Na, also.
Zeit für den Showdown.
Zeit für Emilia, mal ein paar Tatsachen ins Auge zu sehen…
Und Zeit für ein bisschen… mag ich das Romantik nennen…?
Viel Spaß.
Tötet mir den Tränkemeister nicht.
ÜBERRASCHENDE EINSICHTEN
Als wir materialisierten, standen wir bis zu den Knien im Wasser.
„Was für eine unglaubliche Frechheit" knurrte Snape und kletterte über die Umrandung des Springbrunnens, hinaus auf einen gepflasterten Vorplatz. Hinter uns sprudelte Wasser über einen kugelförmigen Stein. Unter der bewegten Wasseroberfläche sah ich irritierte Fische eilig das Weite suchen.
„Snuffles!" sagte Lupin, aber der Animagus hatte sich schon seinem Griff entwunden und war mit freudigem Jaulen und gewaltigem Geplantsche dabei, den Fischen den Schock ihres Lebens zu versetzen.
Wir kletterten über die Umrandung, und Lupin murmelte einen schnellen Zauber, der das Wasser aus unseren Schuhen entfernte.
Hinter uns lag ein Verwaltungsgebäude. Vor uns mündete der Vorplatz auf einen Gehweg, der an einer breiten, verlassenen Straße entlang führte. LKW-Anhänger waren auf der anderen Straßenseite geparkt. Straßenlaternen verbreiteten kaltes Licht.
Wir sahen uns um, während hinter uns das Wasser klatschend über die Brunnenumrandung schlug.
„Wohin?" sagte Lupin.
„Ich weiß nicht" sagte ich. „Es muss hier ganz in der Nähe sein. Können wir nicht wieder den Parspertoto einsetzen?"
„Durchaus" sagte Snape. „Falls Sie das Bedürfnis verspüren, wieder zu Benson und Partner zurück zu kehren, wo sich ja zweifelsfrei noch etwas vom gleichen Holz befindet."
„Oh" sagte ich. „Aber als ich Sie das letzte Mal fragte, wie wir den genauen Punkt finden sollen, sagten Sie etwas davon, dass ich Ihnen das Denken überlassen sollte. Also haben Sie ja vielleicht eine Idee?"
„Ich würde vorschlagen, wir bedienen uns guter, altmodischer Magie" sagte er streichelweich. „Finden Sie mir das Gebäude, dann finde ich Ihnen den Ort."
„So geht das schon den ganzen Tag" sagte ich zu Lupin, aber der hörte mir nicht zu, er sah sich nach allen Seiten um, sein Gesicht war angespannt.
„Ist was?" sagte ich.
„Ich weiß nicht" sagte er. „Ich halte es hier nicht für sicher. Gehen wir."
Ich sah mich ebenfalls um, aber da war nichts als eine verlassene, feuchte Straße in einem Industriegebiet.
„Okay" sagte ich.
„Snuffles!" sagte Lupin, zum ersten Mal klang seine Stimme scharf. „Hör auf mit dem Quatsch und komm her!"
Der Animagus gehorchte zögernd. Er hopste aus dem Wasserbecken, schüttelte sich ausgiebig, so dass wir selbst einige Schritte entfernt noch im Regen standen, und kam dann zu uns. Ein strenger Geruch nach nassem Hund machte sich breit. Er stupste Lupin mit seinem großen Schädel an und wedelte matt mit dem Schwanz.
Ich machte einen Schritt auf die Straße und sah mich um.
„Lasst uns links gehen" sagte ich. „Das sieht mir viel versprechender aus."
Wir setzten uns in Bewegung. Ich beobachtete Lupin, während wir gingen. Er hatte die Arme um sich geschlungen, sein Blick ging unruhig hin und her, manchmal sah er hinauf zum Himmel, wo eine dicke Wolkenschicht den Mond verdeckte, als befürchte er, es könne wieder zu regnen beginnen. Eine gewisse Schärfe lag unter dem Schleier aus Müdigkeit. Er hatte etwas an sich, das mich irritierte.
Snuffles trabte uns voraus, die Nase im Wind, er schien den Ausflug in vollen Zügen zu genießen. Snape hatte seine übliche Gewohnheit, mir mit großen Schritten davon zu stürmen, zurück gestellt, er ging an meiner Seite und warf immer wieder Blicke hinüber zu Lupin, in denen ich etwas wie Sorge gelesen hätte, wäre es nicht Snape gewesen.
„Geh nach Hause, Remus" sagte er nach einer Weile, und ich staunte, denn ich fand keinerlei Bosheit in seiner Stimme. „Es ist vielleicht einfach zu nah dran."
„Nein" sagte Lupin finster. „Es sind noch zwanzig Stunden. Mehr als genug Zeit."
„Zwinge mich nicht, dich über Dinge zu belehren, die dir bekannter sind als mir" sagte Snape. „Es wird dir nicht entgangen sein, dass es bereits begonnen hat. Manchmal beklagst du dich schon Tage vorher."
„Ich beklage mich nicht" knurrte Lupin. „Aber ich werde das Thema künftig in deiner Gegenwart nicht anschneiden, wenn es dich so sehr stört."
Ich räusperte mich mal. Ich fühlte mich etwas übergangen bei dem Gespräch, das da so über meinen Kopf hinweg stattfand.
„Entschuldigen Sie" sagte Snape. „Eine kleine Meinungsverschiedenheit über… Interna."
„Tun Sie sich keinen Zwang an" sagte ich reserviert. „Ich kann ja Stöckchen werfen gehen, bis Sie das hier ausdiskutiert haben."
„Es gibt keine Diskussion" sagte Lupin. „Es ist ganz und gar in meinem eigenen Interesse, hier zu sein." Er sah mich an und versuchte ein Lächeln, es gelang ihm nicht ganz. „Im doppelten Sinn" sagte er. „Obwohl ich natürlich zugeben muss, dass Snuffles irrsinnig glücklich wäre, wenn Sie ihm ein Stöckchen werfen würden." Snape schnaubte abfällig.
Dann blieb Snuffles vor uns plötzlich stehen, eine Pfote noch in der Luft, wie eingefroren, sein Kopf ging von links nach rechts, dann wich er zurück, und ein sehr dunkles Knurren steig aus seinem Brustkorb. Augenblicklich hatte Lupin seinen Stab in der Hand.
Wir schlossen zu Snuffles auf, der mittlerweile die Nase über dem Boden hatte und über den Gehweg zickzackte. Ich sah mich nach allen Seiten um, aber da war immer noch nichts als ein dunkles, menschenleeres Industriegebiet, ein Autohändler zu unserer Linken, die polierten Karossen spiegelten sich im Laternenlicht, zu unserer Rechten ein Stück Brachland, und weit dahinter, eine Querstraße weiter, ein großes, gelb beleuchtetes M.
Plötzlich, ohne Vorwarnung, sprang Snuffles vom Gehweg in den tiefen Schatten zwischen den Autos zu unserer Linken und verschwand aus meiner Sicht, ich hörte ihn wild bellen und knurren. Lupin riss mich zur Seite, auf Händen und Knien landeten wir hinter einem Chrysler Voyager. Seine Hand hielt mich unten, während er sich aufrichtete und über die Motorhaube spähte, Stab im Anschlag. Ich kämpfte gegen seinen Griff, aber er war überraschend stark, er hatte mich im Nacken gepackt und drückte mich unsanft auf den Boden, „Still!" zischte er. Ich gab nach, legte mich flach und spähte unter dem Auto hindurch. Natürlich sah ich nicht viel, nur Schatten und schmierige Pfützen und Snuffles' Pfoten, er lief hin und her und versuchte offenbar, Witterung aufzunehmen.
„Lumos" sagte Lupin, und sein Stablicht glomm auf. „Fortis" sagte er, und das Licht verstärkte sich zu einem gleißenden Strahl. Snuffles verschwand aus meinem Sichtfeld, und gleich darauf tauchten ein paar polierte schwarze Stiefel unter schmalen schwarzen Hosenbeinen in meinem Gesichtsfeld auf.
„Mach dein Licht aus, Remus. Wer weiß, was für Muggel sich hier herum treiben."
„Nox" sagte Lupin. Das Licht verlosch. „Snuffles?" sagte er halb laut, und der Animagus kam mit langen, graziösen Schritten zwischen den Autos hervor.
Ich hob die Hand.
„Bitte" sagte ich mit gequetschter Stimme, ich fand es etwas mühsam zu atmen, so lange die Kapuze meines Sweaters mich halb strangulierte. „Lassen Sie mich los, ja?"
Lupin sah auf mich hinunter, seine Augen weiteten sich vor Schreck.
„Merlin" sagte er. „Ja, natürlich. Oh, mein Gott, entschuldigen Sie." Er half mir auf.
„Mein Gott" sagte er wieder, zupfte meinen Sweater zurecht und wischte hilflos an ein paar tellergroßen Flecken herum, wo der verwaschene Stoff zu innige Bekanntschaft mit dem schmierigen Asphalt gemacht hatte. „Es tut mir so leid. Es war ein Reflex. Ich habe Ihnen doch hoffentlich nicht weh getan?"
„Nein" log ich. „Alles in Ordnung. Sie haben mich nur etwas erschreckt."
„Das tut mir leid" sagte er und ich verstand nicht, warum er gar so deprimiert war. „Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist."
„Ich schon" sagte Snape und zog seine Augenbraue hoch. Snuffles an seiner Seite gab ein kurzes, aber gefährliches Knurren von sich.
Mit einem letzten entschuldigenden Lächeln ließ Lupin von meinem Sweater ab und sah hinunter zu Snuffles.
„Da war etwas, oder?" fragte er. Snuffles hob die Schnauze.
„Mensch?" Snuffles schüttelte seine Ohren.
„Tier?" Erneutes Ohrenschütteln. Ich bekam den Eindruck, dass die beiden in dieser Art der Kommunikation gut geübt waren.
„Magisches Wesen? Monster?" Kurzes Zögern, dann ein Ohrenschütteln. Snuffles machte ein paar Schritte nach links, ein paar nach rechts, drehte sich dann einmal im Kreis und sah Lupin mit schief gelegtem Kopf an.
„Eine Präsenz" sagte Lupin. Snuffles hob die Schnauze.
„Das kann alles sein" sagte Snape. „Brechen wir diese kleine Scharade ab und gehen wir weiter, ja?" Snuffles legte den Kopf in den Nacken und gab ein lang gezogenes Heulen von sich. Ich schauderte. Hatte ich jemals meine Zweifel über die Vereinbarkeit von Animagus und Werwolf gehabt, so waren sie hiermit ausgeräumt.
„Es ist gefährlich" sagte Lupin. „Was immer es war. Wir sollten uns in Acht nehmen."
„Und was schlägst du vor?" sagte Snape eisig. „Sollen wir die Mission abbrechen, nur weil dein pelziger Freund seinen Jagdtrieb nicht im Griff hat?"
„Es war mehr als das" sagte Lupin leise. „Ich habe es auch gespürt. Ich kann es nur nicht benennen. Es fühlte sich an wie… weißt du noch, als wir den Keller in Grimmauld Place entrümpelten? Zurück eroberten, könnte man fast sagen. Erinnerst du dich an den Alb im Wandschrank?"
„Dunkle Magie" sagte Snape.
„Viel davon" sagte Lupin.
„Hier?" sagte ich ungläubig. „In einem versifften Londoner Industriegebiet?"
Lupin hob die Hände und ließ sie wieder fallen.
„Die Quelle davon ließe sich nicht ohne erheblichen Aufwand ausmachen" sagte Snape. „Also brechen wir diesen erbaulichen Disput bitte ab und sehen wir zu, dass wir weiter kommen."
„Recht haben Sie" sagte ich. „Mir ist kalt."
Wir kehrten an die Straße zurück und gingen sie eilig entlang, einige hundert Meter, Snuffles umkreiste uns nervös. Dann, als ich mich gerade fragte, ob wir nicht vielleicht doch in die falsche Richtung liefen, kam rechts ein großes, verglastes Gebäude, an dessen Fassade der blau beleuchtete Schriftzug Feathernet prangte.
„Das ist es" sagte ich, maßlos erleichtert. Wir überquerten die Straße und einen verlassenen Parkplatz und näherten uns dem Eingang, einer breiten, schweren Glastür, zu der ein paar Stufen hinauf führten. Jetzt, da wir das Haus gefunden hatten, fand ich es an der Zeit, das nächste Problem anzusprechen.
„Wir werden es da drin mit einer Alarmanlage zu tun bekommen" sagte ich. „Der Muggel-Entsprechung zu Sicherungszaubern. Und vielleicht mit Wachleuten. Na ja. Zumindest einem Hausmeister."
„Und was schlagen Sie vor?" sagte Snape.
„Reinkommen dürfte nicht das Problem sein" sagte ich und beäugte die Tür. „Aber dann müssen wir die Alarmanlage vom Netz nehmen, sonst können wir uns in dem Gebäude nicht frei bewegen. Hat jemand einen Invisibilis?"
„Nein" sagte Snape.
„Nein" sagte Lupin, „aber einen Disillusionis. Das ist fast so gut."
„Nein" sagte Snape wieder. „Kommt nicht in Frage. Ich bin nicht verzweifelt genug, um mich von dir verzaubern zu lassen, in deinem Zustand. Wer weiß, was daraus würde."
„Ich bin noch sehr gut bei Verstand" sagte Lupin wütend.
„Wir nehmen Schattenwasser" sagte Snape und holte eine kleine, dunkle Phiole aus dem Plastikbeutel, in dem sie noch verpackt waren. „Durch drei geteilt wird es nicht lange halten, ein paar Minuten vielleicht. Das muss genügen, um diese Sicherungsvorrichtung zu neutralisieren."
„Falls Sie glauben, ich wüsste, wie das geht, haben Sie sich geirrt" sagte ich.
„Wissen Sie nicht?" sagte Snape, als sei ich ein Prüfling, bei dem er gerade eine Wissenslücke entdeckt hätte.
„Nein" sagte ich. „Wir sind übrigens zu viert."
„Ich habe dort drüben einige Haken gesehen" sagte Snape kalt. „Da kann man ihn anbinden."
„Snuffles hat eine natürliche Begabung mit dunklen Ecken" sagte Lupin mit erhobener Stimme, um Snuffles' Knurren zu übertönen. „Ich glaube nicht, dass er die Unterstützung eines Trankes benötigt. Also, hinein mit uns."
Snape entkorkte die Phiole, setzte sie an die Lippen und nahm einen Schluck. Dunkler Rauch stieg von der Flüssigkeit auf, und er hielt den Daumen über die Öffnung, damit nichts davon entwich. Ich übernahm die Phiole und trank, oder inhalierte, besser gesagt, denn die Flüssigkeit wandelte sich in süßlichen Dampf, kaum dass sie meine Zunge berührte. Ich legte den Daumen über die Öffnung und reichte die Phiole an Lupin weiter, der sie mit kritischem Blick entgegen nahm.
„Sie müssen es einatmen" sagte ich. „Es verwandelt sich in Dampf. Falls Sie jemals eine Wasserpfeife geraucht haben, kennen Sie das Gefühl."
„Nein" sagte er zögernd.
„Schütten Sie's rein, und dann atmen Sie kräftig durch den Mund ein" sagte ich. Er tat es und hustete.
„Ich glaube, Wasserpfeife ist nichts für mich" sagte er heiser.
Ich sah an mir hinunter. Obwohl wir unter der blauen Leuchtschrift standen, schien mein Körper völlig im Schatten zu liegen, ich konnte kaum meine Füße erkennen. Ich sah nach Snape und musste zweimal hinsehen, ehe ich ihn neben mir entdeckte.
„Remus" sagte er, „Tür auf."
Ein sehr schattenhafter Lupin neben mir zog seinen Stab, tippte auf das Schloss und murmelte „Alohomora". Es klickte, eine Serie kleiner Riegel im Türrahmen schnappte auf, dann zog ich am Griff, und mit leisem Rauschen schwang die Tür auf.
„Schnell" sagte ich. „Wir müssen zuerst das Sicherheitspersonal finden, wenn es welches gibt."
Lautlos wie die Schatten glitten wir in eine große, matt erleuchtete Eingangshalle. Links von uns standen eine Besuchercouch und die üblichen Gestelle mit Firmenprospekten neben einem Kaffeeautomaten, an dem ein mattes rotes Licht blinkte. Weiter vor uns zog sich ein schräg gesetzter, gläserner Tresen, dahinter stützte eine Edelstahlkonstruktion die Treppe, die sich aus der Mitte der Halle zwei Stockwerke hoch hinauf schwang und auf Balustraden mit gläsernem Geländer führte. Verschiedene Gänge und Glastüren führten aus der Halle, und ich musste nicht lange nachdenken, wohin ich meine Begleiter jetzt lotsen sollte, denn zu unserer Linken ging eine Tür auf, und ein Mann mit einem Button am hellblauen Hemd schaute sehr verwirrt hinüber zur Tür. Wir wichen zurück, und er schien uns nicht zu bemerken, als nach vorne kam und mit einem Schlüsselbund an seinem Gürtel klimperte.
„Pete" sagte er laut nach hinten. „Da ist tatsächlich die Tür aufgegangen, aber es ist niemand hier!"
„Petrificus" murmelte Lupin und deutete mit seinem Stab, und der Wachmann fror auf der Stelle fest.
Pete ließ nicht lange auf sich warten, er steckte den Kopf durch die Tür, hinter der ich Monitore flackern sah, und wurde auf der Schwelle petrifiziert. Ich verlor keine Zeit, sondern schob mich an ihm vorbei in den kleinen Überwachungsraum. Ich checkte die Monitore, es war eine Sammlung bewegungsloser Bilder von Fluren, Aufzügen und Büros. Ich hoffte, dass es nicht irgendwo zwischen zwei Überwachungspunkten einen dritten Wachmann gab. Ich ließ mich auf die Knie nieder.
„Was tun Sie?" fragte Snapes Schatten, der hinter mir in den Raum geweht war. Ich fand Steckdosenleisten und begann wahllos, Stecker zu ziehen.
„Ich schalte das Ding aus" sagte ich. „Was uns allerdings nur ein wenig Zeit verschafft. Ich bin ziemlich sicher, dass der Ausfall automatisch an die Sicherheitsfirma gemeldet wird." Ich warf einen Blick nach oben. Der Computermonitor zeigte no signal, und einige der Überwachungsmonitore waren dunkel. Neben einem Papierkorb voller Schokoriegel-Papierchen fand ich etwas, das ich für den Hauptrechner hielt, und zog alle Stecker heraus.
„So" sagte ich und kam wieder in die Höhe. „Die Kameras sind zwar weiterhin eingeschaltet, aber ich hoffe, dass ihre Bilder nicht mehr gespeichert werden."
„Formulieren Sie allgemeinverständlich, oder behalten Sie's für sich" schnaubte Snape.
„Erinnern Sie sich an diesen Satz, wenn Sie mal wieder einer Zweiten den Polyjuice beibringen" sagte ich grinsend. „Und jetzt kommen Sie. Sie sind dran."
„Womit?" fragte er irritiert.
„Ich habe Ihnen das Haus gezeigt" sagte ich. „Jetzt zeigen Sie mir den Ort."
„Ja" sagte er. „Natürlich. Sie machen mich noch ganz irr mit Ihrem Geplapper."
Wir gingen zurück in die Halle. Lupin stand am Fuß der Treppe und sah sich um, er war bereits wieder voll sichtbar, ich nahm an, er hatte einen Großteil des Trankes wieder heraus gehustet.
„Snuffles glaubt nicht, dass noch weitere Muggel hier sind" sagte er leise in unsere Richtung. „Er ist sich aber wohl nicht sicher. Das Haus ist voller Muggel-Gerüche."
„Petrifiziere sie, falls wir noch welche treffen" sagte Snape. Lupin nickte.
Snape holte den Doppelstab aus dem Ärmel und hielt ihn vor sich. Ich wischte meine plötzlich feuchte Handfläche an meiner Jeans ab, bevor ich den Stab ebenfalls ergriff. Ich bemühte mich, etwas harmloses zu denken, aber allein schon der Versuch zauberte eine Flut von sehr privaten, sehr irritierenden Bildern vor mein inneres Auge, es war ein Mix aus blassen, perfekten und sehr geschickten Händen, vermischt mit einer schrecklichen Strickjacke und einem wunderbaren, warmen Lächeln. Mir brach der Schweiß aus.
„Tun Sie mir einen Gefallen" murmelte ich. „Gucken Sie diesmal nicht hin, ja?"
„Selbstverständlich nicht" sagte er. „Was denken Sie von mir?"
„Das würde ich ja gerade lieber für mich behalten" sagte ich und nahm zuverlässig die Farbe eines rot glühenden Kessels an. Er sah mich an, lange und forschend, als sei ich eine Trankzutat, über deren Qualität noch entschieden werden musste.
„Klammern Sie sich nicht so fest" sagte er dann und schüttelte leicht den Stab. „Ich werde eine Reihe komplizierter Bewegungen ausführen. Versuchen Sie, Ihre Hand möglichst leicht und weich zu halten. Es wird Ihre Schuld sein, wenn der Zauber nicht funktioniert."
„Völlig klar" sagte ich und fragte mich, wie zum Teufel ich das bewerkstelligen sollte. „Wie immer."
„Bereit?" sagte er.
„Ja" sagte ich.
„Locato origin" sagte er. Ein dünnes, helles Lichtfädchen stieg von der Spitze des Stabes auf wie Rauch von einer Zigarette. Snape fing das Lichtfädchen mit dem Stab ein und begann, es zu einer Art keltischem Knoten zu verweben, der vor uns in der Luft schwebte und ein zartes Leuchten von sich gab.
Leicht und weich, murmelte ich meinen persönlichen Zauberspruch. Leicht und weich. Meine Fingerspitzen ruhten auf seinem Handrücken, ich spürte, wie seine kühle Haut sich unter der Berührung wärmte. Der keltische Knoten nahm Form an, wuchs bis zur Größe eines Quaffle und begann dann, sich träge um sich selbst zu drehen. Snape ließ den Stab sinken.
„Sehr gut" sagte er leise. „Sie können mich jetzt los lassen."
Ich riss meine Hand an mich. Aus dem keltischen Knoten löste sich das Ende des Fadens, als zöge jemand daran, und begann, sich in schlängelnder Bewegung von uns fort zu bewegen. Der Knoten zerfiel. Zügig bewegte sich der Lichtfaden durch die Halle. Snape setzte sich in Bewegung.
„Kommen Sie" sagte er. „Remus, fang den Hund ein."
Ich hörte Snuffles' Krallen auf dem polierten Steinboden scharren, dann war er neben mir und machte Anstalten, an mir hoch zu springen.
„Bitte nicht" sagte ich erschreckt, und er zog die Lefzen hoch, ich wusste nicht, ob es ein Grinsen sein sollte. Lupin war hinter mir und schob sich an mir vorbei, als der Lichtfaden durch eine Tür verschwand.
„Alohomora" sagte er und tippte das Schloss an, und die Tür schwang auf. Ein dunkler Gang lag dahinter, links und rechts Milchglastüren. Vor uns sah ich das Ende des Lichtfadens, wie er sich durch eine Türöffnung schlängelte und nach rechts aus meinem Blickfeld verschwand. Wir beeilten uns, hinterher zu kommen. Snuffles voraus, betraten wir einen großen Raum, der mit langen Reihen von Computer-Arbeitsplätzen gefüllt war. Ein breiter Mittelgang führte nach vorne zu einer weiteren Tür. Der Raum war dunkel, nur die Straßenbeleuchtung schien durch eine lange Fensterfront zu meiner Linken und spiegelte sich in den dunklen Monitoren, mit denen jeder Arbeitsplatz ausgestattet war. Seitlich vor uns, mitten im Raum, schwebte der keltische Knoten, der gerade das Fadenende wieder in sich aufnahm.
„Wir werden Platz schaffen müssen" sagte Snape und bewegte sich zwischen den Tischen auf den Knoten zu. Ich sah, wie der Schattenzauber von ihm abfiel, während er ging, es machte kaum einen Unterschied. Mein eigener Zauber verließ mich nur einen Atemzug später. Ich folgte Snape, und einen raschen Mobiliarmus später hatten wir die Tische um den Knoten herum beiseite geschoben.
„Ich habe noch nie ein Pentagramm auf einem Teppichboden gezogen" sagte ich und beäugte kritisch den dunklen, wahrscheinlich extra strapazierfähigen Bodenbelag. „Ob sich das irgendwie auswirkt?"
„Wohl kaum" sagte Snape. Wir werden aber ohnehin zuerst den Bannkreis errichten."
„Ich nehme an, das ist der Teil, den ihr zu zweit tun müsst" sagte Lupin und machte eine vage Handbewegung. „Snuffles und ich sollten dann vielleicht draußen warten."
„Ihr solltet darüber hinaus sicher stellen, dass man uns nicht stört" sagte Snape.
„Besteht die Möglichkeit, die Prozedur zu beschleunigen?" fragte Lupin. „Ich will nicht drängeln, aber ich habe immer noch das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt."
„Ich hatte nicht vor, die Prozedur durch unnötige Romantizismen zu verlängern" sagte Snape eisig.
„Kaum zu glauben" sagte ich. „Wo Sie doch so ein ganz Zarter sind."
Lupin wandte sich rasch ab, aber ich war sicher, ich hatte ihn ein Lachen schlucken sehen.
„Soll ich die Türen versiegeln?" fragte er.
„Nein" sagte ich schnell. „Bitte nicht. Ich bin nicht gern eingesperrt. Der Gedanke macht mich nervös."
„Versiegeln Sie die hintere" sagte Snape und deutete mit einem blassen Finger. „Sie können sich dann auf den vorderen Bereich des Gebäudes konzentrieren."
„Ist gut" sagte Lupin und ging davon, Hände in den Hosentaschen, ich hörte ihn nach Snuffles pfeifen, dann verschwanden beide in den tiefen Schatten im hinteren Teil des Raumes. Ich atmete tief durch. „Also" sagte ich. „Gehen wir's an."
„Wir werden alle Schritte gemeinsam unternehmen" sagte Snape. „Nur um sicher zu gehen. Welche Bannsprüche beherrschen Sie?"
„Den Protego" sagte ich und fragte mich, ob es tatsächlich mehr als einen gab.
„Und sonst?"
„Und sonst keinen" sagte ich. „Was wollen Sie? Der Protego ist doch prima."
„Er ist gewöhnlich und sehr wenig subtil" sagte Snape.
„Stilfragen sind aus Zeitmangel gestrichen" sagte ich. „Ebenso wie Romantizismen. Auch wenn's schwer fällt."
„Also gut" sagte Snape mit der Leidensmiene von einem, der sich aus dem Olymp herab lässt. „Dann wird er genügen müssen. Wir sprechen ihn gemeinsam."
Wir berührten den Stab.
„Auf drei" sagte Snape. „Und schön langsam. Eins… zwei… dr…"
„Proteg…"
„Ich sagte, auf drei!"
„Das war auf drei!"
„War es nicht! Ich war noch nicht fertig mit Zählen, falls ich Ihre Aufmerksamkeit auf den unbedeutenden Punkt richten darf! Eine – zwei – drei – Protego!"
„Das ist nach drei, nicht auf drei! Sagen Sie doch, wie Sie's haben wollen!"
Snape seufzte und bedeckte die Augen mit der Hand.
„Merlins Bart" sagte er. „Das kann ja was werden."
„Wollte ich auch gerade sagen" sagte ich. Er nahm die Hand von den Augen und sah mich an, zu meiner Überraschung hatte der Habicht Urlaub, seine Mundwinkel hoben sich, es hätte beinahe ein Lächeln sein können.
„Also gut" sagte er. „Nochmal."
„Auf Ihr Kommando" sagte ich.
Wir nahmen Aufstellung.
„Eins – zwei – drei – Protego!"
Wir waren perfekt synchron. Unsere Bewegung war aufeinander abgestimmt, als hätten wir lange geübt. Mit einem tieffrequenten Summen errichtete sich eine grünlich schimmernde Halbkugel über uns. Ich war überrascht von ihrer Größe und Kraft, meine Bannkreise waren bisher immer wesentlich mickriger ausgefallen.
„Na also" sagte Snape. „Das war ja weniger schlimm als befürchtet."
„Dann brauchen wir jetzt das Pentagramm, wenn ich mich recht erinnere" sagte ich.
„Sie erinnern sich recht" sagte er. Er holte den verkleinerten Lautsprecher aus der Hosentasche und platzierte ihn sorgfältig direkt unter dem keltischen Knoten, der bewegungslos über unseren Köpfen schwebte.
„Wir hätten ihn nicht gar so verkleinern sollen" sagte er und trat einen Schritt zurück. „Es wird schwierig sein, ihn nicht umzustoßen."
Wir ließen uns auf dem Fußboden nieder und begannen mit der Arbeit. Ich hatte Pentagramme noch nie leiden mögen, ich ersparte mir die schwierige Prozedur, wo ich konnte, aber diesmal war ich wirklich motiviert, das beste Pentagramm meiner bisherigen Zauberlaufbahn zu produzieren.
Wir brauchten lange, und ich bezwang meine Ungeduld. Dass wir wenig Platz hatten und immer wieder über die Beine des anderen steigen mussten, beschleunigte die Sache nicht, ganz von dem Tanz zu schweigen, den wir um die verkleinerte Box herum aufführten, es hatte etwas von diesem albernen Muggel-Partyspiel, bei dem man mit bestimmten Körperteilen bestimmte Farbpunkte auf dem Boden berühren muss. Wenn ich Zeit hatte, sah ich zu Snape hinüber, ich wollte möglichst früh erkennen, falls er ein Problem mit zu viel Nähe entwickelte, aber Mister Fassen-Sie-Mich-Nicht-An schien ebenfalls beurlaubt.
Schließlich zogen wir die letzte Linie und malten die letzte Rune. Der dünne silberne Puderstrahl, den wir aus der Stabspitze beschworen hatten, riss ab. Die Linien um uns leuchteten auf, bevor sie sich auf ein schwaches Schimmern einrichteten. Vorsichtig richteten wir uns auf. Wir hatten kaum mehr als eine Armlänge freien Raum um uns.
„Okay" sagte ich und fragte mich, warum meine Stimme so seltsam quietschig klang. „Ich glaube, jetzt kommt's. Der Teil mit dem Seeleneinklang und so. Vielleicht fällt Ihnen ja eine passende böse Bemerkung ein."
„Unangebracht" sagte er. „Ich würde lieber darauf verzichten."
„Ist mir auch recht" sagte ich.
Wir sahen uns an. Ich fand, es war wirklich schrecklich eng im Inneren des Pentagramms.
„Wir müssen den Stab nur zwischen uns halten, wenn wir den Zauber sprechen" sagte ich und bemühte mich um einen möglichst geschäftsmäßigen Ton. „Keine Gesten. Oder?"
„Nein" sagte er.
„Aber Körperkontakt" sagte ich und erstickte fast an dem Wort. „Zumindest war das Wandmakers Empfehlung. Ist das ein Problem für Sie?"
„Nein" sagte er. „Nicht mehr."
In diesem Augenblick änderte sich die Beleuchtung, grünes Licht strömte plötzlich von allen Seiten auf uns ein. Ich sah mich irritiert um, ich dachte zuerst an unseren Bannkreis, aber die Quelle des Lichts war eine andere. Alle Computerbildschirme in dem dunklen Raum waren plötzlich eingeschaltet und zeigten eine grelle grüne Oberfläche.
Über Snapes, nun ja, prominenter Nase erschien eine steile Falte.
„Ist das normal?" fragte er mich.
„Nein" sagte ich flach. „Das ist nicht normal. Das ist ganz und gar nicht normal. Und sehr beunruhigend noch dazu."
„Dann schnell" sagte er. „Starren Sie nicht da raus. Sehen Sie mich an. Konzentrieren Sie sich."
„Ich versuch's" murmelte ich, während mein Herz schnell und flatterig zu schlagen begann.
„Ruhig" sagte er.
„Ich bin ruhig" sagte ich, nicht gerade den Tatsachen entsprechend.
Er umfasste den Doppelstab und hielt mir das andere Ende hin.
„Auf drei" sagte er. „Ich korrigiere mich. Nach drei."
Ich lächelte schwach und nahm mein Ende des Stabes.
„Bereit?"
Ich nickte.
„Eins – zwei – drei – Finite Coniunctionem!"
Ein dicker, silberner Lichtstrahl schoss zwischen uns aus dem Boden, genau an der Stelle, wo wir die Mini-Box platziert hatten. Wir wichen aus, so weit die beengten Platzverhältnisse es zuließen. Verblüfft starrte ich nach oben, wo der Lichtstrahl sich aufteilte und in alle Richtungen auseinander lief, sich verzweigte und verästelte, bis ein durchscheinender Baum aus silbrigem Licht seine Zweige über uns ausbreitete. Sein schimmerndes Laub bewegte sich leise in einem nicht spürbaren Wind.
„Wow" sagte ich atemlos.
„Aha" sagte Snape und sah hinunter auf den Doppelstab. „Zumindest etwas ist passiert. Gleich noch mal, bitte. Fertig?"
„Ja."
„Sehen Sie mich an, nicht den Baum."
„Oh."
„Eins – zwei - drei – Finite Coniunctionem!"
Ein Zittern ging durch den Lichtbaum. Einzelne Blätter lösten sich von den Zweigen und schwebten auf uns herunter.
Snape seufzte. „Ich hasse diese mittelalterlichen Rituale" sagte er. „So unwissenschaftlich, und unpräzise, und eine inakzeptable Fehlerquote."
„Erfinden Sie ein neues, wenn Ihre Zeit es zulässt" sagte ich. „Aber lassen Sie uns erst überlegen, was wir falsch machen. Etwas fehlt. Vielleicht doch Gesten?"
„Wandmaker erwähnte keine."
„Wandmaker kann sich auch mal irren."
„Dann können wir ebenso gut abbrechen" sagte Snape. „Wir hätten keine Chance, aus dem Stegreif die richtigen Gesten zu treffen. Aber ich glaube nicht an Gesten. Die alten Rituale kommen meist ohne aus. Ich glaube, es ist etwas anderes."
„Der Körperkontakt" sagte ich und fragte mich, warum schon wieder ich es sein musste, die dieses Wort in den Mund nahm.
„Versuchen wir es" sagte er.
Ich räusperte mich, wischte mir zum x-ten Mal die Handflächen an der Jeans ab und machte einen linkischen Schritt auf Snape zu, ich fühlte mich wie ein Teenager bei der ersten Tanzstunde. Er nahm mich bei den Armen und zog mich näher. Unsere Finger verschränkten sich über dem Doppelstab.
„Eins – zwei - drei – Finite Coniunctionem."
Der Baum schüttelte sich, ein gelber Lichtblitz fuhr den Stamm hinauf und versickerte in den Zweigen, es entsprach in etwa dem, was in meinem Inneren vor sich ging, und Snape ließ mich nicht weg, mit der einen Hand hielt er meine auf dem Doppelstab, die andere legte er auf meinen Rücken und zog mich näher. Meine Knie wurden weich, und mit der freien Hand klammerte ich mich an seine Schulter. Er beugte den Kopf zu mir, sein dunkles Haar streichelte meine Wange. Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen, aber er legte seine kühle, glatte Wange gegen meine wie ein schüchterner Liebhaber.
„Fertig?" flüsterte er an meinem Ohr.
„Eins – zwei – drei – Finite Coniunctionem."
Der Stab in unseren Händen begann zu zucken und sich zu winden, dann schoss er aus unseren Händen hervor und direkt in den schimmernden Baumstamm hinein, wo er Funken sprühend versank. Eine ganze Serie von Blitzen erschütterte den Lichtbaum. Um uns begann ein wilder, funkelnder Blätterwirbel, und immer noch ließ Snape mich nicht weg, er legte seine perfekten, wunderschönen Hände an mein Gesicht und begegnete endlich meinem Blick, seine Augen waren wie warmer Samt, und dann legte er seine Lippen auf meine und küsste mich.
Mein Herz blieb definitiv stehen. Ich nahm kaum wahr, dass der Lichtbaum plötzlich in Flammen stand. Ein dichter Funkenregen schnitt uns von der restlichen Welt ab, und ein unwirklicher Wind kam plötzlich auf, ein Wirbel, der sich um uns drehte, während ich meine Zunge los schickte, um seine zu treffen.
Ich weiß nicht, wie lange der Kuss dauerte. Ich starb tausend Tode. Jedes winzige Stück meines Körpers, jede Zelle, schrie nach dieser Berührung, ich hätte mich ihn ihm auflösen mögen wie unser Stab im silbrigen Licht des Baumstammes. Als ich es endlich schaffte, die Augen zu öffnen, war der Baum verschwunden, und der Wirbelsturm verschlang gerade die letzten Reste des Pentagramms.
Unsere Lippen lösten sich. Snape nahm die Hände von meinem Gesicht und trat einen Schritt zurück. Ich suchte den Samt in seinen Augen, aber zu meinem Entsetzen war harter Obsidian alles, was ich fand.
„Eine verzweifelte Lage erfordert verzweifelte Maßnahmen" sagte er, bückte sich und hob etwas vom Boden auf. „Und mit Erfolg."
Er gab mir meinen Stab zurück. Ich nahm ihn und sah ihn an, er sah aus wie immer, ich konnte mich gar nicht richtig freuen.
„Du musst das nicht tun, weißt du" sagte ich. „Es kaputt reden. Du hast es doch auch gespürt."
Er sah auf mich hinunter, ein winziges höhnisches Lächeln in den Mundwinkeln. Mir wurde übel davon.
„Machen Sie keinen Fehler, Miss Emilia" sagte er. „Gehen Sie nicht davon aus, es gäbe einen unglücklichen, einsamen, liebenswerten Severus Snape in dieser hässlichen Hülle, der nur darauf wartet, von Ihnen erlöst zu werden. Ich sagte Ihnen bereits: Es gibt nur den, den Sie sehen. Gehen Sie lieber und erlösen Sie Lupin, wenn Sie das für Ihr Ego brauchen. Ich bin sicher, er lässt es sich gerne gefallen."
Als ich endlich realisierte, dass ich meinen Stab zurück hatte und damit eine breite Auswahl an bösartigen Zaubern, hatte ich ihm bereits ins Gesicht geschlagen.
Dann gab es einen fürchterlichen Knall, und alle Fensterscheiben barsten. Ein Hagelsturm aus winzigen Glasscherben ging prasselnd nieder. Ich ließ meine Hand sinken. Snape, der sich automatisch an die Wange gefasst hatte, drehte sich zum Fenster um, durch das uns jetzt ein heulender Windstoß ansprang.
„Schnell" sagte er und schubste mich zur Tür. Wir rannten im Zickzack zwischen den Arbeitsplätzen hindurch, und ich konnte nicht anders als zur Kenntnis nehmen, dass die grün leuchtenden Monitore unsere Flucht verfolgten, sie drehten sich auf ihren Ständern in unsere Richtung wie seltsame eckige Köpfe. Dann sprang die Tür vor uns mit einem Knall auf. Lupin und Black erschienen, der Animagus hatte seine Tiergestalt aufgegeben und wich Schulter an Schulter mit Lupin vor etwas zurück, das ich nicht sehen, sehr wohl aber hören konnte, seine Schritte ließen das Gebäude erzittern, und ich hörte ein überlautes, dunkles Knurren.
Black warf einen raschen Blick über die Schulter.
„Hat's geklappt?" fragte er. „Prima. Wir können wirklich etwas Verstärkung gebrauchen."
Ein Lichtblitz drang aus dem Flur und hinterließ ein stetiges, gelbes Leuchten, dann sah ich einen Schatten, einen riesigen, gebückten Schatten mit gesträubtem Haar und aufgerissenem Maul. Ich gab etwas wie ein Quietschen von mir.
„Kein Kampf" sagte Lupin, seine Stimme klang flach. „Verschwinden wir. Zu gefährlich."
Das Licht näherte sich, und dann sprang der riesenhafteste, furchterregendste, hässlichste Hund auf die Schwelle, den ich je gesehen hatte.
Ich korrigierte mich. Es war kein Hund, es war ein Wolf.
Ich korrigierte mich.
Es war kein Wolf.
Es war ein Werwolf.
Ich taumelte rückwärts gegen Snape, der mich fest hielt und weiter zurück zog, und dann drückte er mir etwas kühles, glattes in die Hand.
„Trinken" sagte er. „Schnell."
Ich hob die Phiole vor mein Gesicht. Kleine schimmernde Partikel wirbelten in der goldfarbenen Flüssigkeit. Ich zog den Korken und stürzte die Flüssigkeit hinunter.
Lupin und Black versuchten inzwischen, zum Fenster zu gelangen. Für eine Sekunde wunderte ich mich, warum der Werwolf ihnen nicht folgte, dann, in einer einzigen rauschenden Bewegung, der mein Auge kaum folgen konnte, wurden die Glassplitter vom Boden gesaugt und bildeten eine undurchdringliche, messerscharfe Barriere vor den offenen Fenstern. Lupin packte Black am Arm, ehe der Schwung ihn hinein trug, sie wirbelten herum und wichen in die Mitte des Raumes zurück.
„Was ist das?" keuchte ich, als wir uns in der Mitte des Raumes trafen. „Was soll das?"
„Vielleicht erklären Sie's der jungen Dame, Snape" sagte eine glockenhelle Stimme von der Tür.
„Aconita" sagte Snape, falls er überrascht war, verbarg er es gut. „Was verschafft mir das zweifelhafte Vergnügen?"
„Bemühen Sie Ihren ach so überlegenen Intellekt" sagte die hohe, schlanke, schwarze Gestalt, die nun lautlos in den Raum glitt, der riesige Werwolf strich um sie. „Ich bin sicher, Sie werden es begreifen, bevor Sie sterben."
„Der Dunkel Lord wird wenig begeistert sein von dieser Initiative" sagte Snape düster.
„Glauben Sie mir" sagte Aconita, „ich habe Mittel und Wege, sehr überzeugend zu sein."
„Das ganze gilt Ihnen" flüsterte ich atemlos, ich begriff immer noch nicht ganz.
„Nicht sehr hell, die junge Dame" sagte Aconita sanft. „Aber vielleicht ist das ja Absicht? Vielleicht umgeben Sie sich ja mit dummen Menschen, damit Ihr eigener Verstand umso heller leuchtet?"
„Auf drei" murmelte Snape kaum hörbar. Er musste nicht laut zählen. Gleichzeitig schossen unsere Stäbe nach vorne.
„Petrificus!" schrie ich.
„Imperialis!" schrie er, und fast gleichzeitig:
„Expelliarmus!" schrieen Lupin und Black einstimmig.
Aconita stand, ganz locker, als vier Zaubersprüche wirkungslos an ihr abprallten und nichts bewirkten als ein leises blaues Leuchten ihrer Silhouette, und dann zerrte mich einmal mehr jemand zu Boden, denn unsere Zauber kamen zu uns zurück. Direkt über meinem Kopf explodierte ein Monitor.
„Merlin" murmelte ich zitternd, „Merlin! Was jetzt?"
„Und was für ein Glückstag" hörte ich Aconitas Stimme. „Nicht nur Snape, sondern auch noch Lupin, Dumbledores Schoßtierchen, der immer noch glaubt, er könne sich gegen seine Brüder stellen. Und Sirius, das Sahnehäubchen. Die Dementoren werden einen Freudentag haben."
„Erst musst du uns kriegen, Liebchen" knirschte Black. „Und so einfach wird das nicht."
„Nein?" sagte sie sanft und deutete mit ihrem Stab. „Agonia."
Black, der sich halb erhoben hatte, brach auf dem Boden zusammen und schrie, wie ich noch nie einen Mann hatte schreien hören. Ich wurde hektisch.
„Finite Incantatem" sagte ich und berührte Black, der sich auf dem Boden wälzte, mit meinem Stab. „Finite Incantatem! FINITE INCANTATEM!"
Endlich blieb er still liegen, er keuchte, seine Beine zitterten und zuckten, Schweiß tropfte ihm von der Stirn. Inzwischen hatten Lupin und Snape nicht nachgelassen, Aconita mit Zaubern zu bombardieren, ich spürte, wie ein zurück geschlagener Crucio nur Millimeter an meinem Ohr vorbei rauschte. Computermoniore explodierten überall, und das giftig grüne Licht lief aus und bildete seltsame leuchtende Pfützen auf dem Boden. Der Werwolf umkreiste seine Herrin unruhig und knurrte.
„Einverstanden" sagte Aconita schließlich und schüttelte lässig einen Impedimenta ab wie unsereins eine Fliege. „Nimm sie dir. Ich habe keine Verwendung für sie. Aber nur sie, hörst du?
Ich wusste, er meinte mich, noch ehe er in meine Richtung sprang. Ich schrie und kam auf die Knie, und dann war da Lupins schmale Gestalt, die mich vor der turmhohen Monstrosität abschirmte. Der Werwolf hielt inne und beäugte Lupin, dann zog er die Lefzen hoch und entblößte sein gewaltiges Gebiss.
„Nein" sagte Lupin ruhig. „Das wirst du ihr nicht antun. Das nicht."
Der Werwolf knurrte.
„Du bist früh dran" sagte Lupin, und ich erstarrte auf meinen Knien und beobachtete die seltsame kleine Szene. „Ist das tatsächlich deine freie Entscheidung?"
Der Werwolf knurrte wild und sprang näher. Lupin hob seinen Stab und hielt ihn dem Monster entgegen.
„Impedi…" sagte er.
„Ferox fortis" sagte Aconita. Eine gewaltige, unsichtbare Kraft hob Lupin von den Beinen, er wurde nach hinten in die zusammen geschobenen Tische geschleudert und ging krachend zu Boden.
Und nichts war mehr zwischen mir und dem riesigen, schleimtriefenden Gebiss des Monsters. Mit einem Satz war er über mir und riss mich zu Boden, seine tellergroßen Pfoten drückten auf meinen Brustkorb und ließen meine Rippen krachen. Er stank bestialisch, und ein heißer Schleimfaden tropfte langsam von seinen überlangen, spitzen Reißzähnen hinunter in mein Gesicht. Ich schrie. Meine Beine strampelten, aber ich hatte keine Chance, mich unter der Last des Monsters hervor zu arbeiten. Meine Hände waren leer, ich hatte bei dem Sturz meinen Stab verloren. Nackte Todesangst packte mich und blockierte mein Denken. Ich hörte, wie um mich herum fehl gegangene Zauber einschlugen. Das Monster über mir knurrte in wilder Freude, ich spürte seinen heißen Atem, sein Brustkorb vibrierte, dann bekamen meine suchenden Hände einen harten, eckigen Gegenstand zu fassen, es war eine Tastatur, ich riss sie in die Höhe und rammte sie dem Monster zwischen die Zähne, die es gerade in meinen Hals vergraben wollte. Seine gewaltigen Kiefer schlossen sich, es schüttelte wild den Kopf. Plastik krachte und splitterte.
„Hilfe!" schrie ich mit allem Atem, der mir noch blieb. „Hilfe! HILFE!"
Die Reißzähne des Werwolfes hingen in der Tastatur fest, er fuhr fort, sie zu schütteln wie ein längst totes Kaninchen, und versetzte mir dabei harte Schläge gegen den Kopf. Rote Blitze explodierten vor meinen Augen, und ich spürte, wie es mir warm die Schläfe hinunter rann, dann brach die Tastatur entzwei und der Werwolf schüttelte sie ab. Sein riesiges Gebiss füllte mein Gesichtsfeld, und dann war da plötzlich ein zweites Monster, ein großer, grauer Schatten, ich sah ein rasiermesserscharfes Gebiss blitzen, als es über meinen Kopf und dem anderen direkt an die Kehle sprang. Die Wucht des Aufpralls schleuderte den Werwolf von mir herunter, und beide Monster verbanden sich zu einem knurrenden, fauchenden, reißenden Knäuel. Benommen kam ich auf Hände und Knie und wischte mir Blut aus dem Gesicht. Snuffles…? Nein. Direkt neben mir hörte ich Blacks Stimme „Petrificus!" brüllen. Ich warf einen vorsichtigen Blick auf die beiden ineinander verbissenen Monster, die das erste Blut auf dem Teppichboden vergossen. Es sah tatsächlich aus, als hätte ein zweiter Werwolf den ersten angefallen, er war kleiner und heller, aber kompakt, und der andere heulte, als er sein beängstigendes Gebiss in dessen Schulter versenkte. Dann schlug ein weiterer Crucio direkt neben mir ein, Snape stöhnte auf und ging zu Boden, und ich hörte auf, über die plötzliche Herkunft des zweiten Monsters nachzudenken. Black, alleine stehend, sah sich wild um. Ich fand meinen Stab, der unter den nächsten Tisch gerollt war. Aconita hob ihren Stab.
„Protego!" schrie ich und stieß Black meinen Stab in die Knie. Ein grüner Schutzschild flammte auf, und Aconitas Zauber verpuffte harmlos. Neben mir kam Snape mühsam auf die Beine, seinen Stab in der Hand.
„Genug gespielt" sagte Aconita mit gepflegter Langeweile. „Severus, ich schlage vor, Sie kommen freiwillig mit. Ihr ach so überlegener Intellekt hat sich er mittlerweile die Aussichtslosigkeit des Unterfangens erkannt. Ersparen Sie sich und Ihren Freunden unnötige Schmerzen."
„Ich gedenke, lange genug zu leben, um Sie als Verräterin dem Dunklen Lord zu präsentieren" zischte Snape. „Und ich gedenke, Zeuge Ihrer Hinrichtung zu sein, die schmerzhafter sein wird als alles, was Sie uns hier antun können."
„Ich hatte befürchtet, dass Sie das sagen" sagte Aconita seufzend. „Vielleicht liegt es daran, dass Sie noch nicht alle Fakten kennen."
„Crucio" fauchte Snape, und ich warf mich flach auf den Boden, als der Zauber in meine Richtung zurück geschlagen wurde.
„Spiritu evoco" sagte Aconita und flickte lässig ihren Stab.
Ein leichtes Zittern lief durch den Fußboden, dann drang ein dunkles Grollen an mein Ohr, wie von einem fernen Gewitter. Das Zittern verstärkte sich, verlief in Wellen, und dann brach mit heulendem Getöse der Fußboden auf. Der Teppich riss und wurde in Fetzen zur Seite geschleudert, die Wand platzte auf, dass der Putz in alle Richtungen flog. Ich hörte einen der Werwölfe heulen, und dann erhob sich etwas, das fürchterlich war.
Es schien aus Kabeln, Leitungen und zerstörten Computerbauteilen zu bestehen, und es lebte. In einem irrsinnigen Wirbel richtete es sich auf und schleuderte funkensprühende Tentakel in unsere Richtung, es füllte den Raum bis zur Decke, ich hörte Holz splittern, als es mit müheloser Leichtigkeit Tische unter sich zermalmte. Messerscharfe Splitter flogen durch die Luft, und ich schützte meinen Kopf und kroch davon, ich fand Schutz unter einem Tisch.
„Expecto patronum" hörte ich Snapes Stimme über dem Getöse, und ein weißer, zischender Lichtblitz drang durch meine zusammen gekniffenen Augen. Ich blinzelte.
Snape und Black standen dicht beieinander. Snape hatte seinen Stab erhoben, helles Licht tropfte noch von seiner Spitze. Eine riesenhafte, silbrig durchscheinende Schlange hatte ihren gewaltigen Leib um die beiden Zauberer gelegt, ihr hoch aufgerichteter Kopf pendelte vor der riesenhaften Erscheinung hin und her, ihr Maul war aufgerissen und sie entblößte silbrig schimmernde Giftzähne. Es war der größte, körperhafteste Patronus, den ich je gesehen hatte, und ich nahm mir den Bruchteil einer Sekunde, ihn zu bewundern, bevor mir klar wurde, dass ich mich nicht in seinem Schutzkreis befand.
Eine neue Welle der Panik wusch über mich, aber die Empfindung ließ langsam nach, ich war am Ende meiner Empfindungsfähigkeit angelangt und machte die Erfahrung, dass selbst meine Angst sich nicht unendlich steigern ließ. Statt dessen begann ich, nachzudenken. Ich hatte den Felix intus, also musste die Situation etwas Gutes haben. Ich sah mich vorsichtig um. Es schien, als sei ich nicht nur außerhalb des Schutzkreises, sondern auch außerhalb der Aufmerksamkeit des Monsters. Ich packte meinen Stab und kroch auf Händen und Knien davon.
Ich war mir ziemlich sicher, dass das Killer-Kabelmonster in sich zusammen fallen würde, sobald die Hexe ausgeschaltet war, die es beschworen hatte. Die Gelegenheit war günstig, der Patronus hielt die gegnerische Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Niemand beachtete die schmuddelige junge Hexe, die sich vor Angst schier in die Hosen machte.
Ich erreichte die Wand und suchte mir meinen Weg zwischen Tischbeinen und Bürostühlen in Richtung Tür. Ich hatte keine Ahnung, was ich unternehmen sollte. Ich hatte oft genug gesehen, wie Snapes mächtige Flüche an ihrem Schutzschild abgeprallt waren, ich konnte meine paar Zauber genauso gut stecken lassen. Aber wenn ich nicht an Ort und Stelle ausgelöscht werden wollte, sollte mein erster Schlag sie ausschalten. Ich kroch weiter und identifizierte die seltsame zuversichtliche Regung in meinem Inneren als Wirkung des Felix. Etwas würde sich finden.
Ich kam am Ende der Tischreihe an und streckte vorsichtig den Kopf in die Höhe. Das Killer-Kabelmonster dröhnte, zischte und schlug mit seinen Tentakeln nach dem Patronus, dessen Licht zu flackern begonnen hatte. Durch den silbrigen Schlangenleib hindurch konnte ich Snape sehen, sein Gesicht war schneeweiß vor Anstrengung, seine Lippen bewegten sich lautlos. Aconita stand einige Schritte von mir entfernt nahe der Wand, sie wirkte recht entspannt, fast amüsiert. Von den Werwölfen sah ich keine Spur.
Ich atmete tief durch. Ich hatte keine Ahnung, ob der Plan, der sich vor meinem inneren Auge formte, funktionieren würde, aber angesichts des angeschlagenen Patronus hatte ich auch nicht mehr viel Zeit, ihn zu modifizieren.
Ich richtete mich auf, holte tief Luft und apparierte.
Mit einem Knall tauchte ich hinter Aconita auf, die Wand im Rücken. Ich hatte genau den richtigen Punkt getroffen. Aconita wirbelte herum, Überraschung auf dem Gesicht. Sie hob ihren Stab in meine Richtung, und ich riss das funkensprühende Kabelende hoch, das aus der zertrümmerten Wand baumelte, ich hielt es sorgfältig bei der Isolierung und drückte ihr das nackte Kabelende gegen die Brust.
Ich sah, wie ihre Muskeln sich verkrampften. Ihr schönes Gesicht unter der Kapuze verzerrte sich zur Grimasse, sie bog den Hals nach hinten, aber der Strom nagelte sie auf der Stelle fest, und sie schrie, bis sie das Gleichgewicht verlor und nach hinten stürzte. Ihr Körper zuckte, ihre Beine traten wild um sich. Ich ließ das Kabel fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Zwischen den Fingern sah ich, wie sich die Bewegungen des Killer-Kabelmonsters verlangsamten, es schwankte, und dann verbrauchte sich die letzte Energie des Patronus im Schutz gegen die Funken sprühenden, herab stürzenden Einzelteile, es krachte und donnerte, Wolken von fein zermahlenem Putz stoben auf, dann wurde es still.
Der Staub senkte sich langsam.
„Lumos" sagte Snape irgendwo vor mir im Halbdunkel, dann sah ich sein Stablicht näher kommen. Er stieg über die Trümmer eines Tisches und nahm über Aconita Aufstellung. Seine Kleidung und sein Haar waren grau vom Staub. Er richtete den Stab gegen ihre Kehle.
„Avada Kedavra" sagte er, fast samtig. Ein gleißendes grünes Licht schoss aus seinem Stab und legte sich um ihren Hals, und dann lag sie still.
„Oh mein Gott" sagte ich, ich zitterte so sehr, dass ich mich auf den Boden setzen musste. „Oh mein Gott. Du meine Güte. Ich, ich… Sie… haben Sie… ist sie…?"
„Tot" sagte Snape. „Korrekt."
„Oh mein Gott" sagte ich, mir war übel. „Ich habe noch nie einen toten Menschen gesehen."
„Es wird nicht Ihr letzter sein" sagte Snape. „Besser, Sie gewöhnen sich daran. Der Krieg ist längst schon ausgebrochen."
„Wer war sie?" fragte ich, ich hatte kaum meine Stimme unter Kontrolle. Snape bückte sich und schlug den Ärmel ihrer Robe nach hinten. Auf ihrer blassen Haut erkannte ich das Dunkle Mal, es war wulstig und rot und zweifelsfrei jüngeren Datums.
„Sie hatte von Anfang an Zweifel, was meine Person betraf" sagte Snape. „Sie hatte ein wirklich gutes Gespür."
„Sie sind ein Spion" sagte ich, die Erkenntnis stellte sich ganz langsam in meinem überreizten Gehirn ein. „Sie sind Dumbledores Spion in den Reihen der Deatheater."
„Wer sagt Ihnen, dass Dumbledore etwas damit zu tun hat" sagte Snape.
„Ich hoffe es" sagte ich mit schwachem Grinsen. „Irgend jemand muss ja Kontrolle haben über einen gefährlichen Mann wie Sie."
Er warf mir einen schwer zu deutenden Blick zu, für einen Augenblick meinte ich gar, er fühlte sich geschmeichelt.
Dann drang aus einiger Entfernung ein lang gezogenes Heulen zu uns.
„Und wir haben ein verdammtes Werwolfproblem" sagte Snape, ich wunderte mich, woher er jetzt noch die Kraft nahm, wütend zu sein. „Kommen Sie." Er hielt mir die Hand hin. „Lassen Sie uns sehen, welcher übrig geblieben ist."
Ich ließ mich von ihm in die Höhe ziehen und folgte ihm mit weichen Knien.
„Ich finde den Gedanken beunruhigend" sagte ich. „Dass überhaupt noch einer übrig ist, meine ich."
„Sie haben es immer noch nicht begriffen, was?" sagte Snape. „Kaum zu glauben."
„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen" sagte ich in standhaftem Bemühen, die Erkenntnis von mir fern zu halten.
„Ich kann Ihnen versichern" sagte er und half mir über einen zertrümmerten Stuhl, „Sie werden heute noch lernen, wen Sie für einen gefährlichen Mann halten müssen."
Wir trafen Sirius Black im Zentrum der Zerstörung. Er war ebenso wie Snape mit Staub überpudert, über seine rechte Gesichtshälfte lief Blut, das er sich mit dem Ärmel abwischte. Er hinkte, als er herum ging und sich bückte, um unter Tische und in dunkle Ecken zu sehen.
„Moony?" rief er leise. Seine Stimme klang sanft. „Moony?"
„Du bist besser vorsichtig" sagte Snape zu ihm. „Du blutest. Du bist eine einfache und interessante Beute."
„Quatsch" schnappte Black. „Er fällt mich nicht an. Es ist noch nicht Vollmond."
„Die Übergänge sind fließend, und das weißt du" sagte Snape kühl. „Wer sagt dir, dass er nur seinen Körper gewandelt hat?"
„Ich sage das" knurrte Black.
„Bitte" sagte Snape eisig. „Lass dich gerne fressen. Ich werde der letzte sein, der den Verlust bedauert."
„Helft ihr mir nun suchen" sagte Black ungeduldig. „Er muss verletzt sein, und ich weiß nicht, wie schwer."
„Wo ist der zweite?" fragte ich.
„Tot" sagte Black und zeigte mit dem Finger. „Unser liebenswerter Moony hat ganze Arbeit geleistet."
Ich trat an den Kadaver des Werwolfes, der halb unter einem zerbrochenen Tisch begraben lag. Seine Augen starrten mich an wie Glasperlen, seine lange rosa Zunge hing ihm aus dem Maul, das mit schaumigem Blut bedeckt war. Zwischen Kopf und Rumpf fehlte ein Stück, es sah aus, als hätte ein anderes fürchterliches Gebiss ihm die Kehle heraus gerissen, rotes Fleisch und weiße Knochen leuchteten in dem verklebten Fell. Ich würgte und schlug mir die Hand vor den Mund. Ich konnte es immer noch nicht fassen.
„Hat Snape es Ihnen nicht gesagt?" fragte mich Black halblaut von hinten.
„Nein" sagte ich.
„Seltsam" sagte Black und warf einen Blick über die Schulter. „Wo er doch sonst so großzügig ist mit dieser Information."
Ich folgte Black durch den zerstörten Raum, wir spähten in dunkle Ecken und drehten Tische um, ohne Erfolg.
„Verdammt" sagte Black. „Ich hoffe wirklich, er ist noch bei Verstand. Er hatte noch keinen Wolfsbann." Er drehte sich um und sah mich an, ein Windstoß kam durch das zerstörte Fenster und blies ihm eine lange Haarsträhne ins Gesicht.
„Er war ziemlich deprimiert den Tag über" sagte er. „Er ging davon aus, dass Snape es Ihnen sagen würde, und dass Sie dann lieber nicht mit ihm ausgehen würden. Er sagte, er hätte sich besser gar nicht darauf eingelassen, dann bliebe ihm die Enttäuschung erspart."
„Das hat er gesagt?" sagte ich atemlos. Obwohl ich im Zug stand, wurde mir ganz warm.
„Ja" sagte Black. „Und? Werden Sie mit ihm ausgehen?"
„Na ja" sagte ich, „ich habe zwar eine Heidenangst vor Hunden…"
Black grinste breit.
„… aber ich werde mich schon gewöhnen" sagte ich.
„Fein" sagte Black beschwingt. „Dann sehen wir mal, wo er sich herum treibt."
Es war Snape, der ihn schließlich in der angrenzenden Kaffeeküche fand.
„Black" sagte er und kam mit angewidertem Gesicht aus dem Raum, den er kaum betreten hatte. „Hier ist er. Ich muss mir das nicht antun."
„Moony?" sagte Black und warf einen vorsichtigen Blick in den Raum, bevor er darin verschwand. Ich blieb auf der Schwelle stehen und traute mich nicht weiter.
„He" hörte ich Blacks besorgte Stimme. „Wie geht's dir? Lass mal sehen. Ist es schlimm?"
„Geh weg." Ich erkannte kaum Lupins Stimme, sie klang heiser und zitternd, als hätte er sie kaum unter Kontrolle. „Lass mich."
„Komm schon" sagte Black. „Keine Zeit jetzt für den Moony-Blues. Das Ministerium wird in Nullkommanichts hier anrücken, und dann möchte ich weg sein. Ich hole deine Sachen. Kannst du laufen?"
„Nein" murmelte Lupin. „Lass mich."
„Auch egal" sagte Black unbeirrt. „Ich appariere dich. Ich frage mich nur, ob nach St. Mungo's oder Hogwarts?"
„Nach Hause" murmelte Lupin.
„Nichts da" sagte Black. „Du brauchst einen Heiler, so viel ist klar."
Neben mir erschien Snape aus den Schatten, er hatte ein zusammengeknülltes Kleiderbündel in den Händen.
„Hogwarts" sagte er. „In St. Mungo's werden sie Meldung machen, und wir wollen doch das Ministerium nach Möglichkeit nicht darauf aufmerksam machen, dass wir an diesem Werk der Zerstörung beteiligt waren, oder?"
„N – nein" murmelte Lupin. „Die Sch – Schüler – Dumbled – dore…"
„Wir werden Sicherheitsmaßnahmen treffen" sagte Snape. „Und jetzt Ende der Diskussion. Machen Sie schnell." Er warf das Kleiderbündel in den Raum, machte einen raschen Schritt zurück und strich sich die Hände an seiner Hose ab, als hätte er etwas Klebriges angefasst.
Snape und ich warteten. Durch die zerstörten Fenster kam ein erster Hauch von Tageslicht und legte einen rosa Schimmer über die Trümmerlandschaft, die einmal ein Großraumbüro gewesen war.
„Gedenken Sie, mir noch ein paar Erklärungen zu geben?" fragte ich nach einer Weile. Snape stand mit dem Rücken zu mir, die Hände auf dem Rücken verschränkt, seine blassen Finger hielten einander reglos umschlungen. Zum ersten Mal überhaupt wirkte er müde.
„Was denn für Erklärungen" sagte er.
„Na ja" sagte ich. „Ich wüsste einfach gerne, warum ich beinahe gestorben bin."
„Sie wären nicht gestorben" sagte er. „Sie hätten eine hübsche, pelzige Gefährtin abgegeben, alle achtundzwanzig Tage."
„Ist ja eigentlich auch egal" sagte ich. „Also, wer war sie?"
„Das wissen Sie bereits. Eine sehr eifrige Anhängerin des Dunklen Lords, die ein gutes Gespür meine Person betreffend hatte."
„Und warum taucht sie hier auf? Woher wusste sie, dass wir hier sind?"
„Das wird noch zu ergründen sein. Jemand muss mich verraten haben. Olivander, Wandmaker, Wandmakers Assistent oder jemand aus dem Orden."
„Sie verdächtigen Ihre eigenen Leute?" fragte ich verblüfft.
„Ich nenne nur alle Optionen" sagte Snape. „Und jede einzelne werde ich prüfen."
„Und warum hier und heute?"
„Soll ich Aconita wieder beleben, damit sie Ihnen diese Frage beantworten kann?"
„Wissen Sie, was mir Angst macht?" sagte ich. „Dass ich nicht mal weiß, ob Sie das gerade ernst gemeint haben."
Er gab ein leises Schnauben von sich. „Die Dunklen Künste ermöglichen Dinge, von denen Sie nicht mal träumen, und die im allergünstigsten Fall lediglich geschmacklos sind" sagte er. „Aber um auf Ihre Frage zurück zu kommen. Ich nehme an, sie hoffte, mich geschwächt zu finden, in meiner Handlungsfreiheit behindert, und tatsächlich wäre die Konfrontation möglicherweise anders ausgegangen, wenn wir noch conjungiert gewesen wären."
„Ich finde, wir waren ein gutes Team" sagte ich.
„Ich bin Teamarbeit nicht gewohnt" sagte er.
„Sagen Sie bloß" sagte ich. Er gab etwas von sich, das ich beinahe für ein Lachen hätte halten können, und bewegte sich ein wenig auf mich zu.
„Übrigens" sagte ich. „Danke für den Felix. Ich glaube, der hat mir das Leben gerettet."
„Uns allen, möglicherweise" sagte er.
„Warum haben Sie ihn mir gegeben?" sagte ich. „Sie hätten ihn auch selbst trinken können."
„Sie hatten ihn nötiger" sagte er.
„Oh" sagte ich. „Das ist ja richtig nett."
„Reiner Eigennutz" sagte er. „Ich sah, dass Sie kurz davor waren, irgendeinen panischen Blödsinn zu machen, der uns alle Kopf und Kragen hätte kosten können."
„Oh" sagte ich wieder. „Das war jetzt nicht mehr ganz so nett."
„Wenn Sie Nettigkeiten wollen, gehen Sie mit Lupin aus" sagte er. „Er ist ein Meister der Nettigkeit, wenn er nicht gerade jemandem die Kehle heraus reißt."
„Ja" sagte ich. „Es kann ja sein, dass es Ihnen leid tut, und in dem Fall tut mir das leid, aber genau das werde ich tun."
„Was geht ab?" kam Blacks Stimme von der Tür. „Gute Stimmung da draußen? Können wir trotzdem gehen?" In seinem Arm hing Lupin, offenbar halb ohnmächtig, sein Anblick nagelte mich auf der Stelle fest, der Schock rieselte ganz langsam durch mich. Der Mann sah aus, nun ja, als sei er unter einen Werwolf geraten. Seine Kleidung, in die Black ihn mehr schlecht als recht gesteckt hatte, war zerrissen und blutig, sein Hals und seine Brust waren völlig mit Kratz- und Bisswunden bedeckt, aus denen langsam, aber stetig das Blut tröpfelte. Sein Gesicht war zerkratzt, sein Kopf lehnte leblos an Blacks Schulter. Black hatte darauf verzichtet, ihm seine Schuhe anzuziehen, denn sein rechter Fuß, mit dem er kaum auftreten konnte, war eine einzige blutige klumpige Masse. Sein Atem ging rasselnd und unregelmäßig.
„Merlin" sagte ich hinter meinen Händen hervor, die ich mir vors Gesicht geschlagen hatte. „Ach, du meine Güte. Hat er…? Ich meine, ist er…?"
„Die gute Nachricht ist, dass er auf zwei Beinen geht" sagte Snape. „Um alles andere wird Madam Pomfrey sich kümmern."
„Ein paar hundert gebrochene Knochen und ein paar Liter Blutverlust" sagte Black und bemühte sich um ein Grinsen. „Nichts, was einen Werwolf umhaut."
„Ach, na dann" sagte ich und schluckte an einem dicken Kloß.
„Wir apparieren nach Diagon Alley" ordnete Snape an. „Leaky Cauldron, Hinterzimmer. Von dort flooen wir."
„Flooen ist furchtbar unsanft" sagte ich zweifelnd.
„Aber es ist sicher" sagte Snape. „Oder möchten Sie in Ihrem Zustand eine Vierhundert-Meilen-Apparition wagen?"
„Nein" murmelte ich. „Nicht mal ausgeschlafen."
„Also" sagte er. „Gehen wir."
