Tag, zusammen,
geht es noch schlimmer…?
Ja.
Und vor allem Leute, die selten aus ihrem Keller raus kommen, werden sich umschauen, was das Leben so für Härten zu bieten hat.
Und nicht nur bringen schwarze Katzen Pech, sondern auch manchmal schwarze Hunde Glück…
Viel Spaß, und ich freu mich nach wie vor über jede Review :o)
6. TIERE IM GROSSSTADT-DSCHUNGEL
„Hände hoch" sagte eine Stimme von der Tür. „Rüber da, an die Wand. Gesicht zur Wand. Und hoch die Hände, über den Kopf!"
Der Lauf einer Pistole erschien in der Tür, dahinter ein Polizist. Ein weiterer Pistolenlauf erschien und sicherte den ersten Polizisten, als er in den Raum kam. Mir wurde eiskalt. Noch nie hatte jemand einen Pistolenlauf auf mich gerichtet. Ich starrte in die Mündung, während mein Gehirn blockierte. Snape war neben mir, er hob den Doppelstab, und dann begann ein Notfallprogramm in meinem Kopf zu arbeiten, von dessen Existenz ich bis Dato nichts gewusst hatte. Meine Hand schnellte vor und traf seine. Wir rissen den Stab hoch.
„Imperialis!" schrie Snape.
„Petrificus!" schrie ich.
Es gab einen grellen Lichtblitz. Eine gewaltige Druckwelle brandete gegen meinen Körper und schleuderte mich rückwärts ins Nichts.
Stimmen, die von weit her zu mir trieben, dann ein Licht, das die Dunkelheit durchschnitt, ein gleißender Tunnel, der sich vor mir auftat. Ich versuchte zu blinzeln. Es gelang mir nicht.
„Pupillenreflex vorhanden und in Ordnung" sagte eine entfernte Stimme. Die Worte machten keinen Sinn. Für einen Augenblick dachte ich darüber nach, ob ich nun tot war und auf das Licht zu gehen sollte, aber ich konnte keine Füße an meinem schwerelosen Körper spüren. Dann wurde es wieder dunkel, und ich ließ mich fallen.
Schmerz.
Jemand stöhnte, hohl und zitternd.
Mein Brustkorb hob und senkte sich mühsam.
Die Stimme, die da stöhnte, kam mir vage bekannt vor.
Meine eigene…?
Was war passiert?
Etwas hielt meine Schläfen umklammert und presste sie zusammen, bis rote Blitze vor meinen Augen explodierten. Ich stöhnte und drehte den Kopf, ich spürte eine harte Unterlage. Langsam kehrte das Gefühl in meinen Körper zurück, und für einen Augenblick wünschte ich, es wäre weg geblieben. Mir war schlecht. Mein Mund fühlte sich an wie eine Müllkippe, und ich spürte jeden einzelnen Knochen und Muskel in meinem Körper. Licht drang durch meine geschlossenen Augenlider. Ich hörte entfernte Stimmen.
Was, zum Teufel, war passiert? Wo war ich?
Just another brick…
Was hatte diese Melodie jetzt in meinem Kopf zu suchen? Sie beanspruchte Speicherplatz, den ich dringend zur Erfassung meiner Situation benötigt hätte.
Teacher! Leave us kids alone!
Oh. Merlins. Bart.
Etwas war ganz schrecklich, fürchterlich, katastrophal schief gelaufen.
Imperius!
… Snape?
Ich sammelte Kraft, rollte mich auf den Bauch, die kleine Bewegung brachte meinen Kopf schier zum Platzen, und öffnete vorsichtig die Augen.
Weiße, saubere Fliesen, grau verfugt. Kaltes Licht.
Ich zog die Knie unter den Körper und richtete mich auf. Alles schwamm vor meinen Augen. Ich blinzelte. Die Sicht wurde wenig klarer. Meine Brille fehlte. Ich tastete um mich, fand aber nichts als kalte Fliesen.
Und einen weichen Stoffzipfel. Ich wandte den Kopf. Inmitten der verschwommenen, weißen Flut lag eine schwarze Gestalt, angespült wie altes Holz auf einem Strand.
Ich ließ mich wieder auf den Bauch plumpsen und kroch zu ihm hinüber.
Er lag auf der Seite, den Kopf in den Armen vergraben, und rührte sich nicht. Mir wurde ganz kalt.
„Severus" flüsterte ich, ich hatte es eigentlich sagen wollen, aber meine Stimme war komplett heiser. Ich räusperte mich, und der Inhalt meines Kopfes schepperte wie eine Porzellankiste, die man aus dem dritten Stock fallen lässt.
„Severus?" versuchte ich es erneut. Ich nahm ihn bei der Schulter und rollte ihn auf den Rücken, er war leblos wie eine Puppe. Sein Gehrock fehlte, sein schwarzes Hemd war zerknittert, und ein Manschettenknopf fehlte, so dass der Ärmel zurück schlug und auf eine sehr verletzliche Art die weiße Innenseite seines Handgelenkes offenbarte.
„O nein" murmelte ich. „O nein, o nein, o nein." Ich nahm seine schöne, perfekte, völlig leblose Hand, seine Haut war kühl, aber nicht so kalt, wie ich es befürchtet hatte. Ich betrachtete seine Halslinie, ich hätte ihm gern den Puls gefühlt, aber ich wusste nicht genau, wo. Ich beschloss, es schrittweise anzugehen. Vorsichtig begann ich, ihm den Hemdkragen aufzuknöpfen. Warum nur musste jemand sich mit so vielen Knöpfen abgeben, wo doch der Reißverschluss erfunden war?
Ich kam bis Knopf Nummer fünf, ich bemühte mich, nicht so genau darüber nachzudenken, was ich da tat, als er unter meinen Händen zuckte. Ein Schauer lief durch seinen Körper, er stöhnte und drehte den Kopf. Seine Augenlider flatterten, dann öffnete er die Augen, sein Blick war dunkel und ohne Fokus.
„Was" flüsterte er.
„Ich habe keine Ahnung" flüsterte ich.
Er stöhnte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, seine Stiefelabsätze kratzten über den Boden. Ich rückte etwas von ihm ab, und er wälzte sich auf die Seite und kam auf die Ellenbogen. Er stöhnte erneut und krümmte sich zusammen, als hätte er einen Tritt in die Magengrube eingesteckt, dann erbrach er sich qualvoll auf die Fliesen.
In Ermangelung eines vorschriftsmäßig funktionierenden Gehirnes mit all seinen Windungen, Skrupeln und Ängsten handelte ich nach Instinkt. Ich hielt ihm den Kopf, strich ihm die Haare aus der Stirn und flüsterte Unsinn der Marke „Alles wird gut", bis die Krämpfe nachließen. Dann kramte ich ein Päckchen Papiertaschentücher aus meinem Sweater, gab es ihm in die Hand und entfernte mich diskret, obwohl meine Beine nicht ganz damit einverstanden waren, mein Gewicht zu tragen.
Wir befanden uns in einem engen, leeren, bis in den letzten Winkel kalt ausgeleuchteten Raum. Weißer Boden, weiße Wände, weiße Decke. Eine graue, schwer aussehende Metalltür führte hinaus, ich musste sie nicht probieren, um zu wissen, dass sie abgesperrt war. Daneben befand sich ein schmales, vergittertes Fenster in der Wand, kaum mehr als ein Sehschlitz. Ich ging hin und warf einen Blick hinaus. Ich sah nicht viel und hätte mit Brille kaum mehr gesehen, lediglich einen leeren Gangabschnitt. Ich wandte mich wieder in den Raum. An der Wand hinter Snape, der es geschafft hatte, sich in eine sitzende Position zu bringen und reichlich Gebrauch von meinen Taschentüchern machte, entdeckte ich ein Waschbecken. Ich ging hin und fand zu meiner grenzenlosen Erleichterung meine Brille auf einem Sims darüber. Ich ließ Wasser laufen und trank aus dem Hahn, ich war völlig verdurstet. Dann streifte ich die Ärmel meines Sweaters zurück…
… und fand ein kleines Pflaster in meiner Armbeuge.
Ich zog es ab. Es befand sich eine kleine Einstichstelle darunter.
Mir wurde schon wieder kalt.
„Severus" sagte ich tonlos. „Ich weiß nicht, aber ich glaube… man hat uns irgend etwas gespritzt."
„Eins nach dem anderen" murmelte mein dunkler Begleiter und versuchte, auf die Füße zu kommen, er torkelte wie ein Betrunkener. Ich eilte zu ihm, und er ließ sich von mir stützen. Er war noch nicht wirklich ansprechbar. Ich brachte ihn zum Waschbecken, drehte den Hahn für ihn auf und streifte seine Ärmel hoch. Auch er hatte ein kleines Pflaster, es klebte direkt neben einem Brandmal, das die Innenseite seines Armes verunzierte. Das Brandmal schien alt, aber groß genug, um mich erschauern zu lassen. Ich vermutete einen Unfall in der Tränkeküche. Dann sah ich genauer hin.
Es war ein Totenschädel, aus dessen hässlichen Kiefern sich eine Schlange wand.
Die Erkenntnis tröpfelte ganz langsam in mein malträtiertes Gehirn.
„Sie tragen das Dunkle Mal" sagte ich.
„Ja" sagte er und schöpfte sich Wasser ins Gesicht.
„Aber" sagte ich.
„Nicht jetzt" sagte er. „Vergessen Sie, dass Sie's gesehen haben."
„Okay" sagte ich tonlos.
„Wo sind wir?" sagte er und wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht trocken. „Wo sind unsere Sachen?"
„Ich weiß nicht" sagte ich. „Das letzte, woran ich mich erinnere, sind Polizisten und Pistolen. Wir wurden erwischt... und da war dieser grelle Blitz…"
„Weil Sie sich in Ihrer vorschnellen Art nicht zurück halten konnten" ergänzte er meinen Satz nicht ganz in meinem Sinn. Er hatte schon wieder die Ausstrahlung eines Gefrierschrankes, er schien sich rasch zu erholen.
„Verzeihen Sie, dass ich versucht habe, mein Leben zu retten!" fauchte ich, obwohl ich damit neue Blitze in meinem Kopf auslöste.
„Ihr Leben war zu keinem Zeitpunkt in Gefahr" sagte Snape und zog sich die Ärmel zurecht.
„Ach so" sagte ich wütend. „Dann waren es wohl Wasserpistolen, was die Jungs dabei
hatten."
„Hätten Sie sich nicht eingemischt, hätte ich die Muggel unter den Imperius gebracht, wir hätten unseren Plan zu Ende ausgeführt, und das Ministerium hätte den Rest erledigt" sagte er und fixierte mich mit einem Habichtblick, dem noch spürbar die Kraft fehlte. „Was war es da, was Sie versuchten? Ein Petrificus? Wie albern."
„Mein Petrificus hat sicher nicht den Blitz ausgelöst" verteidigte ich mich.
„Sicher nicht" sagte er. „Aber unser gleichzeitiger Versuch, zwei verschiedene Zauber zu werfen. Der stärkste Stab hält das nicht aus. Wo ist er überhaupt? Haben Sie ihn?"
„Nein" sagte ich.
„Nein" sagte er, jetzt mit offener Wut. „Natürlich nicht." Er riss den Wasserhahn auf, das Wasser schäumte und sprudelte ins Becken, er hielt die Hände unter den harten Strahl und starrte auf sie hinunter, ungeachtet der Tatsache, dass er sich die Ärmel bis zum Ellenbogen durchnässte.
„Können Sie mir irgend etwas über unsere derzeitige Situation sagen?" sagte er, seine Stimme kaum genug erhoben, um das Rauschen des Wassers zu übertönen. „Irgend etwas?"
„Na ja" sagte ich. „Wir sind… eingesperrt. Ich nehme an, ein Gefängnis. Schließlich waren da Polizisten, bevor wir uns selbst ausgeschaltet haben."
„Bevor Sie uns ausgeschaltet haben, Miss Emilia" sagte er. „Präzise bleiben, wenn ich bitten darf." Ich hätte wissen können, dass er etwas Derartiges sagen würde.
„Schon gut" sagte ich wütend. „Und dann darf ich Sie noch an den Felix erinnern. Was war wohl mit dem falsch? Oder sind Sie pervers genug, sich glücklich zu fühlen?"
Er versetzte dem Hebel des Wasserhahnes einen Schlag, der rauschende Strahl versiegte.
„Unglücklicherweise fühle ich mich alles andere als glücklich" sagte er. „Ich kann nur spekulieren, vor wie viel Schlimmerem uns diese Gefangennahme bewahrt hat."
„Ich weiß nicht" sagte ich. „Ein Atomschlag, vielleicht?"
„Was immer das ist" sagte er. „Überprüfen Sie Ihre Taschen."
Ich tat es. Man hatte mir meinen Geldbeutel gelassen, zwei Täfelchen Schokolade, einen Kugelschreiber und das Büchlein. Ein heißer Schauer rann durch mich, als meine Fingerspitzen es in meiner Gesäßtasche trafen.
„Der Stab ist weg, wie ich bereits sagte" sagte ich. „Die verkleinerte Box ebenfalls. Und bei Ihnen?"
Dämliche Frage. Snape war nicht der Typ, der sein Zeug in der Gesäßtasche verstaute, und er war nicht in der Stimmung, mir eine dämliche Frage durchgehen zu lassen.
„Tun Sie etwas mit Ihrer Brille" eiswürfelte er. „Sie ist offenbar nicht in der Lage, Ihren Sehfehler auszugleichen."
Er ging hinüber zur Tür und schlug mit den flachen Händen dagegen, als erwarte er, sie würde sich dadurch öffnen. Er trat einen Schritt zurück und starrte die Tür an. Dann näherten sich Stimmen, und ein Gesicht über einem dunkelblauen Hemd erschien in dem Guckloch. Es wurde rumort, mehrere Personen bewegten sich vor der Tür, dann schwang sie auf.
„Aufgewacht, na endlich" sagte ein dicker Polizist. „Dann kommen Sie bitte mit, zum Verhör."
„Ich verlange eine Erklärung" schnappe Snape. „Und ich verlange mein Eigentum zurück."
„Eins nach dem anderen, Kumpel" sagte der Polizist. „Kommen Sie freiwillig mit, oder muss ich Sie abführen lassen?"
„Fassen Sie mich nicht an!"
„Fred? Handschellen. Sieht ein bisschen unzuverlässig aus, unser Gast."
„Fassen Sie mich nicht an, Sie halbintelligente Lebensform!"
Ich zuckte, als man ihm die Arme auf den Rücken riss. Mit metallischem Klick schnappten die Handschellen zu. Snape atmete tief und gab die Gegenwehr auf, er flüchtete sich in seine Siebtklässler-Eindampfungs-Pose, die ihm trotz der Handschellen und seines derangierten Gesamtzustandes erstaunlich gut gelang, und sah auf den Polizisten hinunter.
„Das ist entwürdigend" sagte er. „Das ist mittelalterlich. Der Sieg roher Kraft über Intelligenz."
„Was du willst, Kumpel" sagte der Polizist. „Komm einfach mit und halt die Klappe."
„Ahem" sagte ich. Ich glaubte, sie hätten mich vergessen. „Ich komme auch gerne ohne Handschellen mit."
„Sie sind später dran, Missy" sagte der Polizist. „Verhalten Sie sich ruhig, dann wird Ihnen nichts passieren."
„Was" sagte ich, Entsetzen überwältigte mich. „Ihr könnt mich doch hier nicht alleine lassen! Severus! Nein! SEVERUS!"
Die Tür schlug zu. Riegel krachten. Ich war allein. Ich sank auf den Boden und riss das Büchlein aus meiner Gesäßtasche.
Hilfe, schrieb ich. Hilfe. Hilfe. Hilfe. Hilfe. Hilfe. Dann war die Seite zu Ende und ich blätterte um. HI schrieb ich auf die linke Seite. LFE auf die rechte. Ich war gerade beim dritten Ausrufezeichen, als die Antwort erschien.
Ganz ruhig. Was ist passiert?
HILFE. SCHNELL. Es ist alles ganz fürchterlich schief gelaufen und
Emilia.
Sie haben uns ERWISCHT es war schrecklich! Und Snape
EMILIA.
Er trägt das Dunkle Mal!
Ich weiß. Es ist in Ordnung.
Es ist was? Das DUNKLE MAL, und ich bin hier ALLEIN mit ihm, oder ohne ihn!
Vertrauen Sie ihm. Es ist in Ordnung.
Und sie haben den Stab und sie haben uns eingesperrt
Emilia. Tun Sie etwas für mich. BITTE.
Ich für Sie?
Beantworten Sie meine Fragen. Können Sie das?
Ja.
Gut. Wo sind Sie?
Ich weiß nicht. Polizeistation, vermutlich.
Irgendeine Ahnung, welche?
Nein. Wir sind bei einem Rechtsanwalt eingebrochen. Benson, Quinn und irgendwas. Da hat man uns geschnappt.
Gut. Sind Sie verletzt?
Nein. Aber wir waren bewusstlos. Wir haben uns gegenseitig ausgeschaltet. Gerade befragen sie Snape. Ich bin allein in einer Zelle.
Bleiben Sie ruhig. Wir lassen uns etwas einfallen. Versuchen Sie, Zeit zu gewinnen.
Okay.
Bis gleich.
Ich starrte auf die Zeilen. Dann brach ich in Tränen aus.
Ich hatte genügend Zeit, mich wieder zu beruhigen. Nichts passierte. Ich ging zum Waschbecken und wusch meine Brille, der Zauber, den Lupin auf sie gelegt hatte, war verflogen. Zum ersten Mal fragte ich mich, wie viel Zeit vergangen war. Meine Schätzung belief sich auf mehrere Stunden, ich war ausgehungert und musste dringend aufs Klo. Ich stellte mich an das Guckloch und schaute hinaus, aber die gegenüber liegende, kahle Wand befriedigte meinen Wunsch nach Information nicht im Geringsten. Ich aß ein Stückchen Schokolade, es tröstete und wärmte mich, half mir aber natürlich nicht weiter. Ich setzte mich an die kalte Wand, stand wieder auf, bekämpfte einen Anflug von Übelkeit, tigerte in der engen Zelle hin und her, bis mir schwindelig wurde, und tat schließlich das nahe liegende.
„Ich muss mal" sagte ich dem Polizisten, der auf mein Klopfen hin erschien. Er sah mich zögernd an.
„Bitte" sagte ich. „Es ist wirklich dringend. Keine Tricks, ich versprech's."
„Also gut" sagte er und winkte mich aus der Zelle.
Danach ging es mir besser. Ich wusch mir die Hände und betrachtete mich im Spiegel. Mein Gesicht war kalkweiß mit einem grünlichen Unterton, ich konnte nur hoffen, dass das hässliche Neonlicht daran schuld war. Meine Augen waren rot umrändert, meine Nase dick vom Weinen. Meine Haare waren zerknautscht und ähnelten eher einer überfahrenen Ratte als einer Frisur. Ich sah aus wie ein Stadtgnom. Ich nahm mir vor, am Donnerstag einfach umwerfend auszusehen, um diesen fürchterlichen Eindruck zu korrigieren, und wenn ich zu diesem Zweck alles schlucken musste, was meine Tränkeküche hergab. Falls es jemals zu Donnerstag kam. Falls er seine Zeit tatsächlich mit einer hysterischen, konfusen Freak-Hexe wie mir verschwenden wollte. Falls ich lange genug lebte, um zu sehen, wie es Donnerstag wurde. Falls man mich nicht in irgend einem Muggel-Azkaban einsperrte, wegen Vergewaltigung einer HiFi-Anlage.
Es klopfte von außen gegen die Tür.
„Bald fertig?" fragte die Stimme des Polizisten.
„Ich komm' schon" sagte ich.
„Sie können gleich mitkommen" sagte der Polizist, als ich wieder auf dem Gang erschien. „Der Inspektor möchte Sie sehen."
Mir rutschte das Herz in die Jeans. Mit weichen Knien folgte ich dem Polizisten, an meiner Zelle vorbei nach vorne in einen breiten, offenen Bereich. Zu meiner Rechten befand sich eine Art Tresen, der sich nach vorne zog bis zu einer Tür, die mit vergilbten Anti-Drogen-Postern beklebt war. Über der Tür zeigte eine Uhr halb vier. Hinter dem Tresen sah ich zwei weitere Polizisten sitzen, die meinen Auftritt mit mildem Interesse verfolgten. Schlampig aufgestapelte Info-Blättchen lagen auf dem Tresen. Zu meiner Linken wurde die Wand von einer Glasscheibe abgelöst, die einen Blick in ein separates Büro ermöglichte. Dort saß, halb mit dem Rücken zu mir, Snape und lieferte sich ein Gefecht der Blicke mit einem grauhaarigen Polizisten hinter dem Schreibtisch, das dieser klar zu verlieren schien, sein Gesichtsausdruck war völlig entnervt. Er sah auf, als mein begleitender Polizist mich ins Blickfeld schob, und winkte uns rein.
„Äh… hallo" sagte ich und lächelte verlegen. Snape würdigte mich keines Blickes. Ich wurde auf einen Stuhl neben ihn gedrückt. Ich sah ihn an, ich fühlte mich verloren, ich wäre um jeden Habichtblick dankbar gewesen.
„Hallo" sagte der Polizist reserviert, starrte an mir vorbei auf seinen Computerbildschirm und verschob klickend die Maus. „Inspektor Williams, mein Name. Und Ihrer?"
„Em… Emma… Listwick" sagte ich.
„Wohnhaft?"
„Äh" sagte ich. „Ich, also, ich – auf der Durchreise…"
Der Inspektor sah mich scharf an.
„Ich habe einen Wohnsitz in Deutschland" sagte ich rasch. „In… Neustadt. Hauptstraße achtzehn."
„Geburtsdatum?"
„Zweiter Siebter Zweiundsiebzig."
„Zumindest sprechen Sie mit uns" sagte der Inspektor, während er mit zwei Fingern etwas eintippte. „Wir werden Ihre Angaben überprüfen. Was haben Sie in dieser Wohnung gemacht?"
„Wir haben uns in der Tür geirrt" sagte ich. Snape neben mir bewegte sich leicht, sein Arm streifte meine Schulter. Ich sah ihn an, er wich meinem Blick aus.
„Die Lage ist folgende, Miss… wie war noch der Name?"
„Flitwick" sagte ich. „Listwick! Listwick, wollte ich sagen." Snape gab ein leises Schnauben von sich.
„Miss Listwick" fuhr der Inspektor fort. „Es steht Ihnen in jedem Fall eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch, Einbruch und Diebstahl bevor. Sie können jetzt noch Ihre Situation verbessern, indem Sie sich kooperativ zeigen. Also nehmen wir nur mal an, Sie wären dort widerrechtlich eingedrungen. Wohin haben Sie die Diebesbeute verbracht?"
„Was?" sagte ich verwirrt.
„Sie waren gerade dabei, die Stereoanlage abzubauen" sagte der Inspektor in einem Gestus übertriebener Geduld, der mich wenig beeindruckte, ich war besseres gewohnt. „Wo haben Sie den fehlenden Lautsprecher hingebracht? Sie müssen Komplizen haben, die irgendwo mit dem Lieferwagen standen."
„Weder noch" sagte ich.
„Nennen Sie mir die Namen Ihrer Komplizen" sagte der Inspektor.
„Es gibt keine" sagte ich. „Oder haben Sie irgendwo einen Lieferwagen stehen sehen?"
„Ich stelle hier die Fragen" sagte er.
„Dann stellen Sie sich selbst mal eine" sagte ich, ich merkte noch während ich sprach, dass mein Mundwerk wieder mit mir durchging. „Wie dämlich muss man als Einbrecher sein, um von einer kompletten HiFi-Anlage gerade eine einzige Box abzubauen und mitzunehmen?"
„Ich nehme an, Ihre Komplizen bekamen es mit der Angst zu tun, als sie den Wohnungseigentümer vom Zigarettenholen zurück kommen sahen, und haben Sie mit der halb abgebauten Anlage sitzen lassen" sagte der Inspektor.
„Klingt plausibel" sagte ich. „Nur dass da keine Komplizen waren."
„Und wie hätten Sie dann Ihre Beute wegschaffen wollen?"
Ich konnte nicht anders. „It's a kind of magic" intonierte ich und fing mir unter dem Tisch einen harschen Tritt von Snape ein.
„Aua" sagte ich zu ihm. „Sagen wir ihm die Wahrheit, kommen Sie schon. Er glaubt uns ohnehin nicht."
„Hören Sie" sagte der Inspektor und beugte sich über den Tisch zu mir, ich war gezwungen, zur Kenntnis zu nehmen, dass er Knoblauch gegessen hatte. Ich wich zurück. „Wir werden Sie in Untersuchungshaft nehmen. Sie beide. Und da werden Sie so lange sitzen, bis Sie die ganze Geschichte ausspucken. Ich lasse mich doch nicht zum Narren halten." Ohne seinen Blick von mir zu nehmen, öffnete er eine Schublade und warf etwas vor uns auf den Tisch, es war der Doppelstab, säuberlich in einen transparenten Plastikbeutel verpackt und etikettiert. Snape und ich machten gleichzeitig eine Bewegung nach vorne, und der Inspektor schnappte die Tüte und zog sie zurück.
„Geben Sie ihn her" zischte Snape. „Wagen Sie nicht, Ihre dreckigen Finger an ihn zu legen!"
„Aha, aha" sagte der Inspektor und wedelte mit der Tüte. „Was ist es denn?"
„Ein Souvenir" sagte ich. „Von… unserer Hochzeitsreise."
„Sie haben es verwendet, als sei es eine Waffe" sagte der Inspektor. „Sie haben damit meine Kollegen bedroht."
„Machen Sie sich nicht lächerlich" sagte ich. „Es ist aus Holz. Was sollte daran denn eine Waffe sein?"
„Ich denke, das meiste an diesem Fall ist nicht das, wonach es aussieht" sagte der Inspektor und sah zwischen Snape und mir hin und her. „Und Sie werden in der U-Haft viel Zeit haben, um erneut über Ihre Kooperationsbereitschaft zu entscheiden. Aber ich gebe Ihnen eine letzte Chance. Vielleicht möchten Sie uns Auskunft über diese Substanzen hier geben." Erneuter Griff in die Schublade; diesmal förderte er einen Plastikbeutel zu Tage, in dem eine kleine Sammlung von Phiolen gegeneinander klickten. Snape kam in seinem Stuhl nach vorne.
„Vorsichtig mit diesen" zischte er.
„Sonst was?" fragte der Inspektor und schüttelte die Tüte leicht. Die verschiedenfarbigen Flüssigkeiten schwappten gegen ihre gläsernen Behältnisse. Der Inspektor stellte die Tüte auf den Kopf. In einer goldgelben, klaren Flüssigkeit sanken kleine, flirrende Partikel langsam nach unten, glitzernd fingen sie das Licht der Schreibtischlampe ein.
„Dieser hier gefällt mir besonders gut" sagte der Inspektor und deutete auf die glitzernde Phiole. „Was ist es? Eine neue Designerdroge?"
„Felix Felicis" sagte ich tonlos.
Snape neben mir sank mit einem Aufstöhnen in seinem Stuhl zurück.
„Sie hatten nicht mehr als eine Phiole, richtig?" sagte ich zu ihm.
„Richtig" sagte er und starrte hinauf an die Decke.
„Was war es dann, was Sie getrunken haben?"
„Curatio" sagte er und erschreckte mich mit einem hilflosen Lachen. „Das einzige farblich ähnliche."
„Sie haben den falschen erwischt" sagte ich, ich begriff es ganz langsam. „Sie haben einen Heiltrank getrunken, und der Effekt blieb aus, weil Sie nicht verletzt waren."
„Scharfsinnig, Frau Kollegin" sagte er.
„Und wir sind da eingedrungen… ohne Felix… es war alles Zufall!" Ich schlug mir vor die Stirn. „Die Kaffeemaschine! Merlins Bart! Ich bin so dämlich! Ich hätte darauf kommen können, dass einer, der die Kaffeemaschine laufen hat, nicht lange weg bleiben wird!"
Snape sagte nichts, er starrte weiter hinauf zur Decke, die Augen halb geschlossen, das kranke Lachen noch in den Mundwinkeln.
„Wie konnte das bloß passieren?" fragte ich ratlos.
Er drehte den Kopf und sah mich an.
„Es ist selbstverständlich Ihre Schuld" sagte er.
„Selbstverständlich" sagte ich. „Ich gewöhne mich allmählich daran, an allem schuld zu sein, aber sagen Sie mir doch bitte, wie ich's diesmal geschafft habe."
„Ich war irritiert" sagte er. „Durch Ihre Gedanken."
„Was?" sagte ich verwirrt.
„Als ich den Dementiswarf" sagte er. „Sie erinnern sich? Ich erhielt unaufgefordert Zugang zu Ihren Gedanken, und sie waren… irritierend."
„Sie sind der Legilimens" sagte ich. „Warum haben Sie sie nicht blockiert?"
„Ich war in Eile" sagte er. „Und ich war… vielleicht… ein wenig… neugierig." Sein Blick verlor an Härte, er war dunkel und ein wenig verloren.
„Ich bin es nicht gewohnt, Gegenstand weiblichen Interesses zu sein" sagte er.
„Oh" sagte ich und spürte, wie das Blut mir in die Wangen schoss. Draußen klappte eine Tür.
„Ihr seid doch Freaks" sagte der Inspektor. „Was immer das hier ist, ihr beide hattet entschieden zu viel davon." Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verstaute die beiden Beutel in der Schublade.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie einer der Polizisten am Tresen erschien. Ich war dankbar, einen Blick über die Schulter werfen zu können, um mich von dieser sehr seltsamen Situation abzulenken.
„Guten Abend" sagte der Polizist zu jemandem, den ich nicht sah.
„Es läuft noch eine Blutanalyse" teilte der Inspektor uns mit. „Wir untersuchen Ihr Blut auf Rückstände von Drogen. Möglicherweise setzen wir noch den einen oder anderen Anklagepunkt auf die Liste. Einstweilen werde ich den Haftrichter anrufen, um über Ihre Unterbringung…" er unterbrach sich, sein Blick ging an mir vorbei zur Tür.
„Fred…?" sagte er und wich mit seinem Stuhl ein wenig zurück. Ich drehte mich um und schluckte.
Ich bin keine Freundin von Hunden, sie machen mir Angst, und dieser hier sah aus, als könnte er einen Happen wie mich problemlos zum Frühstück vertragen, ein riesiges, zottiges, schwarzes Vieh mit auffallenden blauen Husky-Augen, er stand unter der Tür und schaute interessiert in den Raum.
„Ach nein" sagte Snape mit bitterer Leidensmiene. „Das muss doch jetzt wirklich nicht auch noch sein."
Der Hund machte ein paar Schritte in den Raum, er bewegte sich mit der gelösten Grazie einer Dänischen Dogge. Er beschnupperte mein Knie, und ich erstarrte auf meinem Stuhl.
„Hilfe" sagte ich und schielte hinunter auf den Hund, der schwanzwedelnd ein paar Papiere vom Schreibtisch fegte. „Nehmen Sie den weg! Oder wird neuerdings gefoltert bei der Londoner Polizei?"
„Fred!" sagte der Inspektor in lautem Befehlston, ohne sich selbst hinter seinem Schreibtisch hervor zu wagen.
„Nehmen Sie Ihren Hund an die Leine, wenn ich bitten darf" sagte der Polizist hinter dem Tresen zu jemandem, den ich nicht sah.
„Guten Abend" sagte eine freundliche, nicht besonders laute Stimme. „Es ist nicht mein Hund."
Ich wagte es, meinen starren Blick von dem Hund zu nehmen, der jetzt meine Schuhe beschnüffelte, und einen Blick über die Schulter zu werfen. Ich erkannte sofort die unsäglichen Kamele auf dieser Strickjacke, er stand mit dem Rücken zu mir am Tresen, die Hände in den Hosentaschen, seine Haltung wirkte müde und ohne Spannung.
„Sie haben ihn gerade mit rein gebracht" sagte der Polizist hinter dem Tresen.
„Ich wusste wirklich nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte" sagte Lupin sanft. „Entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie mit der Angelegenheit belästige, aber dieser Hund ist mir einfach hinterher gelaufen, und er lässt sich nicht abschütteln."
„Und?" sagte der Polizist unfreundlich. „Wir sind kein Tierasyl."
„Ich weiß" sagte Lupin. „Das Tierasyl ist geschlossen, um diese Zeit."
„Ja" sagte der Polizist. „Und? Dies hier ist eine Polizeiwache. Hier können Sie her kommen, wenn man Ihnen den Autoschlüssel geklaut hat."
„Ich habe kein Auto" sagte Lupin, verlagerte sein Gewicht auf den Beinen und warf einen beiläufigen Blick über die Schulter. „Unglücklicherweise aber einen Hund, der fast so groß ist, und eine Wohnung, die kleiner als eine Garage ist. Sie erkennen das Problem?"
„Nein" sagte der Polizist, und sein Blick sprach beredt von seinen Zweifeln an der geistigen Gesundheit seines Gesprächspartners. „Dann lassen Sie ihn doch auf der Straße. Er wird keine Türen öffnen können, oder?"
„Nein" sagte Lupin, „aber Sie glauben nicht, was er für einen Krach machen kann. Er hat die ganze Straße aufgeweckt."
Der Hund ließ von meinen Füßen ab und beschnüffelte die Seitenwand des Schreibtisches, versenkte die Nase dann in den Papierkorb , warf ihn um und verteilte den Inhalt mit wildem Kopfschütteln über den Boden.
„Fred!" schrie der Inspektor. „Er soll den Hund hier raus nehmen, oder ich erschieß' ihn!"
Der Hund tauchte aus dem Papierkorb auf, ein sehr tiefes und grollendes Knurren kam aus seiner Kehle, ich erschrak so, dass ich Snape beinahe auf den Schoß gesprungen wäre. Dann erschien Lupin im Türrahmen, und ich erschrak noch ein bisschen mehr. Was heute morgen noch grau und unausgeschlafen ausgesehen hatte, ließ jetzt auf eine schwere Krankheit schließen: sein Gesicht war fahl, die Wangen eingefallen, ein stoppeliger Dreitagebart vertiefte die Schatten, und trotzdem war da sein zuverlässiges Lächeln, als sei alles in bester Ordnung.
„Snuffles" sagte er. „Benimm dich. Ich weiß nicht, wen von uns beiden der Herr Inspektor zu erschießen gedenkt."
„Da!" rief der Inspektor, sein Zeigefinger schoss nach vorne, der Hund stieß ein warnendes Knurren aus und zeigte sein beängstigendes Gebiss, und der Inspektor ließ den Finger wieder sinken.
„Sie haben einen Namen für ihn" sagte er, seine Stimme zitterte hörbar. „Es ist doch Ihrer!"
„Ein Spitzname, allerhöchstens" schränkte Lupin ein. „Er scheint es nicht zu mögen, wenn man ihn Hund nennt. Und nein, es ist immer noch nicht meiner. Ich würde ihn gerne hier lassen, wenn's recht ist."
Der Hund sah über die Schulter und fletschte die Zähne.
„Nehmen Sie ihn und verschwinden Sie!" fauchte der Inspektor. „Ich lass mich doch nicht zum Narren halten! Verschwinden Sie, oder…"
„Oder was?" sagte ich. „Oder Sie holen die Polizei?"
Ich hätte das nicht sagen sollen, denn es zog die Aufmerksamkeit des Inspektors wieder auf Snape und mich.
„Fred! Pete!" rief er nach draußen. „Die beiden, zurück in die Zelle!"
Der Kopf des Hundes schnellte in die Höhe, aus seiner Kehle kam ein drohendes Knurren, und er wich zurück, bis ich seine Hinterläufe an meinen Beinen spürte. Der Inspektor bewegte sich hinter seinem Schreibtisch, und aus dem Knurren wurde ein donnerndes Bellen. Im Augenwinkel sah ich Lupin am Ärmel seiner Jacke fingern, seine Lippen bewegten sich lautlos.
„Übrigens" sagte er beiläufig. „Ihr Vorhang brennt."
„Was!" Der Inspektor fuhr herum. Lange Flammen zuckten an dem verblichenen, ehemals blauen Sythetikding vor dem Fenster, der eher einem Spüllappen glich als einem Vorhang. Mit einem Aufschrei sprang der Inspektor auf. Fast gleichzeitig kamen Schreie von draußen. Ich sah durch die Glasscheibe, die verblichenen Info-Poster, die an die Außenseite des Tresens geklebt waren, brannten lodernd, das Feuer fraß sich durch die Reihe und leckte gerade an einem, auf dem Terroristen gesucht wurden. Dahinter ging ein Papierstapel in Flammen auf.
„Feuerlöscher!" schrie einer der Polizisten. Lupin machte einen Schritt in das Büro des Inspektors und warf die Tür hinter sich zu. Ich sprang von meinem Stuhl auf und drückte die Lehne unter die Klinke, so dass sie blockierte.
„Stupor" sagte Lupin zu dem Inspektor, der seine Waffe gezogen hatte. Er fror in der Bewegung ein.
„Schnell" sagte Snape, der ebenfalls auf den Beinen war. „Stab, und meine Tränke, dort in der Schublade."
Lupin rollte den gelähmten Inspektor auf seinem Schreibtischstuhl beiseite und riss die Schublade auf.
„Der Parspertoto fehlt noch" sagte ich mit einem raschen Blick über die Schulter. „Und der Lautsprecher. Ein eckiges Ding, miniaturisiert." Ein Polizist rüttelte von draußen an der Tür. Der Stuhl wackelte.
„Alles hier" sagte Lupin und hielt eine Handvoll Plastikbeutel in die Höhe. „Bereit? Könnt ihr apparieren?"
„Na ja" sagte ich. „Es hat uns übel am Kopf erwischt."
„Also" sagte Lupin. „Schnell, dann. Greydog Ecke Hamlet's." Er nahm Snape beim Arm, und mit einem Knall verschwanden die beiden. Hinter mir zerbarst eine Glasscheibe. Ich sprang nach vorne und duckte mich unter einem Schauer von Glasscherben, dann fasste jemand mich von hinten bei den Schultern, ich schrie, und dann fühlte ich mich durch dieses unendlich enge, nicht enden wollende Loch gequetscht, in die Länge gezogen, ich verlor den Kontakt zu meinen Füßen und schwor mir einmal mehr, nie wieder Tomatenmark aus einer Tube zu pressen, und dann schnellten meine Füße unter mir wieder in ihre richtige Position, und ich konnte wieder atmen.
Es war dunkel und sehr eng. Von irgendwoher kam diffuses Licht. Jemand hielt mich von hinten umschlungen, es war nicht Lupin. Ich stellte mal das Schreien ein.
„Danke für den Ritt" sagte eine Stimme an meinem Ohr. Es war Sirius Black.
„Alle da?" hörte ich Lupins Stimme.
Ich bewegte mich und stieß gegen einen harten Gegenstand. Es war ein Telefonhörer. Darunter hing auf einem drehbaren Gestell das Telefonbuch von London. Lupin stieß die Tür auf, und wir traten aus einer roten Londoner Telefonzelle hinaus auf die Straße, es war eine schmutzige, dunkle, verlassene Ecke der Stadt.
„Wo kommen Sie denn plötzlich her?" fragte ich Black. Er grinste.
„Wieso" sagte er. „Ich war doch nicht zu übersehen. Der Papierkorb hat mir eine Menge Spaß gemacht."
„Sie sind ein Animagus" sagte ich, ich begriff es tatsächlich erst jetzt.
„Richtig" sagte er, seine blauen Augen blitzten. „Aber hängen Sie's nicht an die große Glocke. Ich bin nicht registriert."
„Okay" sagte ich, mein Gehirn arbeitete fieberhaft, ich hatte noch nie von einem Werwolf gehört, der gleichzeitig ein Animagus war, ich fragte mich, ob sich das gegenseitig ausschloss.
„Keine Sorge" sagte er schmeichelnd. „Ich beiße nur ganz selten."
Einstweilen befreite Lupin Snape von den Handschellen. Mit leisem Stöhnen nahm Snape die Hände nach vorne und rieb sich die Handgelenke.
„Wessen Idee war das?" fragte er Lupin. „Wer hat ihn raus gelassen?"
„Meine nicht" sagte Lupin unbeeindruckt. „Ich wäre allein gegangen, aber ich kann ihn schlecht anbinden, oder?"
„Was mich zu meiner nächsten Frage bringt" sagte Snape, sein Unterton jagte mir einen Schauer über den Rücken. „Wer hat dich rausgelassen?"
„Es sind noch fast achtzehn Stunden" sagte Lupin ruhig. „Genug Zeit, um die Sache hier zu Ende zu bringen."
„Es war meine Idee" sagte ich. „Ich habe doch das Notfall-Büchlein."
„Der Orden hätte trotzdem einen anderen schicken können" schnaubte Snape. „Ausgerechnet diese beiden! Wie lächerlich."
Lupin atmete tief durch und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. „Wir haben den Orden nicht verständigt" sagte er. „Wir wollten jede mögliche Minute einsparen. Die Nachricht klang ein wenig dringend."
„Ja" sagte ich. „Danke. Das haben Sie ganz richtig interpretiert."
„War nicht sehr schwer" sagte er und lächelte mich müde an.
„Wie habt ihr uns gefunden?" fragte ich.
„Telefonbuch" sagte Black grinsend. „Wir haben die Adresse dieser Kanzlei rausgesucht und angenommen, sie hätten euch in die nächstgelegene Polizeistation gebracht. Was auch so war. Und freundlicherweise ist ganz in der Nähe ein Apparierpunkt. Gegenfrage: Wie habt ihr es geschafft, euch gegenseitig auszuschalten? Ich verstehe, dass man Snape ausschalten möchte, der Gedanke kommt mir regelmäßig, aber ich würde doch niemals eine so charmante Person wie Sie ausschalten… das heißt, wenn ich Snape wäre, vielleicht… er hat schließlich den Charme einer feuchten Kellerwand…"
„Sirius" sagte Lupin. Black setzte sein wölfisches Grinsen auf.
„Es war ein Unfall" sagte ich. „Wir haben gleichzeitig versucht, den Stab zu benutzen, mit zwei unterschiedlichen Zaubern. Das hat er wohl nicht ausgehalten."
„Ist er zerstört?" sagte Lupin besorgt.
„Sieht nicht so aus, auf den ersten Blick" sagte ich. Wir packten den Stab aus seiner Plastikhülle, und Snape und ich versuchten einen Lichtzauber („Lumos, wenn ich bitten darf. Keine originellen Abweichungen." „Ich weiß, wie ein Lichtzauber funktioniert." „Ich wollte nur sicher gehen."). Der Stab schien unversehrt.
„Gut" sagte Snape. „Dann suchen wir endlich den Ritualpunkt auf und bringen es hinter uns. Wir sehen uns dann im Ordenshaus." Er wandte sich zum Gehen.
„Momentchen" sagte ich. „Wir machen also zu zweit weiter?"
„Das Ritual schreibt leider vor, dass ich nicht auf Sie verzichten kann" sagte er über die Schulter.
„Aber" sagte ich und sah Hilfe suchend zu Lupin. „Ein bisschen Verstärkung wäre doch sicher sinnvoll, oder? Schließlich sind wir nicht voll einsatzfähig, das haben wir ja gerade bewiesen…"
„Sprechen Sie nur von sich selbst" sagte Snape eisig. „Ich bin voll einsatzfähig, wenn Sie mir nicht in die Quere kommen."
„Sie hat recht" sagte Lupin. „Wir kommen mit. Ich und Snuffles, versteht sich."
„Ehrlich gesagt, Sie sind mir lieber, wenn Sie auf zwei Beinen gehen" sagte ich zu Black.
„Nein" sagte Lupin zu ihm. „Keine Chance. Denk gar nicht drüber nach. Viel zu gefährlich. Selbst in dieser winzigen Muggel-Station hatten sie ein Foto von dir hängen."
„Sie werden polizeilich gesucht?" fragte ich Black fassungslos.
Er legte die Hand auf seine Brust, seine Augen funkelten. Ich verstand nicht, warum er so einen Spaß hatte. „Ganz recht, Mylady" sagte er. „Eine recht zweifelhafte Gesellschaft, in der Sie sich befinden, wenn ich das anmerken darf. Ein gesuchter, angeblicher Schwerverbrecher, ein ehemaliger Deatheater und ein… Mondsüchtiger. Das wirft kein gutes Licht auf Sie, Mylady."
„Sirius" sagte Lupin. „Bitte."
Black nahm die Hand von der Brust, grinste Lupin an, führte mit theatralischer Geste den Zeigefinger zum Mund, beugte sich dann vornüber, seine Hände verkürzten sich zu Pfoten, seine Kleidung schmolz ein und wandelte sich in zottiges schwarzes Fell, und dann schnürte Snuffles davon, um an einer Mülltonne zu schnuppern.
„Was hat er getan, dass sogar die Muggel-Polizei ihn sucht?" fragte ich Lupin.
„Nichts" sagte Lupin. „Er hat nichts getan. Er wurde unschuldig verurteilt."
„Oh" sagte ich.
„Können wir dann endlich" sagte Snape, unendlich genervt und gelangweilt.
„Wohin geht es?" fragte Lupin.
„Richtung Heathrow" sagte ich. „Cobbler's Street. Das ist mitten in einem Gewerbegebiet. Wandmakers Mitarbeiter sagte, es gäbe einen Apparierpunkt am Lemington Square, und von dort seien es nur ein paar Minuten."
„Können Sie selbst apparieren?" fragte Lupin. „Ich kann höchstens einen mitnehmen, und das müsste Snuffles sein, denn er kann es in Hundegestalt nicht selbst. Wo ist er eigentlich?"
„Drüben, bei den Mülltonnen" sagte ich und zeigte mit dem Finger in einen dunklen Hauseingang, wo ein großer schwarzer Schatten gerade einen kleinen fauchenden die Regenrinne hinauf jagte.
„Snuffles" sagte Lupin laut. „Zurück in die Telefonzelle. Entschuldigen Sie" fügte er leise zu mir gewandt hinzu. „Er ist ziemlich aufgedreht. Es ist sein erster Ausflug seit sechs oder acht Wochen. Dumbledore hat ihn in Grimmauld Place praktisch eingesperrt, zu seiner eigenen Sicherheit, aber trotzdem ist es schwer zu ertragen für ihn."
„Kein Problem" sagte ich. „Wenn Sie mir versichern, dass er mich nicht beißt."
„Glauben Sie mir, er ist der letzte, bei dem Sie Gefahr liefen, gebissen zu werden" sagte Lupin und lächelte wieder sein müdes Lächeln. Ich wollte ihn gerade fragen, was denn mit ihm los sei, als Snape mir das Wort abschnitt.
„Setzen Sie Ihre Mondscheinromantik zu einem späteren Zeitpunkt fort" schnappte er. „Wir gehen jetzt."
Lupin sah mich an und zuckte resigniert mit den Schultern. „Er hat recht" sagte er. „Wir haben ohnehin schon viel Zeit verloren."
Zu viert quetschten wir uns in die Telefonzelle, aus der wir gekommen waren.
„Lemington Square" sagte ich, und wir disapparierten mit einem Knall.
