Hallo, ihr Leser da draußen,

schön, dass Ihr auch in Kapitel drei noch dabei seid :o)

Ach ja. Der Wolf im Mann. Dem konnte ich noch nie widerstehen. Ich wollt's nicht, ehrlich, aber da kam er so in den Plot spaziert mit seiner Kamelstrickjacke und dem netten Lächeln, und ich bracht's nicht übers Herz, ihn wieder weg zu schicken… So be it.

Soundtrack:

Sergej Rachmaninoff, Klavierkonzert Nr. 2 in C-Moll, Opus 18, Zweiter Satz: Adagio sostenuto

Und nun viel Spaß :o)

3. DAS SELTSAME HAUS

Es war die reine Verzweiflung, die mich dazu befähigte, durchzusetzen, dass wir nicht apparierten. Ich hasse Apparieren ohnehin, ich bin auch nicht sehr gut darin, aber die Vorstellung, dass Snape mit dem Doppelstab einen Zauber sprechen würde, verlieh mir ungeahnte Kräfte.

Wir reisten per Floo. Nicht, dass ich das lieber hätte als Apparieren, aber zumindest funktioniert es ohne Stab. Und es waren einige Kamine, die ich an diesem Tag zu Gesicht bekam. Der letzte führte in eine große Halle. Snape war voran gegangen, er hatte mir eingeschärft, ihm zehn Atemzüge Vorsprung zu lassen, und ich tat ihm den Gefallen, er schien das Übermaß an Körperkontakt in unserem ersten Kamin noch nicht verkraftet zu haben, als ich zu dicht hinter ihm war und ihm praktisch auf den Schoß floote.

Es war ziemlich dunkel, und mir war schwindelig.

„Professor Snape?" fragte ich in die Richtung, in der ich einen Schatten sich bewegen sah, und zerrte an meiner Robe, die an einem Vorsprung hängen geblieben war.

„Schschscht!" zischte er irgendwo vor mir.

Dreckige Bastarde! Wagt es nicht, eure schmutzigen Füße in mein Haus zu setzen! Schmutzige verräterische Hundesöhne, Abschaum der Gosse, inzestuöse Idioten…"

Die Frauenstimme war schrill und überschlug sich mehrfach, und sie war laut. Entsetzt ließ ich meine Robe los und schlug mir die Hände über die Ohren.

„Professor Snape!" schrie ich. „Hilfe! Wo haben Sie mich hingebracht?"

Noch mehr Schatten kamen dazu, Leute stürmten in die Halle. Dann ging das Licht an. Mir gegenüber an der Wand sah ich ein überlebensgroßes Portrait einer grimmigen Frau, die schrie, was ihre gemalten Lungen hergaben. Vor dem Portrait war ein dicker, samtener Vorhang angebracht, den jemand gerade nach Kräften zu schließen versuchte, doch er schien sich irgendwie verhakt zu haben.

„…räudige Ratten, Abschaum auf einer Kloake, Fehlgeburten einer schwachsinnigen Hündin…"

Die Hände über meinen Ohren halfen nur wenig. Snape stand einige Schritte von mir entfernt, er schien einfach abzuwarten. Jemand kam in meine Richtung, ein schlanker Muggel mit welligem braunem Haar, er lächelte mich freundlich an und streckte mir die Hand entgegen. Ich war nicht bereit, die Hände von den Ohren zu nehmen, ich deutete mit dem Kinn auf meine Robe, die sich in einer schmiedeeisernen Kaminumrandung aufgespießt hatte. Er nickte und ging in die Hocke, um mich zu befreien.

Die Hasstirade erstarb.

„Merlin" flüsterte eine mollige rothaarige Hexe, deren Gesicht mir irgendwie bekannt vorkam. „Wie mir das Theater auf die Nerven geht! Hallo, Severus."

Der Mann, der die Vorhänge vor dem Gemälde endlich hatte schließen können, drehte sich um und wischte sich eine lange, dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Manchmal denke ich, sie hat recht mit jedem Wort, das sie sagt" sagte er sanft und musterte Snape. Ich erkannte ihn sofort. Es war der Junge mit der Mistbombe. Ich saß in meinem Kamin und sah von einem zum anderen. Was ich sah, hatte Flecken. Ich nahm meine Brille ab und wischte mit dem Ärmel einige Russflöckchen ab, bevor ich sie wieder aufsetzte. Ich hätte wirklich gerne ein paar Erklärungen gehabt.

„Kommen Sie" sagte der Muggel und half mir in die Höhe. In der Gesäßtasche seiner ausgeleierten, abgewetzten Cordhose steckte ein Zauberstab. Ich revidierte meine Einschätzung.

„Leise, bitte" flüsterte der Muggelzauberer mir zu. „Es fängt sonst von vorne an."

Er führte mich aus der düsteren Halle hinaus, ein paar Steinstufen hinunter und in eine warme, hell erleuchtete Küche, die nach Essen duftete. Ich war so müde und gestresst, ich wäre beinahe in Tränen ausgebrochen. Ich fühlte mich etwas verloren unter all diesen Leuten, die ich nicht kannte.

„Jetzt können wir" sagte der Muggelzauberer in normaler Lautstärke, die Hand noch auf meiner Schulter, und lächelte mich an. Ich fand ihn nett, ich hielt mich an seinem Lächeln fest und schaffte sogar ein eigenes.

„Remus Lupin" sagte er. „Und Sie sind…?"

„Emilia Liguster" sagte ich. „Die neue…"

„Tränkemeisterin aus Deutschland. Ja, genau."

„Ich sehe, mein Ruf ist mir voraus geeilt" sagte ich etwas müde.

„Kein Grund zur Sorge" sagte die dreißig Jahre ältere Ausgabe des Jungen mit den Mistbomben, der hinter uns die Treppe hinunter gekommen war. Er wirkte wie jemand, der schlecht isst und wenig an die frische Luft kommt, aber trotzdem schaffte er es noch, unglaublich gut auszusehen. Ich begann, mich wohl zu fühlen.

„Neuigkeiten verbreiten sich schnell, wenn ansonsten wenig zu tun ist" fügte er hinzu und schenkte mir ein sehr charmantes Lächeln. „Sirius Black. Freut mich sehr. Ich bin mir sicher, Sie werden der bisher eher unattraktiven Kunst des Tränkebrauens in Hogwarts ein ganz neues Glanzlicht aufsetzen."

„Danke" sagte ich unsicher und warf einen Blick auf Snape, der an uns vorbei in die Küche rauschte und sich mit verschränkten Armen zwischen Tisch und Ofen aufbaute.

„Genug der Höflichkeiten" sagte er. „Wir sind nicht zu unserem Vergnügen hier."

„Er schon gar nicht" erklärte Black mir. „Er ist zu etwas wie Vergnügen gar nicht fähig."

„Jemand soll den Hund Gassi führen" sagte Snape eisig, ich verstand den Sinn nicht, aber Black wohl schon, denn er fletschte die Zähne in einem wölfischen Grinsen.

„Setzt euch, setzt euch" sagte die rothaarige Hexe, die als letzte die Treppe herunter gekommen war, nahm mich bei den Schultern und drückte mich auf einen Stuhl am Tisch.

„Molly Weasley" sagte sie und schüttelte mir herzlich die Hand. „Freut mich wirklich, Sie kennen zu lernen. Vielleicht finden Sie ja später etwas Zeit und schildern mir den ersten Eindruck, den Sie von meinen Kindern gewonnen haben. Sie sind nicht gerade geniale Tränkebrauer, befürchte ich, aber sie arbeiten hart."

Snape schnaubte.

„Deine Meinung kenne ich, Severus" sagte sie ungerührt. „Deshalb frage ich dich gar nicht erst."

„Also" sagte Lupin und sah erwartungsvoll zwischen Snape und mir hin und her. „Was verschafft uns denn das Vergnügen?"

Snape, der sich als einziger nicht mit um den Tisch gesetzt hatte, zog den Doppelstab aus dem Ärmel und schmiss ihn auf den Tisch, vollführte dann eine seiner abgezirkelten Drehungen, die ihn ans Fenster brachte, und starrte hinaus auf einen feuchten, schmutzigen Hinterhof.

Lupin zog Luft durch die Zähne und strich sich über die schlecht rasierten Wangen. Black verbreiterte sein wölfisches Grinsen.

„Sieh an" sagte er zu Lupin. „Hättest du das gedacht? Im tiefsten Inneren seiner verkrüppelten Seele ist er ein Romantiker."

„Na, aber" sagte ich unangenehm berührt, und er machte eine im Sitzen angedeutete Verbeugung in meine Richtung.

„Tee, irgend jemand?" fragte Molly Weasley.

„Ja" sagte ich dankbar. „Gerne."

Sie wedelte mit ihrem Stab, und ein Küchenschrank flog auf. Wie fliegende Untertassen zischte Geschirr in unsere Richtung, vor jedem von uns kam eine Tasse schlitternd zum Stehen, dann, wie das zugehörige Mutterschiff, landete gemächlich und schnaufend der Teekessel zwischen uns.

Molly schenkte ein, während Lupin sich immer noch nachdenklich übers Kinn strich.

„Das ist wirklich ein Problem" sagte er.

„Die Einschätzung trifft es" sagte Snape vom Fenster.

„Wie ist es denn passiert?" fragte Lupin.

„Durch pure Dummheit" sagte Snape und warf mir über die Schulter einen Habichtblick zu.

„Sehen Sie nur zu, dass Sie es mich keine fünf Minuten vergessen lassen" sagte ich müde.

„Falls ihr gehofft hattet, Dumbledore zu treffen, er ist nicht hier" sagte Molly.

„Das weiß ich" sagte Snape ungeduldig.

„Wart ihr schon bei Olivander?" fragte Lupin.

„Natürlich" sagte Snape.

„Vielleicht erzählt ihr uns mal die ganze Geschichte" schlug Lupin vor.

Ich wusste, bei der nächsten bösartigen Bemerkung würde ich zusammenbrechen wie die Zweitklässlerin am Dienstag, deshalb ergriff ich das Wort, ehe Snape es tun konnte.

„Wir haben die Stäbe zu nahe aneinander gebracht" sagte ich. „Sie sind aufeinander zu geflogen, und dann ist das hier passiert."

„Eine Conjunktio" sagte Molly, immer noch erstaunt. „Ich habe noch nie eine gesehen."

„Das sagte Olivander auch."

„Er hätte noch nie eine gesehen?"

„Ja."

Das ist wirklich ein Problem" sagte Molly. „Es gibt niemanden, durch dessen Hände mehr Zauberstäbe gegangen sind."

„Und wo genau liegt das Problem?" fragte Lupin. „Abgesehen davon, dass ein Stab für zwei Zauberer zu wenig ist?"

„Wir müssen ihn beide berühren, damit einer von uns zaubern kann" sagte ich.

„Wie überaus unangenehm für Sie" sagte Black zu mir. Ich ging lieber nicht darauf ein.

„Es geht noch weiter" sagte ich. „Wir können keine anderen Stäbe benutzen, so lange diese beiden verbunden sind. Sie binden unsere Zauberkraft, oder so ähnlich. Es klang ziemlich nach Esoterik, was dieser Olivander sagte, aber es stimmt leider. Wir könnten versuchen, mit jedem beliebigen Kugelschreiber Zauber zu werfen, es käme aufs Gleiche hinaus."

Olivander hatte noch mehr Esoterisches von sich gegeben. Etwas von der Seelenverbindung, die zwei Zauberer eingingen, wenn ihre Stäbe conjungierten, etwas von einem gemeinsamen, miteinander verschlungenen Schicksal. Ich hoffte, Snape würde es nicht erwähnen, wenn ich es nicht tat.

„Das heißt, Sie zaubern gemeinsam, oder gar nicht" sagte Lupin.

„Scharfsinnig, wie immer" sagte Snape vom Fenster.

„Willst du dich nicht setzen, Severus?" schlug Molly vor. „Ich spreche lieber mit deinem Gesicht als mit deinem Rücken."

„Nein" sagte Snape. „Es gibt einen Anblick an diesem Tisch, den ich mir ersparen will."

„Er meint nicht Sie" sagte Black zu mir. „Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie sich dafür interessieren, was er meint."

„Wie kommt so etwas?" fragte Lupin. „Sind die beiden Stäbe vom selben Baum?"

„Nicht nur das" sagte ich deprimiert. „Sie sind sozusagen Zwillinge. Die Greifenfedern in ihrem Inneren stammen vom selben Greif. Es sind… ziemlich mächtige Stäbe."

„Was erklärt, warum ich einen habe" warf Snape ein, ohne sich umzudrehen. „Allerdings nicht, warum Sie einen haben."

„Lass sie in Ruhe, Severus" sagte Lupin, und ich hätte mich spontan in ihn verlieben können.

„Natürlich habe ich meinen nicht bei Olivander's gekauft, sondern in Berlin, bei Hand & Holz" fuhr ich mit meiner Erklärung fort. „Er war gebraucht. Ein anderer Zauberer hatte einige Jahre mit ihm gearbeitet, bis er durch Zufall auf einen Stab stieß, der viel besser zu ihm passte. Er hat ihn in Zahlung gegeben, und so kam ich an ihn."

„Es ist immer so eine Sache mit Zwillingsstäben und ihren Besitzern" sagte Molly seufzend. „Ich muss euch wohl kaum an das prominenteste Paar erinnern, das mir zu dem Thema einfällt."

„Welches Paar?" fragte ich.

„Harry Potter und Der-Dessen-Name-Nicht-Genannt-Werden-Darf" sagte Molly mit gedämpfter Stimme.

„Ha" sagte Black. „Lasst uns das Fenster öffnen. Vielleicht springt er raus bei dem Gedanken, etwas mit Harry Potter gemeinsam zu haben."

Ich sah ihn an. Er war mir plötzlich nicht mehr so sympathisch. Ich fand, er hatte sein Niveau aus der Mistbomben-Zeit ganz gut beibehalten.

„Sirius" sagte Lupin und legte eine Hand vor die Augen. „Severus. Könnt ihr mal aufhören, aufeinander herum zu hacken? Lasst uns die Angelegenheit zu Ende besprechen, und dann geht raus in den Hof und hext euch gegenseitig, wenn euch danach ist."

„Ungern" sagte ich. „Es regnet."

Lupin nickte, sein Lächeln wirkte ein wenig gequält.

„Gibt es denn etwas, das man unternehmen kann?" fragte Molly. „Einen Zauber, ein Ritual?"

„Ja" sagte ich, „das gibt es wohl. Olivander hat uns zu diesem Zweck weiter geschickt, zu einem Kollegen, der seit Jahren im Ruhestand ist. Er gilt wohl als Experte auf dem Gebiet. Will Wandmaker, falls euch der Name etwas sagt. Der wusste etwas von einem Zauber. Man spricht ihn unter dem Ursprungsbaum, gibt sich die Hände, und die Stäbe lösen sich. Oder so ähnlich."

„Na also" sagte Lupin. „Das klingt doch machbar."

„Es gibt da noch eine Kleinigkeit" sagte ich niedergeschlagen.

„Was?" sagte er.

„Da, wo früher der Baum stand, ist jetzt ein Callcenter" sagte ich.

Meine Worte tropften in die Stille wie zähes Hundspech in einen Polyjuice-Trank.

„Merlins Bart" sagte Molly nach einer Weile.

„Mist" sagte Lupin.

„Was ist ein Callcenter?" sagte Black und sah interessiert von einem zum anderen.

„Ein Callcenter, Sirius, ist kein Baum" kam Snapes eiskalte Stimme vom Fenster, „und daher nicht interessant für dich."

„Ach, kommen Sie" sagte ich. „Sie haben es auch nicht gewusst, bevor ich's Ihnen erklärt habe."

„Sie kennen sich in der Muggelwelt aus?" fragte Molly interessiert.

„Meine Eltern sind beide Muggel" sagte ich. „Ich bin ein Muggel-Vollprofi, sozusagen."

„Wie schön" sagte sie strahlend. „Sie müssen sich mal mit meinem Mann unterhalten, sobald etwas Zeit und Ruhe ist. Er ist verrückt nach allem, was die Muggel betrifft."

„Gerne" sagte ich, ihr ruhiger Optimismus tat mir gut.

„Zeitdreher" sagte Lupin. „Klarer Fall, würde ich sagen."

„Ist Vollmond" sagte Snape, „oder warum hast du vergessen, dass Dumbledore ihn hat?"

„Sonntag Nacht ist Vollmond" sagte Lupin ruhig.

„Was uns zu unserem nächsten kleinen Problem bringt, nicht wahr?" Snape hatte offenbar endlich genug von der schmutzigen Mülltonnenlandschaft, er drehte sich in den Raum, seine Roben rauschten. Ein Teil von mir überlegte, ob er sie wohl behext hatte, damit sie bei der kleinsten Bewegung so um seine Beine wallten.

„Sonntag Abend wird die abschließende Beschwörung fällig, oder ich kann meine Nudelsuppe wegschütten" sagte er mit dieser Seidenhandschuh-Stimme.

„Das ist noch das geringste Problem" sagte ich. „Sie können zaubern, schon vergessen? Ich muss nur Händchen halten." Ich war ein wenig vorschnell gewesen, das merkte ich, noch während ich sprach. Ich sah mich selbst, säuberlich eingemacht wie Apfelkompott, auf dem Schlangenschrank stehen. Ich schluckte.

„Machen Sie sich nicht lächerlich" sagte Snape. „Wir sprechen nicht von einem simplen Accio oder Lumos. Ich kann unmöglich den Stab so präzise führen, wie es nötig ist, wenn Sie mit Ihrer ganzen Grazie da dran hängen."

„Ich halte das auch eher für eine Notlösung" sagte Lupin. „Ich nehme an, es gibt keine Aufzeichnungen über einen vergleichbaren Fall. Ich möchte nicht wissen, was der Trank unter solchen Umständen für Nebenwirkungen entwickelt, und ob er überhaupt funktioniert."

„Wann wird Dumbledore zurück erwartet?" fragte Molly.

„Mittwoch" sagte Black.

„Ich darf euch erinnern, dass ich jederzeit zu einer anderen Art von Treffen gerufen werden kann" sagte Snape, und wieder einmal wusste ich nicht, wovon er sprach. „Und dort kann ich weder ohne Stab, noch in Begleitung der jungen Dame auftauchen. Eine schnelle Lösung ist von vitaler Bedeutung."

Die Küche verfiel in Schweigen.

„Wir sollten abwarten, was Wandmakers abschließendes Urteil ist" sagte ich. „Er wollte im Laufe des Abends noch mal vorbei flooen. Er sagte, es gäbe eine leise Hoffnung, dass vielleicht nur der Ort ausreichend ist, an dem der Baum mal gestanden hat. Er wollte einen Text raussuchen und die genauen Umstände nachlesen."

„Na, dann lasst uns hoffen" sagte Molly. „Inzwischen bleibt ihr beiden zum Abendessen, nehme ich an?"

Es war mir mehr als unangenehm, mit diesem Mann zu wir beide zusammengefasst zu werden. Ich hob ratlos die Schultern. Genau genommen wusste ich nicht mal genau, wo ich da eventuell zum Abendessen blieb. Ich wusste nur, ich war müde und gestresst und brauchte dringend eine Pause. Der Nachmittag mit Snape hatte mich wirklich aufgebraucht.

„Wir bleiben, bis wir die Beschwörung haben" verfügte Snape. „Dann leiten wir die nötigen Schritte ein."

„Die einzigen Schritte, die ich heute noch einleite, führen mich in ein Bett" sagte ich. „Ich bin fertig. Es war ein wirklich langer Tag."

„Die Länge eines Tages ist exakt auf vierundzwanzig Stunden definiert" ließ er sein Gift auf mich herab tropfen. „Sie täten gut daran, Ihr Durchhaltevermögen darauf einzustellen."

„Und Sie müssten sich mal selbst zuhören, dann wüssten Sie, dass sich in Ihrer Gegenwart jede Stunde wie eine Woche anfühlt" schnappte ich, und Lupin neben mir versteckte ein Lächeln hinter seiner Hand.

Snape musterte mich mit seinen kohlschwarzen Augen, ich hatte mittlerweile begriffen, dass er die Einschüchterungs-Nummer immer brachte, wenn ich ihn um eine Antwort verlegen gemacht hatte. Das nahm der Situation etwas von ihrem Schrecken.

„Werden Sie mir nicht lästig" zischte er.

„Oder was?" sagte ich entnervt. „Verhexen Sie mich? Na, versuchen Sie's doch."

Er griff nach dem Doppelstab.

„Was tun Sie?" fragte ich alarmiert.

„Ich befreie Sie von meiner ätzenden Gegenwart" sagte er glatt, den Doppelstab in der Hand und im Begriff, ihn im Ärmel zu verstauen.

„Momentchen" sagte ich. „Ich lasse Sie doch nicht mit meinem Stab in einem Haus herum wandern, das ich nicht mal kenne."

„Es ist Ihr eigenes Verschulden, dass ich Ihren Kochlöffel zusammen mit meinem Stab bei mir tragen muss" erinnerte er mich.

Ich hatte die Nase voll. Ich sprang auf, hechtete über den Tisch auf ihn zu und packte das Ende des Stabes, bevor es in seinem Ärmel verschwinden konnte.

Accio Stab!" schrie ich.

Da ist wieder der Junge mit den schwarzen Augen. Er ist älter geworden, zwölf oder dreizehn. Er ist in die Länge geschossen und hat dabei vergessen, in der Breite zuzulegen. Er sitzt auf einem Fensterbrett und sieht hinaus, draußen wird es schon dunkel. Ein aufgeschlagenes Buch liegt auf seinen Knien. Seine dünnen Finger spielen mit dem Zauberstab, den er im Arm hält wie andere eine Katze oder ein Kaninchen. Er sieht furchtbar unglücklich aus.

Dann geht das Licht an, und sein blasses, mageres Gesicht spiegelt sich plötzlich in der Fensterscheibe. Er fährt zurück, betrachtet sich für einen Augenblick, zupft an seinen halblangen, schlecht geschnittenen Haaren und wendet dann den Blick ab.

„Transformatio Natrix" sagt er zu dem Buch, das auf seinen Knien liegt, und tippt es zart mit seinem Stab an. Das Buch streckt sich, wird schmäler, ringelt sich auf und gleitet als dunkel schillernde Schlange von seinem Schoß hinunter auf den Boden, wo sie sich unter das nächste Bücherregal flüchtet.

Machen Sie das rückgängig!" fährt ihn eine scharfe Stimme an. Die Bibliothekarin erscheint zwischen den Regalen, eine sehr viel jüngere Madam Pince, er zuckt zusammen, hat sie offenbar nicht kommen hören. „Das ist Schuleigentum! Was denken Sie sich eigentlich?"

Nur ein wenig Abwechslung, um die Langeweile zu vertreiben" sagt er glatt. „Keine Sorge. Sie bekommen es unbeschadet zurück."

Beeindruckende Sprucharbeit" sagt sie und äugt vorsichtig unter das Regal.

Lassen Sie sie in Ruhe" sagt er, es klingt wie ein Befehl. „Sie kommt von selber raus, sobald es dunkel ist."

Sie richtet sich auf und sieht ihn an, nicht unfreundlich.

Severus" sagt sie. „War das nicht Ihr Name?"

Ja" sagt er.

Warum sind Sie nicht in der Großen Halle beim Essen?" fragt sie.

Kein Interesse" sagt er schroff. Sie sieht ihn an, kopfschüttelnd.

Warum verbringen Sie so viel Zeit in der Bibliothek?" sagt sie schließlich. „Sie sollten mehr draußen unterwegs sein. Ein bisschen Quidditch spielen, mit Ihren Freunden. Sie sind so blass."

Ich habe keine Freunde" sagt der Junge kalt.

Der Doppelstab sprang mir in die Hand. Ich streifte Snapes Ärmel, und er wich zurück.

„Gute Initiative" sagte er unbewegt. Ich stand vor ihm, keuchend, und klammerte mich an den Doppelstab. Ich war mir ganz sicher, dass ich ihn nicht so gut kennen wollte. Ich würde einfach nicht mehr zaubern. Nie mehr, wenn es darauf ankam.

Er ließ mich stehen und rauschte hinaus. Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloss.

Stunden später hatte ich mich mal wieder in einem Gebäude verlaufen. Ich hatte eigentlich nur jemanden finden wollen, der mir einen Silencio über den laut schnarchenden Zauberer in dem Portrait gegenüber von meinem Bett legte, aber nun fand ich nicht mal mehr mein Zimmer zurück. Ich ging schließlich einfach so lange treppab, bis ich wieder in der Küche landete. Bis auf ein Stablicht war sie dunkel, ich hörte jemanden rumoren.

„Hallo?" sagte ich schüchtern.

„He" sagte Lupin und tauchte aus einer Ecke beim Kamin auf. Seine Haare waren durcheinander gewirbelt, und er rang mit einem etwa armlangen, dicken Wesen, das mich entfernt an eine Ingwerwurzel erinnerte, es zappelte, und er musste alle Kraft aufwenden, um es bei sich zu behalten.

„Stadtgnom" sagte er etwas atemlos. „Furchtbar. Sie kommen immer wieder rein. Machen Sie mal das Fenster auf."

Ich tat wie mir geheißen, und er setzte das Wesen hinaus aufs Fensterbrett und gab ihm einen Schubs. Mit leisem dupp kam es auf dem Boden auf und rannte, eine grimmige Faust schüttelnd, über den schmutzigen Hinterhof davon.

„Eine Plage" sagte er, atmete tief durch und strich sich die Haare aus der Stirn, bevor er sich zu mir wandte und mich anlächelte. Ich fühlte mich sehr empfänglich für sein Lächeln. Er und Molly Weasley waren die einzigen, denen ich in diesem seltsamen Haus über den Weg traute.

„Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt mit meinem Feldzug" sagte er.

„Nein" sagte ich. „Ich habe da dieses Portrait in meinem Zimmer."

„Ich hoffe, es beschimpft Sie nicht?" sagte er besorgt.

„Nein" sagte ich. „Es schnarcht. Ich hab noch kein Auge zugetan, und mein Stab nützt mir ja gerade nichts."

„Dann sollten Sie Severus aufsuchen" sagte Lupin. „Er ist Ihnen sicher behilflich."

„Hm" sagte ich. „Es könnte sich natürlich auch jemand bereit erklären, mir einen Silencio drauf zu legen. Jemand, der vielleicht ebenfalls noch wach ist? Ich müsste dann Professor Snape nicht mehr stören." Die Hoffnung in meiner Stimme war allzu offensichtlich, und Lupins Lächeln verbreiterte sich.

„Sie Arme" sagte er. „Da haben Sie sich schon jemanden mit ganz besonders sprödem Charme ausgesucht für Ihre Conjunktio."

„Das ist aber nett gesagt" sagte ich.

„Er ist ein aufrechter Mann" sagte Lupin. „Ein schwieriger, komplizierter, sehr einsamer Mann. Diese Conjunktio ist das beste, was ihm passieren konnte."

„Ich bin sicher, er sieht das anders" sagte ich.

„Natürlich tut er das" sagte Lupin vergnügt. „Aber er mag Sie. Das merkt man."

„Was reden Sie da" sagte ich. „Er hat mich noch nicht vergiftet. Das ist aber auch alles."

„Seien Sie mal ein Wochenende mit ihm unterwegs" sagte Lupin. „Sie werden schon dahinter kommen."

„Ich wollte, ich müsste nicht" sagte ich deprimiert. „Ich kriege allein schon beim Gedanken eine Panikattacke. Ich wünschte, jemand würde uns begleiten."

„Ganz ruhig" sagte Lupin und klopfte mir auf die Schulter. Mein Herz hopste mir spontan in die Kehle hinauf, wo es sitzen blieb und heftig weiter schlug. „Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Der halbe Mann besteht aus Pose, aber die andere Hälfte ist durchaus einen Blick wert."

Ich seufzte. Ich hätte viel lieber noch ein paar weitere Blicke auf den netten Zauberer vor mir geworfen, der da stand und noch seine Hand auf meiner Schulter hatte. Sei Haar war immer noch zerzaust, silberne Strähnen darin fingen glitzernd das Mondlicht ein.

„Oh" sagte er und nahm die Hand weg. „Verzeihen Sie."

„Nein" sagte ich schnell. „Schon gut. Alles in Ordnung."

„Soll ich Sie hinauf bringen?" sagte er.

„Wenn's sein muss" sagte ich.

Er grinste mich an.

„Nein" sagte ich erschrocken. „Nicht, was Sie meinen! Ich bezog das… eher auf das Ziel, wenn Sie verstehen. Nicht auf den Weg, und, äh… nicht auf Ihre Begleitung."

„Schon gut" sagte er, immer noch grinsend, meine Verlegenheit schien ihm zu gefallen. „Ich bin nicht nachtragend."

Er machte eine Geste, die mir den Vortritt ließ, und ich setzte mich in Bewegung. „Wir haben uns übrigens erlaubt, Sie gegenüber voneinander unterzubringen" sagte er hinter mir. „Es ist durchaus vorstellbar, dass Sie derzeit gar nicht in der Lage sind, größere räumliche Entfernung zwischen sich zu bringen, und wir wollten kein Risiko eingehen."

„Das wird ja immer noch schöner" seufzte ich. „Gefesselt an Mister Fassen-Sie-Mich-Nicht-An, dem Traum meiner schlaflosen Nächte."

„Für ihn ist es ungleich härter, falls es Sie tröstet" sagte Lupin und nahm seinen leuchtenden Stab vom Tisch. „Eine harte Lektion, aber eine längst überfällige. Irgendetwas musste ihn ja mal aus seinem Kerker locken."

Er wies mir den Weg hinauf in den zweiten Stock, während ich mir ein Herz fasste.

„Da sind wir" sagte er schließlich. „Ihre Tür", er wies nach links, „seine Tür", Geste nach rechts.

„Danke" sagte ich und blieb stehen. Mein Herz hopste mir immer noch irgendwo in der Kehle herum.

„Worauf warten Sie" sagte er, er schien tatsächlich abwarten zu wollen, bis ich an Snapes Tür geklopft hatte.

„Ich" sagte ich, „äh, also, ich… nun ja, ich hatte mich gefragt… ob… wenn das alles vorbei ist, das heißt, wenn ich wieder kann… Sie mal mit mir essen gehen möchten?"

Er starrte mich an. Ich wurde so rot, selbst wenn Lupin das Licht an seinem Stab gelöscht hätte, wären wir nicht im Dunkeln gestanden.

„Vergessen Sie's" murmelte ich und betrachtete eingehend den Saum meiner Robe. „Ich falle üblicherweise nicht so mit der Tür ins Haus, aber ich weiß ja nicht mal so genau, wo wir hier sind, also wenn wir dann morgen weg sind, wer weiß, ob ich Sie jemals wieder finde… und da dachte ich… ach, vergessen Sie's."

„Es wäre mir ein Vergnügen" sagte er.

„Ehrlich?" sagte ich überrascht.

„Ehrlich" sagte er. „Donnerstag würde mir passen."

„Oh" sagte ich, ich hatte plötzlich ein Date, das konnte ich so schnell nicht verkraften. „Ja. Prima. Schön. Passt mir."

„Dann gute Nacht" sagte er. Er tippte eine hässliche schmiedeeiserne Öllampe an, die sofort aufleuchtete, löschte dann das Licht an der Spitze seines Stabes und ging die Treppe hinunter davon, ich meinte fast, ihn eine leise Melodie pfeifen zu hören.

Ich stand da, bis seine Schritte verklungen waren, und sah zwischen meiner und Snapes Tür hin und her.

Ich hatte ein Date. Wow. Plötzlich war etwas in meinem Leben, das es wert war, das kommende Wochenende unbeschadet zu überstehen.

Ich öffnete meine Zimmertür und steckte den Kopf durch den Spalt. Das Sägen des dicken Zauberers wehte mich förmlich auf den Gang zurück. Ich musste etwas unternehmen, wenn ich in dieser Nacht auch nur ein paar Stunden schlafen wollte. Ich schlich zu Snapes Tür. Wenn er schon schlief, und ich platzte bei ihm rein, würde er mich auf der Stelle zu einem Häufchen Asche verdampfen. Ich korrigierte mich. Ging ja gerade nicht. Also, er würde mich mit Gift und Habichtblicken bombardieren, bis ich mir wünschen würde, er könnte mich einfach verdampfen.

Ich legte vorsichtig mein Ohr an das Holz, und zu meinem maßlosen Erschrecken sprang die Tür sofort auf.

Es war hell dahinter, und süß schmelzende Musik strömte über mich hinweg, wieder ein Orchester, und ein Klavier diesmal, das eine klare Perlenkette aus Tönen um mich legte. Ich atmete tief durch und klopfte, etwas verspätet, an die offen stehende Tür. Der Raum war nicht größer als meiner und mit den gleichen hässlichen, verstaubten dunklen Möbeln voll gestopft, die man überall in diesem Haus fand.

Snape saß in einem schwarzen, hochlehnigen Stuhl und hatte die Füße auf einen ähnlichen gelegt, ich konnte sein, nun ja, markantes Profil sehen. Zum ersten Mal hatte er mehr von einem Mann als von einem Monster. Seine Robe stand offen, er hatte sie zurück geschlagen, seine Beine in den schmalen schwarzen Hosen waren sehr lang und dünn. Er hatte die Augen geschlossen, seine blassen Finger spielten mit einem kleinen Glasfläschchen, in dem sich ein Rest dunkler Flüssigkeit befand, die kleine Bewegung war das einzige, was verriet, dass er nicht schlief. Und seine eisige Stimme, die sagte:

„Tür zu."

Ich fror an Ort und Stelle fest. Ich verfluchte meinen plötzlichen Anfall von Kühnheit, der mich in diese Lage gebracht hatte.

„Vor mir, oder hinter mir?" brachte ich über die Lippen.

„Das ist Ihre Entscheidung" sagte er, ohne den Kopf zu drehen oder auch nur die Augen zu öffnen. „Davon ausgehend, dass Sie sich nicht in der Tür geirrt haben, wird Ihr Auftauchen schon einen Grund haben. Einen guten, wie ich hoffe."

Ich räusperte mich und machte einen Schritt in den Raum. Die Tür hinter mir schlug mit einem Knall zu. Ich sah mich gehetzt um. Ich fühlte mich wie eine Maus in der Falle. Und da kam auch schon der Habicht.

Er drehte den Kopf zu mir und sah mich an. Überrascht stellte ich fest, dass der Habicht nicht jagdlustig war, eher müde.

„Ich hoffe, meine Musikauswahl gefällt Ihnen" sagte er. „Sie ist vielleicht in der Lage, meine Gegenwart erträglicher für Sie zu gestalten."

„Tun Sie das nicht" sagte ich. „Hacken Sie lieber auf mir herum. Das hier macht mir Angst."

Er spielte mit dem Fläschchen, ließ den Inhalt im Inneren kreisen, eine geschmeidige, über Jahre hinweg eingeübte Bewegung.

„Erwarten Sie nicht mehr zu viel am heutigen Abend" sagte er, und ein wenig Eis schmolz aus seiner Stimme. „Ich nehme diese üblicherweise erst zu mir, wenn ich sicher sein kann, keinen Besuch mehr zu empfangen." Er schüttelte das Fläschchen leicht.

„Was ist das?" fragte ich, fast automatisch.

„Sagen Sie's mir" sagte er und ließ die Hand mit dem Fläschchen ein wenig zur Seite knicken, mit viel gutem Willen konnte man das als Einladung interpretieren, näher zu kommen. Ich tat es, sehr vorsichtig, vielleicht wie man sich einem Tiger nähert, und nahm das Fläschchen aus seiner Hand, ich passte höllisch auf, dass ich ihn dabei nicht berührte.

Der Inhalt war dunkelblau und floss rasch und leicht, einen winzigen blauen Schatten auf dem Glas zurück lassend. Ich fächelte mir Geruch zu, während Snape mich beobachtete. Ich verspürte einen Anfall von Nervosität.

„Und?" sagte er nach einer viel zu kurzen Weile. „Was verrät Ihnen Ihr Fachverstand?"

„Alkoholbasis" sagte ich etwas atemlos. „Baldrian, Melisse, Schattenauge. Ein… ein Dormiens?"

„Angesichts der späten Stunde und meines lädierten Zustandes nicht sehr schwer zu erraten" sagte er abschätzig und wedelte mit den Fingern. Ich gab ihm das Fläschchen zurück.

„Nun" sagte er. „Was führt Sie zu mir? Die reine Nächstenliebe wird es nicht sein, nehme ich an."

„Ich…" sagte ich, ich war etwas aus dem Konzept gebracht. „…also, ich… habe da diesen Zauberer in meinem Zimmer…"

„Von welchem Sie auch sprechen, keiner der beiden ist eine gute Wahl für ein Mädchen wie Sie" sagte er.

„Was?" sagte ich. „Nein! Merlin! Ich meine doch nicht…" Ich lief schon wieder feuerrot an. „Ich meine das Portrait" erklärte ich, während ich vergeblich versuchte, im Erdboden zu versinken.

Er fixierte mich mit seinen schwarzen Augen, kalt und analytisch, wie er eine Zutat auf ihre Qualität hin begutachten mochte, bevor sie in den Kessel wanderte, ich sah keine Spur von Lächeln in seinen Augen.

„Und was schlagen Sie vor?" sagte er.

„Einen Silencio" sagte ich. „Oder Sie geben mir was von Ihrem Dormiens ab."

„Nein" sagte er.

„Es war ein Scherz" sagte ich. „Das mit dem Dormiens. Ich seh selber, dass er alle ist."

„Sehen Sie von weiteren Scherzen ab" sagte er. „Sie werden noch früh genug bemerken, dass mir jeglicher Sinn für Humor fehlt."

„Dann kommen Sie bitte einfach mit rüber und helfen mir bei dem Silencio" sagte ich entnervt.

„Nein" sagte er.

„Wie bitte?" sagte ich. „Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Hörverstärkungs-Zaubern! Ich habe Sie schon verstanden. Ich kann's nur nicht glauben."

„Es ist Filibuster" sagte er. „Er ist noch auf einem Portrait im Speisezimmer im dritten Stock. Er kann dort übernachten. Wecken Sie ihn und sagen Sie's ihm."

Er wandte mir sein, nun ja, markantes Profil zu und schloss die Augen. Die Audienz war beendet.

„Ja" sagte ich hilflos. „Also. Dann. Mach ich's so. Gute Nacht, dann."

Ich bewegte mich zur Tür, während um mich die Musik aufbrauste, ich wusste gar nicht, ob er bemerkte, dass ich ging. Ich berührte die Tür, und sie sprang mir entgegen. Ich war schon halb auf dem Gang, als seine Stimme zu mir kam, er musste sie nicht heben, die Musik wich freiwillig zurück und machte ihr Platz.

„Sie haben gar nichts zu der Musik gesagt" sagte er.

„Was tut das denn jetzt zur Sache?" fragte ich, ich war nicht mehr gewillt, freundlich zu sein.

„Ja" sagte er. „Sie haben Recht. Es tut nichts zur Sache. Verschwinden Sie."

Ich stand bereits auf dem Gang und hatte die Tür schon fast hinter mir geschlossen, als ich mich anders entschied. Ich steckte nochmals den Kopf durch den Spalt.

„Sie gefällt mir" sagte ich. Ich wusste nicht, ob er es gehört hatte.