Stumme Schreie

PG-12

Kapitel 6: Der König

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Kaum hatten die vier Elbenkrieger zusammen mir Aragorn und dem kleinen Jungen das Tor zum Palast durchschritten, kam auch schon eine Elbin, gekleidet in einem langen weißen Gewand, auf sie zugerannt. Ihre Aufmerksamkeit galt einzig dem kleinen Jungen.

"Mein Schatz ..." hauchte sie überglücklich, "Mein kleines Grünblatt, wo bist du nur gewesen?"
Sie ging vor dem Kleinen in die Knie und umarmte ihn freudig. Der Junge lächelte verwegen und erwiderte die Umarmung.

Hinter seiner Mutter trat im selbigen Moment jedoch ein Elb mit strengen Mine hervor und blickte erst abschätzend zu Aragorn und dann zu dem Jungen. Dieser löste sich augenblicklich von der Umarmung seiner Mutter, trat respektvoll einen Schritt zurück und blickte resigniert zu Boden. Mit seinen Händen zupfte er zitterig an seinen Pluderhosen herum.

Estel vermutete, dass es sich bei diesem Elben um den König und den Vater des Kleinen handeln musste. Thranduil. Er trug wie seine Frau, ebenfalls eine, mit Ornamenten verzierte Robe und seine Haare waren durch eine zart goldene Spange nach hinten gesteckt.
Er verzog keine Mine und trat etwas näher an den Jungen heran. Dieser suchte nun den Augenkontakt des Älteren. Seine Lippen formten sich zu einem schier zaghaften Lächeln. Wissend, das sein Vater in für sein Ungehorsam bestraffen würde, suchte er nach einer Erklärung.

"Ada, ich wollte ..." weiter kam der Junge jedoch nicht, da der ältere Elb ihm augenblicklich das Wort abschnitt.

"Legolas, wo warst du?" fragte er ihn in einem schier fühllosen und kühlen Ton.

Der Junge schluckte und blickte hilfesuchend zu seiner Mutter. Diese sah ihn traurig an. Legolas wusste, dass sie in Gegenwart seines Vaters nicht erwidern würde und doch suchte er Halt in ihrem warmen Blick.

"Ada, ich war im Wald, spielen ... Es tut mir leid." wisperte er kaum hörbar.

Aragorn zog die Luft überrascht ein während er weiterhin von zwei Elben festgehalten wurde.
Der kleine Junge war Legolas, dafür gab es keine Zweifel mehr. Legolas, der Elb, der an seiner und der Seite der Gefährten im Ringkrieg gekämpft hatte. Wie war es bloß möglich? Ein Jungelb?
Er schloss für einen Bruchteil einer Sekunde die Augen und sah plötzlich wieder diese Bilder, welche er in seinen Träumen gesehen hatte. Die Bilder dieses mysteriösen Jungen. Die rote Rose. Legolas ... Das war nicht möglich!
Erschrocken öffnete er wieder die Augen und blickte zu Thranduil. Dieser sah seinen Sohn weiterhin ausdruckslos an.

Der kleine Elb schluchzte und über seine Wange kullerte eine einzelne Träne. Er wischte sie mit seinem Ärmel weg und versuchte sich zusammen zu reißen. Die bloße Kälte, welche die Aura seines Vaters umfing, veranlasste ihn dazu. Er konnte nichts dagegen tun. Immer wieder suchte er den Augenkontakt des Älteren und wartete auf eine Reaktion. Nichts.

Thranduil hielt jedoch wenige Augenblicke später von ihm ab und betrachtete despektierlich den Menschen, welcher gefesselt bei den Wachen stand und ihm stumm musterte.

"Wie ich gehört habe, hast du dich in meinen Wäldern herumgetrieben, Mensch" sagte der König und lief langsam um Aragorn herum. Er trat näher an Aragorn heran. Der Elb war um einiges größer als der Mensch.
Mittlerweile stand Thranduil so nahe bei Aragorn, dass dieser seinen Atem auf seiner Haut fühlen konnte.
"Vielleicht ein fataler Fehler?" flüsterte er ihm triumphierend ins Ohr, so dass nur Aragorn es hören konnte. Er versuchte sich augenblicklich zu dem König umzudrehen, wurde aber erneut von den Wachen abgehalten.

"Du hast versucht meinen Sohn zu verschleppen, ihn zu misshandeln. Sag mir, was waren deine Absichten. Wolltest du dich mit mir anlegen, mich bestechen oder vielleicht bestehlen?" Der Ton in Thranduils Stimme brachte selbst Aragorn zum erzittern. Gleichzeitig stieg Zorn ihn ihm hoch, den er aber versuchte zu unterdrücken. Genau das war es, was Thranduil von ihm erwartete. Der Elb war darauf aus, sich mit ihm anzulegen, ihn zu provozieren. Darauf würde er sich nicht einlassen.
Estels Blick suchte Legolas, der immer noch wie angewurzelt dastand.

"Bei allem Respekt, ich habe nie versucht, eurem Sohn auch nur das geringste Leid zuzufügen!" erwiderte Aragorn nun mit gedämpfter Stimme. Er versuchte seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und sich nichts anmerken zu lassen.

"Mensch, glaubst du, ich vertraue auf dein Wort?" erwiderte der König barsch.

"Fragt euren Sohn, fragt Legolas. Er wird es Euch bestätigen." forderte Aragorn ihn nun auf. Thranduil jedoch ging nicht darauf ein. Wie ein Stück Dreck musterte er ihn nun noch einmal von unten nach oben und wies dann seinen Wachen an, ihn weg zu bringen.

Die beiden Wachen griffen nach Aragorns Armen und zogen ihn unsanft mit sich. Estel wusste, dass es keinen Sinn haben würde, sich gegen sie zu wehren und auch von Seiten Thranduils würde er weiterhin nur auf Abneigung stoßen, da war er sich sicher. Er hatte in Erzählungen von der Halsstarrigkeit und auch der Selbstherrlichkeit des Waldelbenkönigs gehört, doch hielt er diese immer für nichtig und oftmals glaubte er auch, die Sagen wurden über viele Menschengenerationen weitergegeben und verloren so an Glaubwürdigkeit, doch diese eine Begegnung lehrte ihn eines anderen.
Dieser kaltherzige Elb war nicht der Thranduil, den er sich vorgestellt hatte und nicht der Vater, den Legolas in seinen Erzählungen über den früheren Düsterwald immer erwähnt hatte.

Der kleine Junge jedoch, Legolas, er ging ihm nicht aus dem Kopf. Er spürte Trauer, Wut und zugleich Ratlosigkeit. Konnte dies die Wirklichkeit sein, in der er sich befand? Er wusste darauf keine Antwort.

Während er von den Wachen abgeführt wurde, blickte er noch einem zu dem kleinen Elben. Dieser erwiderte den Blick. Aragorn war, als ringe der Junge innerlich mit sich und seinen Gefühlen.
Seine kleinen Hände ballten sich zu Fäusten, Legolas öffnete den Mund als wolle er etwas sagen, blieb jedoch stumm. Erneut sah er zu Aragorn, diesen Mal bestimmender. In seinem Blick konnte der Mensch Furchtsamkeit aber auch einen Funken Hoffnung und Vertrauen erkennen.

"Ada, bitte nicht, dieser Mensch wollte mir nichts Böses anhaben. Ich war es, der sich ihm genähert hat. Nicht er ..."

Der König drehte sich augenblicklich wieder zu dem Jungen um.

"Schweig!" zischte er.

"Ada aber ..." erwiderte dieser, wurde aber erneut unterbrochen.

"Du wirst mir nicht widersprechen, Legolas!" sagte Thranduil in einem bestimmenden Tonfall und warf seinem Sohn einen finsteren Blick zu. "Ich habe genug für heute. Nun geh in deine Gemächer! Dies ist die Straffe für dein Ungehorsam und auch dafür, dass du den Menschen in Schutz nehmen wolltest. Das Abendmahl wirst du heute nicht zu dir nehmen. Es soll dir eine Lehre sein!"

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Aragorn wurde in eine dunkles Verlies gebracht, welches sich unter dem Palast befand. Einzig das kleine Guckloch in der Türe spendete Licht und vermochte es, den Raum etwas zu erhellen.
Er hörte das Tropfen eines Wasserrinnsals, welcher unaufhörlich auf den kalten Boden tropfte. Ansonsten herrschte Stille, eine unheimliche Stille tief unter den grünen Blättern des Düsterwaldes.

Die Fesseln um seine Handgelenken hatten man ihm gelöst und so konnte er sich frei bewegen. Er setzte sich auf den Boden und zog deine Beine an den Körper. Was ging hier vor sich? Aragorn seufzte verzweifelt, schloss die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die sandsteinerne Wand hinter sich.

Konnte er überhaupt verstehen, in was er hineingeraten war und mir wem er es zutun hatte? Wie? Wie sollte das gehen? Wie war es möglich, war er doch noch vor nicht all zu langer Zeit mit seinem Freund, Legolas, unterwegs gewesen. Jetzt war er hier. In Eryn Lasgalem, dem früheren Düsterwald. Im Palast Thranduils. Mehrmals schüttelte er ungläubig den Kopf, massierte mit deinen Händen die Schläfen, in der Hoffnung zu klaren Gedanken zu bekommen.

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"Legolas, mein Schatz ..." langsam betrat Lothien das Zimmer ihres einzigen Sohnes und setzte sich zu ihm auf sein Bett.
Der kleine Junge blickte sie aus traurigen blauen Augen an. Der Elbin brach es das Herz, ihn so zu sehen und dennoch würde sie ihn nicht gegen den Wille ihres Gattens von der Straffe freisprechen. Zu viel Respekt hatte sie vor Thranduil.
Aber eine kleine Regel würde sie auch dieses Mal wieder brechen.
Ungeachtet dem, was der Junge gemacht hatte.
Sie zog einen Apfel und ein kleines Stück Lembas unter ihrer Robe hervor und legte die beiden Sachen auf einen kleinen Tisch neben dem Bett.

"Danke, Nan." wisperte Legolas und setzte sich neben seiner Mutter hin.

Diese lächelte und nickte. "Du sollst nicht hungern, mein kleines Grünes Blatt. Du musst groß und stark werden! Jedoch iss bitte in Eile, dein Vater soll es nicht merken ..." bat sie ihn und drückte ihn ganz fest in ihrer Umarmung.

"Ich habe dich lieb!" flüsterte sie ihm ins Ohr, bevor sie wieder aufstand und das Zimmer leise, fast schleichen verlies.

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tbc