Christine
Christine
stellte die benutzte Schüssel in die Küche und warf
die Handtücher in
das dafür
vorgesehene Schmutzwäschekörbchen das in ihrem Zimmer
stand.
Dort verharrte sie eine Weile. Erst jetzt wußte sie
zu schätzen wie
liebevoll Erik dieses Zimmer für
sie eingerichtet hatte. Alles hier passte zu
ihrem Wesen. Nichts
wirkte aufgesetzt oder unpassend, so wie das überladene
Brautkleid
das sie trug oder die Frisur die Marie ihr am heutigen Morgen
verpasst
hatte.
Sie stellte sich vor den mannshohen
Spiegel der ihrem Bett gegenüberstand und
zog mit
flinken Fingern die letzten Nadeln die ihre Frisur noch
halbherzig
hielten heraus.
Endlich fielen ihre Haare wieder
offen und glänzend über ihren Rücken und
sie
schüttelte leicht den Kopf um die dunklen Locken
ein wenig zu entwirren.
Es kostete sie einige Mühe die
unzähligen Häkchen an der Rückseite des Kleides
alleine zu öffnen doch nach einigen Versuchen gelang es ihr und
sie streifte das Kleid
und die unzähligen Röcke ab.
Dann
besah sie sich das Ergebnis im Spiegel. Nun trug sie nur noch
ihre
Chemise, das Korsett und einen der Unterröcke der
mit zarten Spitzen ihre Knöchel
umspielte. Sie war eine
Andere aber doch wieder mehr sie selbst als noch vor ein
paar
Stunden. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie ihrem
Spiegelbild in die Augen sehen ohne verschämt den Blick
abzuwenden.
Sie fühlte sich sinnlich und schön und dies
durch die Liebes dieses außergewöhnlichen Mannes der ein
Stockwerk über ihr auf sie wartete.
Die Zeit der Unschuld war
für sie vorbei und den neuen Weg den sie nun
beschreiten
würde, beschritt sie voller Stolz und Freude.
Sie suchte in
ihrem Schrank nach dem spitzenbesetzten Morgenmantel den sie
bei
ihrer ersten Begegnung getragen hatte und zog ihn über
als sie ihn gefunden
hatte.
Sie warf einen letzten Blick
auf ihr Spiegelbild und war mit ihrem Aussehen zufrieden. Dann
machte sie sich wieder auf den Weg nach oben.
Erik hatte nicht
bemerkt wie sie die Tür geöffnet hatte und sie blieb
eine
Weile still im Türrahmen stehen um ihn zu
beobachten.
Ein wenig Farbe war in sein Gesicht
zurückgekehrt und Christine zweifelte nicht
mehr daran dass
er sich mit ihrer guten Pflege vollkommen erholen würde.
Doch
auch ihre Seele dürstete es nach liebevoller Pflege.
Seine
Bewegungen waren geschmeidig und fließend trotz der
Verletzung seines
Armes.
Wie hatte sie jemals etwas anderes in
ihm sehen können als denMann der er war.
Erik stand vor
seinem Kleiderschrank und war gerade dabei sich ein neues
Hemd
herauszunehmen.
Geräuschvoll schloss sie die Tür
und augenblicklich drehte er sich zu ihr
herum.
Erik
Als
er sah dass sie sich umgezogen hatte hielt er unbewusst den Atem
an.
Langsam kam sie auf ihn zu und nahm ihm das gerade
gefundene Hemd aus der Hand.
"Das steht dir aber viel
besser!" sagte sie mit einem verführerischen Lächeln
und fuhr ihm mit ihrem rechten Zeigefinger sanft über
die Brust.
Gerade hatte er seinen rebellierenden
Körper wieder unter Kontrolle gebracht
und ihre kurze
Abwesenheit hatte einen Teil seiner Befangenheit
zurückgebrach.
Doch sein Begehren flammte erneut züngelnd
auf als Christine ihn berührte.
Anstatt zu antworten holte er
nur tief Luft und schluckte schwer.
Sie musste über
seine Unsicherheit lächeln doch diesmal würde er den
Weg nicht alleine suchen müssen, sie würde ihn führen.
"Sag
mir warum du in der Kirche warst, Erik."
"Um dich
frei zu geben, mein Engel, und dann mein verfluchtes Leben
endlich zu
beenden!" Seine Stimme drohte jeden Augenblick zu
brechen.
Sie stand so nah bei ihm, zu nah um klar denken zu
können.
Er spürte die Wärme ihres Körpers auf
seiner eigenen Haut und wieder hüllte ihr
Duft ihn ein.
Tief sog er ihn in sich auf.
Warum
war ihm dieses Glück so lange verwehrt worden?
"Aber
woher wusstest du dass ich immerzu an dich denken musste?"
Er
beugte sich ein Stück weiter zu ihr herunter und flüsterte
verschwörerisch in ihr Haar.
"Aus deinen Briefen, mon
amour!"
"Meine Briefe?" Ungläubig weiteten
sich ihre Augen.
"Ja. Warte!"
Ihr Blick folgte
ihm als er zu seinem Nachttisch ging und ein Bündel
Papier
hervorkramte.
Die einzelnen Bögen waren aus vielen
kleinen Stücken Papier zusammengesetzt
worden und an machen
Stellen fehlten einige Stücke.
Ohne ein weiteres Wort
reichte er ihr die Blätter und sie konnte nicht fassen
dass dies
wirklich die Briefe waren die sie jede Nacht an ihn
geschrieben hatte.
"Aber wie kommst du an diese Briefe!"
"Ich
war jeden Morgen auf dem Anwesen um dir zuzusehen wie du sie in
alle
Winde verstreust. Durch Zufall hatte ich erfahren daß du
noch immer in
Paris warst und in wenigen Wochen in der Madeleine
heiraten würdest.
Ich musste mich einfach davon überzeugen
daß Raoul dich gut behandelte bevor
ich…?"
Er
brach ab.
"Dann weißt du ja alles. Alles was mich in
den letzten Wochen bewegte. Du weißt
von den Gefühlen
die mein Herz zu zerreißen drohten und daß ich mir
wünschte zu
dir zurückzukehren. Aber ich fühlte
mich Raoul gegenüber zu sehr verpflichtet.
Auch wenn ich ihn
in den Wochen die ich im Palais verbracht habe, mehr als
einmal
sinnlos gequält habe. Aber bin ich eine wankelmütige Frau
nur weil ich zu spät
erkannt habe welcher Mann wirklich ein
Teil von mir ist? Bin ich deswegen ein schlechter
Mensch?"
Sie
schüttelte den Kopf als wolle sie diese Selbstvorwürfe
vertreiben.
"Wie kann ich mich mit der Liebe eines Menschen
zufrieden geben, wenn ich die Liebe
eines Engels bereits
erfahren habe?"
Sie streckte die Arme nach ihm aus und
endlich gab er seinen Gefühlen nach und
schloß sie fest
in die Arme.
Christine vergrub ihr Gesicht an seiner
Brust und schmiegte sich eng an ihn.
Er
konnte ein leises Knurren nicht unterdrücken.
"Ma vie,
ich möchte nur nicht, dass du in diesem Moment eine
Entscheidung
triffst die du später bitter bereust. Ich
könnte dir niemals ein Leben bieten wie
Raoul de Chagny. Du
würdest niemals so normal leben können wie du es
verdienst.
Mit mir wählst du ein Leben im Verborgenen.
Willst du das wirklich!"
Wider einmal gab er ihr die
Gelegenheit zu gehen.
Doch Christine nickte
vehement.
"Ich will Erik, ich will!" Eigentlich
hätte sie diese Worte heute an einen
anderen Mann
richten sollen und doch sagte ihr ihr Gefühl dass der
richtige Mann
sie empfing.
Sie schlang ihre Arme um seinen
Hals und zog seinen sanft Kopf zu sich herunter.
„Ich liebe dich, Erik!"
Dann
lagen ihre Lippen warm und unendlich weich auf den seinen und
noch während
sie ihn küsste tastete ihre linke Hand
nach seiner Maske und nahm sie ihm ab.
Zuerst bemerkte er es gar
nicht. Viel zu sehr war er versunken in ihrem Kuss.
Dieser
Kuss war anders als der den er bereits mit ihr geteilt
hatte.
Er war leidenschaftlich, sinnlich und als ihm bewusst
wurde dass er nicht mehr
durch die starre Maske von Christine
getrennt war fühlte er ihn umso intensiver.
Doch ein
altbekannter Schrecken bemächtigte sich seiner. Der
Schrecken der ihn
immer heimsuchte wenn er die Maske abnahm
oder sie ihm gewaltsam entrissen
wurde.
Nun war es an ihr ihm
die Angst zu nehmen. Sie löste sich sanft von ihm um
ihm
direkt ins Gesicht sehen zu können.
"Die brauchst
du nun nicht mehr. Es gibt nichts was du vor mir verstecken
musst!"
Sie strich mit ihren zarten Finger über sein
Gesicht und ihre Lippen folgten
der Spur ihrer Finger.
All
seine Angst löste sich in nichts auf und wenn sie ihn nun
noch einmal küsste
wäre es um seine Selbstbeherrschung
geschehen. Und genau das tat sie, hungrig
und fordernd.
Ihre
kleinen Hände waren überall auf seiner Haut und
schienen sie dort zu
entzünden wo sie ihn berührt hatte.
Sein ganzer Körper stand lichterloh in
Flammen und sein
Blut rann, einem Lavastrom gleich durch seine Adern.
Noch
während er sich ihren schlanken weißen Hals
hinabküsste, ihre Haut
schmeckte, hob er sie auf seine Arme
und trug sie hinüber zu seinem Bett wo er
sie sanft in
die Kissen bettete. Er spürte ihr wildes Herzklopfen in
seinem
eigenen Körper widerhallen und als sie ihn in
ihre Arme zog wußte er dass
dieses Mal alles gut
werden würde.
