Disclaimer: siehe vorheriges Kapitel...

Ü/N: Hi Leute #duckt sich unter fliegenden Tomaten# Tut mir Leid, dass ich so lange nicht mehr upgedatet hab! #duckt sich unter fliegenden Eiern hindurch# Hier kommt es ja schon, ein Chappie pünktlich zu Weihnachten...

Danke an alle Reviewer:

BlueStar84, torence, Andrea1984, duivel, leynia und lyra-listenreich. Meine Kommentare schmeiße ich dann nächstes Mal wieder dazu.

Dieses Kapitel möchte ich duivel widmen, der Verfasserin der 100. Review.


Kapitel 17

Arabische Nächte


Es war der zweite Dezember, als der erste Schnee Hogwarts bedeckte. Die Wiesen und die Bäume des verbotenen Waldes waren mit einer kalten, weißen Decke überzogen, die in der Wintersonne glitzerte. Das Wasser des Sees war in der vergangenen Nacht zugefroren und reflektierte nun die Sonnenstrahlen wie ein polierter Spiegel.

Ginny saß an einem Fenster und sah zu, wie die Sonnenstrahlen in den Wiesen tanzten. Alles schien glücklich und leuchtend zu sein, aber in ihrem Herzen war nichts als Dunkelheit. Sie hatte nun seit über zwei Wochen nichts mehr von ihrem Liebsten gehört. Sie war fest entschlossen, die Hoffnung nicht aufzugeben, aber jeder Tag, der verging, jede Stunde und Minute ohne Harry war die Hölle für sie. Sie war sich nicht mehr so sicher, ob sie Harry je wiedersehen würde. Sie war sich nicht sicher, ob er je zu ihr zurückkommen würde.

Natürlich hatte sie keine Ahnung von Harrys Amnesie, weil Dumbledore ihnen nichts davon gesagt hatte. Der alte Direktor wollte sie nicht noch mehr beunruhigen. Auch ihre Eltern informierten sie und Ron nicht über den Artikel, den sie in der Muggelzeitung gelesen hatten, weil sie schließlich zu dem Entschluss gekommen waren, dass der Junge auf dem Foto nicht Harry war.

Jetzt, zwei Wochen nach dem ‚Ent-journalisten', begannen die Schüler zu bemerken, dass der berühmte Harry Potter immer noch abwesend war. Sie begannen, Ginny, Ron und Hermine über seinen Aufenthaltsort zu befragen, aber diese drei verweigerten ihnen die Wahrheit. Es musste so lange wie möglich geheim gehalten werden. Wie auch immer, es war nicht leicht, besonders dann nicht, wenn die Schüler begannen, Harrys Hingabe für Ginny in Frage zu stellen und sagten, dass er vielleicht Angst bekommen hätte und weggelaufen wäre. Manchmal war sogar Ginny geneigt, diese absurde Theorie zu glauben – für gewöhnlich in der Nacht, wenn sie niemanden hatte, an den sie sich wenden könnte, niemanden, dem sie ihr Herz ausschütten könnte. Sie weinte sich oft in den Schlaf und träumte jede Nacht von Harry. In ihren Träumen sah er immer glücklich aus, lächelte, winkte ihr zu und rief, dass er sie mehr als das Leben selbst liebte.

Jetzt konnte die Kälte des Schnees von draußen nicht mit der Kälte im Herzen der jüngsten Weasley verglichen werden. Sie blickte auf die Wiesen hinaus und wünschte, an einem besonders warmen Ort zu sein... Ägypten zum Beispiel.


Ginny konnte nicht wissen, dass zu der selben Zeit, als sie an ihre verlorene Liebe dachte, ein gewisser Junge im fernen Ägypten ebenfalls tief in seinen Gedanken versunken war. Er – Harry, wer sonst? – saß unter einer Palme in einer Oase und sah den Kamelen zu, die aus einer Pfütze tranken. Es war nichts zu spannendes zum Zusehen, aber diese Tiere zu beobachten, beruhigte ihn, sodass er nachdenken konnte. Er musste nachdenken.

Die Ereignisse der vergangenen Woche waren mehr als genug für ihn gewesen. Er war total ausgezehrt.

Noch vor einer Woche waren er und sein verrückter Freund auf dem Polizeirevier von Great Whinging im fernen Großbritannien gewesen. Dann – zuerst hatte er nicht verstanden, wie – sind sie hierher gekommen. Alles, was er wusste, war, dass Gilderoy ihn an der Hand genommen hatte... In dem einen Augenblick waren sie noch in England gewesen, im nächsten in der Mitte einer Wüste. Er erinnerte sich daran, von dem Anblick der unendlichen Wüste um ihn herum ziemlich geschockt gewesen zu sein.

„Wo auf Erden sind wir?", hatte er seinen Begleiter gefragt. „Ägypten? Wie zur Hölle sind wir hierher gekommen, Gilderoy?"

„Mit Magie natürlich." Der blonde Mann ließ seine Hand los und strich sich mit einem selbstgefälligen Grinsen auf dem hübschen Gesicht den Sand von seinem Gewand.

„Magie, sicher." Harry seufzte. „Hast du nicht beabsichtigt, uns nach Ägypten zu bringen?"

„Genau das habe ich getan, Junge." Der Mann lächelte und benützte seine Hände, um seine Augen vor den brennenden Strahlen der Wüstensonne abzuschirmen. „Na ja, ich schätze, ich habe unseren Sprung ein bisschen misskalkuliert."

„Ein bisschen?", fragte der Junge. „Mann, du hast uns mitten in die Sahara gebracht! Nicht nach Kairo oder an einen anderen zivilisierten Ort... Könntest du jetzt bitte einen weiteren ‚Sprung' machen und uns direkt zu deinem Freund, Abyss Sunny Amon, bringen?"

„Abysmal sun-Amun", korrigierte Gilderoy ihn. „Aber du musst zugeben, dass es WIRKLICH so etwas wie Magie gibt."

„Okay, okay, in Ordnung, es gibt so was", seufzte der Junge. „Könntest du uns dann bitte zu deinem... ähm... Zauberer-Freund bringen?"

„Wer? Wo?" Lockharts Gesicht verwandelte sich in den üblichen idiotischen Ausdruck, den er für gewöhnlich aufsetzte, wenn er eine neue Attacke seiner selektiven Amnesie hatte.

„Oh nein! Nicht schon wieder! Nicht jetzt!" Harry schlug sich gegen die Stirn. „Gilderoy, Gilderoy, erinnere dich! Du bist ein Zauberer! Du hast uns hierher gebracht! Du musst uns von hier wegbringen... Sofort!"

Lockhart sah sich um und schüttelte den Kopf. „Mann, was ist das nur für ein trübseliger Ort hier! Es ist unglaublich heiß, was denkst du? Das ist nicht gut für meine Frisur. Oh, übrigens, mein Name ist..." Er streckte seine Hand aus. „...Mensch, ich kann mich nicht erinnern!"

Und wieder geht's von vorne los... Der Junge seufzte innerlich und begann, Lockhart über die Ereignisse der vergangenen zwei Wochen zu informieren. Wie gewöhnlich glaubte der Mann nicht ein Wort davon.

„Okay, dann glaub mir eben nicht, aber bitte, bring uns aus dieser Wüste raus, ja?"

„Du verlangst Unmögliches von mir!" Lockhart schüttelte weiterhin den Kopf.

„Es ist NICHT unmöglich, Gilderoy! Ich habe gesehen, wie du es machst! Du kannst es!"

„Tut mir Leid, Junge. Sieht so aus, als ob wir hier festsitzen würden." Er setzt sich nieder und begann, eine Sandburg zu bauen. „Scheiße, es gibt kein Wasser dafür."

„Für uns auch nicht", erinnerte ihn der Junge.

„Oh, mach dir keine Sorgen, wir werden es nicht brauchen. Wenn die Nacht hereinbricht, wird es hier eisig kalt. Dir wird nicht nach Trinken zumute sein, Junge", erklärte Gilderoy.

„Eisig kalt? Cool. Genau das brauche ich jetzt." Harry trat in Lockharts halb-fertige Sandburg. Er ließ sich neben Gilderoy in den Sand sinken und seufzte tief auf. Es schien, als ob sie zu Tode verurteilt wären, wenn das Gedächtnis des Zauberers nicht innerhalb der nächsten paar Stunden dazu herablassen würde, zurückzukommen. Aber dafür gab es nicht viel Hoffnung.

Etwa vier Stunden später, als die Sonne begann, hinter den Horizont zu tauchen und den Himmel in allen Farben von Gelb über Orange bis Rot zu färben begann, sah der Junge plötzlich auf. „Schau, Gilderoy! Eine Karavane!"

„Wo?" Der blonde Mann zwinkerte. Er war von der schrecklichen Hitze und dem Wassermangel so ausgezehrt, dass er sich nicht einmal stark genug fühlte, seine Augen zu öffnen.

„Dort! Etwa eine Meile entfernt!" Harry zeigte mit dem Finger auf die kleinen Gestalten, die sich auf dem Grat einer fernen Düne bewegten. „Komm schon, wir müssen zu ihnen kommen!"

„Sie sind auf ihren Kamelen viel zu schnell. Wir werden sie niemals einholen können", seufzte Gilderoy. „Wenn wir ihnen nur ein Zeichen schicken könnten..."

„Ein Zeichen?" Die Augen des Jungen weiteten sich. „Ein Zeichen!" Er griff in die Tasche seiner Robe und schnappte seinen Zauberstab. Ich weiß nicht, wie man dieses Ding benützt, aber wenn Gilderoy ein Zauberer ist, dann muss ich auch einer sein! Ich muss es versuchen! sagte er sich selbst und machte mit dem ‚Stöckchen' einige Bewegungen. Ein paar rote und goldene Funken kamen zum Vorschein. „Jaaaa!", schrie er aufgeregt und begann, mit seinem Zauberstab größere Kreise zu ziehen. Jeder Nerv in seinem Körper konzentrierte sich auf diese Aufgabe. Wie auch immer, der Zauberstab wollte keine größeren Sternchen aussenden, die auch für die Menschen mit der Karavane sichtbar gewesen wären. Inzwischen war die Sonne bereits hinter dem Horizont verschwunden. Es gab keine Chance mehr, von den Reisenden im Tageslicht entdeckt zu werden, und der Junge war sich sicher, dass die schwachen Funken keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden.

„Gib auf, Junge, das ist das alles nicht wert", seufzte Gilderoy.

„NEIN!" Harry schwang seinen Zauberstab immer noch. Ein Spruch, es muss einen Spruch oder so was geben! Seine Gedanken rasten und versuchten, sich zu erinnern. „Ähm, Licht? Äh, nein. Helligkeit? Nee. Light? Auch nicht. Luminosity?" Der Zauberstab begann zu zittern. „Fast, hm? Lumi... Lumiwas? Oder Lumo? Lumos?" Plötzlich erschienen die die hellsten, weißen Flammen an der Spitze seines Zauberstabes. „Das ist es!", schrie er und begann, den Zauberstab mit dem Licht am Ende in der nächtlichen Dunkelheit zu schwenken. Sie müssen es bemerken! Sie müssen einfach!

Das taten sie auch. Zwanzig Minuten später wurden dem Jungen und seinem blonden Begleiter Wasser und ein freies Kamel vom Anführer der Karavane gegeben.

„Mein Name Ali Ababwa", stellte sich der bärtige Mann vor. „Ich lernen Englisch, sprechen es. Wer ihr?"

„Wir sind zwei unglückselige Reisende, Sir", antwortete Harry. „Mein Begleiter heißt Gilderoy Lockhart, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wie ich heiße, weil ich mich nicht an meinen Namen erinnere."

„Nicht erinnere?" Ali zog seine Augenbrauen zusammen. „Warum?"

„Ich habe mein Gedächtnis verloren, Sir, vor etwa zwei Wochen", antwortete Harry.

„Und deine Freund, da?", fragte der Araber. „Er erinnern Name?"

„Oh, er hat eine selektive Amnesie. Aber bitte, lassen Sie es mich später erklären", sagte der Junge, der verzweifelt seinen Zauberstab schwang und versuchte, das Licht verschwinden zu lassen. Er konnte es einfach nicht. Harry versuchte es auszublasen, aber die Flamme brannte unbeirrt weiter.

„Sag Nox." Gilderoy gähnte. „Huch?" Harry zwinkerte, dann zuckte er die Achseln. Einen Versuch war es wert. „Nox."

Die Flamme ging aus und Harry war unendlich dankbar, dass sich Gilderoy zufälligerweise an den richtigen Spruch erinnert hatte.


Dank Ali Ababwa und seiner Karawane erreichten Harry und Gilderoy nach drei Tagen die Oase Murzuk. Sie verbrachten dort zwei Tage, um Kraft für die anstehende große Reise nach Kairo zu tanken, wo sie Abysmal sun-Amun finden mussten, den Zauberer, der angeblich ein Experte für Amnesie-Fälle war. Glücklicherweise bekam Lockhart einige seiner Erinnerungen in Murzuk zurück und freute sich schon sehr darauf, seinen alten Freund wieder zu sehen.

Harry, der unter einer Palme saß und den Kamelen beim Trinken zusah, dachte an seine magische Tat in der Wüste zurück. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass er wirklich einen Zauber ausgesprochen hatte. Er begann zu glauben, dass er wirklich ein Zauberer war.

Plötzlich riss ihn etwas Schweres, das auf seinem Kopf landete, aus seinen Tagträumereien.

„Autsch!", rief er und sah auf. Ein kleiner Affe hing im Baum. „Hey, hör auf damit, Freundchen, okay?", rief er. „Menschen mit Bananen zu bewerfen ist nicht gerade nett!"

Der Affe gab ein lustiges Geräusch von sich, das sich wie Kichern anhörte. „Lachst du mich aus?" Harry sprang aus seiner sitzenden Position hoch und schnappte das Tier bei seinem Schwanz. „Hab ich dich, du kleiner Racker!", grinste er. Der Affe sah überrascht aus, dann begann er zu kichern und mit seinen kleinen Fingern nach unten zu deuten. Harry sah hinunter und schluckte.

Irgendwie war er in das Blätterwerk gesprungen, fünf Meter über dem Boden. Die Leute versammelten sich schon unter dem Baum und murmelten aufgeregt.

„Wie hab ich das gemacht?", fragte Harry den Affen, aber der antwortete nicht sondern zuckte die Achseln.

„Wir müssen hier wieder runter kommen", sagte Harry. „Und das den Leuten unter uns erklären. Wow, du hast mich ganz schön in Schwierigkeiten gebracht, weißt du das?"

Ein spitzbübisches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Äffchens aus.

„Okay. Ich werde jetzt hinunter klettern – und du bleibst ruhig und wirfst keine Bananen mehr nach mir, in Ordnung?", sagte Harry dem Tier, als ob es intelligent genug wäre, um seine Worte zu verstehen.

Als Harry den Boden erreichte, wurde er sofort von Leuten umzingelt, die aufgeregt in ihrer lustigen Sprache quasselten – sicherlich Arabisch. Viele gestikulierten heftig mit ihren Händen.

„Tut mir Leid, ich verstehe euch nicht." Harry schüttelte den Kopf.

„Sie sagen, du bist Zauberer", half ihm Ali Ababwa.

„Ein Zauberer?" Der Junge lachte. „Blödsinn!" Er fühlte sich unwohl – er hatte sich gerade selbst eingestanden, dass er wohl ein Zauberer war, und jetzt musste er es schon wieder abstreiten.

„Menschen hier glauben viel an Magie", erklärte Ali. „Sie nie gesehen Magie, aber daran sie glauben... Oh, schauen, dein Freund wachen auf!" Er zeigte mit seinem Finger auf die blonde Gestalt, die aus dem lokalen ‚Hotel' kam, das aus drei schmutzigen Räumen und einem Speisesaal voller Fliegen bestand.

„Guten Morgen, Gilderoy", grüßte ihn Harry.

„Hallo." Lockhart winkte enthusiastisch und lächelte. „Was haben wir nicht für einen schönen Tag heute! Aber die Wüstenluft ist ganz und gar nicht gut für meine sensible Haut... Oh, na ja, ich muss wohl in Kairo genug Feuchtigkeitscreme kaufen, Ah, Mr. Abu, wann werden wir nach Kairo aufbrechen?"

„Morgen, Mr. Lockhart", antwortete Ali. „Sie kennen gut Kairo?"

„Was? Kairo? Wer geht nach Kairo?" Gilderoy sah sich verwirrt um. Weder Harry noch Ali waren dieses Mal überrascht – sie waren schon an Lockharts plötzliche Rückfälle gewohnt.

Wenn er in seinen ‚Zuständen der Erinnerung' war, gelang es Gilderoy, sich an interessante Details über seine Vergangenheit zu erinnern: Er erinnerte sich an seine Großmutter, die ihm das Haar eindrehte, als er ein vierjähriges Kind gewesen war. Er erinnerte sich an die Namen der dreizehn Mädchen, die im Kindergarten in ihn verliebt gewesen waren. Er erinnerte sich daran, jedes Jahr am Valentinstag von hunderten Eulen bombardiert zu werden. Und er erinnerte sich daran, eine Menge Bücher über Taten, die er von anderen ‚gestohlen' hatte, geschrieben zu haben. (Doch das erwähnte er Harry gegenüber nie.)

Jedenfalls erinnerte er sich weder an einen einzigen Tag auf Hogwarts, noch konnte er sich einen der Namen seiner Schüler nennen. Nicht einmal Harry kam ihm bekannt vor.

Harry dachte, dass er an Gilderoys Stelle schon längst verrückt geworden wäre – immer alles zu vergessen und sich immer an neue Sachen zu erinnern – das musste einen doch zum Wahnsinn treiben.

Doch Harry war glücklich, dass Gilderoy in keinem einzigen dieser Zustände der Erinnerung noch einen ‚Sprung' machen wollte. Er war sicher, dass sie mit der Karawane viel sicherer nach Kairo kommen würden. Harry wollte einfach nicht das nächste Mal in Namibia auftauchen.


„...Oh, und als ich mich selbst im Spiegel sah, sagte ich ihm: ‚Spieglein, Spieglein, an der Wand, ich bin der Schönste im ganzen Land!' Und er antwortete: ‚Ich liiiebe bescheidene Menschen... besonders, wenn sie so gut aussehen wie du...' und dann erschien in der Mitte des Spiegels ein Auge, das mir zuzwinkerte und mich das Folgende fragte: ‚Abendessen heute?' Verstehst du das, Junge? Grannys alter Spiegel hat sich in mich verliebt! Aber dieser Fall war nichts im Vergleich zu meinem Abenteuer mit den Sirenen. Du weißt schon, das sind wunderschöne Kreaturen – nicht so schön wie ich, natürlich – die auf einer Insel leben und die Menschen mit ihrem Lied verzaubern. Also, ich segelte gerade im Mittelmeer herum, als ich ihr Lied hörte... ähm, Junge...?"

Harry war eingeschlafen.


Am nächsten Tag machte sich die Karawane auf den Weg nach Kairo. Gilderoy hörte niemals auf, sich über das Schwanken der Kamele zu beklagen, das ihn seekrank machte, oder über den Affen, der immer wieder auf seinem Kopf herumhüpfte und seine sauber frisierten Locken durcheinander brachte. Der Affe, der ihm auf die Nerven ging, war derselbe, der Harry mit den Bananen angegriffen hatte. Zu Lockharts schierem Ekel hatte sich der Junge mit dem Affen angefreundet und ihm den Namen Abu gegeben. Abu war ein sehr vitales kleines Tier, das nur Unsinn im Kopf hatte – er erinnerte Harry irgendwie an jemanden, aber er wusste nicht, an wen genau. Einmal, als Lockhart rief, dass er von diesem ‚hässlichen, peeving (Ü/N: das heißt ärgerlich, aber wenn ich es übersetzen würde, wäre die Hauptaussage dahin.), Bananen-fressenden Pelzball' die Nase voll hatte, wurde Harry von einem vertrauten Gefühl erfasst.

Peeving? dachte er. Er hatte keine Ahnung warum, aber er fühlte sich dabei seltsam.


Eine Woche später kamen sie in Kairo an und sagten danke und auf Wiedersehen zu Ali.

„Und jetzt?", fragte Harry. „Wie sollen wir deinen Freund in so einer großen Stadt finden? Kairo hat mehr als acht Millionen Einwohner! Weißt du, in welchem Stadtteil er lebt?"

„Stadtteil? Welcher Stadtteil?" Gilderoy zog die Stirn kraus. „Er lebt in Malahalla al Manah ul Yalla."

„Wo?" Harry blieb der Mund offen stehen.

„Malahalla... äh, sag einfach Einheitsgasse dazu."

„Was?"

„Komm und frag nicht. Du wirst schon sehen." Lockhart lächelte selbstgefällig. Harry beschloss, ihm zu folgen und betete, dass Gilderoy nicht wieder von einer Amnesieattacke getroffen werden würde, ehe sie nicht ihr Ziel erreicht hatten. Er wollte sich nicht in einer der größten Städte der Erde verlaufen.

Auf ihrem Weg durch die Straßen und Märkte wurden sie von tausend Händlern ‚attackiert', die ihnen Kupferhalsketten, Töpferware und seltsam aussehendes Essen verkaufen wollten.

Harry schüttelte jedes Mal den Kopf. „Nein, danke, kein Hunger... Nein, normalerweise trage ich keine Ohrringe... Nein, wozu könnte ich das gebrauchen?"

Endlich wurde die Menschenmenge kleiner und Harry war überrascht, als er sah, dass sie das Flussufer erreicht hatten.

„Äh, Gilderoy, was tun wir hier?", fragte er. „Ist dein Freund Fischer, oder was?"

„Nee, er arbeitet bei der ‚Retten wir die Pyramiden vor den über-neugierigen Muggeln Liga!'"

„Was für eine Liga?" Harry blieb der Mund offen stehen. Lockhart hatte ihm erklärt, was das Wort ‚Muggel' bedeutete, aber er hatte noch nie von einer Liga mit so einem komischen Namen gehört.

„Das sag ich dir später", antwortete Gilderoy. „Komm, wir müssen ans andere Ufer des Nils."

„Ans... ans andere Ufer?"

„Ja, und zum Friedhof."

Harry runzelte die Stirn. Entweder war Lockhart verrückt geworden oder Mr. sun-Amun war Totengräber.

„Ich brauch mal kurz deinen Zauberstab", bemerkte Gilderoy.

„Warum?" Harry schluckte. Er wollte nicht durch einen versehentlichen Schwenker von Lockharts Hand nach Guatemala transportiert werden. Er war sich jedoch bewusst, dass er sie beide nicht allein ans andere Ufer bringen konnte. Er musste Gilderoy vertrauen – zumindest ein bisschen.

Da sie kein Muggelgeld hatten, konnten sie keinen Fischer fragen, ob er sie ans andere Ufer bringen würde.

Sie hatten einfach keine andere Wahl.

Vertrau Gilderoy und bete, sagte Harry zu sich selbst und reichte dem blonden Mann seinen Zauberstab. Er schloss krampfhaft seine Augen und wartete auf einen Knall und ein paar Leute aus Papua Neuguinea, die riefen, dass eben ihr Abendessen angekommen war.

Aber nichts in der Art passierte.

„Okay, wir sind da", hörte er Lockharts Stimme und öffnete vorsichtig seine Augen. Der Affe Abu stieß ein hysterisches Quietschen aus.

Sie standen inmitten eines riesigen Friedhofes. Die Gräber, die von einer schwermütigen Luft umgeben waren, gaben Harry das Gefühl, dass er sich schon einmal an einem Ort wie diesem befunden haben musste. Einen Augenblick lang erwartete er fast, einen Kessel zwischen den Grabsteinen zu finden, aber er konnte nicht erklären, warum. Er wollte es auch Gilderoy gegenüber nicht erwähnen – Gilderoy würde nur an irgendwelche guten Nebeneffekte der Friedhofsluft auf seine Haut denken und Harry war definitiv nicht in der Stimmung, sich die Lockhart-Schönheitstipps anzuhören.

„Okay, die hier ist es." Der blonde Mann zeigte auf eine Gruft, die aus demselben schwarzen Stein gefertigt worden war wie die umgebenden Obelisken. Er trat an die Tür heran und klopfte drei mal mit Harrys Zauberstab.

Harry wusste nicht, was er erwarten sollte – einen Geist, der ihnen sagte, wo sie Mr. sun-Amun finden konnten? Oder eher einen Zombie mit einer Sense in der Hand?

Nichts davon geschah. Sobald Lockhart an die Tür geklopft hatte, öffnete sie sich und führte sie nicht in eine dunkle Gruft, sondern auf eine sehr laute und bunte Straße. Als ob die Stille und Schwermütigkeit der Gräber niemals existiert hätte, dachte Harry und betrat die Malhalla al Manah ul Yalla, die auch Einheitsgasse genannt wurde. Das magische Tor hinter ihnen schloss sich und verschwand, um ihr Geheimnis vor den Muggelbesuchern des Friedhofes in Kairo zu verbergen.

„Jetzt müssen wir nur noch die Einheitsgasse Nummer 77 finden. Dort lebt Abysmal." Gilderoy drehte sich zu Harry und gab ihm seinen Zauberstab zurück.

Harry öffnete seinen Mund, um zu antworten, aber kein Wort kam heraus – er war von dem Anblick viel zu geschockt: das perfekte Bild einer Stadt aus den Arabischen Nächten. An beiden Seiten der Einheitsgasse boten Händler ihre Waren an: nicht einfache Kupferhalsketten und würziges Essen wie in Muggel-Kairo, sondern fliegende Teppiche in allen Größen und Farben, Turbane, die ihre Größe dem Kopf ihres Besitzers anpassten, Talismane mit den Symbolen von Isis, Thot, Osiris und all den anderen ägyptischen Gottheiten, sprechende Replika von Tutenchamuns Totenmaske – in drei Ausführungen erhältlich: eine, die jede halbe Stunde die genaue Zeit ansagt, eine, die immer uralte ägyptische Flüche ausspricht und eine, die alle Rezepte von Falafel kenn (das perfekte Geschenk für die Hausfrauen der Zaubererwelt).

Harry war von den verschiedenen Farben, Gerüchen und Stimmen, die in der Luft schwebten, ganz geblendet und wusste nicht, wohin er sich zuerst drehen und was er zuerst ansehen sollte – es gab zu viele Dinge zu sehen. Einer der Händler bot ihm eine Skarabäuskäfer-Sammlung an, ein anderer wollte ihm einen Strauß Wüstenblumen verkaufen (die angeblich gut bei Durchfall waren), ein dritter wollte einen Fes loswerden, der die Farbe änderte (und sogar in Abus Größe erhältlich war), ein vierter wollte Harry eine seiner verzauberten Lampen aufdrängen. (Die größeren Lampen, in denen ein Dschinn wohnte, kosteten 100 Galleonen das Stück, die kleineren – falschen – mit Kamel-Ghulen waren schon um 50 Sickel zu haben.)

„Hast... hast du das gesehen?" Gilderoy wandte sich zu Harry, seine Stimme zitterte. Er war offensichtlich wieder in einem Zustand des Vergessens. „Mu... Mumifizierte Katzen... wo zur Hölle sind wir?"