4.
„Alles in Ordnung, Riki?", fragte Inuyasha und kniete sich neben der jungen Halbdämonin, die sich die verletzte Schulter hielt, hin.
„Bis auf meinen Stolz …", presste sie zwischen ihren Zähnen hervor.
Verdammt, warum musste sie auch so nachsichtig gewesen sein!
In diesem Moment traf eine weitere Person auf der Lichtung ein. Eine junge Frau, vielleicht Anfang 20. Sie hatte lange, dunkle Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Eine Strähne ihrer Haare war zu einem dünnen Zopf geflochten. Zwischen den dunklen Haaren schimmerten eine helle silbrig- weiße hervor.
Ihr Körper hatte etwas Zerbrechliches an sich, dennoch machte sie einen starken Eindruck. Sie trug die Kleidung einer Dämonenjägerin.
„Geht es dir gut, Riki?", fragte die junge Frau besorgt und war ebenfalls neben ihr niedergekniet.
„Es geht schon, Oka- san", beruhigte Riki ihre Mutter und versuchte aufzustehen. Inuyasha hielt sie etwas, da sie leicht wankte.
„Ein anderer Dämon ist noch hier. Ganz in der Nähe", sagte die junge Hanyou und versuchte in etwa die Richtung zu lokalisieren. Mit einer Hand griff sie nach ihrem Katana, das ihr ihre Mutter gereicht hatte. Diese zog ebenfalls ihr Schwert.
Auch Inuyasha witterte. Den Geruch kannte er nur zu gut.
„Komm raus, Sesshoumaru! Ich weiß, dass du hinter Goshinboku stehst! Also schlag gefälligst keine Wurzeln!", rief Inuyasha
Sesshoumaru zögerte kurz. Sollte er sich zeigen oder einfach wieder verschwinden. Nein! Ihn interessierte es, wer diese Hanyou war. Und auch ihre Mutter war nicht ganz uninteressant. Irgendetwas an ihr kam ihm so vertraut vor …
Lautlos trat er hinter dem heiligen Baum hervor. Die Hand an Tokijin.
„Endlich von der Furie weggekommen?", fragte Sesshoumaru und deutete mit einer leichten Kopfbewegung auf die beiden anderen.
„Keh! Macht sich das Alter bei dir langsam bemerkbar, sodass dich deine Augen im Stich lassen! Riki ist zur Hälfte ein Hundedämon …" Zu gerne hätte Inuyasha noch weiter geredet, aber er wusste, dass er dann auf gefährliches Terrain kommen würde.
Sesshoumaru hob nur eine Augenbraue. Im Reden war Inuyasha schon immer gut gewesen.
Der Hundedämon näherte sich Riki und musterte ihr Gesicht. Sie hatte extremst feine Züge. Beinahe wie er selbst. Es blieb ihm nicht verborgen, dass sie versuchte ihn mit einem ebenso kalten Blick zu beäugen, wie er sie. Sesshoumaru sah, dass unter ihrem dichten Pony eine Zeichnung durchschimmerte. Er hob die Hand und strich die Haare beiseite.
Es schien fast so, als würde Sesshoumarus Atem für wenige Sekunden stocken.
„Nein, dass ist unmöglich! Es gibt nur ein einziges Wesen, dass dieses Zeichen trägt und das bin ich", schoss es ihm durch den Kopf, als er die bläulich- lilane Mondsichel auf Rikis Stirn sah. Exakt dieselbe Sichel befand sich auch auf seiner Stirn.
„Es ist lange her, Sesshoumaru", durchbrach die junge Frau die Stille mit ihrer ruhigen, melodischen Stimme.
Der Dämon wandte seinen Blick ihr zu. Er registrierte das weiße Haar, aber er kam nicht von ihrem Blick los. So viele Gefühle lagen darin: Schmerz, Zuneigung, Hass, Liebe.
Ein Teil von Sesshoumaru kannte die Antwort, deren Frage er sich immer noch stellte. Der andere Teil von ihm wollte es nicht erkennen.
Die Frau glaubte so etwas wie Verwirrung in seinem Blick zu erkennen. Sie drehte sich etwas zur Seite und hob den Pferdeschwanz an, sodass er ihren Nacken sehen konnte.
Sesshoumaru konnte es beim besten Willen nicht verhindern, dass seine Hand zitterte, als er vorsichtig über das eingeätzte Zeichen fuhr. Es war so deutlich wie in der Nacht vor acht Jahren.
Die Mondsichel. Sein Zeichen. Seine Markierung.
„Rin …", flüsterte Sesshoumaru. Seine Stimme brach ab, gehorchte nicht mehr seinen Befehlen.
Die Frau drehte sich wieder um und sah ihn lange in die goldenen Augen. In diesem Moment befand sich dort kein unsichtbarer Schild. Keine Mauer, die Fremde davon abhielt, in seine Seele zu blicken. Er war ihr schutzlos ausgeliefert.
Rin nahm Rikis Hand und drehte sich um, Richtung Dorf.
„Komm Riki. Kagome- san oder Kaede- baba werden deine Wunden versorgen." Mit diesen Worten gingen beide zum Dorf zurück und ließen einen sehr erstarrt wirkenden Sesshoumaru und den Halbdämon Inuyasha zurück.
Der Dämon hatte noch immer seine Hand hochgehoben, als wolle er Rin über den Nacken fahren. Seine Augen waren an einen unsichtbaren Punkt gerichtet.
Inuyasha beobachtete seinen Bruder, der bereits seit mehreren Minuten noch immer regungslos verharrte.
„Sie hasst dich nicht. Auch wenn mir das unbegreiflich ist", sagte Inuyasha schließlich.
Endlich bewegte sich Sesshoumaru wieder. Er sah kurz auf seinen jüngeren Halbbruder herab und verschwand dann als weißer Blitz im Wald.
Inuyasha schüttelte den Kopf und ging dann auch ins Dorf zurück.
Seinen Bruder sollte mal einer verstehen!
Er konnte sich noch lebhaft daran erinnern, als Miroku und er Rin fanden.
