So und hier folgt das dritte Kapitel. Es wird ein kleines bisschen grausam.

Hi Nachtschatten, auch wieder da ;-) Du hast recht es war ein Fehler und muss natürlich Thengwyn heißen. Ich konnte mich anfangs nicht entscheiden, wie ich sie nennen soll und da bin ich wohl etwas durcheinander gekommen.

Ja die Geschichte wird ziiiiieeeeemlich lang!!!

3. Durch die Wildnis

Niniel ritt die ganze Nacht, wie Thengwyn es ihr geraten hatte. Sie war müde und es kostete sie alle Kraft sich im Sattel zu halten. Aber die Angst trieb sie voran. Wenn man sie fand, war sie verloren. Der Wind blies kalt und es nieselte. Schon nach kurzer Zeit war Niniel vollkommen durchnässt und ihr Umhang hing schwer an ihr herab. Elwing trabte durch die Nacht, ruhig und ausgeglichen war sein Schritt, so als wäre er schon immer mit seiner Herrin durch die Finsternis geritten.

Langsam begann es zu dämmern. Niniel hatte keine Ahnung wie weit sie geritten war. Im Dämmerlicht des Morgens konnte sie die weiten Wiesen Rohans sehen. Wiesen und nichts als Wiesen, keine einzige Siedlung war in Sicht. Niniel zügelte ihr Pferd und stieg herab. Erschöpft setzte sie sich auf einen Stein am Wegrand. Sie nahm ein Stück Brot aus Thengwyns Päckchen und biss hinein. Plötzlich merkte sie wie hungrig sie eigentlich war. Sie hatte seit dem Mittag des vorangegangenen Tages nichts mehr gegessen, gierig schlang sie das Stück Brot herab. Dazu trank sie ein paar Schluck aus ihrer Wasserflasche. Sie hatte noch immer Hunger, doch sie konnte es sich nicht erlauben noch mehr zu essen. Da keine Siedlung in Sicht war, konnte sie nicht sagen, wann sie das nächste Mal etwas zu Essen bekommen würde. Sie durfte ihren Vorrat nicht unvorsichtig aufbrauchen.

Nachdem Niniel gegessen hatte, zog sie den Dolch hervor und öffnete ihr Zopfband. Zögerlich nahm sie ihr Haar in die Hand und betrachtete es. Es war tatsächlich schön und es hatte lange gedauert es wachsen zu lassen. Sie hatte es stets mit Duftöl gepflegt, der einzige Luxus, den sie sich gönnte. Niniel schloss die Augen und setzte den Dolch an. Ohne hinzusehen tat sie den ersten Schnitt. Das Messer glitt mühelos durch ihr seidiges Haar und die dicke Haarsträhne fiel auf ihre Hand herab. Niniel öffnete die Augen und sah auf das Haar in ihrer Hand. Tränen traten ihr in die Augen... sie hatte die Haare wirklich gemocht. Sie waren schließlich der ganze Stolz einer Frau. Aber was sein musste, dass... Niniel hob energisch den Dolch und trennte die restlichen Haare direkt über dem Ohr ab. Sie hatte keinen Spiegel, aber sie konnte erahnen, dass der Schnitt ungleichmäßig war. Ob sie nun einem Jungen ähnelte? Für ihre Verwandelung fehlte noch eines: Niniel zog Thengwyns Kleidung hervor, sah die Straße hinauf und hinab, ob auch niemand kam, dann entkleidete sie sich und zog sich Thengwyns Hose und Hemd über. Dann schnallte sie sich noch den Lederharnisch an, er war schwer und drückte sie in ihrer Müdigkeit und Erschöpfung fast auf die Knie herab. Aber er war nötig, um die wenigen Ansätze ihrer weiblichen Rundungen zu verbergen. Sie gürtete sich wieder das Schwert um und verstaute das Gepäck an ihrem Sattel.

Die Müdigkeit quälte Niniel und ihre Tätigkeit ging ihr nur mühevoll von der Hand, jede Bewegung war langsam. Niniel wollte schlafen, sich einfach ins Gras legen und schlafen. Aber sie durfte nicht. Sie war noch nicht weit von zu Hause fort und wenn sie verfolgt werden würde, hätte man sie bald eingeholt. Außerdem erinnerte sie sich an Thengwyns Worte: Seltsames Volk war in diesen Tagen unterwegs und Niniel legte keinen Wert darauf einer der widerlichen Kreaturen zu begegnen, die sich Orks nannten. Erst in Edoras war sicher und bis dahin war der Weg noch weit. Sie musste reiten, reiten solange sie noch einen winzigen Rest Kraft in ihren Muskeln hatte und ihr Körper nicht vor Erschöpfung zusammen brach.

Niniel zog sich am Sattel hinauf und ritt weiter. Sie musste ihr Pferd kaum lenken, es fand den Weg die Straße entlang alleine. Ein wenig Gras vom Wegrand hatte gereicht, um Elwings Kräfte wieder zu stärken. Sein weißes Fell war durch den Lehm der Straße gelbgrau geworden und seine Mähne hing genauso nass herab wie Niniels Wollmantel. Was hätte sie für ein warmes Herdfeuer und eine Schlafstätte gegeben. Es musste nicht einmal ein Bett sein, nur etwas wo sie sicher und ungestört schlafen konnte.

Niniel ritt den ganzen Morgen. Gegen Mittag riss die Wolkendecke auf und die Sonne brach hervor. Ihre Strahlen erwärmten Niniels Körper und trockneten den nassen Mantel. Die nasse Straße begann zu trocknen und die Wiesen begannen im Licht zu glänzen. Mit der Sonne kehrte auch ein wenig Hoffnung in Niniels Herz zurück, das volle Tageslicht gab ihr neue Kraft. Niniel spornte ihr Pferd an. Bei diesem Wetter war es ein leichteres Reiten und Niniel hoffte noch vor Anbruch der Nacht ein Dorf zu erreichen, in dem sie schlafen konnte.

Sie ritt, der Tag strich dahin und ihre Kräfte begannen erneut zu schwinden, die Sonne senkte sich hinter den Hügeln herab und dann erblickte sie es: In der Ferne waren die Siluetten von Häusern zu erkennen. Niniel lachte auf: „Siehst du Elwing? Ein Unterschlupf für die Nacht..."

Elwing schnaubte nervös auf.

Niniel trieb ihn weiter an, ohne auf seine stummen Signale zu hören. Der Gedanke an ein warmes Feuer und eine Mahlzeit trieb sie voran, ließ sie unachtsam werden.

Doch umso näher sie kamen, desto unruhiger wurde Elwing. Und auch Niniel beschlich eine seltsame Bedrückung. Es war still, viel zu still. Keine Kinder, die kreischten, keine Arbeitsgeräusche, nicht einmal ein Tier rührte sich. Niniel ritt langsam weiter. Irgendetwas stimmte nicht. Und dann roch sie es, es war ein furchtbarer Gestank: Es roch nach verbrannten Holz, vermischt mit einem Verwesungsgestank, der fast alles andere überdeckte. Trotzdem trieb es Niniel weiter vorwärts. Es war ihre Neugier und die Faszination des Ekels, der sie weiter reiten ließ.

Kurz vor dem Eingang des Dorfes weigerte sich Elwing weiter zu gehen und Niniel war gezwungen abzusitzen, wollte sie erfahren, was hier geschehen war.

Von den Häusern am Dorfrand stiegen noch Qualmwölkchen auf, sie waren noch nicht lange erloschen. In ihrer Nähe war es warm, so als schwelte in ihnen noch immer ein Feuer. Was war hier geschehen? Niniel begriff, dass es etwas Schreckliches gewesen sein musste und sie fürchtet den Anblick, der sie erwartete. Elwing schnaubte und scharrte mit den Hufen, als sie auf das Dorf zuging. „Was? Hm? Ich werde da jetzt reingehen... entweder du kommst mit, oder du bleibst hier stehen... und wartest!" Niniel drehte sich auffordernd zu ihrem Reittier um. Elwing sah sie aus seinen verständnisvollen, braunen Augen an und schnaubte erneut, so als wollte er sagen: „Bleib hier."Niniel schüttelte den Kopf und ging. Sie war keine zwei Schritte gegangen, als sie die warmen Nüstern ihres Pferdes an ihrer Schulter spürte. Niniel lachte und streichelte dem Pferd den Hals. „Ich wusste, dass du mich nicht allein lässt", flüsterte sie.

Niniel betrat das Dorf durch ein seitliches Tor. Nichts, es war nichts zu sehen, außer verbrannten Häusern. Doch umso näher sie dem Platz in der Mitte der Siedlung kamen, desto schlimmer wurde der Gestank. Niniel konnte nicht ahnen, was sie dort erwartete. Als sie den Platz betrat wurde sie von Entsetzen geschüttelt und musste sich an Elwings Zaumzeug festhalten, um nicht umzufallen. In der Mitte des Platzes lag ein Berg halb verkohlter Leichen: Männer, Frauen und Kinder, wild durcheinander, von Pfeilen durchbohrt, mit abgetrennten Köpfen oder erschlagen, soweit man das noch sehen konnte. Ringsum lagen die Kadaver der Pferde. Aus ihren Seiten waren große Stücke Fell und Fleisch heraus getrennt, so als hätte jemand damit seinen Proviant aufgefüllt. In ihren Gedärmen sammelten sich die Fliegen. Fliegen, sie waren überall. Fliegen und Gestank! Niniel drehte es den Magen um und sie übergab sich.

Elwing schnaubte nervös. „Was ist hier nur geschehen?" flüsterte Niniel, „was ist hier nur geschehen?"Elwing scharrte mit den Hufen. In dem Moment fiel Niniels Blick auf einen Körper, der abseits des großen Haufens lag. Er war seltsam gekrümmt, so als sei es ihm angewachsen. Zögerlich ging sie näher und blickte auf den Körper herab. Das Wesen starrte sie aus leeren Augen an. Er war eindeutig tot, doch seine Zähne, die eher Reißer waren, wirkten noch immer bedrohlich. Sein Gesicht war zerfurcht und vernarbt. Haare hatte er keine, dafür spitze Ohren und seltsame Geschwüre auf dem Oberkopf. Er stank fast noch erbärmlicher, als der Leichenberg neben ihm.

Niniel wich entsetzt zurück. Dieses Scheusal musste das sein, was man einen Ork nannte. Niniel stöhnte auf. „Wir müssen fort hier, Elwing... wenn sie in der Nähe sind..n wenn sie noch in der Nähe sind..." Panik ergriff sie. Sie zog an Elwings Zügel. Das Pferd folgte ohne Zögern, auch er wollte fort von diesem Ort.

Niniel ging zügigen Schrittes die Hauptstraße der Siedlung entlang. Überall lagen Menschen, verblutet. Manchen von ihnen fehlten Gliedmaßen, die meisten von ihnen waren mit Blut besudelt und das blanke Entsetzen stand in ihren gesichtern, soweit sie ihre Köpfe überhaupt noch hatten.

Das kalte Grausen ergriff Niniel. Sie konnte den Anblick dieser Menschen nicht mehr ertragen. Wie konnte jemand so etwas tun? Warum war sie von zu Hause fort gegangen? Die Welt hier draußen war genauso grausam wie ihr Zuhause. Kalt, tot und leer... War das alles? War das das Leben? Hass, Gewalt und am Ende ein Tod grausamer, als das Leben selbst. War das alles, was den Menschen erwartete?

Niniel klammerte sich am Zaumzeug ihres Pferdes fest. Das also war der Krieg, von dem alle gesprochen hatten. Groß und heldenhaft waren die Kriege in den Sagen, aber von dem war kein Wort gewesen. Alle Helden hatten Orks getötet, um die Menschheit zu retten. Aber wer war gekommen diese Menschen zu retten? Niemand! Niemand!

Niniel beschleunigte nochmals ihren Schritt. Sie war erleichtert, als sie eines der anderen Tore erreichte und auf die Wiesen hinaus blickte. Aber der Gestank war noch immer da, unerträglich und drückend. Er würde Niniel nie wieder verlassen. Die Toten würden sie nie wieder verlassen. Die ersten Toten, die man gesehen hatte, vergaß man nicht. Sie kamen immer wieder...

Das Mädchen kletterte in den Sattel hinauf. „Bring mich hier weg, Elwing. Du hattest Recht, wir hätten nicht hier her kommen dürfen." Niniel hatte die Wort kaum ausgesprochen, da galoppierte Elwing davon, immer dem Sonnenuntergang entgegen die Straße entlang. Niniel wusste nicht, ob sie noch auf dem richtigen Weg waren, aber im Moment zählte nur, dass sie von hier weg kamen.

Elwing verlangsamte seinen Schritt erst wieder, als es schon lange dunkel geworden war. Niniel hielt sich nur noch mühevoll im Sattel, aber wenigstens diese Nacht musste sie noch durchhalten. Sie durfte erst wieder ruhen, wenn sie ein sicheres Dorf gefunden hatte. Das Erlebnis des letzten Tages, hatte gezeigt, dass sie tatsächlich hier waren: Orks.

Niniel hatte diesen Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als sie vor sich auf der Straße ein Geräusch hörte. Es war der rythmische Klang von Marschierenden auf der Straße. Stiefel, Metall und fremde Rufe verbanden sich zu einem unheimlichen Konzert. Niniel zügelte ihr Pferd und blickte sich um. Es war kein schützendes Versteck in Sicht, nur weite Felder. Sie begriff, dass sie Straße verlassen musste. War sie schnell genug, dann sah man sie im Schatten der Nacht vielleicht nicht.

Niniel hörte die Stimmen näher kommen. Es war eine fremde Sprache, rau und hart und Niniels ungutes Gefühl verstärkte sich noch mehr. Sie begriff, wer dort die Straße hinunter kam. Waren es dieselben, die schon einmal durch diese Gegend gezogen waren, oder waren es andere? Niniel wusste es nicht, aber eines hatte sie schnell erkannt. Was dort vorne auf sie zukam, war nicht menschlich. „ORKS!"schoss es ihr durch den Kopf. Sie gab ihrem Pferd die Sporen und galoppierte in die Nacht hinaus.

Doch zu spät. Die Gruppe der Orks war im selben Moment um die Wegbiegung gekommen und hatte sie entdeckt. Niniel konnte ihre Sprachen nicht verstehen, aber sie konnte ihren aufgeregten Schreien entnehmen, dass man sie entdeckt hatte. „LAUF; ELWING! LAUF!"schrie sie verzweifelt und heizte sie ihr Pferd an. Und Elwing rannte, rannte so schnell, dass sie sich kaum im Sattel zu halten vermochte.

Niniel hörte das Getrampel der schweren Stiefel hinter sich, hörte das Rasseln der Säbel. Zwei Pfeile sausten an ihrem Kopf vorbei. Die Schreie hinter ihr wurden immer lauter und wütender und ihr Klang immer härter und durchdringender. Obwohl die Orks über das feine Gras Rohans rannten, hallten ihre Schritte scharf in der Nacht wieder, durchschnitten die Stille, wie scharfe Messerklingen.

„Lauf... WIR SCHAFFEN ES! LAUF ELWING!"Niniel klammerte sich am Pferd des Halses fest. Sie konnten ihr doch nicht ewig folgen, nicht bei diesem Tempo. Und tatsächlich wurden die Schreie und Schritte leiser und Niniel war kurz davor erleichtert aufzuatmen, als ein stechender Schmerz ihre Schulter durchschnitt. Niniel konnte ihre Hand nicht vom Hals des Pferdes nehmen, um zu ertasten, wo der Schmerz her kam, denn dann wäre sie vermutlich herunter gefallen. NIniel stöhnte auf. Sie musste all ihre Kraft zusammen nehmen, um nicht ohnmächtig zu werden. Der Schmerz zog ihren ganzen Arm herab. Stach ihr in der Brust und sie konnte spüren, wie ihr Hemd unter dem Lederharnisch nass wurde. Trotzdem hielt sie nicht an, zwang sich weiter zu reiten...

Irgendwann war es ganz still und ohne Niniels Zutun verlangte Elwing seinen Schritt. Niniel sank stöhnend vom Rücken ihres Pferdes ins weiche Gras herab. Ihr ganzer Oberkörper schmerzte und ihre Oberschenkel waren vom langen Reiten wund gescheuert. Niniel fasste sich mit der rechten Hand an ihre linke Schulter. Ein Pfeil hatte sie durchbohrt. Als Niniel ihn berührte, durchzuckte sie ein Schmerz, brennend wie Feuer, wie ein Blitz... Niniel schrie auf. Tränen traten ihr in die Augen. Verzweifelt sackte sie in die Knie. „Was mache ich denn jetzt... was mache ich denn jetzt?" schluchzte sie laut, „ich weiß ja nicht einmal wo ich bin.. und ... und ich brauche doch Hilfe..." Niniel spürte den Instinkt laut nach Hilfe zu schreien, aber sie würgte ihren Schrei hinunter, ihre Angst die Aufmerksamkeit dieser scheußlichen Kreaturen auf sich zu lenken, war größer als der Schmerz und die Verzweiflung. „Wäre ich doch zu Hause... Thengwyn, was mache ich den jetzt... Vater... Vater bitte hilf mir doch... lass mich doch hier nicht sterben."Niniel barg weinend ihr Gesicht in ihren Händen. Sie wusste nicht mehr was sie tun sollte. In zwei Tagen, nur zwei kurzen Tagen, war alles zerstört worden, an das sie geglaubt hatte: ihre Familie, ihr Glaube an die Liebe und die Hoffnung... und nun kniete sie hier mitten in der Nacht im feuchten Gras, blutend und voller Angst zu sterben. Niniel weinte bitterlich.

Wann ihre Tränen versiegten und sie einfach nur noch stumm da saß, konnte Niniel hinterher nichtr mehr sagen. „Du musst ihn hinaus ziehen", versuchte sie sich einzureden, „aber ich kann nicht", sagte die andere Stimme in ihr. Niniel wiegte sich immer wieder vor und zurück... der Schmerz brannte immer schlimmer. „Ich kann nicht", flüsterte sie, „kann... kann nicht mehr."

Irgendwann stupste Elwing sie vorsichtig an, als wollte er sie trösten und Niniel begann seine Nüstern zu streicheln. „Was soll ich nur tun?" Niniel sah ihr Pferd an. Elwing schnaubte. „Du meinst ich muss ihn hinaus ziehen und dann weiter reiten, nicht wahr?"Elwing schnaubte erneut, so als hätte er sie verstanden.

Niniel umfasste den Pfeil, schon diese Berührung war so schmerzhaft, dass sie am liebsten wieder losgelassen hätte. Dann schloss sie angestrengt die Augen, kniff sie zusammen und zog. Mit einem heftigen Ruck riss sie den Pfeil heraus. Niniel schrie auf und von der Woge des Schmerzes übermannt brach sie zusammen und verlor das Bewusstsein...

Niniel rannte, rannte über die Wiesen. Sie war vielleicht zehn Jahre alt. Übermütig rannte sie auf ihren Vater zu. „Vater!" kreischte sie vergnügt, als sie sich ihm in die Arme warf und er sie wild durch die Luft wirbelte, immer schneller, bis ihr ganz schwindelig war. Dann setzte er sie ab, hielt sie aber fest, damit sie nicht umfiel... Der Griff wurde hart und fest. Jemand umklammerte sie mit aller Gewalt. Hielt sie an der Schulter fest, dass es vor Schmerz brannte. Niniel sah auf und sah in Gareths Gesicht. Er lachte und bleckte dabei die Zähne. Sabber lief ihm aus dem Mund...

Schreiend schreckte Niniel schreckte schreiend hoch, ihre Schulter schmerzte noch immer und für einen Moment wusste sie nicht wo sie war. Doch dann dämmerte es ihr: Es war dunkel... Nacht und der Schmerz... Niniel betrachtete den Pfeil in ihrer Hand. Wütend schleuderte sie ihn in die Nacht hinaus. Sie durfte nicht weinen, sie durfte keine Schwäche mehr zeigen, so wie ... Niniel konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wie lange es her gewesen war, dass Gareth sie angefasst hatte. Es kam ihr vor wie Wochen. Niniel zwang sich aufzustehen. Sie hatte geschworen nie wieder Schwäche zu zeigen und bei der nächstbesten Gelegenheit brach sie einfach zusammen... nein, das durfte nicht sein. Niniel ergriff Elwings Sattel und zog sich daran hoch. Sie stand sehr wackelig auf den Beinen. „der Blutverlust...", dachte sie. Während Niniel sich mit der linken, schmerzenden Hand am Sattel festhielt zog sie mit der rechten eines ihrer Kleider hervor, klemmte es sich zwischen die Zähne und zerriss es in kleine Streifen. Einen der Streifen wickelte sie sich um die verletzte Schulter, nachdem sie sie mit ein wenig Wasser gewaschen hatte. Es brannte. Den restlichen Stoff verstaute sie wieder hinter dem Sattel, sie würde vermutlich noch einiges an Verbandszeug brauchen. Sie konnte nur hoffen, dass sich die Wunde nicht entzündete.

Danach setzte sie sich ins Gras, lehnte sich an eines von Elwings Beinen und ruhte, ohne zu schlafen. Es war zwar riskant bei tageslicht zu reiten, schließlich war sie dann viel besser zu sehen, aber ohne Straße in der Nacht, würde sie sich hoffnungslos verirren. Erst im Morgendämmern kletterte sie wieder in Elwings Sattel. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, um sie herum drehte sich alles, ihre Schulter brannte und sie war müde, unendlich müde... Schlafen, nur schlafen...

Mit schwacher Stimme befahl sie Elwing loszureiten. Das Pferd ging langsam und behutsam. Eigentlich hatte Niniel gedacht das Pferd zur Straße zu lenken, aber ein Schleier hatte sich vor ihre Augen gelegt und sie konnte kaum ihre Umgebung erkennen und so überließ sie dem Pferd die Führung. Niniel zitterte vor Kälte und sie wickelte ihren Mantel enger um sich.

Sie wusste nicht wie lange sie ritten, aber es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Die Sonne war nun ganz aufgegangen und ihre Strahlen schienen warm, aber Niniel fröstelte noch immer. Sie klammerte sich so gut es ging am Pferdehals fest. Die Orientierung hatte sie schon lange verloren. Sie zitterte und es viel ihr immer schwerer sich im Sattel zu halten. Was war nur los mir ihr? Vielleicht hätte sie etwas essen sollen, doch schon bei dem Gedanken an Essen wurde ihr schlecht. Nicht einmal Durst hatte sie mehr. Niniel spürte bereits nicht mehr, dass sie dem Leben immer mehr entglitt.

Gegen Mittag rutschte sie kraftlos den Sattel hinab und fiel bewusstlos ins Gras...