Harry hüllte sich in Schweigen und hatte Mühe sich auf alles einen Reim zu machen. Er saß in seinem Zimmer auf dem Fensterbrett und blickte in den kleinen Garten, der dieses Haus umgab. Er beobachtete die Vögel, die sich um einen Wurm stritten und die Katze, die ihrem Streit ein jähes Ende bereitete, und die beiden Streithälse in die Flucht trieb. Die Sonne heizte durch die Fensterscheibe, doch Harry fror trotzdem. So was wie Wärme hat er schon lange nicht mehr gespürt. Und er hätte beinahe vergessen, wie es sich anfühlte, wenn er nicht letzte Nacht in dem Traum für kurzen Moment von wohliger Wärme umgeben gewesen wäre. Dieser jemand, der in seinem Traum aufgetaucht war. Der diese Umbridge verjagt hatte, der hatte Harry kurz Wärme geschenkt. Doch wer war es? Harry wurde aus dem Ganzem nicht schlau. Aber wer immer es war, Harry würde alles dafür geben, dass diese Person ihn noch einmal so umarmen würde. 'Vielleicht war es meine Mum, oder mein Dad? Oder vielleicht war es Sirius?' dachte Harry bei sich und flehte in Gedanken, die Person möge doch wieder kommen. Egal ob im Traum oder echt.

Als der Abend herein brach, waren nur noch Tonks und Severus da. Tonks hatte Harry ein paar Brote gemacht und sie ihm aufs Zimmer gebracht, nach der er den Rest des Tages das Zimmer nicht mehr verlassen hatte. Harry jedoch verspürte keinen Hunger und tastete die Brote nicht an. Als er vom Bad zurück kam um sich schlafen zulegen. Entdeckte er wieder ein Glas auf seinem Nachtkästchen. Dabei stand ein Zettel. "Es geht auch ohne Gift!" Harry wusste gleich, dass Snape den Trank gebraut hatte. Daher roch er zuerst vorsichtig daran. Es war eindeutig etwas anderes, als er in der Früh bekommen hatte. Soviel stand fest. Denn vom süßlichen Vanillegeruch, war nichts zu merken. Wahrscheinlich war es ein Mittel, das seine Alpträume unterbinden sollte. Doch unterband es auch andere Träume? Was wenn diese Person vom letzten Traum wieder kam? Harry wollte unbedingt wissen, wer es war. Und so beschloss er den Trank nicht zu nehmen, auch wenn dies heißen konnte, dass er den Alptraum erneut durchleben musste. Er stellte das Glas also wieder ab und wollte den Zettel darunter schieben. Da fiel sein Blick auf eine 2. Notiz die sehr klein unter der oberen Notiz noch hinzugefügt wurde. "Solltest du das Bedürfnis haben, das Glas noch einmal zu zertrümmern, darfst du die Splitter einzeln per Hand aufklauben." Grrr... Harry zerknüllte den Zettel zornig. Und warf diesen nun gegen die Tür.

Es kam wie es kommen musste. Ein lauter Schrei riss Severus aus seinem leichten Schlaf. 'Das gibt's doch nicht!' verwundert schlüpfte er in seinen Morgenmantel und eilte den Gang entlang zu Harrys Zimmer. Auf dem Flur stieß er mit Tonks zusammen. "Ich dachte, du hast ihm einen Trank gegeben" sagte sie verwundert. "Das hab ich auch!" antwortete Severus mürrisch. "Er scheint nicht zu wirken!" stellte Tonks fest. Doch Severus setzte seinen Weg zu Harry fort, ohne darauf zu reagieren. Er riss die Tür auf und sah, wie sich Harry schweißgebadet im Bett wälzte. Aber er sah noch etwas. Nämlich wie sein Glas mit dem Trank unberührt neben Harrys Bett stand. "Verdammter Idiot!" fluchte er und hob den zerknüllten Zettel auf. "Was ist?" fragte Tonks, die nun hinter ihm auftauchte. "Potter hält es wohl nicht für nötig Hilfe anzunehmen." bemerkte Severus, gab Tonks den Zettel in die Hand und verließ den Raum wieder. "Wieso ich verstehe nicht. Wo gehst du hin? Willst du ihm nicht helfen?" - "Nein!" kam die knappe, aber eindeutig verärgerte Antwort. Verzweifelt sah Tonks zwischen Severus und Harry hin und her.

Irgendwann schreckte Harry dann aus seinem Schlaf hoch. Sein Pyjama war durch geschwitzt und sein Körper zuckte, vom widerfahrenen Schmerz. Tränen quollen aus seinen Augen und seine Narbe pochte leicht. Er hatte denselben Alptraum wie am Vortag. Nur diesmal kam die geheimnisvolle Person nicht. Diesmal vertrieb niemand diese Umbridge und Harry musste die gesamte Folter über sich ergehen lassen, bis der Schmerz unerträglich wurde. Enttäuscht, im Stich gelassen worden zu sein und wütend, so naiv geglaubt zu haben, die Person würde ihn erneut verteidigen, stieß Harry die Decke von sich. "Ruhig Harry. Es ist vorbei!" hörte er eine Stimme neben sich. Und dann spürte wie etwas kühles Feuchtes über seine Stirn fahren. Erst jetzt bemerkte Harry Tonks, die neben seinem Bett Platz genommen hatte. Sie versuchte Harry wieder zu beruhigen und mit ihm zu reden, aber Harry konnte und wollte nicht reden. Er verstand einfach nicht, warum die geheimnisvolle Person diesmal nicht kam und er hatte das Gefühl, die Schneidfeder, wäre über seinen ganzen Körper gefahren. Seine Hand krampfte sich schmerzhaft zusammen und es dauerte lange, bis Harry die Schreckensbilder wieder loswurde. Tonks hatte die ganze Zeit beruhigend auf Harry eingeredet und schließlich ihm das Glas mit dem "Traumlos-Trank" in die Hand gedrückt. Damit konnte Harry den Rest der Nacht problemlos weiter schlafen.

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Am nächsten Tag waren die Bilder des Alptraums weitgehendst wieder verdrängt. Harry ärgerte sich über seine eigene Dummheit und wunderte sich, dass auch Snape irgendwie extrem schlechte Laune hatte. Den ganzen Tag über war es in Snape Manor sehr still. Severus hatte sich im Keller verkrochen, Tonks versuchte sich mit dem Haushalt zu beschäftigen und Harry zog sich auf sein Zimmer zurück. Nur beim Essen trafen sich die Drei. Aber weder Harry noch Severus waren am diesen Tag ein dankbarer Gesprächspartner, somit waren die Malzeiten extrem still verlaufen. Harrys Hand krampfte an diesen Tag extrem oft und nicht nur einmal fiel ihm deswegen etwas aus der Hand. Severus sah es, aber schwieg und Tonks hat es aufgegeben nach zu fragen. Gegen Abend, als Harry schlafen gehen wollte, stellte der Junge fest, dass diesmal kein Glas auf seinem Nachtkästchen stand. Zuerst ärgerte er sich. Er verstand einfach nicht, warum Snape das so persönlich nahm. Doch Harry wollte kein weiteres Mal seinen Alptraum durchleben, also fasste er allen Mut zusammen, schluckte seinen Stolz hinunter und machte sich auf den Weg in den Keller.

Vorsichtig klopfte er an der Tür mit der Aufschrift "Labor" Ein Brummen erklang von der anderen Seite, was Harry als Aufforderung einzutreten identifizierte. Er öffnete die Tür und sah Snape hinter einem großen Schreibtische sitzen. Offensichtlich damit beschäftigt etwas zusammen zu mischen. Harry blieb unschlüssig zwischen Tür und Angel stehen und wartete. Dann endlich sah Snape auf. "Kommen sie rein und schließen sie die Tür!" murrte der Professor. Harry kam der Aufforderung nach, zog die Tür hinter sich ins Schloss und trat dann vor den großen dunklen Holzschreibtisch. "Was gibt's, Potter?" fragte Snape, während er sich Arme verschränkend zurück lehnte. "Sie haben... ich meine... wäre es möglich..." stammelte Harry verloren vor sich her. "Potter, wenn sie von dem Trank sprechen, sehe ich keinen Anlass ihn erneut zu brauen, wenn sie ihn anschließend sowie so nicht trinken", kam Snape nun den Jungen zuvor, der das Gestammel nicht hören wollte. Harry nickte benommen und drehte sich um, um zu gehen. Als die Hand bereits auf der Türschnalle lag, meinte Snape jedoch: "Vorausgesetzt sie nennen mir einen Grund, warum sie ihn gestern nicht genommen haben." Harry sah Snape unschlüssig an. "Weil..." begann er und holte tief Luft "weil ich vorletzte Nacht jemanden in meinem Traum begegnet bin. Ich weiß nicht wer es war. Ich wollte die Person nur noch mal treffen. Ich wollte wissen wer sie war. Vielleicht war es mein Dad, oder meine Mum, oder vielleicht Sirius. Ich dachte, die Person würde vielleicht wieder kommen." sprudelte es plötzlich aus Harry heraus. Snape starrte den Jungen fassungslos an. Konnte nicht glauben was er da hörte, wohl wissen dass er diese Person war, die Harry treffen wollte. "Ich weiß, es war dumm" fügte Harry noch kleinlaut hinzu. "Das war es in der Tat!" stimmte Snape den Jungen zu, jedoch ohne jeglichen Spott in seiner Stimme. Harry kam sich unheimlich klein vor, wie ein Kind, dass eben seinen Vater gebeichtete hatte, dass es etwas dummes angestellt hatte. Vorsichtig sah er auf. Snape schien tief in Gedanken versunken. Doch als er Harrys Blick bemerkte meinte er: "Ok, ich hab noch was von dem Trank, aber den trage ich selber hoch. Sie haben heute schon genug fallen gelassen. Gehen sie schon mal vor. Ich komme, sobald das hier fertig ist." damit deutete Snape auf die Keramikschale auf seinem Schreibtisch. Harry nickte zum Einverständnis und begab sich dann wieder in sein Zimmer.

Es dauerte keine fünf Minuten, bis Snape ihm folgte. Er stellte das Glas auf Harry Nachtkästchen ab und drückte Harry die Keramikschüssel in die Hand. Harry sah seinen Lehrer groß an. "Ist für ihre Hand!" erklärte Snape knapp. Harrys Augen wurden nur noch größer. Dann setzte er sich auf sein Bett und stellte die Schüssel neben sich ab. Etwas unbeholfen fuhren seine Finger in das gelartige Zeug und verteilten die Paste auf seiner rechten Hand. Eine Weile beobachtet Snape den Jungen, doch dann meinte er kopfschüttelnd "so wird das nichts, Potter!" und war mit wenigen Schritten bei ihm. Er zog Harrys rechte Hand nicht grob, aber doch energisch zu sich und ließ seine Daumen massierend über dessen Handrücken fahren. Harry war im ersten Moment zu erschrocken um zu reagieren. Doch dann wollte er seine Hand zurückziehen. Nur gehorchte seine Hand nicht, sie zuckte nur kurz. "Keine Angst, ich beiß die Hand schon nicht ab!" scherzte Snape, amüsiert über Harry panischen Geschichtsausdruck. Es dauerte jedoch eine Weile, bis Harry sich unter den massierenden sanften Bewegungen entspannen konnte. Kaum dass er locker gelassen hatte, konnte er spüren wie die Paste langsam einzog und sich wie ein angenehmer Balsam über die scheinbar unzähligen Schnittwunden legte. Wenn die ganze Situation nicht so absurd gewesen wäre, hätte Harry am liebsten aufgeseufzt und die Augen geschlossen. Doch so saß er aufrecht in seinem Bett und verstand die Welt nicht mehr.

Aber dann kam ihm die Erleuchtung. Plötzlich verstand er warum Snape von dem Problem mit seiner Hand wusste, warum er so sauer war, dass Harry den Trank nicht genommen hatte. Warum die geheimnisvolle Person nicht wieder kam. ER war die geheimnisvolle Gestalt. Severus Snape. Harry hätte sich ohrfeigen können, nicht früher das Spiel durchschaut zu haben. Plötzlich machte alles einen Sinn und ehe er wusste was er tat, fragte er ungläubig "Sie...?" Snape war zu sehr in seinen eigenen Gedanken gefangen um zu verstehen was Harry meinte, daher zog er nur fragend eine Augenbraue hoch. "Sie waren in meinem Traum?" Zu gerne hätte Snape jetzt was Spöttisches gesagt, aber er spürte, dass es der falsche Zeitpunkt dafür war und nickte daher nur stumm. Harry konnte es immer noch nicht fassen, obwohl er doch selber zu dem Schluss gekommen war. "Aber... warum?" fragte er verwirrt. Snape ließ nun Harrys Hand wieder frei und sah den Jungen in die Augen, unfähig die Frage zu beantworten. Sein Schweigen hatte jedoch eine unerwartete Reaktion. "Wollten sie sich rächen, weil ich ihn ihr Denkarium gefallen bin? Oder wollten sie nur zuschauen, wie ich leide?" Harry war plötzlich wütend geworden, da er sich vor seinem verhassten Lehrer bloß gestellt fühlte. Sein plötzlicher Wutanfall, hat Severus derart überrascht, dass dieser nicht anders reagieren konnte, als ebenfalls wütend zu werden. "Wagen sie es nicht so mit mir zu sprechen" zischte er drohend. Was natürlich Harrys Wut nur noch mehr steigerte. "Sie haben mir nichts mehr zu befehlen. Wir sind nicht in Hogwarts. Und ich werde auch nie wieder dahin zurückgehen. Hören sie? NIE WIEDER!" Dabei schlug er mit der rechten Hand gegen das Nachtkästchen. Snape befürchtete schon, dass das Glas erneut zu Bruch gehen würde, doch stattdessen schrie Harry vor Schmerzen auf. Seine Hand verkrampfte sich erneut, doch diesmal nicht nur die Hand. Sein ganzer Körper fing an zu zucken. Tränen schossen ihm in die Augen. Snape stand etwas betäubt daneben und verstand nicht, was mit dem Jungen passierte. Es kam ihm vor, als wenn Harry wieder in seinem Alptraum gefangen wäre. Nur, dass der Junge diesmal hellwach war. Es war nicht zu sehen, was passierte.

Harry krümmte sich auf seinem Bett zusammen und wollte nicht mehr auf hören zu schreien. Schließlich schritt Severus ein. Er kam auf Harry zu, zog den Jungen zu sich hoch und drückte ihn fest an sich. "Harry, komm wieder zu dir!" flehte er. Die Schreie ließen irgendwann wieder nach. Doch das Zucken dauerte noch eine ganze Weile, eher vom dem Jungen nur mehr ein Schluchzen zu hören war. Severus hielt Harry immer noch fest an sich gepresst. Er fühlte sich machtlos, weil er einfach nicht verstand, was den Jungen so quälte. War der Junge denn so leicht angreifbar, dass er selbst im Wachzustand gegen Voldemort keine Chancen hatte? War es denn überhaupt Voldemort? Konnte es sein, dass sich Harry selber quälte? Und seit wann war Harry schon in diesen Zustand? Hatte er deswegen Probleme mit den Dursleys? War er deswegen abgehauen? Immer mehr beunruhigende Fragen schossen Severus durch den Kopf. Und immer eindeutiger kam er zu dem Entschluss, dass er sich Harry endlich öffnen musste. Harry brauchte dringend jemanden den er sich anvertrauen konnte. Doch Severus schien das zu diesem Zeitpunkt vollkommen unmöglich, das er dieser jemand sein könnte. Harry hasste ihn. Dass eine mögliche Freundschaft zwischen ihnen undenkbar war für Harry, zeigte der heutige Abend mehr als deutlich. Severus hätte nie mit so einer Reaktion gedacht. Doch er konnte es Harry nicht verübeln. Woher sollte er plötzlich Vertrauen zu ihm haben? Severus blickte in Gedanken zurück in das letzte Schuljahr. Er war einfach zu ungeduldig mit dem Jungen gewesen. Er hätte die Okklumentik Stunden anders machen müssen. Und dann fiel ihm auch die Szene mit dem Denkarium wieder ein. Es war sein Fehler gewesen das Denkarium so offen stehen zu lassen. Aber er war so erschrocken, dass Harry genau das gesehen hatte, was er versuchte vor ihm zu verbergen, dass er den Jungen kurzer Hand aus dem Büro geworfen hatte. Er hatte einen gewaltigen Fehler gemacht. Ohne dass er es wollte musste er seufzen. Er wünschte sich er könne die Zeit zurück drehen.

"Entschuldige!" klang plötzlich eine leise zittrige Stimme durch den Raum. Severus brauchte eine Weile um zu erkennen, dass es Harrys Stimme war. Langsam löste er den Griff und ließ den Jungen los. "Entschuldigen sie, dass ich sie angeschrieen habe. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist" Harry sprach sehr leise, dennoch konnte Severus jeden Wort verstehen. "Schon gut, Harry. Ich denke wir beide sollten uns einmal unterhalten. Nicht von Lehrer zu Schüler, sondern richtig." Harry nickte zustimmend mit dem Kopf und blickte verloren zu Boden. Doch dann sah er verblüfft auf. Snape war plötzlich perdu mit ihm und er hatte ihm beim Vornamen genannt. War es nur ein Versprecher? "Morgen, wenn es dir recht ist!", sprach Severus unbeirrt weiter. Wieder nickte Harry. Severus stieß kurz erleichtert die Luft aus, eher er zur Tür ging: "Ich hoffe, diese Nacht schläfst du besser. Nimm den Trank, Harry!" Und dann war er auch schon aus dem Zimmer verschwunden. 'Harry' hallte es im Kopf des Jungen wider. Also war es doch keine Versprecher. Snape hatte Harry tatsächlich beim Vornamen genannt. Ein Gefühl von Verwirrung machte sich in Harry breit. Konnte es denn sein, dass hinter Snapes eiserner Maske doch ein mitfühlendes Herz steckte? Nachdenklich betrachtete er das Glas, mit dem Traumlos-Trank. Snape hatte sich sogar bemüht den Trank wohlschmeckend zu machen. Was steckte dahinter? Warum war Snape plötzlich so fürsorglich? Doch schließlich wollte Harry nicht mehr darüber nachdenken. Er trank das Glas aus und freute sich auf den Schlaf, der ihn kurz drauf übermannte.