Stumme Schreie

PG-12

Kapitel 5: Traum oder Wirklichkeit

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Aragorn schloss die Augen. Er spürte den Wind, der peitschend über sein Gesicht strich und seine Haare wild umher wirbelte.

Er fiel.

Sein Körper fühlte sich für wenige Sekunden befreit an. Alles Gewicht schien von ihm ab zu wiegen. Er spürte die Kälte, die Nässe und hörte jemanden seinen Namen rufen.

Legolas ...

Legolas, sein Freund. Er hörte dessen Stimme in der Ferne. War jedoch nicht in der Lage eine Antwort zu geben. Alles drehte sich. Er sah Bilder, hörte fremde Geräusche und dennoch versuchte er nicht gegen das Unbekannte, welches ihn umfing, anzukämpfen. Etwas zog ihn weg, weg von hier und er konnte nicht dagegen ankämpfen. Wollte nicht dagegen ankämpfen. Lies es über sich ergehen. Lies sich mitziehen, sich gleiten.

Plötzlich waren die Geräusche verschwunden. Eine seltsame Wärme umfing ihn, schmeichelte ihn an seinen Händen, seinem Gesicht, an seinem Körper. Er konnte spüren, wie er wieder festen Boden unter den Füssen hatten. Ein süßer Duft streichelte seine Nase und lies ihn tief einatmen. Langsam öffnete er seine Augen. Das Licht. Es leuchtete so stark, blendete ihn. Er blickte sich um und konnte saftige Gräser, Sträucher und Bäume erkennen. Blüten streckten sich der Sonne entgegen. Versuchten jeden kostbaren Sonnenstrahl einzufangen. Ein Wald, so wunderschön grün und blühend, wie er ihn zuvor noch nie gesehen hatte.

Aragorn wurde aus seinen Gedanken gerissen.

Er hörte ein Rascheln uns sah sich um. Nichts. Er drehte sich langsam um seine Achse, blickte in alle Richtungen. Von überall her konnte er das wohlklingende Zwitschern verschiedener Walsvögel hören. Welch Zauber vermag es, einen solchen Ort zu schaffen? Reine Luft, ein sanfter Wind hauchten ihm einzelne Haarstränen ins Gesicht.

Wieder ein leises Rascheln. Er drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und sah etwas hinter einem kleinen Gebüsch verschwinden. Vorsichtig näherte er sich dem Strauch und konnte dahinter sofort einen Haarschopf erkennen. Ein leises Hüsteln verriet ihn: Es war ein kleiner Elbenjunge. Als dieser bemerkte, dass er entdeckt worden war, stand er langsam hinter seinem Versteck auf und trat einige Schritte zurück. Seine Augen suchten verzweifelt nach einem Fluchtweg.

"Du brauchst keine Angst zu haben!" bat ihn Aragorn sogleich und hob seine Hände als Zeichen seiner Friedfertigkeit.

Der Kleine blickte ihn aus seinen blauen Augen an. Musterte ihn. "Ihr ... Ihr seit aber kein Elb." begann er stotternd.

Estel nickte. "Nein. Ich bin ein Mensch ..."

Noch während er sprach weiteten sich die Augen des Jungen ängstlich und er wich erneut etwas zurück.

Aragorn bemerkte dies. "Bitte, ich habe keine schlechten Absichten. Hab keine Angst. Ich will dir nicht wehtun."

Der Elb hielt augenblicklich in seinen Bewegungen inne. Lange blickten sie einander in die Augen, bevor Aragorn auf den Jüngeren zutrat. Erneut wich dieser ängstlich zurück und stolperte dabei über eine Wurzel. Er fiel zu Boden.

"Bitte, hab doch keine Angst!" Estel kniete neben ihm hin und half ihm auf. Während der ganzen Zeit wandte der Elb seinen Blick nicht von ihm ab. Er beobachtete jede Bewegung die der Mensch machte. Schätzte die Lage ein.

"Ich ... Ich habe keine Angst." erwiderte er schließlich sichtlich unsicher und zupfte seine Kleider zurecht.

Aragorn musste schmunzeln. "In der Tat nicht."

"Ada mag keine Fremden, auch keine Menschen und er mag es auch nicht, wenn ich mit jemandem spreche." begann der Junge und setzte sich vor ihm in den Schneidersitz. Aragorn tat es ihm gleich, obzwar er nicht annähernd so beweglich war, wie der Junge Elb.

"Das kann ich verstehen. Sag mir, kleiner Elbling, wo befinden wir uns hier?"

Der Junge blickte ihn fragen an. "Im Düsterwald, meinem Zuhause."

Aragorn strich sich durch den Bart. Wie lange war es her, seit er diesen Namen gehört hatte? Einige Jahre, bestimmt. "Eryn Lasgalem" murmelte schließlich er.

Erneut erntete er einen fragenden Blick des Jungen. "Nein, Düsterwald" wiederholte er.

Aragorn nicke und wiederholte es: "Düsterwald"

Augenblicklich horchte der Junge auf und blickte in den Wald hinein. Aragorn konnte Schritte hören und stand alarmierend auf. Vor ihm standen vier hochgewachsene Elben, in brauner Kleidung und richteten ihre Bogen auf ihn. Sie hatten sich so leise angeschlichen, dass selbst er es nicht hatte vermögen, sie aus einiger Entfernung zu hören.

Einer der Elben trat hervor und zog den Jungen marsch hinter sich. Dieser jedoch versuchte sich zur Wehr zu setzen. "Nein, lasst mich!" schrie er.

Der Ältere hielt ihn jedoch fest und zog ihn noch weiter von Aragorn weg.

"Tolo dan Thranduilion!" sprach der Elb immer wieder auf ihn ein und der Junge tat wie ihm geheißen. Er sank in sich zusammen und sah freudlos zu Boden. Von einem weiteren Elben lies er sich etwas von der Truppe wegtragen während die anderen ihre Pfeile immer noch auf Aragorn gerichtet hielten.

"Nun zu Euch, Mensch. Was bringt Euch in diese Wälder und wer seit ihr?" fragte einer der Elben.

Aragorn stand wie angewurzelt da und blickte zu dem kleinen Elben. Hatte er vorhin richtig gehört? Wurde er Thranduilion genannt? Just in dem Moment, als er die Kinderstimme aufschreien gehört hatte, erinnerte er sich wieder an den Jungen in seinen Träumen. War er etwas ein und der Selbe? Diese Stimme, er erkannte sie wider. Thranduilion ... Legolas?

"Legolas" wisperte er, ohne seinen Blick von dem Jungen abzuwenden.

"Was sagtet Ihr?"

Aragorn wurde aus seiner Trance gerissen als er etwas spitzes an seinem Hals spürte. "Mensch, ich rate Euch, mir zu Antworten." Der Elb, womöglich ein Hauptmann, trat noch etwas näher an Estel heran und senkte Pfeil und Bogen.

"Antwortet!"

Aragorn blickte ihm in die Augen. In ihnen spiegelte sich Abscheu und Kälte wider. Zu seinem Schutz hielt er es jedoch für besser, wenn er antworten würde. Im Moment versprach die Situation, in der er sich befand, nicht viel Gutes.

"Mein Name ist Aragorn, Arathorns Sohn." Er hielt es für besser sich mit seinem bürgerlichen Namen vorzustellen.

Die Elben sahen sich gegenseitig an. Aragorn, dieser Name war ihnen nicht bekannt.

"Wieso seit ihr in unsere Wälder eingedrungen?" wollte der Hauptmann schließlich wissen.

Wieso? Aragorn wusste darauf selber keine Antwort. Wieso war er hier? Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er hier her gekommen war. Er erinnerte sich daran in Imladris gewesen zu sein, in Lothlorien und in Gondor; er lebte in Minas Tirith ... doch wie war er hier her gekommen?

"Los antwortet oder Ihr werdet durch Schmerzen dazu gezwungen sein!" Wurde er erneut aufgefordert und spürte sogleich eine kalte Pfeilspitze an seinem Hals. Bei jedem Atemzug spürte er, wie sich die Spitze in seine Haut bohrte.

Er schüttelte kaum merklich den Kopf und blickte hilfesuchend umher. "Ich weiß es nicht ..." antwortete er schließlich. "Ich weiß es nicht", wiederholte er und sah zu dem Elben.

Der Hauptmann deutete zwei seiner Begleiter an, seine Hände hinter dem Rücken zu fesseln.

"Ihr mögt schweigen für den Augenblick, doch das wird Euch nicht helfen, Mensch."

Aragorn lies alles über sich geschehen. Er wusste, das er keine Chance haben würde, würde er sich mit ihnen anlegen. Er war unbewaffnet, die Elben hingegen nicht. Es würde keinen Sinn ergeben. Zudem schweifte er in seinen Gedanken immer wieder ab. Er würde sich nicht darauf konzentrieren können, gegen sie zu kämpfen. Zu sehr beschäftigte ihn die Frage, was hier eigentlich vor sich ging. Sein Blick suchte den des Jungen. In der Tat, diese blauen Augen kamen ihm bekannt vor und auch die goldenen Haare ... Doch wie war es möglich? Es war keine Seltenheit bei den Elben. Viele Elben hatten goldenes Haar.

"Legolas?" sprach er den Jungen an. Dieser sah erschrocken zu ihm hinüber. War das sein Name? Zumindest hatte er darauf reagiert. Im gleichen Moment wurde Aragorn jedoch von dem Hauptmann dazu aufgefordert zu schweigen.

"Ihr habt das Waldelbenreich unbefugt betreten, habt versucht den jungen Prinzen anzugreifen. Das wird Euch schwer zu stehen kommen!"

Verwirrt blickte er zu dem Jungen und dann wieder zu dem Hauptmann. "Ihr irrt, ich habe ihm, dem Prinzen, nichts getan." Erwiderte er konsterniert doch die Elben hörten nicht auf ihn.

Er wurde angetrieben zu laufen. Zwei der Elben packten ihn an seinen Armen und rissen ihn mit sich.

Auf dem Weg zum Palast wurde Aragorn keine Sekunde aus den Augen gelassen. Er schritt Wortlos zwischen den Elbenkrieger her.

In seinem Kopf jedoch arbeitete es wie schon lange nicht mehr. Er versuchte sich auf all das einen Reim zu bilden. Versuchte eine Erklärung zu finden. Es fühlte sich alles so real an, zu real und dennoch konnte er sich nicht erinnern, wie er hier her gekommen war.

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tbc