III.
Als Severus Snape langsam erwachte, glaubte er, jeden Muskel und jeden Knochen in seinem Körper schmerzhaft zu spüren. Doch außer dem Schmerz schien nichts klar zu sein.
War er wieder einmal dem Cruciatus seines Lords ausgesetzt gewesen?
Doch nein, er hatte sich ja von Lord Voldemort abgewandt.
Dann hatten wohl die Auroren ihren Job mit einem Übermaß an Enthusiasmus erfüllt.
Und da war noch etwas. Sie hatten ihm Verita- Serum gegeben, aber an mehr konnte er sich nicht erinnern.
Mühsam öffnete Snape seine Augen. Vom Licht des frühen Morgen geblendet drehte er seinen Kopf weg und blickte in den Raum hinein.
Erstaunt sah er, daß er sich in einem gemütlich eingerichteten Schlafzimmer befand.
Das war gewiß nicht seine Zelle im Hauptquartier der Auroren. Davon zeugte auch, daß er nicht auf dem kalten Boden oder einer harten Pritsche lag sondern in einem warmen, weichen Himmelbett.
Vorsichtig setzte Snape sich auf und sah sich aufmerksam um. Die alten Möbel hatten sicherlich schon bessere Tage gesehen, doch wie der ganze Raum wirkten sie sehr einladend und komfortabel.
So wie auch das Nachthemd, das er trug. Es war strahlend weiß und sauber, aber das Leinen war vom vielen tragen weich und dünn geworden. Dies war mit Sicherheit jemandes Lieblingshemd.
Aber wessen? So sehr Snape sich auch den Kopf zerbrach, er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, was nach der Einnahme des Verita- Serums geschehen war.
Was für eine Überdosis sprach und folgerichtig dann auch einen Teil der Schmerzen erklärte, die er verspürte.
Frustriert schüttelte Snape den Kopf und bereute es sofort. Die allzu heftige Bewegung ließ seinen Kopf schmerzhaft pochen. Für einen Moment legte Snape das Gesicht in seine Hände und atmete tief und langsam ein und aus. Der Schmerz in seinem Kopf verringerte sich fast sofort, wurde erträglicher und verschwand schließlich ganz.
Erleichtert wischte sich Snape über die Augen.
Er mußte unbedingt herausfinden, wo er war und wer ihn hier her gebracht hatte. Erneut sah der junge Mann sich um, doch diesmal war er wesentlich aufmerksamer.
So bemerkte er zum Beispiel den Stuhl, der neben dem Kopfende des Bettes stand. So, als hätte jemand neben ihm gewacht.
Und auch die verschiedenen Zaubertränke, die in kleinen Fläschchen auf der Kommode standen.
Als letztes fiel sein Blick auf den Nachttisch direkt neben ihm.
Beinahe wäre Snape ein lauter Ruf des Erstaunens entfahren, denn dort, auf dem Nachttisch, lag sein Zauberstab.
Zumindest glaubte er, daß es seiner war.
Vorsichtig griff er danach und als er das vertraute Holz unter seinen Fingern spürte, fühlte er sich sofort sehr viel besser.
Snape konnte jedoch nicht verstehen, wieso sein Zauberstab hier war. Soweit er sich erinnern konnte, hatten ihn die Auroren bei seiner Verhaftung beschlagnahmt.
Snape beschloß, daß es keinen Sinn machte, weitere Spekulationen anzustellen. So lange er untätig im Bett lag, konnte er keine Informationen sammeln.
Langsam schwang Snape die nackten Beine unter der Decke hervor und setzte die Füße vorsichtig auf den Boden. Er spürte, daß er noch schwach war und so ließ er sich Zeit. Er konnte sich jetzt keinen Fehler erlauben.
Seinen Zauberstab zum Angriff fest in der Hand haltend öffnete er vorsichtig die einzige Tür im Zimmer und lugte heraus.
Was auch immer Snape erwartet hatte, auf der anderen Seite der Tür vorzufinden, das, was er jetzt sah, hatte er jedenfalls nicht erwartet.
Jede weitere Vorsicht außer Acht lassend öffnete er die Türe weit und betrat den anderen Raum.
Nichts hatte sich verändert, seit er zuletzt hier gewesen war. Die Bilder früherer Direktoren an der Wand, der überquellende Schreibtisch und die Regale voller seltsamer Geräte.
Und auf einem Sofa zu seiner Linken lag Albus Dumbledore, der Herr über dieses Chaos.
Snape zögerte. Es wäre ein Leichtes für ihn, den Direktor zu betäuben, sich Kleider zu besorgen und Hogwarts unerkannt zu verlassen.
Doch wo sollte er hin gehen?
In seine Wohnung konnte er nicht zurück. Voldemort würde sehr schnell wissen, daß er wieder zurück war und er würde sich wundern, warum er, Severus, nicht in Askaban war.
Und die Auroren würden ihn wohl nicht einfach so weiter machen lassen wie gewohnt. Mal ganz davon abgesehen, daß er ja gar nicht so weiter machen wollte.
Snapes Blick fiel wieder auf den schlafenden Direktor.
Was hatte Dumbledore vor? Warum hatte er Snape hierher gebracht? Was bezweckte er?
Albus Dumbledore war für Snape schon immer ein unlösbares Rätsel gewesen. Er konnte einfach nicht nachvollziehen, was den Direktor von Hogwarts antrieb. Und nur dieser konnte ihm die Antworten auf seine Fragen geben.
Leise trat Snape näher an den Schlafenden heran und streckte die Hand aus um ihn wach zu rütteln.
Doch nun, da er Dumbledore von Nahem sah, konnte er die Spuren tiefer Erschöpfung im Gesicht des alten Mannes sehen. Nun, er konnte wohl noch eine kleine Weile auf seine Antworten warten.
Vorsichtig zog Snape seine Hand wieder zurück und setzte sich mit untergeschlagenen Beinen, seine kalten Füße weit unter das warme Nachthemd gezogen, auf einen der weich gepolsterten Sessel gegenüber der Couch und bewachte den Schlaf seines alten Direktors.
