schweiß perlte auf ihrer Stirn.
"Halte dich bereit... Gleich bei dir..."
Und schließlich wurde sie bewusstlos. Es konnt nicht lange gedauert haben, denn es war immer noch tiefste Nacht als Fleur sie an der Schulter rüttelte.
"Ginny! Wach auf!"
Benommen schüttelte sie den Kopf.
"Was ist los?"
"Nichts... Es geht schon wieder. Es war nur ziemlich anstrengend. Wie weit sind die anderen?"
"Wir warten eigentlisch nur noch auf disch."
Ginny ließ sich von ihr aufhelfen und gemeinsam gingen sie in den Gryffindor-Turm. Alle schauten sie erwartungsvoll an, als sie durch das Porträtloch kletterte.
"Und?"
"Ich habe ihn erreicht und er weiß Bescheid."
Harry nickte.
"Gut, dann los. Hermine, wo werden wir landen?"
"Ich habe den goldenen Becher so programmiert dass wir außerhalb der Mauern von Malfoy Manor landen. Wer weiß, vielleicht gibt es eine Art Alarmanlage."
Sie deutete auf einen silbernen Becher.
"Der andere führt uns direkt wieder hier her."
"Meint i'r nischt dass wir unsere Besen mitne'men sollten?"
"Was meinst du was ich hier trage."
Ron klopfte auf seine Hosentasche.
"Von Hermine persönlich auf Bleistiftgröße geschrumpft."
"Wir sollten uns beeilen. In zwei Minuten gehts los."
Sie schauten sich noch ein letztes Mal um ob sie etwas vergessen hatten und berührten dann gemeinsam den goldenen Becher. Es dauerte nicht lange, da spürten sie auch schon das bekannte Reißen hinter dem Nabel.
Sie landeten auf einer großen Wiese. Harry sprang sofort auf und schaute sich um und auch die anderen standen erstaunlich schnell wieder auf. Ihn allen war nicht wohl dabei schutzlos auf einer Wiese neben dem Anwesen eines Todessers zu liegen.
"Ok, wie gehts jetzt weiter?"
Ginny taumelte und kurze Zeit später hörte sie etwas.
"Überrascht? Ja, nicht nur du kannst Kontakt mit mir aufnehmen."
"Wir sind gerade angekommen und stehen vor dem Eingangstor."
"Ginny, was ist los? Ist es Draco?"
"Ja."
"Ihr dürft den Boden unter dem Tor nicht berühren."
"Wieso nicht?"
"Ich glaube du willst nicht wissen was dann passiert."
"Doch."
"Gut. Wenn ihr den Boden berührt, werden sofort Todesflüche auf euch abgeschossen und eure Seelen werden in die Gruft darunter befördert, wo dann die Seelenfresser warten."
Ginny schauderte.
"Du hast recht, so genau wollte ich das gar nicht wissen."
"Sieben Meter. Dann könnt ihr gefahrlos weitergehen."
"Draco hat gesagt dass wir den Boden unter dem Torbogen und dann sieben Meter weiter nicht betreten dürfen. Sonst sind wir tot."
"Das hat er gesagt?"
"Naja, nicht wortwörtlich aber sinngemäß."
"Gut das wir die Besen dabei aben."
Ron beförderte sie aus seiner Tasche und legte sie auf den Boden, wo Hermine sie sogleich wieder auf ihre richtige Größe zauberte. So leise sie konnten stiegen sie auf und flogen los. Auf halber Strecke fing Fleurs Besen an zu ruckeln. Sie rutschte zur Seite, konnte sich aber gerade noch am Stiel festklammern. Ihre Beine kamen fast auf den Grund. Funken stoben auf. Sie fing an zu quieken, beeilte sich aber dann ihre Beine anzuziehen und klammerte sich noch verzweifelter fest.
So gelangte sie schließlich zu den anderen, die inzwischen schon gelandet waren. Erleichtert schloss Ron sie in die Arme.
"Meine Güte war das knapp."
"Wo sind wir?"
Ginny ging einige Schritte weiter. Vor ihr erhoben sich im dunkeln die Umrisse einer kleinen Kapelle.
Plötzlich sah sie wieder etwas. Narcissa Malfoy. Sie trug ein bodenlanges Schwarzes Kleid, was einen starken Kontrast zu ihrem blonden Haar bildete, welches sie offen trug.
Neben ihr stand Lucius. Er trug einen schwarzen Anzug und einen blutroten Umhang darüber. Sie tauschten Ringe und erst da wurde Ginny bewusst das sie die Hochzeit der beiden sah.
"Kannst du mir jetzt etwa auch deine Erinnerungen zukommen lassen?"
"Sieht wohl so aus, oder. Die Szene war vor fünfzehn Jahren. Er hat sie gezwungen."
"Ginny, frag Draco wie es weiter geht."
"Wo müssen wir jetzt hin?"
"Auf der linken Seite sind die Pferdeställe. Daran vorbei und dann immer geradeaus. Ihr kommt direkt auf das Wohnhaus zu. Melde dich wenn ihr drin seid."
"Keine weiteren Flüche?"
"Habt ihr Granger dabei?"
"Ja."
"Dann kann euch ja nichts passieren. Die Fallen sind alle offensichtlich."
"Was meinst du damit?"
Doch Draco hatte sich schon wieder aus ihren Gedanken zurückgezogen.
"Was hat er gesagt?"
"Wir sollen links an den Pferdeställen vorbei gehen, dann kommen wir auf das Wohnhaus zu."
"'arry, isch will ja nischt meckern, aber 'ast du dir diesen Teil des Planes auch schon ausgedacht?"
"Wir gehen rein..."
"Wenn wir nicht vorher schon von irgendwelchen Flüchen getroffen werden..."
"...dann nehmen wir den Tarnumhang..."
"...den wir hätten schon viel früher nehmen sollen, aber er reicht ja auch gar nicht für alle..."
"...suchen das Zimmer in dem Draco ist..."
"...wünschen Voldie und Lucie einen schönen Tag weil sie uns sicher bemerken und uns dann töten..."
"...holen ihn daraus..."
"...wenn wir dann noch leben..."
"...und reisen mit dem Portschlüssel wieder nach Hogwarts."
"...wenn wir dann nicht schon tot sind!"
"RON!"
"Harry, entschuldige mal, aber erkennst du nicht all diese kleinen Fehler in deinem ach-so-perfektem Plan?"
Ron funkelte Harry an.
"Ich wiederhole es nur ungern, aber der Tarnumhang reicht nicht für alle!"
"Wenn ihr zwei nicht so beschäftigt mit streiten gewesen wärt, hätte ich euch schon längst gesagt dass ich uns alle unsichtbar machen kann."
Harry schaute seine Freundin verblüfft an.
"Kannst du?"
"Allerdings. Dislocamus!"
Hermine schwang ihren Zauberstab. Aus ihm schien ein blaues Band zu fließen, welches sich um sie alle legte. Dann gab es überall zischende Geräusche und plötzlich war nur noch eine leere Wiese zu sehen, wie man es in einer kalten Nacht wie dieser auch erwartete.
"Du bist wunderbar. Aber das kommt doch erst im siebten Schuljahr, oder?"
"Und? Wenn ich das nicht gekonnt hätte, würdest du jetzt immer noch mit Ron streiten."
Den letzte Satz hatte sie geflüstert. Harry nahm ihre Hand und als sie sicher waren dass die anderen ihnen folgten, gingen sie voran. Als sie an den Ställen vorbei kamen, wieherten einige Pferde auf. Die oberen Boxentüren waren geöffnet. Es waren prachtvolle Tiere. Die meisten waren schwarz und ihre Augen glitzerten im Mondschein vor Abenteuerlust.
"Sie sind wunderschön."
Ginny hatte mehr zu sich selbst gesprochen doch Fleur hatte sie wohl doch gehört.
"Ja. In Frankreisch 'atte isch auch eins, aber er wurde krank und so konnte isch i'n nischt me'r reiten."
"Das tut mir leid."
"Er ste't jetzt bei meine Grandma. Sie 'at ein Gestüt. Sie verwö'nt i'n viel zu se'r, aber isch weiß das es i'm dort gut ge't."
"Hey ihr zwei, kommt weiter!"
Gemeinsam liefen sie weiter. Kurze Zeit später tauchte vor ihnen das Wohnhaus auf. Zwei hoch aufgerichtete Schlangen schienen den Eingang zu bewachen. Ginny fiel etwas ein.
"Harry, Draco hat gesagt dass es noch mehr Flüche gibt, aber dass sie alle offensichtlich wären."
Ron murrte schon wieder.
"Super, dann lassen wir also Hermine vorgehen und alles für uns erledigen."
"Man Ron, jetzt hör auf so pessimistisch zu sein."
Harry ging auf die große Eingengstür zu. Dann zog er seinen Zauberstab und legte dessen Spitze auf das dunkle Holz. Erst geschah gar nichts, doch dann fing er an zu vibrieren und kurze Zeit später leuchtete er grün auf.
"Hinter dieser Tür ist nichts."
"Harry, war das ein Ortungszauber?"
"So etwas in der Art. Er erkennt schwarze Magie. Wenn er rot geleuchtet hätte, hätten wir jetzt ein Problem."
Ginny kam nach vorn und suchte nach einem Türknauf.
"Kann mir mal jemand verraten wie wir die Tür aufkriegen? Ich schätze mit einem einfachen Alohomora ist es nicht getan."
Erneut tastete sie über das Holz, strich dabei aber auch über den Rahmen. Plötzlich erscholl ein leises Klicken. Die Tür schwang auf. Beeindruckt aber auch gleichzeitig etwas ängstlich betraten sie die Eingangshalle. An den Wänden hingen grausame Bilder, die sie sich lieber nicht genauer ansehen wollten, und gegenüber an der Wand stand eine große Uhr.
"Das ist eine Seelensammlerin."
Harry trat näher an sie heran.
"Eine was?"
"Lupin hat mir mal davon erzählt. Sie sammelt die Seelen derer, die in ihrer Nähe gewaltsam zu Tode kommen und hält sie gefangen. Wenn man es schafft eine Seele einen Monat nach ihrem Tod zu befreien, wird die Uhr zerstört. Wenn nicht, bleibt sie bestehen und die Seelen werden auf immer gequält."
"Super, das ermutigt mich jetzt weiter zu machen."
Ginnys Stimme war voller Ironie.
"Draco, wir sind jetzt in der Eingangshalle."
"Hört sich seltsam an wenn du mich so nennst."
Sie stockte einen Moment.
"Darüber können wir uns später unterhalten. Wo sollen wir hin?"
"Geht den linken Gang entlang. Das erste Zimmer auf der rechten Seite ist das Schlafzimmer meiner Elt... Wie gesagt, das Schlafzimmer. Unter dem Teppich vor den Betten ist eine Geheimtür."
"Hey, wir werden dir daraushelfen..."
Doch Draco antwortete nicht mehr. Sie alle schraken zusammen als die Uhr anfing zu schlagen. Dunkle, tiefe Glockentöne hallten durch das Haus. Und dann schrie jemand. Es war ein Schrei der ihnen durch Mark und Bein ging.
Als die Uhr verstummt war, wagte keiner von ihnen zu atmen. Fleur nahm Rons Hand.
"Wir... Wir müssen den linken Gang nehmen und dann das erste Zimmer rechts. Unter dem Teppich ist eine Geheimtür, hinter der sich Draco befindet."
"Hat er gesagt ob Personen im Zimmer sind?"
"Nein."
"Dann auf gut Glück."
Doch bevor Harry auch nur einen Schritt machen konnte, ging Hermine an ihm vorbei. Da er sie nicht sehen konnte, griff er ins Lehre als er sie zurückhalten wollte.
"Hermine! Das ist zu gefährlich!"
Doch schon lief sie den linken Gang entlang bis sie vor der Tür stand, die Ginny gemeint haben musste. Schnell bevor ihr die anderen folgen konnten, drückte sie die Klinke hinunter, trat ein und verschloss sie wieder. Was sie dann sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefriern.
Lucius Malfoy verging sich an seiner toten Frau. Obwohl der Anblick so grausam war, konnte sich Hermine nicht abwenden. Der Kopf Narcissas rollte haltlos hin und her. Als ihre hellblauen starren Augen Hermines Gesicht streiften, konnte sie sich endlich abwenden. Doch dann fing der blonde Todesser an zu stöhnen und sie ließ sich sich in die Hocke sinken und hielt sich die Ohren zu.
Dann war es vorbei.
Als sei nichts gewesen, zog Lucius seine Hose wieder an und brachte sein Haar in Ordnung. Dann zog er seinen Zauberstab und ehe Hermine etwas tun konnte, schossen orange-rote Flammen daraus. Er verbrannte den Leichnahm. Ein leiser Windhauch streifte Hermines Wange. Dann erhob sich die Seele Narcissas aus dem Rauch. Sie sah aus als sei sie noch lebendig, doch schien sie silberweiß. Ihre Augen blickten Lucius vorwurfsvoll an, dann wurde sie von einem Wind erfasst und nach draussen gezogen. Hermine dachte an die Seelenuhr. Doch als sich Lucius zu ihr herumdrehte, und sie sein Gesicht sehen konnte, überkam sie Wut, rasende Wut.
"Stupor!"
Wie vom Blitz getroffen sackte er zusammen. Im gleichen Moment sprang die Tür hinter ihr auf.
"Hermine! Ist alles in Ordnung?"
Harry blickte in die Richtung in der er sie vermutete.
"Ja... Ich denke schon."
"Hier riechts verbrannt, haben wir was verpasst?"
"Später. Wir müssen Draco befreien."
Harry zog den Teppich zur Seite und versuchte dann die darunter zum Vorschein gekommene Tür auf zu bekommen. Nach einigen erfolglosen Versuchen seufzte er.
"Könntet ihr mir mal helfen?"
Ron grinste.
"Ich dachte schon du fragst nicht mehr."
Gemeinsam öffneten sie die Tür, hinter der ein graues Zwielicht herrschte. Es roch durchdringend nach Schwefel. Harry ging vor und sobald er den ersten Schritt auf eine der Sprossen gesetzt hatte, hörte er etwas.
"Malfoy?"
"Potter, bist du das?"
"Ja. Wo bist du?"
Harry war mittlerweile auf dem Boden angekomen.
"In der letzten Zelle."
Harry wartete bis alle die Leiter hinunter geklettert waren, dann gingen sie, Ron vorraus, den Gang entlang. Vor Dracos Zelle blieb er stehen.
"Ich hoffe du änderst dich wenigstens wenn wir dich hier rausholen."
"Mal sehen."
"Ron! Geh weg da."
Ginny drängte sich an ihm vorbei und ließ sich in die Hocke sinken.
"Wie geht es dir?"
"Mir würde es besser gehen wenn ich draussen wär."
"Du bist nicht verletzt?"
"Nein, nicht sehr schlimm."
"Sind die Gitter so eine Art Alarmanlage?"
"Nein, zumindest weiß ich nichts davon."
"Warte."
Sie zog ihren Zauberstab aus der Tasche und hielt ihn gegen das Gitter. Harry meldete sich etwas verdutzt zu Wort.
"Sag bloß du kannst auch diesen Zauber?"
Ginny lächelte ihn nur kurz an und sah dann wieder gebannt auf ihren Zauberstab. Nach einiger Zeit leuchtete er hellgrün auf und Ginny wollte ihn herunternehmen. Doch dann wurde das Licht orange und schließlich rot. Auch das Vibrieren wurde stärker.
"Ginny, nimm den Stab da weg."
"Ich kann nicht... Er klebt fest."
Ron zog an Ginnys Arm, doch auch sie schien am Gitter zu kleben. Dann leuchtete sie ebenfalls rot auf. Der Unsichtbarkeitszauber wirkte nicht mehr und ihr Körper schien zu glühen.
"Jetzt tut doch was!"
Plötzlich war sie verschwunden. Ron schaute entsetzt auf die Stelle an der sie eben noch gestanden hatte.
"Malfoy, verdammt, was war das?"
"Ich weiß es nicht, ehrlich."
Dann tauchte Ginny wieder auf. Doch sie lag nun bewusstlos auf Dracos Seite. Er ließ sich neben ihr nieder.
"Sie ist nur ohnmächtig."
"Verdammt, euch darf man aber auch nicht alleine lassen."
Erschrocken drehten sich alle um. Remus Lupin war plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht. Er schien ein kleines Tier in der Hand zu halten welches er in der nächsten Sekunde jedoch schon auf das Gitter warf. Ginny und Draco wurden gegen das Gitter gedrückt. Doch nach einiger Zeit schien es als glitten sie durch das Gitter und nun lagen sie beide regungslos vor Professor Lupins Füßen. Er nahm Ginny auf die Arme und bedeutete Harry und Ron Draco zu nehmen.
Erschrocken drehten sich alle erneut um. Es waren Schritte zu hören.
"Schnell!"
Er drängte sie den silbernen Becher an zu fassen und bevor das erste Paar Schuhe auf der Leiter sichtbar wurde, waren sie verschwunden. Sie kamen im Gemeinschaftsraum der Gryffindors an. Dort wartete schon Madam Pomfrey, die sich sogleich um Draco kümmerte. Dann disapparierten sie und Lupin. Harry schaute Hermine an.
"Ich dachte in Hogwarts kann man nicht apparieren?"
"Innerhalb Hogwarts schon, aber nicht raus oder rein."
Dann liefen alle zum Krankenflügel. Madam Pomfrey öffnete ihnen mit einem Kopfschütteln.
"Wie geht es Ginny?"
Ron stürmte noch ohne eine Antwort abzuwarten in den Saal.
"Sie ist immer noch bewusstlos. Und das wird sie wohl auch einige Zeit bleiben."
Hermine schaute die Schulkrankenschwester überrascht an. Sie begann zu erklären.
"Das Gitter war verzaubert. Es zwingt jeden, der es berührt seine schlimmste Angst in tausendfacher Verstärkung zu erleben.
"Wovor 'at Ginny Angst?"
"Ich weiß es nicht. Schon traurig, oder? Ich kenne nicht mal die Ängste meiner kleinen Schwester. Aber das wäre alles nicht passiert wenn Harry uns da nicht reingerissen hätte!"
Sie drehten sich zu Ron. Er stand, die Fäuste geballt an Ginnys Bett. Sein Gesicht war weiß und seine Lippen bildeten einen blutleeren Strich.
"Jetzt schaut mich nicht so an, ich sage doch die Wahrheit. Nur wegen Malfoy haben wir alle unser Leben aufs Spiel gesetzt! Und Ginny hätte ihres beinahe verloren! Ich schwöre dir Harry, wenn noch irgendwas mit ihr passiert, mache ich dich dafür verantwortlich!"
Harry hatte einen Kloß im Hals.
"Ron, ich..."
"Geh mir aus den Augen."
Hermine legte Harry eine Hand auf den Arm. Er drehte sich ruckartig zu ihr um.
"Denkst du auch so? Denkt ihr alle etwa so?"
Seine Freundin senkte den Blick. Jetzt reichte es ihm. Er ging so schnell es ihm möglich war ohne zu rennen aus dem Krankenflügel. Seine Gedanken wirbelten völlig durcheinander und so merkte er nicht, wohin ihn seine Füße trugen. Schließlich stand er vor dem Raum der Wünsche. Er dachte an das letzte Jahr. Hier hatte er Cho unter dem Mistelzweig getroffen und dann hatten sie sich geküsst. Es war sein erster Kuss gewesen.
Und hätte Harry noch an Zufälle geglaubt, so stand genau diese Cho plötzlich vor ihm. Sie schaute ihn etwas verdutzt an.
"Schleichen wir uns nachts jetzt wieder durch die Gänge?"
"Das selbe könnte ich dich fragen."
"Was ist denn los mit dir? Lass mich raten. Hermine hat dir den Laufpass gegeben."
"Wie kommst du darauf?"
"Habt ihr nicht eine gemeinsame Wohnung als Schulsprecher? Ist es da nicht etwas seltsam wenn du nachts mit bösem Gesichtsausdruck durch die Schule rennst? Komm mit."
Ohne seine Reaktion anzuwarten, zog sie ihn in den Raum der Wünsche. Seine Augen wurden groß als er das mit rotem Satin bezogene Bett sah. Und er begann wirklich an seiner Wahrnehmungskraft zu zweifeln als leise Musik ertönte. Cho stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte.
"Ich würde dich bestimmt nicht abweisen."
Das nächste was er spürte waren ihre weichen Lippen. Diesmal waren sie nicht salzig, wie damals von den Tränen. Und plötzlich waren ihre Hände in seinem Schritt. Er wich zurück.
"Cho!"
Sie lächelte wissend.
"Harry, lass uns alles vergessen was war und noch einmal neu anfangen."
"Ich habe eine feste Freundin."
"Du willst mir doch nicht erzählen dass Mrs.Oberschlau dich schon ran gelassen hat, oder?"
"Was soll das?"
"Komm schon, du willst es doch auch."
Allmählich kamen Harrys Gedanken wieder in Schwung. Er schüttelte noch einmal den Kopf, drehte sich um und trat durch die Tür. Und da stand Hermine vor ihm. Sie biss sich auf die Unterlippe und wirkte ziemlich zerknirscht.
"Harry, es tut mir leid."
"Oh, da störe ich wohl. Aber falls etwas sein sollte Harry, ich bin immer für dich da."
Cho warf ihre langen schwarzen Haare über die Schulter und ging dann davon.
Hermine schaute ihn skeptisch an.
"Was sollte das denn jetzt?"
"Hermine, das mit vorhin, wegen Ron, wolltest du nicht...etwas sagen?"
"Ja gleich, aber was wollte Cho von dir?"
"Hermine, reg dich bitte nicht auf und lass mich ausreden. Sie hat mich geküsst."
Ihre rechte Augenbraue rutschte ein Stück nach oben.
"Ich glaube sie wollte... Naja, du weißt schon."
"Harry..."
"Nein, hör mir zu, ich habe gleich abgeblockt. Da war nichts ehrlich!"
Sie lächelte.
"Ich weiß."
"Was?"
"Hey, ich vertraue dir. Und ich glaube dir einfach. Und wegen dem was Ron gesagt hat, es tut mir Leid. Er meint es bestimmt nicht so. Wenn wir es nicht getan hätten, wer weiß ob Malfoy dann noch am Leben wäre. Lass uns schlafen gehen. Es war eine anstrengende Nacht."
Sie nahm seine Hand und ohne ein weiteres Wort machten sie sich auf den Weg zu ihrer Wohnung. Dort angekommen ließ Harry sich auf Hermines Bett fallen.
"Hermine, meinst du das war richtig?"
"Was? Ein Leben zu retten?"
Er schaute sie fragend an.
"Harry, das ist jetzt nicht dein ernst oder? Malfoy hat dich... Und so nebenbei uns alle über Jahre beleidigt. Und was machst du?
Er war in sehr großer Gefahr, aber du hast das auf dich genommen und hast sein Leben gerettet! Zeugt so etwas nicht von wahrer Größe?"
"Du redest von mir als sei ich ein tapferer Held aus irgend so einem Kitsch-Roman."
"Du bist viel mehr als das..."
"Hermine."
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen.
"Wenn ich der tapfere Held bin, dann bist du aber auch meine Prinzessin. Und das meine ich wirklich. Ich habe noch nie für jemanden so viel empunden wie für dich. In der Zeit als ich mich wegen Sirius vergraben habe, warst du für mich da und hast versucht mich wieder aufzubauen. Du bist das wichtigste in meinem Leben."
Als Harry merkte dass Hermine nicht wusste was sie sagen sollte, beugte er sich einfach zu ihr hinab und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann kuschelten sie sich aneinander und schliefen ein.
In den nächsten Wochen redeten Ron und Harry nur das Nötigste mit einander. Ron wollte sich eigentlich schon entschuldigen, aber er hütete sich das zu zeigen. Harry wusste dass er seinen Gefühlen nicht freien Lauf lassen konnte und so ließ er ihm Zeit. Hermine meinte zwar, er solle es ihm leichter machen und sich zuerst entschuldigen, aber dafür war nun wiederum Harry zu stolz.
Eines Abends saßen Harry, Hermine und Fleur im Gemeinschaftsraum, als ein ziemlich erschöpft aussehender Ron durch das Porträtloch stürmte. Fleur sah ihren Freund entgeistert an.
"Ron, Schatz, was ist passiert?"
Keuchend und mit knallrotem Gesicht sagte er nur drei Wörter, die sie alle sofort aus dem Raum stürmen ließen.
"Malfoy ist aufgewacht!"
Madam Pomfrey hatte Mühe die Rasselbande wieder zur Ruhe zu bekommen, die den blonden Slytherin bestürmten. Zuerst wussten sie nicht recht was sie sagen sollten, dann aber brach Harry das Eis.
"Wie geht es dir?"
"Unkraut vergeht nicht. Aber es war...schon mal...besser..."
Seine Stimme erstab in einem Hustenafall als er versuchte sich aufzusetzen.
"Mr.Malfoy, sie sollten wirklich noch liegen bleiben. Sie haben schwere innere Verletzungen."
Ron konnte sich nicht zurückhalten.
"Innere Verletzungen vom rumliegen?"
Bevor Madam Pomfrey antworten konnte, sprach Draco.
"Bevor du es vergisst, dieses Gitter zwingt jeden seine schlimmste Angst in tausendfacher Verstärkung zu erleben. Weißt du wovor ich Angst habe, Weasley? Vor dem Schmerz. Und während ich hier lag, wurde ich immer wieder von meinem Vater damit gequält. Das letzte... Mal, hat...er mich fast..."
Wieder erstarb seine Stimme. Er drehte sich zur Seite und als er den Kopf schließlich wieder hob, waren auf dem Kopfkissen rote Flecken.
Die Schulkrankenschwester schickte sie alle wieder nach draussen.
"Er braucht Ruhe. Unbedingt!"
"Was ist mit meiner Schwester?"
Sie schaute den rothaarigen Schüler einen Moment ernst an.
"Sobald sich der Zustand ihrer Schwester ändert, sage ich ihnen Bescheid."
Fleur versuchte ihren Freund aufzumuntern, während sie wieder in den Gryffindor-Turm gingen.
"Es kann bestimmt nischt mehr lange dauern bis sie aufwacht. Kopf hoch, es kann doch nur besser werden."
Doch es dauerte noch einige Wochen bis sie aufwachte. Madam Pomfrey hatte alle Hände voll zu tun. Sie belegte Ginny mit einigen Zaubern, damit ihr Körper nicht zu sehr geschwächt wurde. Hätte sie dies nicht getan, wäre sie verhungert und ihre Musklen wären verkümmert.
Doch endlich, drei Wochen vor dem Weihnachtsball, erwachte sie.
