Some Kind of Magic
Kapitel 10
Die Sonne war längst untergegangen und Louis wurde von einer bleiernen Müdigkeit heimgesucht, die seine Füße immer wieder straucheln ließ. Logan sah sich das ein paar Minuten an, bis er den Knaben auffing, bevor er endgültig auf den Boden glitt.
„Es ist nicht mehr weit! Ich schaffe das!"
„Red keinen Unsinn! Das letzte Stück kann ich dich tragen! Halt still!"
Logan hatte Louis das Trinken verbieten müssen, da er nicht sicher war, ob er nicht doch mit dem Gas in Berührung gekommen war. Das war einer der fatalen Fehler, die Soldaten oft machten. Wenn sie Wasser tranken und nur geringe Mengen des Giftes inhaliert hatten, entwickelte sich daraus eine tödliche Mischung in ihrem Organismus.
Das und die Anstrengung des Fußmarsches waren zu viel für den Jungen, er war am Ende seiner Kräfte.
Louis sah unter halb gesenkten Lidern ein Licht durch die Bäume scheinen und seine Lebensgeister wurden davon geweckt.
Das konnte nur die Hütte seiner Großmutter sein, denn sie hatte in nächster Umgebung keine Nachbarn. Er wurde von Logan vor der Tür auf die wackeligen Beine gestellt, während er mit der Faust heftig an die Holztür hämmerte.
„Wer ist da?"
„C'est moi, Daia Rina!"
(Ich bin es! Großmama Rina!)
Die Tür flog auf und im Rahmen stand seine Großmutter in ihren bunten Gewändern und dem farbenfrohen Schal um ihre Schultern.
„Attention! Il est un Beng! Er ist ein Teufel!"
Louis zitterte am ganzen Leib, weil er Angst um das Wohl seiner Großmutter hatte. Ihre leblosen Augen, die von einem hellen Schleier überzogen waren, blickten in Logans Richtung, der ihren Enkel stützte und etwas verwirrt dreinblickte.
„Calme-toi! Il n'est pas un Beng! Il est un Ruv! Kommt rein ihr beiden! Willkommen in meinem Heim! Möget ihr Frieden und Ruhe finden!"
(Beruhige dich! Er ist kein Teufel! Er ist ein Wolf!)
Louis wurde in die warme Küche geführt, wo eine Suppe über dem Feuer brodelte, die ein herrliches Aroma in der Hütte verbreitete.
Logan half Louis auf der Bank am Tisch Platz zu nehmen.
„Ihr Enkel ist jetzt in Sicherheit, Madame! Ich muß weiter ziehen!"
Die alte Frau lachte gackernd, als sie die höfliche Anrede vernahm.
„Sie sind mein Gast! Essen Sie mit uns! Der Junge weiß nicht, was er sagt! Nehmen Sie Platz!"
Logan zuckte mit den Schultern und ließ sich am Tisch nieder. Louis war immer noch etwas skeptisch und beobachtete seinen Retter mit Argusaugen.
„Louis, ich sagte doch, daß er keine Bedrohung ist! Verzeihen Sie meinem Enkel, er glaubt, daß sie ein Teufel sind, ein Beng, wie wir ihn nennen! Aber Sie sind ein Wolf, habe ich recht? Der Ruv schlummert tief in Ihnen!"
Rina stellte zwei Teller mit dampfender Suppe vor den beiden ab dazu gab es frisches, selbstgebackenes Brot und setzte sich dann zu ihnen.
„Woher wissen Sie das?"
Logan ging gleich in die Defensive, wenn jemand seinen wahren Kern erkannte.
„Ich mag zwar blind sein, aber ich sehe oft mehr als die Sehenden! Als mein Enkel davon lief, war ich in tiefer Sorge um ihn, doch dann sah ich in einem Traum den Wolf, der ihn sicher nach Hause geleiten würde! Meine Familie steht tief in Ihrer Schuld, Monsieur!"
„Nicht doch!"
Logan winkte ab, er hatte den Jungen nicht aus Menschenfreundlichkeit gerettet. Es war purer Instinkt gewesen, so zu handeln.
Das Gesicht der alten Frau legte sich in Runzeln, als sie breit lächelte: „Reden Sie sich ruhig weiter ein, daß sie kein Mensch sind, Monsieur! Für uns Roses werden Sie der edelmütige Mann sein, der Sie in Ihrem Inneren sind!"
Frederica erschrak heftig und Louis hätte beinahe seinen Löffel fallen lassen, als sie den Namen der Familie hörte.
Logan hatte also Louis Rose vor dem sicheren Tod gerettet! Eine Tat, die ihn immer an ihr Volk binden würde!
Sie rechnete nach dieser Erkenntnis wieder in der Gegenwart aufzuwachen, doch der Zauber hielt an. Sie fühlte sich nur plötzlich so leicht und schwerelos.
„Das liegt daran, daß Louis schläft! Du Gans!"
Frederica starrte durch Louis' weit aufgerissene Augen in das Gesicht der alten Frau, die sie sehr streng ansah.
„Wie heißt Du?"
„Ich bin Frederica Rose, woher wissen Sie, daß ich hier bin?"
Sie sah kurz zu Logan rüber, der auf seinem Stuhl eingenickt oder durch einen Zauber der alten Frau eingeschläfert worden war.
„Pah, natürlich habe ich gemerkt, daß mehr Leute am Tisch sitzen, als man sehen kann! Ich bin wie Du eine Hexe! Wie konntest Du nur die Seele des Wolfes mitbringen? Ohne Vorbereitung ist die Reise durch die Zeit zu anstrengend!"
„Logan ist hier? Das kann nicht sein, er hat zwar den Kreis überschritten, doch mein Zauber galt nur mir! Er sollte gar nicht anwesend sein, doch mein Schlafzauber wirkte bei ihm nicht!"
Wieder stieß Rina dieses gackernde Lachen aus und schüttelte mißbilligend den Kopf.
„Du bist sehr nachlässig in der Ausübung deiner Zauberei! Du bist eine Schande für die Familie! Setzt deinen Kopf ein, warum kann der Zauber über diesen Mann nicht gewirkt haben?"
Frederica zog die Stirn in Falten und dachte darüber nach.
„Der einzige Grund wäre, wenn ich bereits mit dem Auserwählten verheiratet wäre, dann wird er immun gegen meinen Zauber! Aber wir sind nicht verheiratet!"
Ihre Ahnin streckte die Hand aus und legte sie auf Logans Stirn, während sie eine kleine Beschwörung murmelte.
„Wie ich gedacht habe! Du hast das Ritual vollzogen, doch das Band ist noch nicht bestätigt! Vor dem nächsten Vollmond muß die Abiav vor Zeugen vollzogen werden! Wieso kennst Du das Ritual nicht? Wenn der Mann Brot und Salz von den Knien seiner Braut nimmt und es ißt, bedeutet das den Vollzug der Heirat!"
Frederica Hand fuhr an ihren Mund und sie schloß gequält die Augen. Rina hatte recht!
Logan hatte Brot und Salz in Form der Brezel von ihrem Knie genommen und sie hatte es nicht verstanden.
„Du meine Güte! Es war nicht beabsichtigt, ich bin mit den alten Bräuchen nicht mehr so vertraut! Was passiert, wenn die Ehe nicht vor dem nächsten Vollmond bestätigt wird?"
„Du handelst unrein und was das bedeutet, weißt Du sicher! Geh nach Hause und regle die Sache so schnell Du kannst! Ich schicke den Wolf gleich hinterher!"
Frederica wollte protestieren, doch die Macht der alten Hexe war zu groß, sie wurde aus Louis' Körper gerissen und trat die Heimreise an.
XXX
In der Gegenwart fuhr ein silberner Jaguar soeben durch das Tor der Schule, der von Warren Kenneth Worthington III gefahren wurde. Warren, Codename Archangel, war ein altes Mitglied der X-Men, den Scott angerufen hatte, um ihn zur Hochzeit einzuladen. Sie kannten sich seit ihrer Schulzeit, die sie gemeinsam am Xavier Institut verbracht hatten. Es hatte Zeiten gegeben, als Warren sich sehr zu Jean hingezogen gefühlt hatte, aus diesen Gefühlen hatte sich dann eine tiefe Freundschaft entwickelt, die auch Scott mit einschloß.
Warren freute sich darauf, seine alten Freunde wieder zu sehen und mit ihnen gemeinsam Hochzeit und Weihnachten zu feiern. Er hatte durch seine weitläufigen Geschäftsverbindungen in aller Welt in den letzten Monaten kaum Zeit in den Staaten verbracht und sich sehr über Scotts Anruf vor ein paar Tagen gefreut.
Er hatte sofort seine Zelte in London abgebrochen und seinen Jet startklar gemacht. Ein längerer Aufenthalt bei Xavier war genau das, was er jetzt brauchte. Warren war auch neugierig auf den Teamzuwachs Wolverine und Gypsy Witch, die Scott kurz im Gespräch erwähnt hatte.
Er nahm die Kurve zur Garage der Mansion rasant und parkte seinen Wagen vor dem Tor, da er den Zugangscode nicht mehr im Kopf hatte. Egal, sein Wagen nirgends sicherer als hier.
Er stieg aus und atmete die kühle Nachtluft tief ein. Sein attraktives Gesicht legte sich dann in irritierte Falten, es roch nach Rauch.
Brannte es hier?
Er sah sich um, und als er nichts erkennen konnte, nahm er seinen weiten, bodenlangen Mantel ab und warf ihn in sein Auto. Darunter kamen zwei makellos weiße Flügel zum Vorschein, die aus seinen Schulterblättern wuchsen. Sein Name war nicht umsonst Archangel, zu seiner Mutation gehörte, daß er zwei weißgefiederte Flügel auf dem Rücken trug, die eine Spannweite von fast vier Metern hatten. Außerdem dienten sie als Vorlage für das Firmenlogo der Worthington Industries, seitdem er öffentlich zu seiner Mutation stand.
Er stieg hoch über die Mansion und überblickte das Areal mit seinen scharfen Augen. Das Haus lag still, dort war kein Feuer auszumachen, aber im angrenzenden Wald konnte Warren das Licht von flackernden blutroten Flammen ausmachen. Er wollte lieber mal nachschauen, ob nicht ein Unbefugter dort sein Unwesen trieb. Mit einem leichten Flügelschlag, der kaum wahrnehmbar war, glitt er durch die Luft und steuert auf den Wald zu.
Frederica erwachte in ihrem Körper, der im Flammenkreis auf der Erde lag und richtete sich erschöpft auf. Sie sah zu Logan rüber, der immer noch im Zeitzauber gefangen war. Ihr Hals schmerzte und ihre Glieder fühlten sich an, als hätte sie einen Marathon bestritten.
Sie hatte nicht damit gerechnet, daß der Zauber diese Wirkung auf sie haben würde. Und bei Logans schrecklicher Vergangenheit war die Reise zu einem beängstigenden Alptraum geworden.
Sie kroch auf allen Vieren zu Logan rüber und drehte ihn auf den Rücken, um ihm die wirren Haare aus der Stirn zu streichen.
Was hatte sie dem armen Mann nur angetan?
Die traumatischen Erinnerungen auf diese Weise erneut zu durchleben, mußte schier unerträglich für ihn gewesen sein. Frederica machte sich heftige Vorwürfe, ihre Ahnin hatte recht gehabt, sie hatte verantwortungslos gehandelt und in ihrer Sturheit nicht gesehen, daß ihr Handeln auch Auswirkungen auf Logan haben würde.
Bittere Tränen schossen ihr in die Augen und liefen über ihr Gesicht, die auf Logans nackte Brust tropften.
Die Flammen verloren ihre blutrote Färbung, begannen zu verblassen und erstarben dann vollkommen. Logan war auf dem Weg zurück und Fredericas Blick hing bang auf seinem entrückten Gesicht.
Ein lautes Geräusch ähnlich dem Zuschlagen einer Autotür ließ sie dann herumfahren. Umgeben von unheimlichem, grünem Licht stand plötzlich ein hochgewachsener Mann in ein schwarzes, bodenlanges Cape gehüllt auf der Lichtung. Seine schwarzen, tiefliegenden Augen starrten sie lauernd an.
«Finalement je t' ai trouvé, sorcière!»
(Endlich habe ich dich gefunden Hexe!)
Er sprach Französisch mit einem stark betonten 'R' und sein ganzes Äußeres deutete daraufhin, daß er ein Mann ihres Volkes war. Sein dunkles Haar war im Nacken zusammen gefaßt und die Haut seines hageren Gesichts war dunkel getönt, außerdem trug er einen schmalen Oberlippenbart.
Frederica zwang sich aufzustehen, obwohl ihr ganzer Körper nach Ruhe schrie. Sie stellte sich so vor Logan, daß ihr Körper ein Schild vor seinem bildete.
„Wer sind Sie? Und was wollen Sie hier?"
Der Mann kam lässig auf sie zugeschlendert, als wäre es das normalste auf der Welt, zu dieser Stunde in einem Wald zu erscheinen und einen Spaziergang zu machen. Dabei folgte ihm das unheimlich grüne Licht wie eine schützende Wabe.
„Gestatten, Zoran de Fleur! Dein Zukünftiger Gatte, Chérie!"
Der Fremde bleckte seine Zähne in der Parodie eines Lächelns. Frederica durchfuhr ein eiskalter Schauer und sie versuchte die Kräfte zu sammeln, die ihr nach der Zeitreise noch verblieben waren.
„Kommen Sie keinen Schritt näher!"
Frederica hob ihre Hand und wollte den Mann zum Stehen bringen, doch er lachte nur und wischte ihren Zauber mit einer lässigen Bewegung seiner behandschuhten Hand weg.
„Gib dir keine Mühe! Du bist leer und hast keine Kraft!"
Er packte sie am Handgelenk und zog sie an seine Brust. Frederica wehrte sich nach Leibeskräften, doch das Licht umgab nun auch sie und plötzlich verschwamm die Umgebung um sie herum.
„Nein! Lassen Sie mich los! Logan! Logan wach bitte auf!"
Ihre Schreie wurden von dem befremdenden Geräusch überdeckt, das sie vorhin aufgeschreckt hatte, und dann waren beide Gestalten von der Lichtung verschwunden.
Warren konnte aus seiner luftigen Position heraus beobachten, wie die Flammen auf der Lichtung erstarben und eine junge Frau sich um einen bewußtlos am Boden liegenden Mann kümmerte. Während er überlegte, wer die beiden wohl sein mochten, tauchte ein weiterer Mann wie aus dem Nichts auf. Der Kerl sah aus wie ein schmieriger Komödiant in seinen theatralischen Gewändern und dem eigenartigem grünen Licht, das ihn umgab.
Der Mann sagte irgend etwas, das wie Französisch klang, doch Warren konnte die Worte nicht genau verstehen, deshalb ließ er sich weiter aus der Luft herab.
„Gestatten, Zoran de Fleur! Dein Zukünftiger Gatte, Chérie!"
Der eingebildete Geck stellte sich ja sehr großspurig vor und gipfelte seinen überheblichen Auftritt, in dem er einen manierierten Bückling machte.
Warren wollte ihn daraufhin schon als harmlos einstufen, als er die Frau packte, die sich heftig gegen seinen Griff wehrte. Die Schreie der Frau schreckten Warren auf, er zögerte nicht mehr länger und ließ sich im Sturzflug auf die Lichtung gleiten. Mit ausgestreckten Armen flog er auf die Kämpfenden zu, doch sein Griff ging ins Leere. Er kullerte aufgrund des fehlenden Widerstandes wenig grazil über den Waldboden, nachdem er ziemlich unsanft aufgekommen war. Mit einem ärgerlichen Ausruf auf den Lippen sprang Warren wieder auf die Füße und sah sich wütend auf der Lichtung um, wo keine Spur mehr von den beiden Kontrahenten zu entdecken war. Er schüttelte aufgebracht seine Flügel aus, um die durcheinander geratenen Federn wieder zu glätten und den Schmutz loszuwerden.
Warren ging neben dem Bewußtlosen in die Knie und rüttelte ihn unsanft an der Schulter. Der Mann reagierte zuerst nicht, doch dann schlug er endlich die Augen auf.
Logan blinzelte mehrmals, bis sich der Schleier von seinen Augen hob und er über sich ein blasses, aristokratisches Gesicht mit großen, blauen Augen sah, das von einer Aureole goldener Locken umgeben war. Er glaubte nicht an himmlische Wesen, doch der Mann über ihm sah tatsächlich aus wie ein Engel und auf seinem Rücken hatte er sogar ein Paar weißer Flügel.
Logan schüttelte irritiert den Kopf: „Wer zum Teufel bist Du?"
Logan rappelte sich mühsam auf und der Fremde stütze ihn, als er leicht schwankte.
„Ich bin Archangel und Du mußt der Neue sein, Wolverine! Richtig? Scott hat mich zur Hochzeit eingeladen und ich bin etwas früher gekommen als geplant!"
„Wo ist Frederica?"
Logan sah sich auf der Lichtung um, konnte ihren Geruch wahrnehmen, der jedoch langsam verblaßte, als wäre sie nie hier gewesen.
„Wenn das die Frau mit den langen, roten Haaren ist, dann ist sie vorhin mit einem merkwürdigen Kerl verschwunden!"
„Was?!"
Logan packte Warren am Schlafittchen und schüttelte ihn heftig durch, wobei er feststellte, daß der Mann für seine Größe extrem leicht war, er konnte ihn mit Leichtigkeit vom Boden heben. Warren schlug zweimal mit den Flügeln und der Auftrieb befreite ihn aus Wolverines schraubstockähnlichem Griff.
„Hey! Nur die Ruhe! Ich konnte es nicht verhindern, aber ich bin nicht schuld! Der Mann hat sich die Frau gegriffen und beide haben sich dann einfach in Luft aufgelöst!"
Warren erschrak heftig, als Wolverine den Kopf zurück warf und ein wütendes Geheul ausstieß, ähnlich dem eines verwundeten Wolfes. Seine empfindlichen Ohren klingelten und bereiteten ihm unangenehme Schmerzen, da hörte das Gebrüll endlich auf.
„Du kennst dich hier aus?"
Warren nickte stumm und hielt respektvoll Abstand zu dem wütenden Mann. Er hatte noch nie jemanden gesehen, der so außer sich war, daß er praktisch knurrte und Laute wie ein wildes Tier ausstieß. Er begann Xaviers Entschluß, diesen Mutanten bei sich aufzunehmen, anzuzweifeln.
„Geh ins Haus und trommle das Team zusammen! Sag ihnen, daß Gypsy Witch entführt wurde! Ich komme gleich dazu!"
Warren widersprach nicht, obwohl ihm eine giftige Bemerkung auf der Zunge lag.
Er, Warren Kenneth Worthington III, Kopf eines internationalen Imperiums, war sonst derjenige, der Menschen herum kommandierte!
Er schnaubte verächtlich und erhob sich in die Luft, um zum Haus zu fliegen.
Die X-Men versammelten sich zwanzig Minuten später in verschiedenen Stadien des Angezogenseins in ihrem Einsatzraum, nachdem Archangel den Professor alarmiert hatte, der wiederum telepathisch seine Untergegebenen von der Notsituation in Kenntnis gesetzt hatte. Professor Xavier saß in einen eleganten Morgenmantel gehüllt am Kopf der Tafel und sah dennoch respekteinflößend aus.
Logan kam als Letzter. Er hatte die Montur der X-Men bereits übergezogen, weil er sich gleich auf die Suche machen wollte, wenn die Besprechung beendet war. Logan nahm zur Rechten des Professors Platz und die anderen warfen seinem blassen aber grimmig verzogenen Gesicht besorgte Blicke zu.
„Logan, ist etwas mit dem Zauber schief gegangen, den Frederica heute Nacht ausprobieren wollte?"
Hank sah Logan aus kleinen, müden Augen an. Er hatte die Nacht durchgearbeitet und gar nicht gemerkt, daß Frederica sich nicht von ihrem Ausflug in den Wald zurück gemeldet hatte.
„Das kann man so sagen! Frederica hat einen mächtigen Zauber eingesetzt, der ihr ermöglichen sollte, durch die Zeit zu reisen und meine Vergangenheit aufzudecken! Sie hat es auch geschafft, mich aber auf die Reise mitgenommen, was nicht beabsichtigt war!"
Alle Augen waren erwartungsvoll auf Logan gerichtet, würde jetzt das Geheimnis seiner dunklen Herkunft aufgeklärt werden?
Logan faßte kurz die Ergebnisse der Zeitreise zusammen, wobei er die grausamen Details wegließ. Es war schlimm genug, daß Frederica sie hatte miterleben müssen.
„...Frederica wollte hauptsächlich herausfinden, wie es möglich sein konnte, daß wir eine Beziehung eingehen können, obwohl ich ein Gadjo, ein Nicht-Zigeuner, bin. Wir haben herausgefunden, daß ich ihrem Ahnen, Louis Rose, während des ersten Weltkrieges das Leben gerettet habe! Als Zeichen ihrer Dankbarkeit wurde ich praktisch in die Familie aufgenommen. Ich bin ein Zigeuner ehrenhalber, wenn man so sagen möchte. Ich muß einige Zeit nach 1916 mit ihnen gelebt haben, bevor ich weiter zog. Louis' Großmutter klärte mich über einiges auf, was mit Fredericas Berufung zu tun hat, deshalb kam ich später als sie zurück. Der Kerl, der Frederica entführt hat, hieß der zufällig Zoran de Fleur?"
Warren zog überrascht seine hellen Augen brauen hoch, das ganze Gerede über ‚Auserwählte' und Magie irritierte ihn doch ziemlich.
„Ja, den Namen habe ich gehört! Wer ist dieser Kerl? Ein Mutant?"
Zur gleichen Zeit Tausende Meilen weit weg von ihrem neuen Zuhause, erwachte Frederica aus der Ohnmacht, die sie überkommen hatte, als sie von einer fremden Macht ins Nichts gezerrt wurde. Sie lag auf einer harten, kalten Unterlage und fröstelte in ihren Kleidern. Sie schlug die Augen auf, um sich zu orientieren. Der riesige Raum mit Wänden, die aus groben Steinen zusammen gemauert waren, erinnerte sie an alte Verließe, die sie sich gut als Kulisse für einen Schauerroman vorstellen konnte.
„Willkommen in deinen Brautgemächern!"
Mit dem Ertönen der Stimme entzündeten sich Fackeln, die rings an der Wand des runden Raumes hingen, der einen Durchmesser von mindestens zwanzig Metern hatte. Frederica stemmte sich gegen die Ketten, die sie an den kalten Stein banden.
„Du elender Schweinehund!"
Frederica schloß gequält die Augen, als sie erkannte, was in den Nischen zwischen den brennenden Fackeln hing. In ihr stieg Panik auf, weil der Geruch der diese Gruft erfüllte sie an die Erfahrungen in den Schützengräben des ersten Weltkriegs erinnerte. Es roch süßlich, faulig nach verwesendem Fleisch und menschlichen Ausdünstungen. Frederica versuchte flach zu atmen, damit sich ihr Magen nicht doch noch umdrehte und ihr am Ende noch die Galle hochkam.
An rostigen Ketten, die in Kopfhöhe befestigt waren, hingen die Leichen von jungen Frauen in unterschiedlichen Phasen des Verwesungsprozesses. Manche hingen nur noch an den bloßen Knochen an der Wand, andere waren scheinbar erst vor kurzem gestorben und Frederica erschauerte, als sie an den schmerz- und panikerfüllten Ausdruck auf ihren Gesichtern dachte. Sie konnte nicht sehen, ob hinter ihr weitere Leichen an Ketten hingen, aber es mußten mindestens zwanzig sein, wenn nicht mehr.
„So empfindlich, Frederica? Gefallen dir meine Bräute nicht?"
Der Fremde war an sie heran getreten und strich ihr mit seiner behandschuhten Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er packte sie mit einem klauenartigen Griff am Kinn und drückte schmerzhaft zu.
„Öffne die Augen, los!"
Frederica, der vor Schmerzen Tränen in die Augen geschossen waren, gehorchte. Sie mußte Zeit schinden, den Wahnsinnigen hinhalten, bis sie einen Weg fand, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen.
„Ich warte schon so lange auf unsere Vereinigung! Die anderen waren nur ein spärlicher Ersatz für dich!"
Seine gierigen Augen studierten ihr angsterfülltes Gesicht und glitten dann an ihrem Körper herab. Seine Hand folgte den Blicken ihren Hals entlang und über ihr Dekolleté. Frederica stellte entsetzt fest, daß sie gar nicht mehr ihre Sachen trug, sondern ein tiefausgeschnittenes weißes Gewand aus dünner Seide, in dem sie sich nackt und ausgeliefert fühlte. Die Berührung des Mannes war abstoßend und erzeugte bei Frederica eine Gänsehaut, sie war froh, daß der Kerl Handschuhe trug.
„Wer sind Sie?"
Sie hätte beinahe erleichtert aufgeschluchzt, als er seine Hände von ihr nahm, riß sich jedoch mit aller Macht zusammen.
„Tu ne me reconnais pas, ma petite? Wie konntest Du mich vergessen? Ich bin Zoran de Fleur, dein auserwählter Gefährte!"
Auf seinen Lippen lag wieder dieses überhebliche Lächeln, das Frederica ihm gerne aus dem Gesicht geprügelt hätte. Seine Hand wieder an ihrem Kinn preßte er seine toten Lippen auf ihren Mund. Sie konzentrierte sich auf den Abwehrzauber, obwohl sie noch nicht kräftig genug dafür war, ihn willentlich zu verstärken.
Er hielt den Kontakt unerträglich lange und beendete dann den Kuß ziemlich abrupt. De Fleur zeigte keine Anzeichen von Schmerzen, doch seine Augen hatten sich vor Wut verschleiert.
„Hör auf mit dem Unsinn! Du wirst mir gehören, so wie ich es schon lange vorbestimmt war! Der kommende Vollmond wird unsere Verbindung besiegeln! Diesmal entkommst Du mir nicht!"
Frederica zog es vor darauf nicht zu antworten und wandte nur das Gesicht ab. Für dieses Mal ließ er sie in Ruhe, sie hörte wie seine Schritte sich aus der Gruft entfernten.
„Nein! Zoran de Fleur ist ein abtrünniger Hexenmeister. Er stammt derselben Linie von Zigeunern ab wie Frederica, hat jedoch im 14. Jahrhundert die Seiten gewechselt. Wie es scheint haben die Roses den Magier über Generationen bekämpft, der sein Leben damit verlängert, die Lebenskraft von Jungfrauen aufzusaugen. Auf sein Konto gehen eine Reihe von Morden, die sich wie eine Epidemie durch die vergangenen Jahrhunderte ziehen! Für die Erlangung des ewigen Lebens benötigt er jedoch eine mächtige Hexe seines Clans, mit der er eine Ehe eingehen muß, um sie dann zu opfern! Dieser Schutzzauber, der Frederica umgibt, gründet auf der Verfolgung der Rose-Frauen!"
„Wieso hat er sie dann entführt? Der Zauber wird sie doch schützen, oder nicht?"
Jean griff trostsuchend nach Scotts Hand, weil sie sich ernsthafte Sorgen um ihre Freundin und Teamkollegin machte. Ein wahnsinniger Hexenmeister, der Frauen reihenweise tötete, hatte Frederica in seiner Gewalt und sie wußten nicht, wie man sich gegen ihn zur Wehr setzte.
„Er wird einen Weg gefunden haben, dem Zauber zu widerstehen, er hatte ja lange genug Zeit danach zu forschen! Es gibt da nur ein kleines Problem: Frederica und ich sind bereits verheiratet! Wenn der Kerl das heraus findet, dann bringt er Frederica sofort um. Sie ist bis zum Vollmond einigermaßen sicher vor ihm, er braucht sie für das Ritual lebend!"
Die X-Men starrten ihn alle ungläubig an, die Nachricht war einfach zu phantastisch. Logan, der bekannt dafür war, jegliche Bindungen zu scheuen, sollte Frederica heimlich geheiratet haben?
Logan schloß einen Moment gequält die Augen. Er erinnert sich an das Entsetzen, als die alte Frau ihn geweckt hatte, nachdem Fredericas Geist wieder in die Gegenwart gereist war. Ceferina Rose hatte besänftigend auf ihn eingesprochen, ihm erklärt, daß Frederica bei dem Zauber ein Fehler unterlaufen war, er mitgezogen wurde, weil sie bereits inoffiziell den Bund der Ehe eingegangen waren. Die Nachricht hatte ihm sogar mehr Angst eingejagt, als die Erlebnisse, die er in seinem früheren Leben gemacht und nun wieder erlebt hatte.
„Ist das wahr, Logan?"
Storm sah ihn aus großen Augen an, die die Ungläubigkeit aller X-Men widerzuspiegeln schienen.
Logan schmunzelte trotz der Beklemmung, die er gerade empfand: „Ja, es ist wahr! Es war keine Hochzeit im herkömmlichen Sinn und auch nicht von uns geplant! Es hat mit den Bräuchen von Fredericas Volk zu tun!"
Logan erklärte seinen Kollegen, wie Frederica und er Brot und Salz auf der Rückfahrt von New Jersey geteilt hatten.
„Die Sache war jedoch nicht offiziell! Bei der Abiav, der Hochzeitszeremonie der Zigeuner, muß die Familie der Brautleute anwesend sein, die den Bund bestätigen. Bei den Hexen des Rose-Clans wird eine Ausnahme gemacht, weil sie der Verfolgung durch De Fleur mit der Hochzeit entgehen konnten. Das Ritual konnte nachträglich im Kreise der Familie wiederholt werden. Vor dem nächsten Vollmond sollte die Verbindung offiziell bestätigt werden!"
Der Professor runzelte nachdenklich die Stirn, während er Logans Erläuterungen aufmerksam verfolgte. Dann breitete sich ein schiefes Lächeln auf seinen Lippen aus.
„Deshalb hast Du das Treffen einberufen, Logan! Ich wunderte mich schon die ganze Zeit, warum Du nicht schon hinter De Fleur her bist! Das widerspricht ganz und gar deiner sonstigen Vorgehensweise."
Logan lächelte ertappt: „Sie haben recht, Charles! Ich kann Frederica am besten schützen, wenn die Abiav vollzogen wird und dazu brauche ich eure Hilfe! Frederica ist Waise und ich habe schon lange keine lebenden Verwandten mehr. Die X-Men und Sie, Professor, sind für Frederica und mich das einzige, was wir als Familie bezeichnen können! Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ich brauche eure Hilfe, wenn ich Frederica befreien will!"
Kurt, der neben ihm saß, legte seine warme Pfote auf Logans Unterarm.
„Es ist nicht viel verlangt! Sie würde dasselbe doch für uns tun! Wir sind wirklich eine verschworene Gemeinschaft, die sich näher steht als manch blutsverwandte Familie. Und ich denke, daß ich für alle spreche, wenn ich sage, daß wir hinter dir stehen, egal was kommen mag!"
Logan spürte wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete und räusperte sich leise. Jetzt war keine Zeit für Sentimentalitäten, diesmal stand zuviel auf dem Spiel, er mußte den einen Menschen retten, der ihm mehr als sein Leben bedeutete.
In den Gesichtern seiner Kollegen konnte er Entschlossenheit, Mut und Mitgefühl entdecken.
Kurt hatte recht, sie waren eine Familie!
„Ich muß euch dennoch warnen! Wir treten gegen einen Gegner an, der kein Mutant ist! Der Mann hat sich im Laufe der Jahrhunderte große Macht angeeignet, er kämpft mit schwarzer Magie. Es wird gefährlich werden! Und ich weiß noch nicht, wie wir seinen genauen Aufenthaltsort finden sollen!"
„Ich werde Cerebro einsetzen, Logan! Damit kann ich auch normale Menschen aufspüren, es dauert manchmal nur etwas länger! Hast Du eine Vermutung, wo ungefähr sich de Fleur aufhalten könnte?"
„Es wird ein magischer Ort sein, wahrscheinlich in seiner Heimat Frankreich! Mehr weiß ich leider auch nicht! Ceferina Rose erzählte mir, daß sie sein Versteck bisher nicht haben finden können! Das scheint auch für die Gegenwart zu gelten!"
Fredericas Ahnin hatte dabei gelächelt, sie hatte ihm verraten, daß sie in ihren Visionen gesehen hätte, daß der Magier nicht vor dem neuen Jahrtausend fallen würde. Es bedürfe der vereinten Macht eines außergewöhnlichen Paares, um den Hexenmeister zu stürzen. Die Hexe und der Wolf könnten zum Verhängnis von De Fleur werden.
„Scott, Storm ihr beiden macht den Jet startklar! Jean, Du begleitest mich, ich werde Cerebro einsetzen. Beast kannst Du bei den Kindern bleiben? Ich möchte sie nicht ohne Schutz zurücklassen und Du bist eine kleine Armee für dich alleine und Kurt gib bitte Colossus Bescheid, er kann Hank unterstützen, falls das nötig werden sollte!"
Hank grinste schief und nickte zustimmend, obwohl er gerne die anderen begleitet hätte, sah er doch ein, daß die Wahl des Professors gut getroffen war.
„Xavier, Sie haben mich vergessen!"
Archangel erhob sich zu seiner beeindruckenden Größe und sah seinen ehemaligen Vorgesetzten fragend an.
„Warren, Du bist hier als mein Gast! Es steht dir natürlich frei, dich an der Mission zu beteiligen! Aber Du hast ja gehört, daß es gefährlich werden könnte, da wir den Gegner nicht wie sonst einschätzen oder bekämpfen können!"
„Ich bin dabei! Wenn ich früher reagiert hätte, wäre das alles vielleicht gar nicht passiert!"
Warren blickte zu Logan herüber, der nur spöttisch eine Augenbraue hob.
„Xavier ist der Boss! Von mir aus kannst Du ruhig mitkommen. Je mehr desto besser!"
Die X-Men verließen den Konferenzraum, um ihre Vorbereitungen zu treffen. Logan hatte noch einiges zu tun, bevor er sich seiner Aufgabe stellen konnte. Als Erstes begab er sich in Fredericas Hexenkammer, wie er sie im Stillen nannte, und sah sich nach Dingen um, die ihm bei der Mission von Nutzen sein könnten.
Diesmal entkommst Du mir nicht, wie hatte De Fleur das gemeint?
Sie hatte den Mann noch nie vorher getroffen, oder doch?
Sie fing heftig an zu zittern, als sie versuchte, sich an die Zeit vor dem Kloster zu erinnern. Sybelia hatte ihr nie verraten, warum sie ausgerechnet bei den Schwestern von Trautheim untergebracht worden war. Das Kloster war eigentlich kein Waisenhaus und hatte auch nie andere Kinder aufgenommen. Genaugenommen hatte sie bisher nie den Drang verspürt, ihre Vergangenheit aufzuklären. Sie hatte die Tatsache einfach hingenommen, daß sie sich als eine Hexe heraus gestellt hatte.
Ihr trat Angstschweiß auf die Stirn, als sie an die regnerische Nacht dachte, in der sie vor den Türen des Klosters gestanden hatte. Sie war nicht allein gewesen, ihre Großmutter hatte sie begleitet. Wie hatte sie das nur vergessen können?
Die Erinnerungen stürmten auf sie ein, während sie von heftigem Schluchzen durchgeschüttelt wurde, weil sie mit einem Mal ein heftiges Gefühl des Verlassenseins überkam.
„Sybelia! Ich brauche deine Hilfe!"
Ihre Großmutter hatte die betagte Nonne kurz an sich gedrückt und dann Frederica mit sich in den Empfangsraum des Klosters gezogen.
„Ceferina, was machst du hier? Ist etwas passiert? Ist das deine Enkelin, sie zittert ja!"
Sybelia hatte eine Decke geholt und sie der durchnäßten Frederica um die Schultern gelegt. Sie hatte auch für etwas Heißes zum Trinken gesorgt, obwohl ihre Großmutter sie drängelte, damit keine Zeit zu verschwenden.
„Du mußt das Mädchen hier aufnehmen, Sybelia! Sie ist in Lebensgefahr!"
Die Hand der Nonne fuhr zu dem goldenen Kruzifix, das über ihrer Brust hing und hielt es fest, als könne es sie vor Ceferinas Worten beschützen.
„Zoran De Fleur war heute Nacht bei uns! Er wollte Fredericas Eltern die Zustimmung zur Hochzeit mit Frederica abringen! Er versuchte es schon eine Weile, doch er ist nicht für Frederica bestimmt! Er hat irgendwie geschafft, den Schutzzauber um Frederica außer Gefecht zu setzen. Nach dem Gesetz müßten Fredericas Eltern nachgeben, doch sie weigerten sich! Heute Nacht hat er sich dafür gerächt! Ich konnte gerade noch verhindern, daß er Frederica in seine Gewalt bringt! Für ihre Eltern konnte ich nichts mehr tun!"
Sybelia sah das weinende Mädchen geschockt an. Sie war doch noch ein Kind, wie sollte sie den traumatischen Verlust ihrer Eltern überwinden, wenn sie deren Mörder auch noch verfolgte!
„Ceferina, ich würde dir gerne helfen, aber ich kann deine Enkelin nicht vor einem Hexenmeister beschützen! Du bist die Hexe in unserer Familie!"
„Sie braucht keinen magischen Schutz! De Fleur wird mich finden, dann darf Frederica nicht in meiner Nähe sein! Bitte nimm sie bei dir auf! Ich werde sie mit einem Zauber belegen, der ihre Fähigkeiten zum Einschlafen bringen wird, sie wird die heutige Nacht vergessen und alles, was davor geschehen ist! Zoran kann sie dann nicht finden, er kann nur der Spur eines starken Zaubers folgen! Sie soll ihre Kräfte erst wieder bekommen, wenn es Zeit ist, ihrem auserwählten Gefährten zu begegnen! Alleine auf sich gestellt wird sie De Fleur niemals bezwingen können, Du kennst doch die Prophezeiung!"
Sybelia hatte sich hinter dem Schreibtisch erhoben und trat vor das Mädchen, das immer noch leise weinte. Sie nahm Fredericas Gesicht in ihre Hände und strich ihr sanft die Tränen von den Wangen.
„Frederica, mein Kind! Bist Du mit dem Vorschlag deiner Großmutter einverstanden? Ich verspreche, daß ich mich gut um dich kümmern werde!"
In den Augen der Nonne lag soviel Güte und Weisheit, daß Frederica stumm genickt hatte. Sie vertraute der Einschätzung ihrer Großmutter und fühlte sich durch die Nähe der Nonne getröstet. Sie hatte also zugestimmt, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und im Kloster ein neues Leben zu beginnen.
Zoran de Fleur hatte ihre Eltern auf dem Gewissen! Die Erinnerung an die Zeit vor dem Kloster war nun wieder da!
Er hatte sie feige in der Nacht angegriffen und ihnen kaum Möglichkeit zur Gegenwehr gelassen. Wenn Frederica in der Nacht nicht bei ihrer Großmutter Ceferina geschlafen hätte, dann wäre sie schon damals in seine Hände gefallen. Heiße Wut schoß in ihr hoch und die gab ihr Kraft, die Ketten, die sie hielten, mit einem Zauber zu sprengen.
De Fleur hatte sie bisher nicht finden können, weil sie über zehn Jahre keine Magie mehr eingesetzt hatte, ihre Fähigkeiten hatten in ihrem Unterbewußtsein geschlafen. Der mächtige Zeitzauber, den sie für Logan ausgesprochen hatte, war also der Grund, warum Zoran sie hatte finden können. Frederica richtete sich mühsam auf und glitt von dem steinernen Sarkophag, auf dem sie lag.
Sie würde nicht kampflos untergehen! Ihre neue Familie und Logan warteten Zuhause auf sie!
Logan! Sie wußte nicht einmal, ob er schon von der Reise zurück war.
War er wohl auf?
Sie mußte zurück nach Hause finden, er lag womöglich noch auf der Lichtung und sie konnte nicht sagen, wie sein Zustand sein würde, wenn er wieder in der Gegenwart aufwachte.
Ihr nackter Fuß stieß gegen etwas Pelziges und ihr entfuhr ein leiser Schrei, als sie die fiepende Ratte durch die Gruft rennen sah. Mit vorsichtigen, tastenden Schritten schlich sie sich zum Ausgang, sie wollte diesen schrecklichen Ort endlich verlassen.
Fortsetzung folgt
