Stumme Schreie

PG-12

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Hier nun mit reichlicher Verspätung ein neues Kapitel für euch. Ich bedanke mich, für die zahlreichen Reviews von euch und hoffe, dass euch auch dieses (Übergangs-)Kapitel wieder gefallen wird.

Liebe Grüße und viel Spaß!

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Kapitel 7: Andere Wege

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Die ersten Sonnenstrahlen suchten sich ihren Weg durch das Blätterdach, durch die geschlossenen Vorhänge in das Zimmer und vermochten so, den unruhigen Schlaf Legolas' zu unterbrechen.
Der kleine Elb streckte sich im Bett und rieb sich in den verschlafenen und schmerzenden Augen. Es dauerte nicht all zu lange und auch die letzten Anzeichen der Müdigkeit waren aus ihm gewichen. Unmut kam ihn ihm auf, er spürte die Spuren von getrocknete Tränen auf seinen Wangen und augenblicklich rief er sich wieder die Geschehnisse des letzten Tages in sein Gedächtnis.

Dieser Mensch, Aragorn, den er im Wald gefunden hatte. Er war nicht böse, wie die Menschen, von denen ihm Ada immer Geschichten erzählt hatte, damals als er noch ganz jung gewesen war. Dieser nicht. Dieser Mensch war sein Freund und sehr nett.

Ada war voreingenommen von all seinen Erlebnissen mit den Bewohnern Ardas. Vielleicht dachten manche von ihnen dasselbe von den Elben ... Vielleicht dachten sie es auch von den Zwergen. Ada verachtete die Zwerge und sprach nie ein Wort über sie. Legolas war früher, vor machen Jahren, oft zu ihm gegangen, wissensdurstig und wollte Geschichten über sie hören. Geschichten aus Mittelerde und auch Erzählungen über andere Völker. Über die Menschen und die Zwerge, über Drachen und den anderen Geschöpfen. Ada gehörte nicht zu den ältesten und auch nicht zu den weisesten Elben aber er war einer der mächtigste unter ihnen allen. Er hatte viel erlebt. Vielleicht zu viel. Jedes Mal waren es nur verschmähende Worte, die seine Lippen verlassen hatten, wenn er von einem dieser Völker sprach.

Vertraue nie jemandem, der nicht dem hohen Volk der Elben abstammt. Vertraue niemandem, in dessen Adern nicht das Blute der Sindar in sich trägt! Keinem sterblichen Menschen oder gar einem Zwergen, hörst du? Dies waren seine Worte. Sie berauben die Weisen und Herrschenden Mittelerdes. Unwissend und achtlos gehen sie mit allem um, was sie ihr Eigen nennen!

Viele Jahre sind in das Land gegangen, seit diese Worte gesprochen worden waren und doch erinnerte sich Legolas an jeden einzelnen Wortlaut von ihnen. An die eisige Stimme seines Vaters, in welcher sich auch die Verbittertheit spiegelte.

Legolas schüttelte den Kopf, um wieder zu klaren Gedanken zu kommen. Oftmals verbracht er Stunden damit, sich vorzustellen, wie da draußen, fern von Taur-En-Daedelos war. Dort, in den Ländern, in denen man über weite Fernen hinweg blicken konnte. In der Tat, der Wald war sein Zuhause, er war ein Waldelb und dennoch war da dieser Durst nach den baumlosen Weiten fern von hier. Er wollte diese Schönheit mit seinen eigenen Augen erfahren. Irgendwann und irgendwie. Vielleicht. Sein Vater sah es nicht gerne, wenn er das tat, wenn er träumte, aber es war alles so perfekt, so wunderschön und er konnte sich die Dinge vorstellen, wie sie sein könnten und wie er sich das Leben außerhalb des Nördlichen Düsterwaldes vorstellte ...

Vielleicht würde dieser Mensch ihm mehr davon erzählen können, wie es da draußen wirklich war.

Geschichten über Mittelerde und ganz Arda.

Langsam lies er sich von seinem Bett gleiten und streifte sich seine Tunika über und band sich einige, seiner langen Haare nach hinten, damit sie ihm nicht ins Gesicht vielen.

Er öffnete vorsichtig die Türe seines Zimmers und spähte hinaus. Keiner, der Hofdiener und Dienerinnen befanden sich in den Gängen. Er atmete erleichtert auf.

Unter normalen Umständen war es ihm, zu solch früher Morgenstunde, noch nicht gestattet, seine Gemächer zu verlassen. Sein Vater hielt zu diesen Zeiten immer Tagungen mit seinen beiden engsten Beratern und wollte dabei auf keinen Fall gestört werden.

Bei dem Gedanken an die beiden taprigen Elben, den Beratern seines Vaters, musste Legolas ungewollt und in Gedanken schmunzeln. Es hieß, den unartigen und sturköpfigen Jungelben in ganz Düsterwald würden Geschichten über sie erzählt. Geschichten darüber, wie griesgrämig und böse sie sind. Griesgrämig ja, aber nicht böse. Vielleicht etwas seltsam oder auch in sich gekehrt aber nicht im wirklichen Sinne böse. In der Tat, sie vermeiden jeden Kontakt mit anderen Elben und besonders mit den jüngeren oder beäugelten sie aussagelose. So war es auch bei ihm. Selten hatten sie je ein Wort mit ihm gesprochen. Vielleicht daher die ganzen Erzählungen über sie ... Legolas wusste es nicht genau. Er kannte die Gerüchte über diese Kindermärchen nur vom Sagenhören. Sein Vater hielt nicht viel von solchen Märchen und davon sie weiter zu erzählen.

Legolas tapste den Korridor entlang. Die Treppe zu den Kerkern lag ganz im Norden des Palastes, seine Gemächer jedoch im Süden.

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Aragorn tastete nach dem Stück Lembas, welches ihm noch am vorigen Abend durch eine Öffnung in der Türe hinein gelegt worden war. Eigentlich hatte er sich darauf geeinigt, nichts davon zu essen und so lag es jetzt schon einigen Stunden unberührt im Dunkeln, irgendwo auf dem Boden. Jetzt aber, da kein Zeichen von irgendwen auf der anderen Seite dieser massiven, hölzernen Türe ausging und das Knurren seines Magens immer lauter und unerträglicher würde, verwarf er dieses Vorhaben. Schaden würde er sich damit nur selber.

Mit einem letzten Versuch das Brot zu finden, stieß er mit seiner Hand endlich gegen das trockene Stück Elbengebäck. Etwas erleichtert atmete er auf. Wenigstens etwas. Auch wenn es schier ungenießbar war, wie er nur kurze Zeit später herausfinden musste. Es fühlte sich zwischen den Zähnen an, als würde er Kieselsteine zermalmen. Das jedoch war im Moment sein kleinstes Problem.
Er wusste nicht, was die Elben mit ihm vorhatten, was Thranduil vorhatte. Der König würde ihn wohl kaum bis an sein Lebensende hier unten verweilen lassen oder korrekter ausgedrückt, gefangen halten. Wie würden jedoch die nächsten Schritte aussehen.

Gedankenversunken kaute er auf dem Lembas herum, als er plötzlichein leises Knarren vernahm. Das Brett vor der Spalte in der Türe wurde weggeschoben und ein klein wenig Licht fand den Weg in die düstere Zelle.

Aragorn hielt schützend seine Hand vor die Augen, bevor er erkennen konnte, dass ihn ein paar Elbenaugen musterten.

"Legolas ..." wisperte er.

Es folgte jedoch keine Antwort, was Aragorn etwas zweifeln lies. Er hörte ein Rascheln und kurze Zeit später wurde etwas durch den Spalt geschoben.

"Das ist Wasser und Obst. Es ist frisch." Hörte er nun eine leise Kinderstimme, die er nun doch eindeutig Legolas zuordnen konnte.

"Ich möchte mich bei Euch entschuldigen. Es stand nicht in meiner Absicht, Euch in diese Lage zu bringen." flüsterte der Junge mit lispelnder Stimme, in welcher sich aber dennoch Bitterkeit spiegelte.

Aragorn hörte im selben Augenblick, wie sich Legolas auf der anderen Seite der Holztüre entlang zu Boden gleiten lies.

"Das muss es nicht, Legolas. Du trägst daran keine Schuld."

"Ich habe die Wachen meines Vaters direkt zu Euch geführt. Es war töricht von mir, und leichtes Spiel für die Elbenkrieger. Ich hätte besser aufpassen sollen." Kam es nun erneut gedämpft von dem Elbling.

Es war erstaunlich für Estel, mit welcher Gewandtheit und auch Gepflegtheit sich dieser kleine Junge ausdrückte. Lauschte man den Wortlaut, so hörte er daraus deutlich den Legolas, den er kannte und auch schätzte.

"Ich werde versuchen Euch zu helfen. Das ist das Geringste, was ich für Euch tun kann. Die Schlüssel zu diesem Schloss sind jedoch zu meinem Bedauern unauffindbar. Ich halte mich nicht all zu oft hier unten auf ..." erklärte Legolas weiter.

Aragorn horchte bei diesen Worten auf. "Ich möchte es nicht, Legolas, hörst du. Ich möchte nicht, dass du gegen den Willen deines Vaters handelst und mir deine Hilfe anbietest."

"Ada wurde nicht in Kenntnis gesetzt über meine Anwesenheit hier. Niemand weiß davon. Niemand wüsste davon. Sie sind alle im Glauben, ich sei in meinen Gemächern. Wie jeden Morgen." erwiderte der Elb seufzend und versuchte so, Aragorn doch noch für sein Vorhaben begeistern zu können.

Dieser jedoch schüttelte entsagend den Kopf. Auch wenn diese Geste für den Jungen nicht ersichtlich war, verriet ihm jedoch die, für einige Momente herrschende Stille, das der Mensch sein Angebot dennoch ablehnte.

"Ich bin dir zu großem Dank verpflichtet, Legolas, und trotzdem möchte ich nicht, dass du dieses Risiko für mich eingehst. Ich werde einen anderen Weg finden. Bestimmt."

Erneut herrschte Stille und Aragorn konnte das leise Ein- und Ausatmen des Elbens hören. Es klang ebenso verloren, wie er sich in diesem dunklen und fremden Kerker fühlte. Er zog seine Beine in den Schneidersitz und lehnte sich ebenfalls gegen die Türe.

Estel wusste nicht, wie es jetzt weitergehen würde, doch wollte er auch nicht, dass Legolas sein späteres Ansehen in ganz Eryn Lasgalen und ganz Mittelerde, im Hier und Jetzt aufs Spiel setzen würde. Er war jung, zu jung, um die späteren Folgen, welche er davon tragen könnte, anzuschätzen.

Es gab bestimmt auch andere Wege, entschied Aragorn.

Vielleicht konnte er Thranduil von seiner "Unschuld" überzeigen. Was war er anderes, als ein friedsamer Gast dieses Reiches? Nicht einmal er wusste den Grund, warum er sich plötzlich fern von Gondor, fern von seiner Familie und auch fern seiner eigentlichen Lebzeit befand. Diese Tatsache konnte er jedoch nicht ohne Weiteres dem König unterbreiten. Er hatte selber keine plausible Erklärung dafür. Welch Eindruck würde das bloß hinterlassen? Positiv würde er bestimmt nicht ausfallen. Für einen Spinner und Toren würden sie ihn halten und selbst Legolas würde vielleicht sein Vertrauen zu ihm verlieren ...

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tbc