II.

Severus stolperte, als die beiden Zauberer im Wohnzimmer Dumbledores ankamen und wäre gefallen, wenn Albus ihn nicht aufgefangen hätte. Den jungen Mann in den Armen haltend trug er ihn in sein Schlafzimmer und legte ihn auf das breite Bett. Severus war leicht, viel zu leicht für einen Mann seiner Größe. Besorgt strich Albus eine Strähne des schwarzen Haares aus dem hageren Gesicht. Severus schien bewußtlos zu sein. Das war nicht gut, er mußte sofort Poppy verständigen.

Mit einigen schnellen Schritten war Dumbledore zum Kamin getreten und hatte die Medihexe zu sich gebeten. Eilig, wie er betonte.

Und Poppy ließ nicht lange auf sich warten. Mit Notfallkoffer und Zauberstab bewaffnet trat sie aus dem Kamin und sah Dumbledore fragend an: „ Was ist los, Albus, was ist so dringend?"

Wortlos führte Dumbledore sie in sein Schlafzimmer und als die Hexe Severus dort liegen sah, zerschlagen und halb tot, übernahmen sofort ihre professionellen Instinkte das Regiment. Eilig vollführte sie eine erste Untersuchung mit ihrem Zauberstab und registrierte die unterschiedlichen inneren und äußeren Verletzungen, die der Junge davon getragen hatte. Schließlich sah sie auf und seufzte: „ Merlin, Albus, was ist dem Jungen zugestoßen?"

„ Er ist ein paar übereifrigen Auroren in die Hände gefallen", sagte Albus und schob den Ärmel an Severus Robe hoch, so daß Poppy das dunkle Mal sehen konnte. Die Hexe schrak nicht zurück bei dem Anblick, doch ihre Züge nahmen einen Ausdruck tiefer Traurigkeit an. Sie hatte immer ein weiches Herz für den traurigen, mißverstandenen Jungen gehabt, der so oft auf ihrer Krankenstation gelegen hatte, wenn er wieder einmal Opfer einer der „ Streiche"der Marauders geworden war. Doch nun war nicht die Zeit für Erinnerungen, schalt sie sich innerlich. Nun war die Zeit zu handeln. Vorsichtig die Lider hochziehend betrachtete sie Severus Augen, dessen Pupillen unnatürlich geweitet waren.

„ Wie hast du ihn hier her gebracht? Mit dem Portschlüssel?"

Dumbledore nickte.

„ War er schon bewußtlos als du ihn fandest?"

„ Nein, er schien benommen zu sein, bewußtlos war er erst, als wir hier ankamen. Man hat ihm Verita Serum gegeben, aber ich weiß nicht, wie viel."

„ Zu viel", sagte Poppy grimmig. „ Bei einer Überdosis ist jeder Zauber zu viel für den Körper. Besonders, wenn dieser sowieso schon geschwächt ist. Der Zauber des Portschlüssels war zu viel für ihn. Er wird in diesem Zustand der Ohnmacht bleiben, bis das Serum auf natürliche Weise aus seinem Blutkreislauf verschwunden ist. Ich habe ein paar Heiltränke und Salben, die speziell für solche Fälle gedacht sind. Sie stützen sich hauptsächlich auf die natürlichen Heilkräfte der Zutaten und sollten helfen, seine Verletzungen zu heilen. Versuche, ihm etwas Wasser einzuflößen, er sieht dehydriert aus."

Eilig verschwand Poppy wieder und Albus verwandelte ein Glas in eine Schnabeltasse, holte Wasser und versuchte geduldig, dem bewußtlosen jungen Mann etwas zu trinken zu geben. Viel hatte er nicht erreicht, als Poppy auch schon wieder zurück kam. Sie übernahm von Albus, der wie ein besorgte Vater nah bei Severus blieb und alles beobachtete. Mit großem Geschick hatte die Medihexe dem Jungen bald nicht nur das Wasser, sondern auch verschiedene Tränke eingeflößt. Dann zog sie ihm vorsichtig die vor Dreck starrenden Kleider aus. Sowohl Albus als auch Poppy schluckten hörbar als sie Severus nackten Körper sahen. Nicht nur war er dreckig und von Blutergüssen übersäht, er war auch so dünn, daß er kaum mehr als ein Skelett erschien.

„ Meine Güte, Albus", sagte Poppy schockiert. „ Der Junge scheint seit Tagen, ach was sage ich, seit Wochen kaum etwas gegessen zu haben! Wie lange haben die Auroren ihn denn festgehalten?"

Albus schüttelte den Kopf. „ Nur ein paar Tage, Poppy. Das"und er machte eine Geste zu dem mageren Körper hin, „ muß schon älter sein. Wie du sagtest, wohlmöglich Wochen."

„ Nun, er braucht dringend etwas zu essen, sonst stirbt er uns noch an Unterernährung. Ich hole noch einen Trank für ihn, hoch an Nährstoffen, leicht verdaulich. Du kannst ihm in der Zwischenzeit ein Schwammbad geben, Albus. Der Junge muß sauber sein, sonst wirken die Salben nicht."

Wieder verschwand die Hexe und Albus machte sich daran, den mißbrauchten Körper seines jungen Schützlings vorsichtig zu waschen. Er hörte nicht, daß Poppy zurück kam, so konzentriert war er auf seine Aufgabe und darauf, dem jungen Mann so wenig zusätzliche Schmerzen zu verursachen wie möglich. Als er endlich fertig war trat er zurück und überließ Poppy alles weitere. Sie flößte Severus einen weiteren Trank ein, strich die heilende Salbe auf seine Wunden und zog ihm ein weißes Leinen Nachthemd an das Albus schon für sie bereit hielt.

Bevor Poppy sich wieder aufrichtete legte sie ihre kühle Hand kurz auf Severus erhitzte Stirn. Er sah so jung aus, so verletzlich. Und der Kontrast zwischen dem rabenschwarzen Haar und dem weißen Hemd schien seine Jugend noch zu unterstreichen. Sie seufzte leise und deckte ihn zu. Dann drehte sie sich um und sah Albus an.

„ Ich habe alles für ihn getan, was in meiner Macht steht. Nun können wir nur noch warten."

„ Wie lange wird es dauern?"

„ Ich weiß es nicht, Albus. Wenigstens vierundzwanzig Stunden, länger je nachdem wieviel Serum er geschluckt hat und wie geschwächt sein Körper schon ist. Er sollte alle fünf Stunden noch eine Dosis von dem Nährtrank bekommen. Willst du ihm den geben oder soll ich vorbei kommen?"

Albus schüttelte den Kopf. „ Nein, Poppy, ich mache das schon. Du hast noch andere Patienten um die du dich kümmern mußt."

„ Ja, dich zum Beispiel, Albus. Du siehst müde aus. Versuche, etwas zu schlafen."

Dumbledore lächelte. „ Natürlich, Poppy."

Die Hexe seufzte. „ So wie ich dich kenne, Albus, wirst du die ganze Zeit neben dem Jungen sitzen. Davon wird er auch nicht schneller wach."

„ Vielleicht werde ich dieses eine Mal auf deinen Rat hören, Poppy."

„ Hah", lachte die Medihexe. „ Das wäre ja mal etwas ganz neues! Ich sende dir die nötigen Tränke für den Jungen", sagte sie noch und verschwand dann wieder durch den Kamin.

Schmunzelnd trat Dumbledore in sein Schlafzimmer und setzte sich in einen der gemütlichen, dick gepolsterten Sessel neben seinem Bett. Poppy kannte ihn einfach zu gut! Natürlich würde er eine lange Zeit hier bei dem Jungen sitzen und über seinen Schlaf wachen. Vielleicht würde er davon nicht eher erwachen, aber es konnte doch sein, daß er die Nähe eines ihm wohl gesonnenen Menschen spüren konnte.


Die ganze Nacht hatte Albus Dumbledore bei dem Jungen gesessen und war beim Morgengrauen übermüdet auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer eingeschlafen. Er konnte erst ein paar Stunden geschlafen haben als er durch eifriges Klopfen an seinem Fenster geweckt wurde.

Irritiert öffnete Albus die Augen und wußte für einen Moment nicht, warum er nicht in seinem Bett lag. War er wieder über der Arbeit eingeschlafen? Doch nein. Severus, er lag in seinem Bett und schlief, hoffentlich, der Genesung entgegen. Seine alten Knochen protestierten schmerzhaft, als Albus sich aufsetzte. In seinem Alter sollte man nicht mehr auf einer Couch schlafen. Doch was hatte ihn geweckt? Da war das Klopfen wieder und Albus blickte endlich zum Fenster. Eine große Ministeriumseule saß auf dem Fensterbrett und klopfte erneut ungeduldig um Einlaß.

Mit schweren Gliedern stand Albus auf, trat zum Fenster und öffnete es. Sofort flog die Eule herein und landete auf seinem Schreibtisch. Mit einem Blick als wollte sie sagen: nun mal schneller, Alter Mann, ich habe noch anderes zu erledigen, hielt sie dem Zauberer ihr Bein hin.

Eilig löste Albus das Päckchen vom Bein der Eule, die auch sofort und ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen wieder davon flog.

Albus setzte sich an seinen Schreibtisch und öffnete das Päckchen. Es enthielt seinen Zauberstab und ein paar weitere Kleinigkeiten, wie seine Taschenuhr und einen Beutel mit Münzen. Außerdem fand er ein Schreiben des Ministeriums. Er hatte keine Entschuldigung erwartet oder gar einen offiziellen Freispruch, aber dieses lapidare Schreiben war geradezu eine Beleidigung. Nichts weiter stand dort, als daß man den Verdächtigen in die Obhut Dumbledores entlassen habe und diesem auch die persönlichen Dinge des Verdächtigen ausgehändigt habe, hier zu quittieren.

Dumbledore schnaubte. Diese Bürokraten machten ihn wahnsinnig! Er nahm Severus Zauberstab auf und erhob sich. Er wollte ihn auf den Nachttisch neben das Bett legen. Der Junge sollte seinen Zauberstab neben sich finden, wenn er erwachte, wann auch immer das sein würde.


Anmerkungen: Tja, eigentlich sollte die Szene mit Poppy viel kürzer werden, aber ihr kennt das ja, wenn Poppy und Albus einmal anfangen, sich um eine arme Seele zu kümmern, dann auch gründlich! gg

Also hat es hier noch keine größeren Offenbarungen gegeben. Die folgen aber ganz bestimmt im nächsten Kapitel. Ich sage nur ein Wort: Beichte!

Wie immer wünsche ich viel Spaß beim Lesen. Wenn's euch gefallen hat dann nehmt euch doch die Zeit kurz ein Review zu hinterlassen.