Kapitel 2

Ihre mageren Geldreserven zwangen Frederica dazu, vom Bahnhof zur Schule zu laufen. Der Weg kam ihr unendlich lange vor, denn die Schule lag außerhalb der kleinen Stadt. Sie war froh, daß sie ihren schweren Koffer in einem Schließfach am Bahnhof zurückgelassen hatte. Mit ihrem alten Rucksack auf dem Rücken ging sie mit festen Schritten aus der Stadt und folgte der Wegbeschreibung eines hilfreichen Schaffners.

Eine Stunde später kam sie am Haupteingang der Schule an. An den großen Flügeltüren aus Eisenstäben hing das Schild „Xavier School for Gifted Youngsters".

Sie testete den Griff und er gab nach, so daß sie den riesigen Park der Schule betreten konnte. Die Schule war ein riesiges Gebäude aus Sandstein, das eher wie ein Schloß als eine Schule wirkte.

Sie werden nicht erwartet, bleiben Sie bitte stehen!

Frederica zuckte zusammen, als sie die Stimme in ihrem Kopf hörte. Sie schaute sich suchend um, doch niemand war zu sehen.

Jemand hier konnte wohl Gedanken lesen!

Frederica sprach einen Schutzzauber aus, der ihre Gedanken abschirmen sollte, sie wollte ihre Karten nicht gleich offen legen. Schließlich wußte sie nicht genau, was sie hier erwartete.

Sie ging im Dämmerlicht weiter, bis sie plötzlich von der Seite angegriffen wurde. Es ging so schnell, daß sie nicht reagieren konnte. Erst als ein großer, schwerer Mann sie auf den weichen Rasen drückte, begann sie, wild zu strampeln.

„Halt still, Du kleines Biest oder ich schlitze dich auf!"

Der Mann mit den dunklen wild abstehenden Haaren hatte ihre Handgelenke mit einer Hand gepackt und hielt sie über ihrem Kopf fest, so daß er mit der anderen ihr Gesicht umfassen konnte.

Frederica sah angsterfüllt zu ihm auf, er war sehr stark und so schwer. Sie hatte das Gefühl, daß ein riesiger Fels auf ihr lag. Sie zwang sich die Augen zu schließen, und den Levitationszauber anzuwenden, der ihr ermöglichte, leblose Objekte für kurze Zeit zu bewegen.

Nach einigen Augenblicken fühlte sie wie das Gewicht von ihr genommen wurde und sie wieder normal atmen konnte. Der Mann über ihr stieß ein tiefes Grollen aus, das sie erschreckte. Sie vergaß darüber, die Beschwörung aufrecht zu erhalten und konnte gerade noch zur Seite rollen, bevor er schwer neben ihr auf den Rasen fiel.

Sie sprang behende auf die Füße und lief vor ihm davon. Frederica kam jedoch nicht weit. Nach wenigen Augenblicken packte sie der große Mann von hinten, drehte sie zu sich um und warf sie sich über die Schulter.

Sie war so darüber aufgebracht, daß sie ihn auf Deutsch beschimpfte und nicht mehr an magische Gegenwehr dachte. Sie konnte nicht genau sehen, wohin sie gebracht wurde, bis sie von dem Mann in Jeans und Lederjacke unsanft in einem Zimmer abgesetzt wurde, das wohl ein Büro war.

Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann in einem formellen Anzug und lächelte sie kopfschüttelnd an: „Haben Sie gedacht, daß Sie ohne Voranmeldung ein fremdes Anwesen betreten dürfen, meine Liebe?"

Frederica schob erbost ihre aufgelösten Haare aus dem Gesicht, bei ihrem kleinen sehr einseitigen Kampf hatte sich ihr Haarknoten gelöst, so daß sich ihre dunkelroten Haare wie ein Wasserfall in Wellen über ihre Schultern ergossen. Sie erkannte den Professor an seiner markanten Glatze und seinem Rollstuhl und wurde rot.

„Verzeihen Sie vielmals, Herr Professor! Excuse me, I'm somewhat confused. Ich habe eine lange Reise hinter mir. Ich wollte nicht unhöflich sein, ich brauche Ihre Hilfe und wußte nicht, ob Sie mich empfangen würden."

Frederica hatte ihn versehentlich auf Deutsch angesprochen und wechselte dann ins Englische.

„Wie können Sie sich vor meinen telepathischen Fähigkeiten schützen? Sie sind kein Mutant, der ähnliche Kräfte besitzt, das hätte ich vorhin gespürt."

Frederica wollte auf den Professor zugehen, doch Wolverine packte sie unsanft am Arm und hielt sie zurück.

„Sie hat mich wie Jeannie durch die Luft fliegen lassen, Professor! Sie kann nur ein Mutant sein!", warf der Mann ein, während er ihren Arm fest gepackt hielt.

Frederica schüttelte den Kopf und versuchte, sich dem Griff des Mannes zu entwinden, aber er war zu stark.

„Ich bin kein Mutant! Ich bin eine Hexe! Und wenn Sie mich nicht loslassen, guter Mann, dann werde ich Ihnen sehr wehtun!"

Frederica blitzte den großen Mann neben sich an, der lachend seinen Kopf zurückwarf.

„Eine Hexe? Professor, langsam wird es interessant!"

Frederica zog eine Schnute und begann, einige Beschwörungsformeln zu murmeln, sie richtete ihren Blick auf die Hand des Mannes und diese fing Feuer. Mit einem Schmerzenschrei auf den Lippen ließ sie der Fremde los. Die Flammen verschwanden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Der Mann mit dem wilden Haarschnitt stieß ein tiefes Grollen aus, doch er hielt sich von ihr fern.

„Sehr eindrucksvoll, junge Dame! Aber lassen wir diese Spielchen! Ich muß meine Schüler schützen, also wer sind Sie?"

Der Professor bedeutete ihr mit einer Geste, auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen, was Frederica dankbar annahm, da ihr die Beine vom langen Fußmarsch wehtaten.

„Mein Name ist Frederica Rose, ich komme gerade aus Deutschland. Auf dem Flughafen habe ich im Internet recherchiert. Ich war auf dem Weg nach Kanada, ich wollte zum Alkali Lake. Aber laut Berichten wurde dort eine militärische Einrichtung überflutet. Bei meiner Recherche tauchte immer wieder Ihr Name auf, deshalb dachte ich, daß Sie mir vielleicht bei meiner Suche helfen können."

Der große dunkle Mann kam um den Stuhl herum und lehnte sich dann an den Schreibtisch.

„Was wollten Sie am Alkali Lake? Und woher wußten Sie davon? Das ist ein sehr gut gehütetes Geheimnis."

Ein mißtrauischer Blick aus dunklen, tiefliegenden Augen traf sie und die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Von dem Fremden ging eine so intensive Ausstrahlung aus, daß sie sie körperlich spüren konnte.

„Übrigens, Miss Rose, das ist Logan oder auch Wolverine! Er gehört zum Lehrkörper dieser Schule!"

Diesen Ausspruch quittierte der Mann namens Logan mit einem schiefen Grinsen.

Frederica wandte sich lieber Professor Xavier zu, der sie nicht so durcheinander brachte wie dieser merkwürdige Lehrer, der eher in eine wilde Rockerbande als in eine Schule gepaßt hätte.

„Ein Mann namens William Stryker hat in Deutschland einen Mutanten entführt. Sein Name ist Kurt Wagner, er befand sich in meiner Obhut, als das passierte. Ich habe versucht, Kurt zu beschützen. Ich bin jedoch aus der Übung, weil ich einige Jahre keine Magie mehr praktiziert habe. Stryker und seine Männer überwältigten uns, in einem Labor wachte ich kurz auf. Man hatte festgestellt, daß ich kein Mutant bin und sie setzten mich unter dem Einfluß von Drogen auf einer Landstraße ab. Das war vor fast zwei Monaten. Ich beschloß Kurt zu suchen, aber ich brauchte einige Zeit, um ein Visum zu bekommen und einige andere Sachen zu regeln."

Sie wollte nicht gleich damit herausplatzen, daß sie einen Orden verlassen und kurz davor gestanden hatte, eine Nonne zu werden.

Logan beäugte sie weiterhin mißtrauisch, der Professor schien ihr zu glauben, denn er lächelte sie freundlich an: „Ihre Geschichte klingt phantastisch, aber nicht unglaubwürdig! Es gibt nur einen Weg, wie wir sie nachprüfen können! Wir müssen Kurt persönlich fragen!"

„Aber…", Frederica kam nicht viel weiter, denn es gab einen lauten Knall, der sich wie „bampf" anhörte und neben ihr stand plötzlich eine schwarzgewandete Gestalt.

„Sie haben mich gerufen, Professor?", sagte der Mann, der aus dem Nichts erschienen war, mit einem starken Akzent in seinem Englisch.

„Hier ist jemand, der dich sucht, Kurt!", erwiderte der Professor und wies auf den Stuhl, wo Frederica saß und den Neuankömmling, der aus dem Nichts aufgetaucht war, überrascht anstarrte.

Er stand leibhaftig vor ihr und sah gesund und munter aus. Sie konnte Kurt nur weiter sprachlos anstarren. Er starrte genauso verblüfft zurück, denn ohne ihren Habit erkannte er sie wohl nicht.

„Verzeihen Sie, meine Dame, aber warum suchen Sie mich?", fragte er verunsichert.

Kurt sah sie verwirrt an und Logan wollte sie schon packen, doch Frederica griff nach Kurts Hand und sprach ihn auf Deutsch an: „Kurt, ich bin es Frederica! Du bist in unserem Kräutergarten ohnmächtig geworden und hast drei Nächte in unserem Kloster geschlafen!"

Auf Kurts blauem Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus: „Schwester Frederica? Du meine Güte, ohne ihren Habit hätte ich Sie nie erkannt! Professor Xavier, das ist die junge Nonne, die mich im Kloster gepflegt hat! Ist Ihr Orden so frei, daß sie weltliche Sachen tragen dürfen, Schwester Frederica?"

Sowohl der Professor als auch Logan waren vollkommen perplex. Eine Hexe, die sich als Nonne herausstellte, war eine ziemlich überraschende Wendung. Nicht, daß es in ihrer Welt voller Mutanten noch viel zu wundern gab.

„Bitte nenn mich einfach Frederica. Ich habe den Orden verlassen, ich bin keine Nonne mehr! Ich bin hergekommen, um nach dir zu sehen. Ich dachte, diese Männer tun dir etwas an."

Ihre Wangen hatten sich gerötet, weil sie vor den anderen Männern ihren früheren Beruf lieber verschwiegen hätte.

„Professor, darf ich mich mit Schw… mit Frederica zurückziehen? Ich würde ihr gerne alles erklären!"

„Ja, natürlich. Jemand, der so weit gereist ist, um nach einem Freund zu sehen, der sollte die Wahrheit erfahren!"

Kurt nahm Frederica bei der Hand und führte sie in den Garten, wo ein Pavillon stand, in dem man sich in Ruhe unterhalten konnte.

„Eine Nonne? Ich habe eine Nonne angegriffen?"

Logan fuhr sich verlegen durch seine dichten Haare, so daß sie noch mehr als sonst in alle Richtungen abstanden. Der Professor schmunzelte in sich hinein, die Vorstellung hatte etwas Erheiterndes. Sein wildester Kämpfer war nicht besonders zimperlich im Umgang mit seinen Gegnern und bereute selten den Austausch von körperlichen Attacken.

„Sie hat den mentalen Block nicht aufrechterhalten, deshalb kann ich dir sagen, daß sie eine Novizin war. Das ist sozusagen eine Nonne in Ausbildung. Sie ist tatsächlich eine Hexe, ich spüre immense Kräfte in ihr, die lange unterdrückt waren. Kurts Entführung durch Stryker hat sie wohl wieder in ihr aktiviert, zumindest glaubt sie das. Miss Rose hat einen sehr ausgeprägten Drang, Menschen beschützen zu wollen. Nicht jeder hätte eine so weite Reise angetreten, um nach einem eigentlich Fremden zu suchen."

„Na, großartig! Irgendwie habe ich das Gefühl, daß Sie damit etwas Bestimmtes andeuten möchten!"

Logan kniff die Augen zusammen und musterte seinen Vorgesetzten mißtrauisch.

„Wenn Miss Rose ihre Unterhaltung mit Kurt beendet hat, würde ich gerne mit ihr sprechen, Logan. Bitte bringe sie doch dann zu mir."

Wolverine zuckte nur mit den Schultern, als einer der mächtigsten Mutanten auf der Erde sollte der Professor wissen, mit wem er sich da einlassen wollte.

„Die Männer haben mich wegen meiner besonderen Fähigkeit der Teleportation entführt. Sie hatten eine Methode entwickelt, aus Mutanten willenlose Geschöpfe zu machen, die ihren Befehlen blind folgen. Ich wollte den Präsidenten nicht angreifen, ich konnte mich kaum an den Vorfall erinnern, als Storm und Dr. Grey mich gefunden haben. Stryker wird jedenfalls nie wieder einen Mutanten in seine Gewalt bringen können, er ist am Alkali Lake ums Leben gekommen!", faßte Kurt die Ereignisse für Frederica zusammen, die seiner Entführung gefolgt waren.

Der Professor und seine Mitarbeiter, die gleichzeitig an der Schule unterrichteten, waren Mutanten mit besonderen Kräften, die das gemeinsame Ziel hatten, den Frieden zwischen Menschen und Mutanten zu erhalten.

Sie bildeten eine Einheit, die sich X-Men nannte und manchmal in sehr gefährliche Missionen verstrickt war. Es herrschte meist nur ein unsicherer Frieden zwischen den ungleichen Fronten und einige Vertreter beider Seiten scheuten nicht davor zurück, rohe Gewalt anzuwenden, um ihre Ziele durchzusetzen. Stryker war ein gutes Beispiel dafür.

„Möchtest Du bei den X-Men bleiben, Kurt?"

Frederica sah fragend in seine gelben Augen, die besonders in dem blauen Gesicht hervorstachen.

„Ja, ich denke schon. Ich fühle mich sehr wohl, hier bin ich keine Sensation sondern einer von ihnen. Und hier kann ich etwas dazu beitragen, daß die Welt uns eines Tages akzeptiert, wie wir sind."

Frederica seufzte: „Ich kann dich gut verstehen! Ich bin froh, daß die X-Men dich gerettet haben!"

Kurt nahm ihre Hand in seine warme Klaue und drückte sie kurz. Sie saßen eine Weile in stiller Eintracht versunken, bis Kurt bemerkte, daß Logan vom Haus her auf sie zulief.

Logan hatte den Aufenthaltsort von Kurt mit Leichtigkeit erschnüffeln können. Das blaue Männchen erzeugte immer einen beißenden Geruch nach Schwefel, wenn er sich teleportierte. Der Geruch verflog meistens sehr schnell, aber Logans Sinne waren äußerst sensibel, so daß er Kurt an diesem speziellen Geruch orten konnte. Als er sich dem Pavillon im Garten näherte, stieg ihm ein weiterer Duft in die Nase, den er noch nicht kannte.

‚Hm, hm! Das paßt irgendwie nicht zu einer Nonne!', dachte er schmunzelnd.

Logan zog eine Augenbraue hoch und sog den Duft der Besucherin tief ein. Instinktiv formte sich ein tiefes Grollen in seiner Kehle, als der pikante Duft der Frau seine Sinne überflutete. Logan verzog unwillig das Gesicht und maß die junge Frau, die Kurts Hand hielt, mit zusammengekniffenen Augen.

Die Sonne stand tief am Himmel und tauchte die beiden in warmes Licht. Die langen Haare von Miss Rose leuchteten auf und sahen aus der Ferne aus als tanzten dunkelrote Flammen um ihren Kopf.

„Der Professor wünscht, Sie noch einmal zu sprechen, Freddy!", rief Logan aus einiger Entfernung.

Frederica blinzelte ihn überrascht an und ärgerte Logan damit, daß sie trotz ihrer unschuldigen Art sexy auf ihn wirkte. Rote Haare hatten schon immer verheerend auf seine Selbstbeherrschung gewirkt. Er brauchte sich nur an seine Vernarrtheit in seine Kollegin Jean Grey zu erinnern.

„My name is Frederica, Mr. Logan!", wies sie ihn zurecht.

Sie erhob sich und warf den Kopf stolz in den Nacken. Sie wurde sauer, weil der Mann ihren wunden Punkt so leicht getroffen hatte. Schwester Sybelia hatte ihr immer vorgeworfen, daß sie zuviel Stolz besaß, um wahrhaftige Demut empfinden zu können, die neben der Armut und der Keuschheit eigentlich eine der Grundvoraussetzungen war, um Nonne werden zu können.

„Kurt, zeigst Du mir den Weg zurück?"

„Ich teleportiere dich gleich zu ihm, das geht viel schneller!"

Kurt nahm ihre Hand und mit einem lauten Knall hatte er sie beide wegteleportiert.

Logan hatte es gewußt, die Kleine hatte Pfeffer!

Er mußte grinsen, als er an ihre aufgebracht blitzenden dunklen Augen dachte. Außerdem hatte sie einen sehr hübschen Mund, der einladend rote Lippen hatte, die immer leicht geöffnet waren als erwarte sie einen Kuß.

Logan schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen, er war doch kein unerfahrener Teenager, der beim Anblick einer hübschen Frau den Kopf verlor.

Kurt hatte Frederica in Sekundenschnelle zum Büro des Professors teleportiert. Eine eigenartige Erfahrung, die ihren Magen etwas revoltieren ließ. Mit schwachen Beinen nahm sie wieder dem distinguierten Mann gegenüber Platz, nachdem sich Kurt diskret zurückgezogen hatte.

Der Professor musterte ihr blasses Gesicht, dann glitt sein Blick über ihre etwas derangierte Erscheinung. Ihre Kleidung war aus der Mode, so als ob sie sie jahrelang in einem Koffer aufbewahrt hätte, was wohl auch zutraf, denn als Novizin trug sie ja einen Habit.

Sie trug ein abgetragenes schwarzes Kostüm mit einem Rock, der die Knie züchtig bedeckte, und eine einfache hellgraue Bluse; ihr Schuhwerk war praktisch und keine seiner Mitarbeiterinnen hätte diese Schuhe in ihrer Freizeit angezogen. Jean und Ororo achteten sehr auf ihr Äußeres und waren modisch gesehen auf der Höhe der Zeit.

„Werden Sie jetzt zu Ihrem Orden zurückkehren, Miss Rose?" Frederica biß sich auf die Lippe, während er sie gründlich musterte, sie konnte es ihm jedoch nicht übelnehmen. Dasselbe hätte sie in seiner Situation auch getan.

„Nein, ich war mir schon einige Zeit nicht mehr meiner Berufung sicher. Ich kann das, was in mir ist, nicht länger verleugnen. Es ist über die Jahre stärker geworden, obwohl ich die Magie nicht mehr eingesetzt habe. Die Beschwörungen gehen mir von den Lippen, ohne daß ich darüber nachdenken muß. Der Verlust meiner Eltern muß wohl mein Wissen verschüttet haben, ich konnte mich erst wieder daran erinnern, als Kurt von Stryker entführt worden ist.", versuchte sie, ihre wieder gewonnenen Fähigkeiten zu erklären.

„Sie brauchen mir nicht alles zu erzählen, wir kennen uns erst sehr kurz. Ich kann ihren Konflikt verstehen, viele Mutanten machen dasselbe mit ihren Fähigkeiten durch, Miss Rose. Was genau haben Sie jetzt vor?", fragte er nach.

Frederica wich dem allzu wissenden Blick des älteren Mannes aus und strich sich verlegen die Haare zurück, weil sie keine genaue Antwort darauf hatte.

„Hm, ich werde wohl zurück nach New York fahren und versuchen, dort in einem Kloster Unterschlupf zu finden. Ich rechnete nicht damit, daß ich Kurt so schnell finden würde!"

„Miss Rose, fassen Sie das nicht als Beleidigung auf, aber wie viel Geld haben Sie bei sich?"

Fredericas Wangen färbten sich dunkelrot und sie sah zu Boden, während sie überlegte, ob sie ihn anschwindeln sollte.

Besser nicht, meine Liebe, Lügen höre ich besonders laut!

Die Stimme des Professors hallte in ihrem Kopf wieder und sie sah ertappt zu ihm auf.

„Etwas über zweihundert Dollar. Ich konnte nicht mehr Geld auftreiben, als Nonne habe ich natürlich unentgeltlich gearbeitet, Professor Xavier. Aber meine Ansprüche sind auch nicht besonders hoch, ich denke, ich werde zurechtkommen, bis ich Arbeit gefunden habe."

„Welche Aufgaben haben Sie in Ihrem Kloster erfüllt?"

„Oh, alles Mögliche! Wir wurden abwechselnd für den Garten oder die Küche zugeteilt. Man darf erst Novizin werden, wenn man die Schule beendet und eine Ausbildung oder ein Studium begonnen hat. Ich bin Lehrerin geworden, weil ich gerne mit Kindern arbeite. Ich habe Sprachen unterrichtet, Englisch, Französisch und Deutsch. Und in der Gemeinde natürlich auch seelsorgerisch gearbeitet."

„Wie alt sind Sie, Miss Rose? Ihr Aussehen scheint zu täuschen."

„Ich bin 25, unsere Oberin meinte immer, daß unser reglementiertes Leben die beste Verjüngungskur sei. Keine Ausschweifungen, Alkohol oder übermäßiger Streß."

Frederica lächelte ihn wehmütig an, als ihr klar wurde, daß dieses Leben tatsächlich hinter ihr lag.

„Wie fänden Sie es, wenn ich Ihnen eine Stelle in meinem Lehrkörper anböte? Ich stelle eigentlich nur Mutanten ein, da sie am besten mit den jungen Menschen hier zurechtkommen, aber als Hexe mit Ihren besonderen Fähigkeiten, erfüllen Sie das Mitarbeiterprofil genauso gut."

„Aber… ich habe doch gar keine Lehrbefähigung für die Staaten, Professor Xavier!", rief Frederica aus.

„Keiner meiner Mitarbeiter ist speziell zum Lehrer ausgebildet, Miss Rose. Jean Grey ist Ärztin, Scott Summers hat Ingenieurwissenschaften studiert, Ororo Munroe ist Biologin, Kurt Wagner ist Zirkusakrobat, ich selbst bin Physiker und Logan ist eine Nummer für sich, er unterrichtet die Schüler in Selbstverteidigung und Waffentechnik. Sie sehen, daß wir ein bunt zusammengewürfelter Haufen sind. Sie würden sehr gut zu uns passen."

„Ich…, darf ich mir Ihren Unterricht einmal ansehen, bevor ich Ihnen meine Antwort gebe? Es ist nicht so, daß mich Ihr Angebot nicht über alle Maßen freut, aber ich will sehen, ob ich Ihren Anforderungen genüge."

Frederica war ziemlich von dem Vertrauen überrascht, das ihr der Professor mit seinem Angebot entgegenbrachte.

Sie konnte nicht wissen, daß der Professor sie innerhalb von Sekunden als vertrauenswürdig eingestuft hatte, seine immensen Fähigkeiten waren ihr ja noch nicht bekannt.

„Ja, natürlich. Seien Sie heute Nacht unser Gast, Sie sind bestimmt müde von der langen Reise. Morgen wird Scott Summers sie zu einer seiner Unterrichtsstunden mitnehmen. Er ist das Rückrat meines Teams und leitet es seit einigen Jahren, obwohl er selbst noch sehr jung ist. Er ist auch mein Stellvertreter in allen Dingen, die die Schule betreffen."

„Vielen Dank, Professor Xavier. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel Ihr Angebot mir bedeutet."

Miss Rose lächelte ihn so strahlend an, so daß selbst sein altes Zynikerherz sich durch ihren Dank erwärmt fühlte. Er bat Kurt, Frederica für die Nacht ein Zimmer zuzuweisen und sich um ihr Gepäck zu kümmern, daß sie am Bahnhof zurückgelassen hatte.

Fortsetzung folgt...