Als sie wieder im Fuchsbau waren, zog sich Harry mit der Ausrede zurück, dass er müde sei. Betrübt stieg er die Treppe hoch. Er hatte seinen Freunden den Tag verdorben. Es verpasste ihm einen Stich im Herzen, als er sich an Ginnys strahlenden Augen erinnerte, bevor sie den Zauberscherzladen betraten. Er war sicher, sie würden eine Weile darin verbringen und dann mit vollen Händen wieder aus dem Laden kommen. Aber nach seinem Kontakt mit Voldemort hatte plötzlich niemand mehr Lust sich weiter im Laden umzuschauen.

Eine verbitterte Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wangen. Er war schuld. Er griff nach seinem Polster und schleuderte ihn wütend auf den Boden. „Harry?" ertönte leise Hermines Stimme. Harry hatte nicht bemerkt, dass sie eingetreten war. „Willst du reden?" Der Junge wandte sich nicht um. Er starrte den am Boden liegenden Polster vernichtend an und ärgerte sich, dass er dem Polster keinen Schaden zufügen konnte. Er wollte etwas zerschlagen, zerstören, er wollte, dass etwas zu Bruch ging… denn so fühlte er sich im Moment, dass in seinem Inneren alles zu Bruch ging. Er versuchte Hermine weiter zu ignorieren, die bei der Tür stehen geblieben war und wartete.

Harry hatte Angst, dass er sie anschreien würde. Er drohte innerlich zu zerspringen vor Wut. „Hermine… bitte, lass mich alleine!" quetschte er mühsam hervor. „Bevor… bevor ich dich verletze!" und plötzlich verschwand die Wut und machte einem peinigenden Schmerz in seiner Seele platz. Er warf sich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett und fing an hemmungslos zu weinen.

Langsam näherte sich das Mädchen und setze sich zu Harry ans Bett. „Harry… mach dir keine Vorwürfe. Der Zauberladen steht noch länger und wir waren sicher nicht das letzte Mal dort." – „Lasmich" kamen die Worte undeutlich und gedämpft durch die Matratze. „Aber Harry ich…"

Überraschen schnell richtete sich Harry auf, sah sie finster an und zischte: „Bitte, geh!" Erschrocken stand Hermine wieder auf. „Ich will doch nur…" aber weiter kam sie nicht. Harry war nun ebenfalls wieder aufgestanden und sah so wütend aus, dass Hermine Angst vor ihm bekam. Mit verstörtem Blick verließ sie den Raum. Kaum dass die Tür geschlossen war, hörte sie wie etwas dumpfen von innen gegen die Tür plumpste.

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Harry hat mit einer einfachen Hand Bewegung den Polster von Boden aufgehoben und Hermine hinter her geschmissen. Nun stand er da und starrte den Polster ungläubig an. Er hatte ihn gar nicht berührt. Er hatte ihn nur im Geiste geworfen. Doch nun der Polster lag vor der Tür anstatt neben Harrys Bett. Erneut war die Wut mit einem Schlag verraucht. Er deutete dem Polster mit einem Wink seiner Hand, er solle wieder herkommen und… er tat es. Mit einem Wusch, landete er Harry im Gesicht.

Zauberstablose Magie. Severus hatte doch irgend so was mal andeutungsweise durchklingen lassen. Er wollte, dass Harry seinen Brief ohne Zauberstab schweben ließ.

Die plötzliche Verblüffung Harrys hat sowohl die Wut als auch den seelischen Schmerz in den Hintergrund gedrängt. Er konzentrierte sich nun auf ein Buch auf Rons Nachtkästchen und sagte „Wingavium Leviosa" Das Buch begann zu schweben. Danach versuchte sich Harry an einem anderen Zauberspruch. Er warf das Glas, aus dem er am Vortag den Traumlostrank einnahm, zu Boden und sagte dann zu den Scherben „Reparo!" Das Glas fügte sich wieder zusammen.

Einerseits erschrocken und andererseits verwundert setze sich Harry wieder auf sein Bett und überlegte was er tun sollte. Er wollte es jemanden erzählen. Aber nicht seinen Freunden. ‚Sev!' schnell kramte Harry Pergament und Feder heraus und setze an zu schreiben. Dann hielt er inne. Wenn er Severus schrieb, dann wird er wohl auch das in der Winkelgasse erzählen müssen. Harrys Herz zog sich kurz zusammen, doch dann ließ er es einfach aus sich heraus. Er schrieb von seiner Narbe, von seinen extremen Gefühlschwankungen und letztendlich von seiner Zauberstablosen Magie. Zufrieden las er sich noch mal alles durch und ging dann zu Hedwig, die in ihrem Käfig saß und Harry neugierig zusah.

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Danach atmete er einmal tief durch und ging zu den anderen runter in die Küche. Mr. Weasley schien gerade eine interessante Geschichte zu erzählen und bemerkte Harry erst, als er sich neben Hermine setze und ihr ein leises „Entschuldigung" zuflüsterte. Hermine nickte nur leicht und warf Harry ein unsicheres Lächeln zu. Sie hatte offensichtlich nichts von Harrys Verhalten erzählt und Mr. Weasley unterbrach nur kurz um zu fragen „Und? Hast du gut geschlafen?" Nun war es Harry der nickte und schließlich sagte er „Ich hab ‚Dad' noch einen Brief geschrieben!" – „Oh gut… dann bekomme ich morgen wenigsten keinen Heuler!" meinte Mr. Wealsey.

Harry starrte ihn groß an. „Hat er denn heute einen Heuler geschickt?" – „Nein, aber er war nicht sehr erfreut, dass weder du noch ich ihm geschrieben haben. Er scheint sich ziemliche Sorgen gemacht zu haben." Harry war zwar einerseits erfreut, dass sich Sev so viel Sorgen seinetwegen machte, aber andererseits war es ihm peinlich, dass Rons Dad in die Sache hinein gezogen wurde.

„Wer ist denn jetzt Harrys … ähh... Dad?" fragte Ginny neugierig, die bei den gestrigen Gesprächen nicht dabei war. „Oh… das wissen nur die, die es wissen müssen. Wir hoffen, es vor dem dunklen Lord geheim halten zu können." antwortete Mr. Weasley. „Aber du weißt es, oder?" bohrte Ginny nach. „Ja, der innere Kern des Ordens weiß es." – „Arthur!" mahnte nun Mrs. Weasley, die Angst hatte, dass schon zuviel gesagt wurde. „Ach, Molly. Keine Angst, ich verrate es schon nicht." – „Aber Harry weiß es auch, oder?" fragte Ginny ein letztes Mal. Darauf hin mussten alle lachen. „Ja, Ginny Schatz, Harry weiß auch, wer ihn adoptiert hat"

Die Stimmung an diesen Abend wurde immer gelöster. Mr. Weasley grub noch ein paar seiner Geschichten aus, die er während seiner Arbeit schon erlebt hatte und so fielen alle gegen elf Uhr müde und lachend ins Bett. Harry nahm noch seinen Traumlostrank und schlüpfte dann unter die Decke.

Ron grinste ihm zu. „Was ist denn?" fragte Harry. „Ich weiß gar nicht mehr, wann Dad uns das letzte Mal so viel über seine Arbeit erzählt hat. Er ist meistens immer so lang in der Arbeit und wenn er kommt, dann ist er zu müde um viel zu reden. Aber der heutige Abend… war einfach schön!" Harry freute sich für Ron und mit einem Lächeln auf seinem Gesicht holte ihn der Traumlostrank in einen ruhigen erholsamen Schlaf.

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Harry erwachte relativ früh und wartete gespannt auf eine Eule von Severus. Er saß am Fensterbrett und blickte dem Himmel empor, während die warme Sommerluft des Morgens ihm sanft ums Gesicht strich. Gedanken verloren beobachtete er die Vögel, die sich ihren Weg über das große blaue Himmelszelt suchten. Doch keiner der Vögel schwenkte ab, um zu Harry zu fliegen. Ein wenig enttäuscht ließ sich Harry vom seinem Platz gleiten und marschierte ins Badezimmer.

Als er wieder raus kam war Ron bereits wach. „Und gut geschlafen?" fragte Harry. „Ja!" nickte sein Freund. „Und du?" – „Geht so. Es ist irgendwie auf Dauer komisch, wenn man so gar nichts träumt. Als wenn mir was abgehen würde" – „Du vermisst doch nicht deine Alpträume?", fragte Ron verwundert. „Nein, natürlich nicht. Aber … ich weiß auch nicht." – „Ist doch klar!" mischte sich eine weibliche Stimme jetzt ein.

Harry und Ron drehten sich um und sahen Hermine im Türrahmen. „Mine!", rief Ron erschüttert „ich… ich bin noch nicht umgezogen!" – „Ach Ron, du hast doch eh deinen Pyjama an. Was regst du dich auf?" – „Was hast du gemeint mit ‚ist doch klar'?" fragte Harry neugierig. „Na ja. In der Nacht verarbeiten wir unsere Probleme in dem wir sie in Träume verpacken. Die Träume helfen uns Erlebnisse zu verarbeiten. Sie sind sehr wichtig. Wenn du über längere Zeit keine Träume hast, dann musst du alles bei Tag verarbeiten, was dich so beschäftigt. Das kann zu leichter Reizbarkeit führen." klärte Hermine auf.

„Harry! Kommst du bitte mal herunter?" ertönte plötzlich Mr. Weasely Stimme. Die drei drehten sich verwundert um. Nun war es Rons Dad. Er stand mit ernstem Gesicht in der Tür. „Ist was passiert?", fragte Harry als erstes. Doch Mr. Weasley antwortete nicht. Harry folgte ihm hinunter Richtung Küche. Ron und Hermine kamen neugierig hinterher.

Als Harry am Eingang der Küche stand rief er überrascht: „Se..sss…… Snape!" – „Professor Snape!" besserte Mr. Weasley den Jungen aus. „Er möchte mit dir sprechen!" Harry warf Severus einen fragenden Blick zu, doch dessen Miene war starr und ließ nicht erahnen, was in seinem Inneren vorging.

Verunsichert blickte Harry wieder zu Mr. Weasley, der ihn nun sanft in den Raum schob und ihm zuzwinkerte. „Alleine, wenn's Recht ist!" ertönte nun Snapes kalte Stimme und er erhob sich, um alle anderen aus der Küche zu treiben und die Tür zu schließen. Dann zog er seinem Zauberstab und belegte die Tür mich einem Antilauschzauber.

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Langsam drehte er sich wieder zu Harry um. Doch nun war sein Gesicht mit tiefen Sorgenfalten überzogen. „Harry!" - „Sev… was… was ist passiert?" stotterte der Junge verwirrt. „Setz dich!" wies Severus der Jungen an. Immer noch verwirrt nahm Harry platz und beobachtete Severus, wie er sich ebenfalls wieder setzte. „Hast du meine Eule gestern bekommen?" fragte Harry schließlich. „Ja, hab ich und ich bin dir Dankbar für deine Ehrlichkeit. Über das eine oder andere werden wir noch reden, aber deswegen bin ich nicht hier." antwortete Severus mit leichtem Lächeln.

Harry konnte sich nicht erklären warum, aber ein beklemmendes Gefühl über kam ihn. Etwas ist passiert, etwas Schlimmes. Ob es mit Voldemorts Mordgelüsten von gestern zusammen hing? „Was hat Voldemort gemacht?" fragte Harry mit ernster Miene. Severus sah den Jungen überrascht an, doch dann meinte er: „Er hat wohl heraus gefunden wo ich wohne. Ich meine, wenn ich nicht in meinen Elternhaus bin. Es gab gestern Nacht einen Todesserüberfall in dem Dorf, wo meine bescheidene Hütte stand. Es ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden. Offensichtlich erzürnt darüber, mich dort nicht zu finden, haben sie die benachbarten Häuser angegriffen und einige Muggeln wie Zauberer umgebracht."

Harry starrte Severus entsetzt an. „Warum…?" Severus schüttelte den Kopf „Ich weiß nicht. Wo möglich hat der dunkle Lord doch Wind davon bekommen, dass du und ich… also, dass ich dich adoptiert habe. Oder es war ein anderer Grund. Jedenfalls habe ich Angst, dass er als nächstes hier auftauchen würde. Ich würde mich sicherer fühlen, wenn du wieder bei mir wärst." – „Meinst du nicht, dass sie auch Snape Manor angreifen würden?" – „Nein, dass ist mindestens genau so gut geschützt wie Grimmault Platz 12" Eine kurze Pause entstand.

„Und die Weasleys? Wenn die Todesser hier auftauchen wären sie doch auch in Gefahr." meinte nun Harry „Ja… sie werden alle mit zum Stützpunkt des Ordens kommen. Professor Dumbledore hält es für das beste." – „Du nicht?" fragte Harry verblüfft. Severus atmete tief ein und warf Harry einen unergründlichen Blick zu. „Doch", meinte er schließlich, „Nur... es wird etwas schwierig, dass wir uns nicht verraten." fügte Severus vorsichtig hinzu. „Nicht jeder im Orden weiß, wer dich adoptiert hat. Und neben deinen Freunden, werden auch einige andere anwesend sein, die nicht eingeweiht sind"

„Aber… wenn Voldemort eh schon Bescheid weiß, wieso sollen wir es noch weiter verheimlichen?" fragte Harry verständnislos. Er wollte seinen Freunden so gerne die Wahrheit sagen. „Es ist nicht sicher, ob der Dunkle Lord es weiß. Er hat sicher mehrere Gründe hinter mir her zu sein." – „Die wären?" fragte Harry hitzig. Doch Severus schüttelte nur den Kopf. „Hör zu Harry, früher oder später werden es deine Freunde erfahren, das verspreche ich dir, aber wir sollten diesen Zeitpunkt so weit wie möglich hinaus zögern."

Mit enttäuschtem Gesicht wandte sich Harry ab. Da hat er nun so was wie einen Vater und durfte es niemanden zeigen, niemanden erzählen, nein schlimmer noch, er musste sich so benehmen, als er wenn diesen Mann hassen würde. Wie sollte er das machen, wenn er mit Severus unter einem Dach war?

Eine warme Hand legte sich auf die Hand des Jungen. Harry wandte sich Severus mit vorwurfsvollem Blick zu. „Ich weiß ich verlange viel von dir, Harry. Aber vergiss nicht, dass unser beider Leben davon abhängen kann. Und… was deine Gefühlschwankungen angehen, ich befürchte, dass sie durch den Traumlostrank noch zusätzlich verstärkt werden. Wir sollten also mit Okklumentik so bald wie möglich anfangen. Wenn du deinen Geist verschließen kannst, dann können wir auf den Trank verzichten."

Harrys Blick verfinsterte sich immer mehr. „Und was noch?" fuhr er nun ungehalten los. „Weißt du… als ich heute Morgen die Treppen herunter kam und dich in der Küche gesehen habe, da hab ich mich gefreut. Ich hab den ganzen Morgen am Fensterbrett gesessen und auf eine Eule von dir gewartet. Aber du… du kommst hier her… sagst ich wieder zu dir kommen soll und ich darf nicht offen zeigen, dass ich mich darüber freue?"

Severus senkte besorgt seinen Blick. Er wusste einfach nicht weiter. Er wollte den Jungen nicht wehtun. Aber er ärgerte sich auch, dass Harry nicht einsehen konnte, wie wichtig das alles war, was er von ihm verlangte. Seufzend schüttelte er den Kopf. „Was soll ich deiner Meinung nach machen?" fragte nun Severus und sah Harry verzweifelt an.

Ein wenig verwundert über die Frage blickte Harry stumm zurück. War die Frage denn jetzt ernst gemeint? Nachdem Severus ihn weiter fragend ansah meinte der Junge schließlich: „Ich denke nicht, dass es einen großen Unterschied macht, ob Hermine und Ron Bescheid darüber wissen, dass du mich adoptiert hast, oder nicht. Sie können sehr gut Geheimnisse für sich behalten. Ich möchte mich nicht verstellen müssen, wenn ich morgens in die Küche komme und du über deinen Tagespropheten gebeugt eine Tasse Kaffee trinkst."

Severus lächelte schwach. „Nun gut Harry. Ich überlasse es dir, zu entscheiden, ob du es deinen Freunden erzählst. Aber was ist wegen den Okklumentikunterricht?" Harry seufzte. Er hasste es, diese Visionen zu haben, aber er hat bis jetzt auch keine guten Erfahrungen mit Okklumentik gehabt. Er wog ab, was ihm mehr störte und meinte dann: „Ich würde mich freuen wenn wir einwenig Zeit mit einander verbringen können. Und wenn es Okklumentik sein soll, dann bitte."

Severus verspürte plötzlich den Drang Harry zu umarmen, aber er hatte Angst, dass Harry es jetzt nicht wollte. Hatte Angst, dass etwas passieren könnte. Dass die Tür plötzlich aufgehen würde und alle sehen würden, wie weich er geworden war. So drückte er nur Harrys Hand ein wenig und zog dann die seine zurück. Harry sah Severus forschend an. Doch dann stand der ältere auf und öffnete die Tür, um auch mit den anderen reden zu können.

Ohne großen Umschweife erklärte er, ganz in Snape Manier, dass der Fuchsbau wo möglich angegriffen werden würde und sie besser zum Stützpunkt des Phönixorden kommen sollten. Harry bewunderte Severus ein wenig darum, dass er sich so verstellen konnte. Von einer Sekunde auf die andere.

Sowohl Ron als auch Hermine waren mehr als neugierig, was Severus so lange mit Harry zu besprechen gehabt hatte. Harry zog ein finsteres Gesicht und meinte, dass Professor Snape ihm erneut Okklumentikstunden geben wollte. Seine Freunde sahen ihn mitleidig an.

Innerlich amüsierte sich jedoch Harry darüber. War es vielleicht das, warum Severus sich so gut verstellen konnte? Lachte er innerlich auch über die Reaktionen seiner Mitmenschen, wenn er den ernsten unnahbaren Snape spielte? Und in dieser Sekunde beschloss Harry von seiner Seite aus, das Spiel noch ein bisschen weiter zu treiben. Vielleicht würde es interessant werden den verbitterten Harry vor zu täuschen. Ein unverschämtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.