Some Kind of Magic
Kapitel 11.2
Die X-Men hatten die beiden in den Nachthimmel ragenden Hinkelsteine erreicht, die den Eingang zur Parzelle bildeten, wo sie das Versteck des Zauberers vermuteten.
„Wolverine, Du bist dran!"
Scott trat zu Seite, während Logan vor die beiden Hinkelsteine trat und den Arm ausstreckte. Es war als hätte er die Hand in einen flüssigen Spiegel getaucht, die Oberfläche waberte wie ein Teich, in den man einen Stein geworfen hatte.
„Wie ich vermutet habe, das ist ein Portal! Es wird nur aktiviert, wenn jemand mit Zauberkräften es berührt! Ihr müßt durch, während ich den Kontakt halte, ich komme als letzter! Seid auf der Hut, ich bin sicher, daß De Fleur merkt, wenn jemand es benutzt!"
Scott hätte gerne gefragt, warum Logan es aktivieren konnte, doch sie standen unter Zeitdruck, deshalb verkniff er sich die Frage. Die Mission war jetzt wichtiger!
Einer nach dem anderen durchschritten sie das magische Portal und Logan schloß sich seinen Teamgefährten als letzter an. Sie befanden sich immer noch in dem Wald, doch vor ihren Augen erschien eine alte Burg, die sie vorher nicht hatten sehen können, obwohl sie höchstens fünfhundert Meter von dem Durchgang entfernt war. Sie hätten das Gebäude eigentlich schon früher sehen müssen, da seine Türme die Bäume rings herum überragten. Das unheimliche, verwitterte Gemäuer stieg vor ihnen auf und wurde von einem fahlen Dreiviertelmond beschienen.
Sie formierten sich wie besprochen und schritten mit vorsichtigen Schritten auf die Burg zu.
Jean, Frederica lebt! Ich kann sie deutlich spüren! Es muß an dem Portal liegen, daß wir sie nicht richtig wahrnehmen konnten!
Ja, Professor! Sie ist hier! Aber wir sind nicht allein! Irgend etwas beobachtet uns!
Kaum hatte Jean die Worte an den Professor gesandt sahen sie dunkle Schatten um sich herum huschen, die sich ziemlich schnell bewegten und dann mit lautem Gekeife auf die Gruppe zugestürzt kamen.
„Achtung! Das sind Totengeister! Kopf ab oder verbrennen!", schrie Logan seinen Befehl heraus.
Er wollte sich nicht mit unnötigen Erklärungen aufhalten, die Beseitigung der Hindernisse auf dem Weg zu Frederica war jetzt wichtiger.
Wolverine ließ seine Klauen aus den Händen gleiten und erledigte gleich zwei der Totengeister mit einer schnellen Drehung seines Körpers. Ihre Köpfe kullerten über den Waldboden und die Leiber sanken in sich zusammen, wo sie eine zischende Lache von grauem Schleim bildeten, der ihre schwarzen Gewänder auflöste.
Cyclops köpfte die Totengeister mit seinem Laserblick, den er mit erhöhter Geschwindigkeit aus seinem Visier schießen ließ. Die Biester schienen von überall herzukommen und waren eindeutig in der Überzahl. Storm stolperte über ein Hindernis auf dem Boden und eines der unheimlichen Gestalten stürzte sich auf sie, doch Nightcrawler teleportierte sich zu ihr und verschwand gleich wieder, nachdem er dem Mulo einen heftigen Tritt mit seinem Fuß versetzt hatte.
Warren stand beim Professor und hielt die Biester, die sich gleich zu fünft auf ihn hatten stürzen wollen, mit seinem magischen Schwert im Zaum, das er glücklicherweise mit auf die Reise genommen hatte.
Wie hatte Wolverine gesagt, rösten oder köpfen?
Kein Problem für Warren, dessen Schwertklinge glühte und wie Butter durch die Hälse der Ungeheuer ging. Es war ein beeindruckendes Bild, wie er mit ausgebreiteten Flügeln, den Mulos die Köpfe abschlug und dabei wirkte, als führe er einen einstudierten, fliegenden Tanz auf.
Die Gegenwehr der X-Men trieb die Mulos zur Raserei an, ihre Angriffe kamen blind und unkoordiniert, es war fast ein Leichtes die Biester zu verbrennen oder sie ihrer Köpfe zu entledigen. Bald war der Waldboden voll von wabernden Lachen, die einst die knochenlosen Leiber der Mulos gewesen waren. Eine Handvoll war noch übrig, deren Gewänder sich jedoch weiß verfärbten, sie stießen dabei winselnde Laute aus und ergriffen die Flucht.
Scott wollte hinterher, doch Logan hielt ihn am Arm zurück.
„Laß nur, sie haben aufgegeben! Wenn sie weiß werden, bedeutet das, daß sie nicht mehr in Angriffsstimmung sind! Alle in Ordnung? Professor?"
Wolverine sah seine Teammitglieder prüfend an, wobei sein Blick länger an Warrens Augen hängen blieb. Die beiden Männer grinsten sich an, Warren konnte in Logans Augen echte Anerkennung lesen, und er selbst war beeindruckt von dem furchtlosen Kämpfer mit der besonderen Schwertführung.
Xavier nahm diesen Austausch von männlicher Bestätigung zufrieden zur Kenntnis.
„Alles in Ordnung, Logan! Wir sollten die Burg stürmen! Frederica braucht uns jetzt!"
Wolverines Miene verwandelte sich augenblicklich in grimmige Entschlossenheit. Die Worte des Professors konnten nur bedeuten, daß es Frederica nicht gut ging. Sie näherte sich geschlossen dem Gemäuer und erkannten aus der Nähe, daß es von einem tiefen Burggraben umgeben war, der nur über eine steinerne Brücke, die zum Hauptportal führte überquert werden konnte.
Logan beschritt sie als Erster, nicht ahnend, daß Frederica wenige Stunden zuvor dies ebenfalls getan hatte. Das Portal war wieder verrammelt, doch ein Hieb seine Adamantium-Klauen zerbarst den Querbalken und die Tür sprang auf. Mit dem lauten Knall fiel der spitze Schrei zusammen, den Jean ausstieß, als vom Himmel eine brüllende Kreatur auf sie herunterstieß und dabei einen Feuerschwall spuckte.
Ihre telekinetischen Fähigkeiten teilten die Feuerwalze, so daß sie keinen der X-Men treffen konnte. Das Ungeheuer landete zwischen Logan und den anderen, so daß der Rest der Gruppe auf der kleinen Brücke gefangen war.
„Jean, Du mußt nicht nur das Feuer abhalten, sein Schwanz besteht aus giftigen Stacheln, die er wie Pfeile abschießen kann! Warren heb ab, Du kannst ihm den Schwanz am besten aus der Luft abhacken!"
Nachdem er die Befehle gebrüllt hatte, stürzte sich Logan mit ausgefahrenen Krallen auf den Mantikor, ein Wesen mit dem Körper und den Zähnen eines Löwen und dem Gesicht eines Mannes. Sie hatten es vorher nicht bemerkt, weil es auf einem Podest als Steinfigur geruht und auf Eindringlinge gelauert hatte, nun war es zum Leben erwacht und ihn sehr gereizter Stimmung.
Das Biest brüllte laut und versuchte, Logan von seinem Rücken abzuwerfen, wurde so von den anderen abgelenkt, daß Warren sein Schwert in Position bringen konnte und mit einem kräftigen Hieb hackte er dem Ungeheuer den gefährlichen hin und her peitschenden Schwanz ab.
Jean konnte die abgeschossenen Giftpfeile ins Wasser ablenken, während Warren sein Schwert tief in den Oberkörper des Untiers trieb, der sich aufbäumend Logan auf den Boden warf.
„Cyke, grill das Biest bitte!"
Logan sprang auf die Füße und Warren flog mit seinem Schwert aus der Schußlinie. Keine Sekunde zu früh, denn Cyclops' Laserstrahl setzte den Mantikor in Brand, der vor ihren Augen zu Stein erstarrte und dann zu Staub zerbröselte.
„Ich hoffe sehr, daß das die letzte Überraschung war, die uns hier erwartet!"
Storm war ihre langen, weißblonden Haare in den Nacken und trat auf die Überreste des Mantikors, die unter ihren Stiefeln knirschten.
Die anderen stimmten ihr im Stillen zu, gegen Ausgeburten der Hölle zu kämpfen, war etwas anderes, als in den Kampf gegen andere Mutanten zu ziehen.
Frederica ist hier in der Nähe, wir sollten uns beeilen! Irgendwo hier muß eine Treppe zu den Untergeschossen führen!
Die Gedanken des Professors hallten in ihren Köpfen wieder und Scott befragte erneut den hilfreichen Router, der das Gebäude abscannte und ihnen den Weg zu den Kellergeschossen wies. Sie bewegten sich nun im Laufschritt fort, von der Angst um ihr Teammitglied angetrieben.
Sie liefen die enge Wendeltreppe herunter, die zu den tieferen Geschossen der Burg führte und der Geruch nach Verwesung wurde immer stärker. Logan und Warren waren am stärksten davon betroffen, da ihre Nasen äußerst sensibel waren.
„Frederica ist in der Nähe, ich kann sie bereits wittern!"
Sie hatten das tiefste Geschoß erreicht und Logan machte mit einem Handzeichen klar, daß sie ihm schweigend folgen sollten. Jetzt war der süßliche Gestank der Verwesung auch für die anderen fast unerträglich.
Der tunnelförmige Gang führte sie zu einem offenen Raum, aus dem flackerndes Licht drang. Sie schlichen sich so leise wie möglich an. Logan drückte sich mit den anderen an der Wand entlang und spähte in den Raum hinein. Was er sah, ließ ihn sofort in den Raum springen und alle Deckung vergessen.
XXX
„Du elender Hurensohn! Nimm deine dreckigen Finger von meiner Frau, sofort!"
Logan sprach nicht laut, doch der Mann, der praktisch auf einer weiß gewandeten Frau saß, riß den Kopf hoch und starrte mit offenen Mund die Eindringlinge an, die sich hinter dem Mann mit den stacheligen Haaren formierten. Entsetzt erkannten die X-Men, daß Frederica unter dem Hexenmeister auf einem steinernen Sarkophag lag. Sein Mund war blutverschmiert und einige Tropfen dunkelroten Blutes liefen sein Kinn entlang. De Fleur kniff die Augen zusammen und wischte sich den Mund mit seinem Ärmel ab.
„Deine Frau? Wohl kaum! Die Hexe gehört mir!"
De Fleur ließ seine verfaulende Hand in einer provokativen Geste auf Fredericas Brust ruhen.
„Ich bestätige das Band zwischen uns vor all unseren Freunden und dem Familienoberhaupt, das unseren Clan anführt! Wir haben das Brot und Salz geteilt, das Versprechen erneuere ich in Anwesenheit unserer Familie! Ich, der Auserwählte, wurde von der Hexe zu ihrem Gefährten ausgewählt und keine Macht der Erde oder der Hölle kann uns mehr trennen!"
Während Logan die Worte ausgesprochen hatte, hatte De Fleurs Gesichtsausdruck sich verändert. Von seiner Überheblichkeit war nichts mehr übrig, er starrte den näher kommenden Logan mit wachsendem Entsetzen an.
„Du bist kein Zigeuner, das kann nicht sein! Niemals!"
Logans Klauen schossen aus seinen Händen und die X-Men konnten sehen wie sie anfingen, rot zu glühen als hätten sie Feuer gefangen. Er spießte seinen Gegner in der Körpermitte auf und hob ihn mit einem Ruck von Frederica herunter, so daß er quer durch den Raum flog und unsanft auf dem Boden aufkam. De Fleur sprang jedoch gleich wieder auf die Füße, obwohl seine Verletzungen tief waren und jetzt sein eigenes Blut sein Hemd tränkte. Er sprach einen Zauber, der Logan wie ein Keulenschlag traf und ebenfalls quer durch den Saal segeln ließ. Er stieß mit dem Rücken gegen den steinernen Sarg, wo Frederica halb bewußtlos lag. Seine Krallen zogen sich wieder in seine Hände zurück, als er sich wieder auf die Füße rappelte.
Der Professor gab Nightcrawler den Befehl, Frederica aus ihrer mißlichen Lage zu befreien, sie benötigte womöglich sofortige medizinische Hilfe. Kurt teleportierte sich zu ihr und hatte sie innerhalb eines Wimpernschlags aus der Gefahrenzone entfernt. Die Ketten, die sie gehalten hatte, fielen mit einem leisen Klirren auf den Stein, da sie keinen Widerstand mehr hatten. Er legte sie in die Arme des Professors, der ihre Verletzung besorgt begutachtete. Der senkrechte Schnitt zwischen ihren Brüsten war ziemlich tief, er legte fast die Rippen frei und blutete sehr stark.
Logan sah das besorgte Gesicht des Professors und ihn erfüllte eine immense Wut.
Er war der Auserwählte! Auserwählt, Frederica zu beschützen und der verdammte Hexenmeister hatte sie praktisch unter seiner Nasenspitze weg entführt, ihr Schmerzen bereitet und sie gequält. Der Geruch ihres Blutes stieg in seine Nase und dann legte sich ein roter Schleier über seine Augen.
„Der Wolf und die Hexe werden zu deinem Verhängnis werden! Hast Du die Prophezeiung vergessen, daß die Roses dein Untergang sein werden? Was hast Du versucht? Dein Leben mit dem Blut von Jungfrauen zu verlängern, bis Du fähig sein würdest, den Schutzzauber zu umgehen?"
Logans Gesicht verzog sich in einem hämischen Grinsen, in seinen Augen schienen kleine Flämmchen zu tanzen.
„Du hast auch das Blut von Frederica getrunken, aber wir sind Mann und Frau! Weißt Du, was das bedeutet?"
Zoran knurrte etwas, doch der Schmerz, der durch seine Hand jagte, war nun schier unerträglich. Eigentlich hätte das Blut der Hexe seine Verletzung heilen sollen, doch der Zustand seiner Hand verschlechterte sich zunehmend und in seinen Eingeweiden jagten unangenehm beißende Krämpfe durch ihn hindurch.
Logan zog lässig das goldene Kruzifix, das Schwester Sybelia zum Abschied geschenkt hatte, unter seiner Uniform hervor und über seinen Kopf. Wenn Frederica nicht körperlich gegen Zoran antreten konnte, dann doch in Vertretung. Das Kruzifix war ein starkes Amulett, das er an de Fleurs Stirn hielt, wo es sich zischend einbrannte und den Hexenmeister an der Anwendung von schwarzer Magie hindern würde. Logan wollte verhindern, daß Zoran de Fleur mit Hilfe seiner Zauberei entkommen konnte. Er wußte, daß er die Kunst der Teleportation beherrschte, das grüne Strahlung, die Archangel beschrieben hatte, war ein deutlicher Hinweis darauf gewesen.
Wolverine war nun von Kopf bis Fuß von einer roten Flamme eingehüllt und hielt den Kontakt, bis das Kreuz so tief in die Stirn eingedrungen war, daß es nicht mehr so leicht abfallen konnte.
„Und jetzt kämpfe wie ein Mann, de Fleur! Ou est-ce que t'as pas du cran?"
Logan grinste ihn breit an, als er die Angst in den Augen des Gegners erkannte. Ohne seine magischen Kräfte sah de Fleur nicht besonders gut aus. Logan trat einen Schritt zurück und breitete die Arme einladend aus.
„Komm schon, ich beiße nicht! Keine Magie, ich schwöre!"
Zoran zögerte nicht mehr länger, er zog ein Messer, das er in seinen hohen Lederstiefeln versteckt gehalten hatte und stürzte sich auf den Wolf, der ihn nicht abwehrte und so glitt seine Klinge bis zum Schaft in seinen Bauch hinein.
Logan warf den Kopf zurück und lachte lauthals: „Ist das alles, was Du kannst, de Fleur?"
Er zog sich das Messer aus dem Bauch heraus und warf es achtlos in die Ecke.
„Jetzt bin ich dran, Du Scheißkerl!"
Aus seinen Händen schossen die Krallen heraus und aus den Spitzen loderten rote Flammen, die bedrohlich nach de Fleur leckten. Der krümmte sich inzwischen vor Schmerzen, doch sein bösartiger Geist wollte nicht so leicht aufgeben. Er ergriff die Flucht und wollte den vermeintlich Schwächsten der Gruppe greifen: Storm.
Ororo hatte den Kampf aufmerksam verfolgt und ihre Kräfte für den Notfall aktiviert, ein gezielter Blitz traf de Fleur in die Brust und warf ihn zurück in Richtung Wolverine. Zoran kam in der Nähe des Messers auf und griff blind danach. Er wußte, daß dies seine letzte Chance sein würde.
Doch Wolverine hatte genug von den Spielchen, er ging in die Knie und rammte seine brennenden Krallen in die Brust des Hexenmeisters, der in vollem Lauf gegen sie fiel und wie ein wütender Stier in der Arena aufgespießt wurde. Das Kreuz auf seiner Stirn leuchtete auf und sein Kopf schien von innen heraus zu glühen, die Flammen aus Logans Klauen fraßen seinen Oberkörper auf. Logan erhob sich, hob den zuckenden Körper des Hexenmeisters über den Kopf und warf ihn auf den Sarkophag, wo er endgültig schreiend in Flammen aufging und dann im Zeitraffer auseinanderfiel, bis nur noch ein Haufen Staub von ihm übrig war. Logan zog den Rosenkranz aus dem Haufen, wischte die Asche ab und steckte ihn weg.
Seine Raserei ließ nach und langsam verblaßten die Flammen um ihn herum. Er wußte jetzt, wie Frederica sich an dem Tag gefühlt haben mußte, als sie Sabretooth mit ihrem Zauber in die Flucht geschlagen hatte. Er war von einer immensen Macht durchdrungen gewesen, die alles andere auslöschte und nur Platz für den Kampf ließ, doch jetzt kehrte sein Verstand wieder zurück und er rannte zu seinen Teamgefährten, die am Eingang um Xavier herumstanden.
„Frederica?"
Jean und Scott traten zur Seite, damit Logan nach ihr sehen konnte. Xavier hielt sie in den Armen, ihr Kopf lehnte an seiner Schulter. Über ihnen stand Archangel und hielt seine geballte Faust über Fredericas blutverschmierten Oberkörper. Aus Warrens Hand tropfte ein steter Blutstrom, der sich mit dem Blut auf Fredericas Brust vermischt.
„Was zum Teufel macht ihr da?"
Logan wollte Warren wegstoßen, doch Jean hielt ihn zurück, in dem sie ihn mit Hilfe ihrer Telekinese an seinem Platz festhielt.
„Nicht! Warren versorgt nur ihre Verletzung! Sie hat ziemlich viel Blut verloren, Logan! Warrens Blut hat einen ähnlichen Selbstheilungsfaktor wie deines, nur daß er ihn mit Menschen der gleichen Blutgruppe teilen kann! Glücklicherweise kenne ich die Blutgruppen aller Teammitglieder! Warren und Frederica haben beide AB negativ!"
„Laß mich zu ihr, Jean! Ich werde Warren nicht davon abhalten, ihr zu helfen!"
Jean nickte kurz, um ihm zu bedeuten, daß er sich wieder frei bewegen konnte. Logan ging neben dem Professor in die Knie und nahm Fredericas leblose Hand in seine, sie fühlte sich kalt an.
„Frederica? Darling, kannst Du mich hören?"
Logans Flüstern war von der Sorge um ihr Leben belegt und Jean klammerte sich haltsuchend an Scott. Sie hatte sich nicht vorstellen können, daß Logan und Frederica wirklich ein Paar waren, doch das Gefühl das in den wenigen Worten mitgeschwungen hatte, war Beweis genug für sie.
Warren zog seine Hand zurück, nachdem er sicher war, daß er genug Blut auf ihrer Wunde verteilt hatte. Jetzt mußten sie den Heilungsprozeß abwarten. Seine selbst beigebrachte Wunde begann schon zusammen zu wachsen.
Frederica stöhnte kurz, als sie langsam wieder zu Bewußtsein kam. Sie hatte ein eigenartiges Gefühl in der Brust, aber keine so starken Schmerzen mehr wie noch vor wenigen Augenblicken. Sie öffnete die Augen und blickte in das vertraute Gesicht von Professor Xavier.
„Professor? Qu'est-ce qu... Was machen Sie hier?"
Sie war verwirrt und etwas orientierungslos, da spürte sie die warme Hand, die ihre Linke fest umschlossen hielt. Sie drehte ihren schweren Kopf zur Seite und sah direkt in Logans besorgtes Gesicht.
„Du bist wirklich hier! Ich dachte, daß ich das träume!"
Fredericas Augen liefen über und Logan nahm sie dem Professor ab, um sie auf seine Arme zu nehmen und sie fest an sich zu drücken.
„Es ist alles gut, Darling! De Fleur wird nie wieder jemanden etwas antun können!"
Frederica klammerte sich an Logan und weinte herzzerreißend an seiner Schulter. Sie war vollkommen mit den Nerven am Ende. In den letzten paar Tagen war soviel passiert, was sie noch nicht verarbeitet hatte und nun war sie nur knapp einem Anschlag auf ihr Leben entronnen.
„Leute, wir müssen hier raus, sofort!
Warrens feines Gehör hatte minimale Erschütterungen im Gebäude wahrgenommen.
„Ich glaube, das Gemäuer stürzt ein!"
Die X-Men stürmten aus dem Keller die Treppe hinauf, während die Erschütterungen des Gebäudes immer stärker wurden und sich nun auch Steine aus der Decke lösten, die auf den Boden bröselten. Als sie in der Vorhalle der Burg ankamen, mußten sie feststellen, daß die Brücke über dem Graben bereits eingestürzt war. Logan legte Frederica wieder in die Arme des Professors, da er mit seinem Gleiter das Hindernis einfach überfliegen konnte.
Warren trug Logan über das Hindernis, während Kurt sich mit Scott herüber teleportierte. Storm flog ihre Freundin Jean mit Hilfe von Aufwinden über den Graben, dann waren alle in Sicherheit. Sie konnten zusehen, wie das Gebäude sich langsam vor ihren Augen in seine Bestandteile auflöste, bis nur noch ein sehr großer Steinhaufen übrig war.
„Die Sonne geht bald auf! Wir sollten zurück zum Jet und nach Hause fliegen!"
Scott sah skeptisch in den Himmel, um die Wetterlage zu checken.
„Wir können nicht so einfach gehen! De Fleur hat ein Massengrab hinterlassen! Ich muß dafür sorgen, daß die Frauen beerdigt werden, sonst müssen ihre Seelen bis in alle Ewigkeit als Mulos auf der Erde wandeln!"
Sie blickte mit tränenverschmierten Augen von Logans Schulter auf, wo sie ihr Gesicht vergraben hatte und sah Xavier um Verständnis bittend an.
„Wir besprechen das im Jet, Gypsy Witch!"
Das Team ging den Weg durch den Wald zurück zum magischen Portal, das nun durch Zorans Tod nicht mehr aktiviert war. Die Trümmer, die einst eine stattliche Burg gewesen waren, waren nun für jedermann sichtbar. Sie gelangten ohne weitere Zwischenfälle zum Jet, wo Xavier anordnete, daß Frederica zuerst medizinisch versorgt werden sollte.
Jean kümmerte sich darum, daß sie endlich das blutbesudelte Gewand gegen einen bequemen Sweatanzug mit dem Emblem der X-Men tauschen konnte, nachdem sich Frederica die Blutspuren und den Dreck in dem kleinen Bad des Jets abgewaschen hatte.
„Die Verletzung ist schon ziemlich verblaßt, Frederica! Ich glaube nicht, daß Du eine Narbe davon tragen wirst!"
Frederica seufzte leise: „Jedenfalls keine sichtbare!"
„Ich weiß genau, wie Du dich im Moment fühlen mußt! Wenn Du darüber sprechen willst, dann bin ich immer für dich da!"
Jean drückte ihre Hand und Frederica richtete sich vom Untersuchungstisch auf, um ihre Freundin zu umarmen.
„Ich danke dir Jean! Ich glaube, es wird mir leichter fallen, wenn ich die Sachen nicht laut aussprechen muß!"
Logan hatte vor der Tür des kleinen Untersuchungsraumes gewartet, um Jean für die Untersuchung Zeit zu geben, doch nach zehn Minuten hielt er es nicht mehr aus und er betrat leise das Zimmer. Er blieb unschlüssig in der Tür stehen, als er die die beiden entdeckte, die sich in den Armen lagen. Ein feuerroter und ein dunkelroter Kopf lagen beieinander und ein dritter Rotschopf tauchte vor Logans geistigem Auge auf: Rose. Immer wieder spielten rothaarige Frauen eine wichtige Rolle in seinem Leben und das seit über einhundert Jahren.
Waren die Erfahrungen, die er vorher gemacht hatte, nur eine Vorbereitung auf die Verbindung gewesen, die er mit Frederica eingehen sollte?
Jean bemerkte Logans Anwesenheit und löste sich aus Fredericas Armen, damit sie ihn in der Tür stehen sehen konnte.
„Ich lasse euch beide kurz allein!"
Sie lächelte Logan aufmunternd an und drückte kurz seine Schulter, als sie den Raum verließ. Frederica schluckte nervös und sah Logan aus großen Augen an, in denen sich so viele durcheinander wirbelnde Gefühle widerspiegelten. Ihr Herz klopfte plötzlich zum Zerspringen, als ihr einfiel, daß sie ihn praktisch in eine Ehe gelockt hatte, die er niemals freiwillig eingegangen wäre.
Logans Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln, als er ihre Gedankengänge erriet, die deutlich an ihrem Mienenspiel abzulesen waren.
„Du kannst wegen allem ein schlechtes Gewissen haben, aber nicht was die Abiav betrifft, Darling!"
Logan mußte schmunzeln, als Fredericas Wangen sich dunkelrot färbten und sie die Augen niederschlug. Er trat vor sie und hob ihr Kinn am Gesicht zu sich an.
„Hast Du meine Worte vorhin nicht gehört? Ich habe die Abiav vor unserer Familie und dem Oberhaupt unseres Clans bestätigt! Du hast mich in keine Falle gelockt!"
Frederica legte eine zitternde Hand auf seine stoppelige Wange und ihr stockte der Atem, weil sie in seinen Augen so viele Empfindungen entdecken konnte, die ein genaues Abbild ihrer eigenen Gefühle darstellten.
„Ich hatte die alte Legende vergessen! Du bist der Wolf, von dem mir meine Großmutter erzählt hat, als ich noch klein war! Ich weiß jetzt, wie es ist, sich mit einem Leben auseinander zusetzen, an das man sich nicht mehr erinnern konnte! Es tut mir leid, daß ich auf der Lichtung nicht auf dich gehört habe!"
In Fredericas Augen glitzerten Tränen, die Logan ihr von den Wangen küßte, als sie überflossen.
„Nicht weinen!", flüsterte Logan leise.
„Es hatte ein Gutes, daß ich in die Zeitreise mitgezogen wurde! Wie hätte ich sonst gegen Zoran de Fleur bestehen können? Außerdem weiß ich nun, woher ich komme, ich werde mir nie wieder deswegen Gedanken machen müssen!"
„Logan, Frederica? Wir starten, die Reise geht nicht gleich nach Hause! Wir bleiben noch eine Weile in Frankreich! Nehmt ihr eure Plätze ein?"
Storm bedauerte es, die beiden aus ihrer Versunkenheit aufzurütteln, doch sie mußten diesen Ort verlasen, bevor sie womöglich von Zivilisten entdeckt wurden.
Logan nahm Frederica wortlos auf die Arme und trug sie bis zu ihrer Sitzgelegenheit im Cockpit, wo er sie dann auch noch anschnallte. Er drückte ihr einen kleinen Kuß auf den Scheitel und setzte sich dann neben sie, um sich den Sicherheitsgurt anzulegen.
„Ich habe entschieden, daß das Team nicht gleich nach Hause fliegt! Der Einsatz war ziemlich Kraft raubend und Gypsy Witch sollte sich noch etwas vor der Reise ausruhen. Und wir können von hier aus das Problem mit den Mulos besser in Angriff nehmen!"
Der Professor saß hinter Storm, die den Jet fliegen würde, und nun die Startsequenz einleitete. Scott war diesmal der Co-Pilot und checkte mit ihr die Maschine vor dem Abflug.
„Wohin gehen wir, Professor?"
Frederica war erleichtert, daß der Professor ihren Einwand ernst genommen hatte, obwohl er sich in übersinnlichen Fragen wohl kaum auskannte. Das bedeutete, daß er ihrem Urteil blind vertraute.
„Wir besuchen Freunde! Ich habe unser Eintreffen bereits angekündigt, wir werden erwartet! Der Flug dauert höchstens zwanzig Minuten!"
Mit diesen Worten erhob sich der Jet eingehüllt von Nebelschwaden, die Storm herauf beschworen hatte, in die Lüfte und schoß seinem neuen Ziel entgegen.
Frederica schloß die Augen, sie hatte unangenehme Kopfschmerzen, die wohl von der Müdigkeit herrührten und ihre verheilende Wunde fühlte sich seltsam warm an. Ausruhen, das war wirklich ein guter Gedanke!
Fortsetzung folgt...
