Als Harry am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich elend. Sein Kopf brummte und es kam ihm vor, als wenn er vom Hogwart Express überrollt geworden wäre. Mühsam sammelte er seine Gedanken zusammen. Er hatte wieder geträumt. Fluchend schlug er mit der Hand gegen die Matratze. Dann schreckte hoch. Matratze? Bett? Wo in drei Teufelsnamen war er? Verwirrt tastete er nach seiner Brille. Doch das erste was er erfühlen konnte, war ein Glas. Verwundert sah er nun auf das Nachtkästchen, dass neben dem Bett stand. Neben dem Glas fand er schließlich seine Brille. Er setzte sie auf und blickte dann auf den Zettel, der ebenfalls neben dem Glas lag. "Trink das!" Harrys Blick wanderte von der Nachricht zu dem Glas. Skeptisch beäugte er die darin befindliche Flüssigkeit. Er griff nach dem Glas und führte es zu seiner Nase. Der Inhalt roch etwas süßlich. Nach kurzem Überlegen kostete Harry schließlich. Es schmeckte irgendwie nach Vanillemilch, aber Harry war sich sicher, dass es was anderes war. Mit jedem Schluck den er nahm, fühlte er sich ein Stück besser. "Ist wohl so was wie ein Stärkungstrank", dachte sich der Junge. Doch dann fiel ihm beinahe das Glas aus der Hand. Ein Trank! Professor Snape! Wie ein Blitz kam ihm die Erinnerung. Snape hatte ihn in der Disko aufgetrieben. Er hatte ihm diese weiße Pulver weg genommen. Deswegen hatte er diese Nacht wieder den Alptraum. Nach dieser Erkenntnis schoss Wut in Harrys Brust. Er nahm das Glas und donnerte es gegen die Tür, wo es in Tausend Stücke zersprang.
Es dauerte nicht lange, als Harry Schritte vernahm, die eilig die Treppen hoch kamen. Harry warf sich zurück ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Er wollte niemanden sehen. Er wollte überhaupt nichts mehr von dieser Welt sehen. Wieso konnte er nicht einfach in dieser Disko bleiben? Seine neu gewonnen Freunde hatten viel Zeug dabei, um Harry seine Qualen zu nehmen. Er brauchte niemanden aus der Zauberwelt dafür. Harry hörte wie die Tür zu seinem Zimmer aufging. Doch dann war es ruhig. Harry wunderte sich, regte sich aber nicht. Als er mehrere Minuten starr da gelegen hatte, wurde er neugierig. War er etwa wieder alleine? Langsam zog er die Decke wieder zurück und wagte einen Blick durchs Zimmer. Vor dem Fenster stand jemand.
Es dauerte nicht lange bis Harry die Person erkannte. Seine Fäuste ballte sich zusammen und seine Augen verengten sich. Doch die Person am Fenster war wenig beeindruckt von dem giftigen Blick. "Auch endlich aufgewacht?" – „Bringen sie mich sofort wieder zurück!" zischte Harry. "Zurück? Wohin? Ins 'New York'? Wollen sie noch mehr Gift in sich hineinstopfen?" - "Warum nicht. Das Zeug bringt mich wenigsten weg von der Wirklichkeit! Sie sind Schuld, dass ich wieder Alpträume habe!" brüllte Harry wütend. Nun wurde Severus auch ärgerlich "Ja? Können sie sich noch an den Traum erinnern? Dann wissen sie auch..." - "Nein. Ich will mich nicht erinnern. Es reicht, wenn ich sie in der Nacht habe! Ich verspüre keine Lust mir darüber auch am Tag den Kopf zu zerbrechen!" Severus wollte etwas erwidern, doch dann ließ er es lieber bleiben. Es hatte wenig Sinn mit Harry zu sprechen, wenn er kurz vor dem Explodieren stand. Harry weiß also nicht mehr, dass Severus in seinen Traum eingedrungen und ihn beendet hatte. "Ich hätte ihnen den Entgiftungstrank doch nicht geben sollen. Entschuldigen sie mich!" meinte Severus mit kalter Stimme und mit einer einfach Bewegung des Zauberstabs formte sich der Scherbenhaufen wieder zu einem Glas und glitt in Severus Hand. Dann schritt dieser zur Tür und verließ mit wehenden Umhang den Raum.
Harry starrte noch lange wütend gegen die Tür, eher er sich langsam beruhigte. Er war jetzt also Snapes Gefangener, dachte Harry. Entgiftungstrank? Hatte wirklich Snape den Trank gebraut? Er schmeckte überhaupt nicht grauslich. Im Gegenteil, Harry hätte nichts dagegen gehabt, mehr davon zu trinken. Ein lautes Grummeln im Bauch, machte Harry bewusst, dass er schon über 24 Stunden nichts mehr gegessen hatte. Ein wenig planlos saß er da und überlegte, was er tun sollte. Doch dann entschloss er sich dazu, etwas Essbares aufzutreiben. Auch wenn dies hieß, dass Zimmer zu verlassen. Vorsichtig und langsam bewegte sich Harry durch das fremde Haus und ließ seinen Blick neugierig umher schweifen. Im Vergleich zu Snapes Büro war dieses Haus viel zu freundlich eingerichtet. Wie konnte sich Snape hier nur wohl fühlen, fragte sich Harry sarkastisch. Doch der Junge stellte bald fest, dass er nicht mit Snape alleine hier war. Aus einem Raum, den er passierte drangen Stimmen. Mr. Weasley, Tonks und Remus, stellte Harry fest. Und dann schöpfte Harry Verdacht, dass es sich hier nicht um Snapes Haus, sondern um dem neuen Sitz des Phönixorden handeln könnte. Doch Harry wusste nicht, ob ihn das jetzt freuen sollte. Eigentlich wollte er niemanden von ihnen sehen. Und am aller wenigsten wollte er ... Dumbledore sehen. Harry blieb überrascht stehen, als der alte Mann just in diesen Augenblick um die Ecke kam. "Guten Morgen Harry!" sagte er fröhlich. Zu fröhlich nach Harrys Geschmack. Entgeistert starrte der Junge den alten Mann an. Dumbledore wurde wieder ernst, als er Harrys Blick sah "Harry, wir sollten unbedingt mal mit einander reden. Es gibt so vieles, was ich dir erklären muss." Doch Harrys Blick wurde eisern und er sah an Professor Dumbledore vorbei. Kein einziges Wort kam über seine Lippen. "Ein andermal eben!" sagte der alte Mann mehr zu sich selbst und setzte dann seinen Weg fort. Er verschwand in den Raum, aus dem die anderen Stimmen kamen. Harry hingegen setzte seinen Weg wieder fort. Nur diesmal schenkte er den Bildern und Statuen, die er passierte keine Aufmerksamkeit mehr. Wieso konnten sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Die ganzen Ferien lang hatte sie es ja auch getan. Wieso plötzlich das Interesse. Zwei Wochen vor Schulbeginn. Natürlich. Sie wollten sicher gehen, dass ihr berühmter Harry Potter eh gesund und munter ist. Er muss ja schließlich die Welt vor Voldemort befreien. Das ist das einzige was diese Leute interessiert, schimpfte Harry in Gedanken vor sich her. Mit griesgrämigen Gesicht kam er schließlich in der Küche an. Molly Weasley deckte gerade den Tisch. Kaum dass Harry im Türrahmen erschienen ist, ließ sie alles liegen und stehen und kam auf Harry zu. Doch kurz bevor sie den Jungen herzhaft umarmen konnte, wich Harry zurück. "Harry Schätzchen, was hast du denn?" fragte Molly Weasley verwundert und ein wenig enttäuscht. Doch Harry antwortete nicht. Was auch nicht weiter störte, denn Mrs. Weasley redete für ihn weiter. "Ron mag es auch nicht mehr, wenn ich ihn umarme. Sagt immer, er wäre schon zu alt dafür. Wie auch immer, du hast sicher Hunger. Die anderen werden auch bald kommen. Setz dich doch!" Harry kam der Aufforderung nach und nahm auf einem der Stühle am großen Küchentisch Platz. Sein Blick wanderte über die Tischplatte und begutachtete den Inhalt der aufgedeckten Schüsseln und Tabletts. Das alles sah eher nach Mittagessen, als nach Frühstück aus, stellte Harry fest. Und dann wurde ihm bewusst, dass es auch bereits 12 Uhr war. Hatte er etwa so lange geschlafen? Angesichts des Alptraums überraschte es Harry. Normaler weise, wenn er einen Alptraum hatte, wachte danach auf und konnte die restliche Nacht nicht mehr einschlafen. Wieso war er letzte Nacht nicht aufgewacht? Wie konnte der Traum von alleine enden?
Noch bevor Harry weiter grübeln konnte, wurde er wieder aus seinen Gedanken gerissen. Severus Snape betrat die Küche gefolgt von Mad-eye Moody. Beide waren im Gespräch vertieft. Moody nickte Harry nur kurz zu, wandte sich aber sofort wieder an Severus. Dieser schien Harry gar nicht wahr zu nehmen. Das Gespräch schien sich um irgendwas wichtiges zu handeln. Aber Harry wurde aus dem, was er hörte, nicht schlau. Außerdem interessierte es ihn nicht sonderlich. Missmutig stellte er fest, dass Snape ausgerechnet gegenüber von ihm Platz genommen hatte und grummelte in Gedanken wieder mal vor sich her. "Mein Gott, Severus, was hast du denn mit den Jungen angestellt. Er sieht dir ja beinahe schon zu verwechseln ähnlich. Der selber griesgrämige Blick!" wechselte Moody schlagartig das Thema. Severus und Harry sahen sich erschrocken an. "Alastor!" rief Molly entrüstet und stellte die letzte Schüssel in der Mitte das Tisches ab. "Du kannst doch den Jungen nicht so erschrecken!" - "Ich ihn? Wohl eher er mich. Ich finde, einer mit drei-Tage-Regenwetter-Blick ist genug." Darauf hin warf ihm Snape einen vernichtenden Blick zu. "War doch nur Spaß!" seufzte Moody ergeben. Da niemand seinen Witz verstand. "Geh und sag lieber den andern Bescheid, dass das Essen fertig ist!" meinte Molly schließlich. Doch noch bevor Moody aufstehen konnte kamen die anderen schon bei der Tür herein. "Nicht nötig Molly, dein Essen hat uns schon angelockt", sagte Dumbledore vergnügt. Mit ihm kamen nun auch Remus und Tonks und Mr. Weasley. Sie alle begrüßen Harry herzhaft und ließen sich von seiner schlechter Laune nicht beeindrucken.
Während des Essens wurde viel geredet, doch das meiste ging an Harry vorbei. Der Junge musste schnell feststellen, dass sein Hunger nicht all zu groß war. Er knabberte an einer Brotscheibe herum und starrte appetitlos auf seinen Teller. Ab und zu sah er auf, aber nur um festzustellen, dass Snape ihn beobachtete. Auch wenn sein Blick lange nicht so eisig war wie in den Zaubertrankstunden, so war er immer noch unangenehm. Schließlich beschloss Harry, sein Gegenüber zu ignorieren und widmete sich nun doch dem Essen auf seinem Teller. Doch schon nach wenigen Bissen fing sein Magen an zu rebellieren. Harry hatte schon lange nichts mehr so Fettes und Reichhaltiges gegessen. Er legte sein Besteck wieder ab und griff nach dem Glas mit Kürbissaft, das vor ihm stand. Als er das Glas anhob, fing seine Hand an zu zittern. 'Nein, nicht jetzt!' flehte der Junge in Gedanken und ließ das Glas sofort wieder los. Der Krampf in seiner rechten Hand wurde immer stärker. Ein Schmerz von tausend feinen Schnitten in seinem Handrücken machte sich breit. Harry zog die Hand so schnell wie möglich unter den Tisch. Kaum einer hatte sein kleines Problem bemerkt und genau so schnell wie der Krampf gekommen war, verschwand er auch wieder. Harry atmete innerlich durch und ließ dann einen prüfenden Blick durch die Runde schweifen. Alle waren in ein Gespräch vertieft. Alle bis auf einer. Snape. Er schien Harry nach wie vor wie ein Adler zu beobachten. Er hatte Harrys Krampf in der Hand sehr wohl mit gekriegt. Ausgerechnet er, ärgerte sich Harry. Hat der nichts besseres zu tun? Eine Weile konnte er Snapes Augenkontakt halten. Doch dann sah er wieder auf seinen halb vollen Teller. Er wurde das Gefühl nicht los, das Snape etwas über Harry wusste, was Harry ihm nie sagen würde. Der Gedankenweg führte Harry letztendlich wieder zu seinem Alptraum. Nur widerwillig erinnerte er sich an die schrecklichen Bilder. Zuerst Sirius, dann Bellatrix und anschließend Umbridge. Harry zuckte, als die Erinnerung an den Schmerz wieder kam. Doch dann erinnerte er sich daran, dass jemand da war. Er konnte niemanden sehen, aber jemand hat Professor Umbrigde verschwinden lassen. Oder ist sie freiwillig gegangen? "Harry Schätzchen, du siehst gar nicht gut aus. Vielleicht solltest du dich wieder hinlegen!" holte Molly den Jungen wieder in die Realität zurück. Harry sah sie verständnislos an und wusste im ersten Moment überhaupt nicht was los war. Remus, der neben Harry Platz genommen hatte, streckte seine Hand aus um Harrys Stirn zu fühlen. "Zumindest Fieber hast du keines!" stellte er fest und zog die Hand zurück, "Aber es ist wohl besser, wenn du dich noch ein wenig ausruhst. Ich bin gerade fertig geworden. Ich werde dich rauf begleiten!" bot Remus an und wartete bis auch Harry sich erhob. Scheinbar willenlos trottete er hinter Remus her und sah nicht die besorgten Blicke, die ihn verfolgten. Sie alle hatten versucht sich möglichst natürlich zu geben und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Aber keiner wusste wirklich, wie er nun sich in Harrys Gegenwart verhalten sollte. Harry hatte sich ihnen allen verschlossen und ließ niemanden mehr an sich heran.
