- Kapitel 5 -
Eine abgelehnte Entschuldigung
Das halbe Schloss war in Aufregung, aber nur wenige Schüler waren so besorgt wie Toireasa. Selbst wenn man die übertriebenen Erzählungen auf ein realistisches Maß reduzierte, so war der übrig bleibende Fakt immer noch furchtbar genug – in Hagrids erster Unterrichtsstunde war ein Schüler verletzt worden. Und ausgerechnet auch noch Draco Malfoy. Das war kein guter Auftakt für Hagrid als Lehrer. Überhaupt nicht.
Laut der Geschichte die Pansy Parkinson erzählte, hatte Hagrid nicht richtig aufgepasst und Malfoy war von einem wild gewordenen Hippogreif attackiert worden, obwohl er alles richtig gemacht hatte. Toireasa konnte dem zwar nicht widersprechen – und die Blicke von Samuel warnten sie davor – aber sie glaubte nicht daran, dass einer von Hagrids Hippogreifen einfach jemanden angriff, ohne provoziert worden zu sein. Sie war doch selbst dabei gewesen, als Hagrid die Tiere eingefangen hatte. Es mochte nicht ungefährlich sein, aber Alraunen waren viel gefährlicher – und deutlich hässlicher – als Hippogreife!
Leider konnte sie keine andere Version als die von Pansy Parkinson in Erfahrung bringen. Die wenigsten Gryffindors redeten mit einer Slytherin und Hagrid war gerade dabei sich die Intelligenz mit Alkohol abzutöten. Aus ihm war kein vernünftiges Wort mehr herauszubringen. Nur soviel hatte sie erfahren, der Schulrat war eingeschaltet worden und hatte sich nicht sonderlich viel Mühe geben, mit Hagrid sanft zu verfahren.
Frustriert wanderte sie durch das Schloss und machte sich wieder mal Sorgen. Sie tat das allein, denn sie hatte sich unauffällig von den anderen abgesetzt, die hatten Baden gehen wollen. Laut deren Meinung musste man jeden Sonnenstrahl des Spätsommers nutzen, um noch in der kalten Brühe herumzutollen und den Kraken als Rutsche und Sprungturm zu benutzen. Um den Kontakt mit dem netten, großen Wassertier beneidete Toireasa die anderen ein wenig, aber da dies gleichzeitig bedeutete, weit ins Wasser gehen zu müssen, schaute sie lieber aus der Entfernung zu. Normalerweise. Aber heute hatte sie dafür nicht die Ruhe. Sie wollte mit jemandem reden, der ihre Sorgen um Hagrid teilte. Doch weder Winona noch Tarsuinn waren verfügbar. Das Mädchen hatte sich im Ravenclaw-Turm versteckt und Tarsuinn musste schon seit einiger Zeit bei Madame Pomfrey zur Untersuchung sein. Also trieb sie sich in der Nähe der Krankenstation herum und musste auch nicht allzu lange warten, bis der Junge herauskam. Sofort lief sie auf ihn zu.
„Tarsuinn! Hast du schon gehört?!", rief sie ihm zu.
„Ich höre viel, wenn der Tag lang ist", entgegnete er etwas düster.
„Das von Hagrids Unterricht und Malfoy natürlich", erklärte sie ungeduldig.
„Also Malfoy hab ich mitgekriegt", erklärte er leicht abwesend. „Er war irgendwie verletzt, eine Bagatelle, nichts Schlimmes. Er ist der Meinung Hagrid wäre Schuld daran. Was ist denn genau passiert?"
„Malfoy muss einen der Hippogreife gereizt haben. Aber Genaueres weiß ich auch nicht. Keiner von den Gryffindors, die auch dabei gewesen sein sollen, redet mit ner Slytherin. Und Hagrid betrinkt sich gerade."
„Auch eine Lösung", murmelte Tarsuinn zynisch und klang nicht sonderlich begeistert von Hagrids Wahl. „Soll ich für dich jemanden fragen?"
„Rede du mit Hagrid!", verlangte sie.
„Warum gerade ich?", fragte der Junge verwirrt.
„Weil Hagrid dich irgendwie bewundert…", gestand sie „…und weil er auch ein wenig Angst vor dir hat."
Ihm schien dieser Gedanke nicht sonderlich zuzusagen.
„Eigentlich wollte ich…", setzte er an und überlegte es sich dann doch anders. „Ach egal! Lass uns zu Hagrid gehen."
Sie wollte ihn fragen, was er denn vorgehabt hatte, aber da er so schnell voran ging, stellte sie ihre Neugier hinten an.
Weit kamen sie jedoch nicht. Gerade als sie das Schloss verlassen und über die Ländereien zu Hagrids Hütte gehen wollten, hielt eine dunkle Gestalt sie auf, die aus dem Schatten des Torbogens trat.
„Kehren Sie ins Schloss zurück", befahl Professor Snape und schaute dabei vornehmlich Tarsuinn an.
Toireasa blieb stehen, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. Tarsuinn schien nicht weniger überrascht.
„Ähem, Professor", sagte sie und schluckte schwer. „Wir wollen nur zu Hagrid."
„Das steht Ihnen frei Miss Keary", erklärte Snape. „Aber Sie, Mr McNamara, werden das Schloss nicht verlassen! Weder heute, noch an einem anderen Tag. Bis auf Widerruf!"
„Warum?", fragte Tarsuinn erstaunlich emotionslos.
„Weil ich es für richtig halte", antwortete der Professor drohend. „Und jetzt gehen Sie wieder zurück."
Tarsuinn stand einfach da. Er ging nicht weiter, er ging auch nicht zurück. Toireasa hatte erwartet, dass er energisch gegen die unbegründete Ungerechtigkeit protestierte. Sie zumindest war kurz davor und holte gerade Luft, als Tarsuinn ihre Hand ergriff und bedeutungsvoll drückte. War das seine Art den Kopf zu schütteln?
Abrupt drehte sich Tarsuinn um und zog eine verwirrte Toireasa mit sich. Es war untypisch für den Jungen, einfach so nachzugeben.
„Was sollte das?", fragte sie, kaum außer Snapes Hörweite. „Das kannst du dir doch nicht gefallen lassen!"
„Ja, aber das bespreche ich lieber mit Professor Flitwick", sagte Tarsuinn. „Wenn ich Snape jetzt gesagt hätte was er mich kann, dann hätte er einen Grund gehabt mich zu bestrafen."
„Und so bestraft er dich ohne Grund", murrte sie.
„Stimmt. Das ist seltsam. Normalerweise sucht Snape sich wenigstens so was Ähnliches wie eine Begründung", sagte er nachdenklich. „Zuerst dachte ich schon, das wäre der Test…"
Er machte eine Pause und schüttelte dann den Kopf. Von was sprach er da?
„…naja…unwahrscheinlich…zu harmlos. Nein. Snape muss einen Grund haben es mir zu verbieten. Er will ihn nur nicht sagen. Ich wette fast, wenn ich Flitwick frage, bestätigt er das Ganze."
„Dann frag ihn doch!", schlug Toireasa vor.
„Werd ich nicht", verneinte er. „Wenn Professor Flitwick es mir verbietet, halt ich mich dran. Bei Snape…"
„Wenn er einen guten Grund hat, solltest du dich vielleicht trotzdem dran halten", merkte sie vorsichtig an.
„Quatsch!", wehrte er ab. „Einen guten Grund könnte er nennen."
Es war offensichtlich, er wollte einfach nicht. Und um ehrlich zu sein, es war schwer etwas einzusehen, was man als unfair empfand.
„Und? Was jetzt?", fragte sie nach einer Weile des Nachdenkens.
„Ich hätte eventuell eine Idee", sagte er zögerlich. „Oder besser gesagt, eine Bitte."
Er zog Toireasa in einen der Innenhöfe, der wie eine Orangerie angelegt war, und dort auf eine Bank. Dann legte er den Kopf schräg, eine Geste, die sie bei ihm immer mit angestrengtem Lauschen verband und kaute auf der Unterlippe, was etwas Unangenehmes nahe legte.
„Kannst du für mich etwas unauffällig in Erfahrung bringen", flüsterte er verschwörerisch.
„Was denn?", fragte sie neugierig nach.
„Ich muss genau wissen, was ein Provokationstest ist", entgegnete er nach kurzem Zögern.
„Ein was?"
„Ein Provokationstest. Es muss irgendeine psychologische Sache sein", erklärte er. „Das Ministerium will mich damit überraschen."
„Ich dachte, das mit dem Ministerium war geklärt?", fragte sie verwundert und langsam verstand sie auch, warum Tarsuinn ein wenig mit sich selbst beschäftigt war.
„Das dachte ich ja auch", meinte er frustriert und seine Hände streichelten unablässig Tikki's Fell. „Das ist zum…"
„Darum hast du Snape nicht richtig widersprochen!", stellte Toireasa überflüssigerweise fest. „Du dachtest, er könnte dich testen."
„Im ersten Moment schon", gab er zu. „Aber irgendwie kam mir das zu harmlos vor. Professor Snape weiß, wie er mich zum Austicken bringen kann. Das eben war zwar gemein, aber harmlos. Ich muss unbedingt wissen, wie so ein Provokationstest funktioniert."
„Warum schaust du nicht selbst nach?", fragte sie erstaunt.
„Kann ich nicht", sagte er und erzählte ihr dann von dem Gespräch zwischen Madame Pomfrey und ihrem Paten. Am Ende verstand sie.
„Ich werde mich drum kümmern", versprach sie.
„Vielleicht…", er machte eine Pause und atmete tief durch „…vielleicht wäre es besser, wenn nicht du direkt dich darum kümmerst."
Sie runzelte die Stirn bei seiner Wortwahl und dachte kurz darüber nach.
„Du hast Angst es könnte herauskommen, wenn eine Freundin von dir Nachforschungen anstellt, oder?"
„Yep!", entgegnete er. „Am unauffälligsten wäre es…"
Er verstummte erneut mitten im Satz und ließ Toireasa zu Ende denken.
„…wenn jemand anderes aus Slytherin nachforschen würde."
„Kennst du da jemanden? Ich meine – du hast dich doch gestern Abend ganz gut mit einigen verstanden."
Zum wiederholten Mal war sie erstaunt über sein Gehör und die Fähigkeit, aus unzähligen Gesprächen das herauszufiltern, was er hören wollte.
„Naja, Samuel kann ich nicht fragen", dachte Toireasa laut nach. „Er ist Vertrauensschüler. Seine Freundin geht auch nicht. Von den anderen? Naja, vielleicht…"
„Still", zischte Tarsuinn und drückte wieder ihre Hand, die er aber diesmal sofort wieder losließ. Wenige Momente später sah sie, was er schon gehört hatte – jemand kam auf sie zu. Es war Aidan. Sie hatte es bisher erfolgreich geschafft ihm aus dem Weg zu gehen, doch nun schien er es auf eine Begegnung anzulegen und sie war zu stolz, um sich jetzt schnell zu verdrücken. Das sah zu sehr nach Flucht aus.
Ihr Bruder baute sich vor ihnen auf. Seine schwarzen Augen fixierten Tarsuinn.
„Du bist an allem schuld", sagte Aidan feindselig.
„Die Crux meines Lebens", entgegnete Tarsuinn auch nicht sonderlich freundlich. „Was willst du?"
„Meine Schwester!", fauchte Aidan und man konnte sehen, wie er sich nur mühsam beherrschte.
Toireasa starrte ihn an. Es klang wirklich so als würde er sie vermissen und ein wenig freute sie sich darüber. Was sie jedoch nicht mochte, war der Blick mit dem Aidan Tarsuinn bedachte.
„Ich hab sie dir nicht weggenommen", schüttelte Tarsuinn den Kopf.
„Du hast sie verändert. Du hast sie verhext mit deinen abnormen Zauberkräften!", schrie Aidan.
„Aber bei dir waren sie gut aufgehoben, was?", fragte Tarsuinn deutlich ruhiger.
„Red nicht so einen Stuss", reagierte Aidan scharf. „Mutter hat gesagt, du würdest so einen Quatsch verbreiten um von dir abzulenken, du Missgeburt."
„Red nicht so mit Tarsuinn", blaffte Toireasa laut zurück, stand auf und stellte sich vor den Ravenclaw-Jungen. „Und red du nicht so einen Stuss. Ihr habt mich wegstoßen. Er hat mich nur aufgefangen. Und er ist sicher keine Missgeburt!"
„Geh mir aus dem Weg, Toireasa!", zischte Aidan. „Das geht dich nichts an."
„Und ob das mich was angeht", schrie sie. „Du redest hier über mich, als wäre ich dein Besitz oder nicht da. Du hast ein Problem mit mir, also laste das nicht Tarsuinn an, sondern red mit mir, verdammt. Wenn ich deine Schwester sein soll, dann behandle mich auch so."
„Du bist nicht meine Schwester, solange du unter seinen Zauber stehst", fauchte Aidan unnachgiebig.
„Du solltest dich mal anhören!", entgegnete Toireasa scharf, aber etwas ruhiger. Langsam wurde sie wütend. „Nach allem was passiert ist, solltest du uns lieber in Ruhe lassen. Es könnte uns sonst herausrutschen, dass du ein Squib bist."
„Wie kommst du denn darauf?", fragte Aidan, mit einer perfekten Vorstellung von Verwunderung. „Ich, ein Squib, wie lächerlich. Bist du jetzt völlig verrückt geworden?"
„Natürlich bist du…", begann Toireasa, doch zum dritten Mal an diesem Tag, drückte Tarsuinn warnend ihre Hand.
„Er weiß es nicht!", flüsterte Tarsuinn leise. „Seine Eltern hatten nicht den Mut es ihm zu sagen."
„Was zu sagen?", forderte Aidan zu wissen.
„Ganz einfach", entgegnete Tarsuinn leise, aber eindringlich und schob Toireasa sanft zur Seite. „Die Wahrheit ist, du bist ein Squib und als deine Mutter das erkannte, hat sie dir Zauberkraft gekauft. Sie hat mir meine Kraft stehlen lassen, aber ich habe sie mir Ende letzten Schuljahres wiedergeholt."
„Du lügst", entgegnete Aidan und wich mit entsetztem Blick zurück.
„Nein!", sagte Tarsuinn und seine Stimme vibrierte Unheil verkündend. „Du bist nur hier, weil deine Mutter nicht ertragen konnte, dass du ohne Zauberkraft aufwächst. Sie schämt sicher deiner!"
Für einen Moment glaubte Toireasa, Aidan würde die Wahrheit in Tarsuinn's Worten spüren, doch dann verfinsterte sich sein Gesicht wieder.
„Ihr seid doch krank!", zischte er, wandte sich ab, ging ein paar Schritte und fuhr dann überraschend herum. Aidans Zauberstab richtete sich auf sie und ein Fluch zischte durch die Orangerie. Toireasa hatte nicht mit einer solchen Tat gerechnet und auch Aidan nicht dazu fähig gehalten. Er war nie sonderlich gut im Zaubern gewesen. Doch jetzt erwischte er Toireasa und Tarsuinn mit einem perfekten Sonnenstrahl, der Toireasa blendete und die Haut mit einem schweren Sonnenbrand versah. Erschrocken schrie sie auf. Ihre Haut brannte furchtbar. Dunkle und helle Punkte beherrschten ihre Sicht. Sie sah nichts mehr, ihre Augen tränten und obwohl sie wusste, dass dieser Zustand nicht lange anhalten würde, war sie einer Panik nahe.
„Und?", hörte sie Aidan höhnisch fragen. „Kann das ein Squib?"
Dann ging er davon.
Erst nachdem sie ihn nicht mehr hörte, gestattete sich Toireasa zu jammern.
„Ich kann nichts sehen!", weinte sie leise.
„Das geht vorbei und ist auch nicht weiter tragisch", sagte Tarsuinn ruhig und seine tastenden Finger berührten ihren Rücken. „Ganz ruhig. Davon geht die Welt nicht unter."
Seine Hand fand die ihre.
„Komm, ich bring dich zu Madame Pomfrey", sagte er und zog sie langsam mit sich.
Toireasa stieß schmerzhaft mit dem Knie gegen etwas Hartes und konnte ein Aua nicht unterdrücken.
„Bleib ganz ruhig stehen", sagte Tarsuinn darauf und klang fast amüsiert, was Toireasa ein wenig gemein fand. „Nicht erschrecken."
Seine Hand legte sich auf ihre Schulter und Momente später saß etwas Felliges auf ihrer Schulter und ein langer weicher Schwanz legte sich um ihren Hals.
„Tikki wird auf dich aufpassen", versprach Tarsuinn.
„Aber ich versteh sie doch nicht!", jammerte Toireasa. Krampfhaft versuchte sie irgendetwas zu sehen, doch das Farbspiel vor ihren Augen ließ einfach nicht nach und bildete keine festen Formen.
„Ich hab sie früher auch nicht verstanden", sagte er und seine Hand wanderte wieder zu der ihren. „Aber glaub mir, es beruhigt ungemein."
Tikki schmiegte sich an Toireasa's Ohr und ein monotones Brummen ertönte.
„Ich habe gar nicht gewusst, wie schwer sie ist", meinte Toireasa schon etwas selbstbewusster.
Wenig später im Krankenflügel, auf halbem Weg hatte Toireasa wieder angefangen zu sehen, kurierte Madame Pomfrey den schweren Sonnenbrand und auch Toireasa's Augen funktionieren wieder perfekt.
„Wie ist das passiert?", fragte die Krankenschwester, nachdem alles wieder gut war.
Toireasa antwortete nicht. Da auch Tarsuinn den Mund nicht aufmachte, wurde die Krankenschwester deutlich ärgerlicher.
„Also hat ein anderer Schüler euch angegriffen, nicht wahr? Tarsuinn, wer war es?"
„Ich hab nichts gesehen", erklärte der Junge lächelnd. „Bitte fragen Sie Toireasa."
„Gut", entgegnete die Frau ungeduldig. „Gut. Du willst also nicht. Was ist mit dir?"
In Madame Pomfreys Rücken zeigte Tarsuinn kurz auf sich selbst, dann führte er Daumen und Zeigefinger zusammengedrückt vor seinen Mund und tat so, als würde er etwas mit den Fingern drehen. Sie verstand die Geste. Er überließ es ihr zu sagen, was immer sie auch sagen wollte.
„Wir haben geübt", erklärte Toireasa zögerlich. „Ich dachte, ich würde den Spiegelzauber beherrschen, aber ich hab mich wohl geirrt. Ich konnte den Strahl nur zur Hälfte reflektieren und auch nicht in die Richtung die ich wollte. Es tut mir leid Madame."
„Das war sehr dumm von euch!", urteilte die Krankenschwester ernst. „Ihr beide solltet wissen, wie dumm es ist, miteinander solche Zauber zu üben!"
Die Krankenschwester sprach es nicht aus, aber Toireasa wusste genau, auf was sie anspielte. Es tat ihr leid, dass die Krankenschwester jetzt dachte, Tarsuinn hätte so einen gefährlichen Zauber gesprochen. Sie wusste, dass der Junge niemals einen gefährlichen Zauber an einem Freund austesten würde. Nicht, solange er nicht in der Lage war ihn zu kontrollieren.
Doch Tarsuinn schien diese Lüge über ihn nichts auszumachen.
„Ich dachte, ich hätte es im Griff", gestand er geknickt. „Wenn ich dran denke was passiert wäre, wenn Toireasa alles abbekommen hätte... Es tut mir Leid, Madame Pomfrey."
„Lasst euch das eine Lehre sein", sagte die Krankenschwester eindringlich. „Ich hätte eigentlich mehr Intelligenz von euch erwartet. Vor allem da ihr genug voneinander wisst, um vorsichtig zu sein."
„Es ist meine Schuld", log Toireasa. „Ich hab Tarsuinn ermutigt."
„Das ist nicht falsch", entgegnete Madame Pomfrey. „Aber vermeide einfach, ihn zu Dummheiten zu ermutigen."
„Ich werde mich bemühen, Madame", versprach Toireasa.
„Gut, ihr dürft beide gehen. Geht Essen und dann sofort schlafen. Ein wenig Ruhe und das leichte Spannen eurer Haut ist morgen weg."
„Versprochen, Madame", erwiderten Tarsuinn und Toireasa wie aus einem Munde.
Sie verließen die Krankenstation und kaum waren sie draußen, zeigte sich auf Tarsuinn's Gesicht ein breites Grinsen.
„Was ist?", fragte Toireasa genervt.
„Madame Pomfrey", erklärte er. „Sie sagte eben: Ein Glück, dass Lügen keine Balken biegen können. Sonst wäre eben das Schloss eingestürzt! Ich schätze, sie hat einfach schon zu viele Ausreden gehört."
„Aber warum lässt sie uns das dann durchgehen?", fragte Toireasa. Sie hatte eigentlich geglaubt, die Krankenschwester überzeugt zu haben.
„Wer sagt denn, dass sie es tut?", grinste er unangebracht.
„Du meinst, sie geht zu Snape und Filius?", fragte sie.
„Wärst du bitte so freundlich, ihn Flitwick zu nennen", meinte Tarsuinn. „Ich verspüre immer den Drang zu kichern, wenn du ihn so nennst."
„Sei kein Spielverderber", beschwerte sie sich nun auch kichernd. „Ist doch cool, wenn man den Hauslehrer eines anderen Hauses ungestraft beim Vornamen nennen darf."
„Es jagt mir aber Schauer über den Rücken. Man könnte ja glatt annehmen, einer unsere Lehrer wäre auch nur ein Mensch."
„Sind sie das denn nicht?"
„Glaub niemals der Feindpropaganda und erst recht nicht der eigenen", entgegnete er etwas zu ernst für den Augenblick. „Glaub niemals deiner Ex-Stiefmutter."
Das Lachen blieb Toireasa im Halse stecken. Er sprach zwar nur aus, was sie schon die ganze Zeit über beschäftigte, aber es war knallhart von Tarsuinn, dass gerade in einem Lachen zu platzieren. Wieso tat er das?
„Ich weiß das!", murrte sie, ein wenig böse auf ihn.
„Dann sei nicht wütend auf deinen Stiefbruder", verlangte er.
„Er hat uns beleidigt, er hat uns angegriffen", fauchte sie voller Wut. „Er hat jemand anderem die Zauberkraft gestohlen, nachdem er deine verloren hat."
Sie sah, wie ihre Worte trafen, wie er genau wie sie empfand, doch in seinem Gesicht spiegelte sich trotzdem noch etwas Weicheres.
„Du hast Aidan trotzdem gedeckt und du magst ihn", sagte er leise. „Ich bin mir…"
Er holte tief Luft.
„Ich bin mir sicher, er weiß auch diesmal nichts davon. Sie haben es ihm nicht gesagt."
Seine Worte waren am Ende mit einer dicken Packung Hass gewürzt gewesen.
„Es tut mir leid", flüsterte sie und schämte sich für das, was sie früher ihre Familie genannt hatte. „Für das, was dir und Rica angetan wurde."
Er blieb stehen und in seinem Gesicht arbeitete es unheimlich. Da war nicht nur Hass, sondern auch Angst und etwas, das wie Sorge aussah. Sorge um jemand anderen. Sorge um Toireasa.
Tarsuinn drängte sie in eine Ecke, ergriff ihre beiden Hände und als er sprach, war es so eindringlich, dass alles um ihn herum mitzuschwingen schien. Seine blicklosen Augen schienen weit hinter sie zu schauen oder tief in sie hinein.
„Hör mir jetzt zu!", sagte er und machte ihr sogar ein wenig Angst, so fordernd war er. „Du sollst dich nie wieder für die Fehler deiner Ex-Stiefmutter bei mir entschuldigen. Niemals! Egal was passiert! Verstehst du?"
„Um ehrlich zu sein…"
„Ich werde nur ein verdammtes Ja von dir akzeptieren", unterbrach er sie. „Die einzigen Personen die sich bei Rica und mir entschuldigen müssen sind diejenigen, die uns bewusst geschadet haben. Das schließt deinen Bruder und jeden aus, der nichts davon wusste! Jede Entschuldigung, die nicht von den richtigen Leuten kommt, ist eine Beleidigung für Rica und mich. Und es ist auch eine Beleidigung für deine Großeltern und für dich selbst. Besudele niemals deine Familie mit einer solchen Tat, indem du sie mit einer Entschuldigung zu der deinen machst! Versprich mir das!"
Toireasa verstand nicht wirklich. Aber sie war so verwirrt über seine Vehemenz, dass sie zaghaft nickte.
„Ja", stimmte sie nach einem Augenblick auch verbal zu. Seine Einstellung in Sachen Familie musste irgendwie mit seinem Aufwachsen außerhalb Englands zusammenhängen. Toireasa hatte überhaupt nicht vorgehabt, sich die Schuld ihrer Stiefmutter aufzuhalsen.
„Gut", sagte er und ließ sie langsam los. Ein zaghaftes Lächeln stellte sich bei ihm ein. „Entschuldigung, falls ich dir Angst gemacht habe."
„Nur ein bisschen", wehrte sie stirnrunzelnd ab.
„Ähem ja", sagte er verlegen und senkte den Kopf. „Wollt ich nicht. Bin wohl über das Ziel hinausgeschossen."
„Kann passieren", wehrte sie ab und starrte ähnlich betreten auf ihre Füße.
„Rica hat mir das verboten, aber ich kann nicht anders", gestand er, nach mindestens einer Minute Schweigen, leise. „Ich hasse deine Stiefmutter!"
„Nicht nur du", entgegnete Toireasa wahrheitsgemäß und diesmal war sie es, welche den Körperkontakt über die Hände herstellte. „Nicht nur du."
Tikki zu ihren Füßen, bliekte vorwurfsvoll.
„Ich glaube sie sagt auch, wir sollen nicht hassen", vermutete Toireasa und versuchte tapfer zu lächeln.
„Nein!", verschluckte Tarsuinn sich vor Lachen. „Sie fragt nur, wann wir fertig sind und endlich essen gehen können."
„Ein guter Vorschlag", kommentierte Toireasa überzeugt und zog ihn Richtung Große Halle. „Wir sollten mehr auf sie hören."
„Glaub mir, sie ist eine ziemlich rachsüchtige und unnachgiebige Dame", schüttelte er den Kopf. „Wenn es nach ihr ginge, würde ich Snape beißen, Filch in den Hintern treten und Mrs Norris am Schwanz den Fahnenmast raufziehen. Ich denke, das würde meine Beliebtheit hier noch weiter reduzieren."
„Ach", kicherte Toireasa. „Bei einigen Personen würde dein Ansehen damit sicher steigen."
„Nutzt nur nichts, wenn sie mich danach in eine Zwangsjacke stecken."
„So intelligent sind sie nicht", ärgerte Toireasa ihn.
„Was erwartest du auch von Lehrern", antwortete er grinsend und ließ ihre Hand los, da sie fast die Große Halle erreicht hatten.
„Also bis morgen", verabschiedete sie sich von ihm und nach einem kurzen Nicken seinerseits trennten sich ihre Wege und sie gingen zu den Tischen ihrer Häuser.
Toireasa setzte sich wie immer ans Ende der Tafel und vermied peinlichst jeden Blickkontakt mit Aidan.
„Wo hast du dich denn versteckt?", begrüßte William sie. „Wir haben nach dir gesucht."
„Kleiner Übungsunfall", erklärte Toireasa. „War ne Weile bei Madame Pomfrey."
„Sie war sicher begeistert", vermutete der Junge ironisch.
„Oh ja", bestätigte sie mit rollenden Augen. „Warum habt ihr mich überhaupt gesucht?"
„Naja – wir wollten nicht, dass du unvorbereitet in den Kerker gehst", erklärte William und sein Blick huschte unangenehm berührt über den Slytherin-Tisch. „Weißt du, morgen ist wieder Auswahltraining und – ähem – du stehst auf dem Aushang als nicht erwünscht."
Obwohl ihr das sehr wehtat, versuchte sie es sich nicht anmerken zu lassen und zuckte nur die Schultern.
„Das bedeutet dann wohl, dass Flint auch weiterhin Kapitän ist", stellte sie kühl fest. „Ich schätze, du, William, kannst es dieses Jahr schaffen."
„Wohl kaum", schüttelte der Junge den Kopf.
„Wieso nicht? Du warst letztes Jahr schon besser, als die alten Treiber."
„Mag sein, aber Aidan will seit gestern nichts mehr mit mir zu tun haben und dabei haben wir das ganze letzte Jahr zusammen geübt."
„Liegt wohl an mir", vermutete Toireasa.
„Wohl eher an ihm", korrigierte William sie. „Ich hab's nicht verstanden, aber ihr habt ziemliche Familienprobleme, oder?"
„Sagen wir es so", formulierte Toireasa vorsichtig. „Rechtlich gesehen, ist er nicht mehr mein Bruder."
„Wie bitte?", entfuhr es William erstaunt.
„Man könnte es so sagen: Ich habe mich von meinen Stiefeltern scheiden lassen", erklärte Toireasa etwas genauer und lächelte unsicher. „Wegen Vernachlässigung."
„Nicht dein Ernst", konnte er es noch immer nicht fassen. „Das geht?"
„Unter bestimmten Voraussetzungen", entgegnete sie mit gezwungenem Lächeln.
„Ach deshalb ist Aidan so durch den Wind. Er mag dich, aber auch seine Eltern."
„Er hat ne seltsame Art das zu zeigen", murrte Toireasa und gegen ihren Vorsatz schaute sie zu Aidan hinüber, der mit gesenktem Kopf lustlos in seinem Essen stocherte.
„Ist völlig durch den Wind. Hab vorhin kein einziges vernünftiges Wort mit ihm wechseln können."
„Sein Problem", sagte Toireasa kalt, obwohl sie noch immer hinüber schaute. Wenn Aidan sie mochte, dann sollte er sie nicht mit einem Zauber angreifen. Auf diese Art der Zuneigungsbezeugung konnte sie getrost verzichten.
„Habt ihr nachher noch was vor?", fragte William interessiert und nickte hinüber zum Ravenclaw-Tisch.
Sie schüttelte den Kopf und riss ihren Blick von Aidan los.
„Machen wir nachher im Gemeinschaftsraum die Kräuterkundehausaufgabe zusammen?", fragte er leise.
„Warum nicht?", stimmte sie zu. „Ich hoffe, du bist darin besser als ich."
„Jeder ist besser als du", lächelte er zaghaft.
„Als ob ich das nicht wüsste!", kommentierte sie und blickte betont böse.
Im Endeffekt war sie jedoch alles andere als böse auf William. Sein Angebot mit ihr Hausaufgaben zu machen, war eine im letzten Jahr geradezu undenkbare Geste und würde seine Chancen ins Quidditch-Team zu kommen weiter reduzieren.
Wenig später saßen sie zusammen im Gemeinschaftsraum und schrieben den kurzen Aufsatz, den Professor Sprout ihnen aufgegeben hatte.
Alraunen und alle Sicherheitsmaßnahmen, die im Umgang mit ihnen beachtet werden müssen.
Kräuterkunde war für Toireasa schon immer eine langweilige Sache und diese Langeweile spiegelte sich auch meist in ihrer Arbeit wieder. Niemand war wirklich gut in Dingen, die er nicht mochte.
Doch heute kam noch hinzu, dass Draco Malfoy eine große Show aus seiner Verletzung machte, was Toireasa nicht nur ablenkte, sondern richtiggehend wütend machte. Für alles was passiert war, gab man im Gemeinschaftsraum Hagrid die Schuld und Malfoy versuchte den schauspielerischen Spagat zwischen schmerzerfüllt leidendem und mutig die Zähne zusammenbeißendem Opfer und Helden. Zwei Mal schon hatten Samuel und William sie mit warnenden Blicken zurückgehalten, bevor sie Malfoy lautstark angehen konnte. So beschränkte sie sich auf böse Blicke und hinderte so den weißhaarigen Jungen daran, irgendeine Spur von Triumph zu zeigen. Mit ihren Augen machte sie ihm klar, sollte er sich ihr gegenüber einen Fehler erlauben, dann wäre er geliefert. Sie hätte keine Hemmungen ihn ans Messer zu liefern, um Hagrid Ärger zu ersparen. Slytherin hin oder her. Das schuldete sie dem Wildhüter und Neulehrer einfach.
Selbst als sie das mit den Hausaufgaben ad acta legten, konnte sich Toireasa nicht überwinden ins Bett zu gehen. Mit unbewegtem Gesicht lehnte sie sich an den Türrahmen ihres Einzelzimmers, die Arme ablehnend verschränkt und blickte in den Gemeinschaftsraum.
Eigentlich war es eine Art Selbstfolterung die Gruppe um Malfoy zu beobachten. Sie wurde recht wütend, vor allem da Aidan auch dazu gehörte. Aber irgendetwas zwang sie, jeden einzelnen anzusehen. Sie studierte die Gesichter der Slytherins, versuchte Mitläufer und Überzeugte voneinander zu unterscheiden und sich ein Bild zu machen.
Es war erschreckend. Wenn Samuel sagte, dass die Waage langsam zu Meinungen ausschlug, wie sie die Malfoys vertraten, dann hatte er noch untertrieben.
Schlammblüter, Muggelbastarde, Mischlinge, Reinblüter und so weiter, waren gebräuchliche Vokabeln und wurden so selbstverständlich benutzt, dass die Vermutung nahe lag, dass es bei ihnen zu Hause sehr gebräuchliche Worte waren. In der Beziehung war ihre Stiefmutter ja geradezu harmlos gewesen.
Ein kleines Mädchen baute sich vor Toireasa auf. Allein der Fakt der geringen Körpergröße war schon eine Erwähnung wert. Toireasa erinnerte sich, sie bei der Auswahl gestern gesehen zu haben. Das Mädchen war recht schmal und eine dünne metallene und kreisrunde Brille, fast wie die von Harry Potter, thronte auf ihrer kurzen Nase.
„Du bist Toireasa?", fragte sie ein wenig schüchtern und doch forschten die Augen des Mädchens neugierig.
„Ja?!", entgegnete Toireasa und riss ihren Blick von Malfoy los. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Blick nicht sonderlich nett war.
Das Mädchen stellte sich neben sie und lehnte sich gegen die Wand.
„Ich bin Katharina."
„Schön für dich", erwiderte Toireasa kurz angebunden und schaute wieder zu den anderen Slytherins. Vielleicht vertrieb Ignorieren das Mädchen.
„Das ist armselig", sagte Katharina ungefragt und zuerst wollte Toireasa ihr eine gepfefferte Antwort geben, doch der Blick des Mädchens war völlig auf Malfoy fixiert, weswegen sie sich ihre Worte verkniff. Katharina zeigte einen Gesichtsausdruck, der nur als leicht angewidert zu beschreiben war.
„Was meinst du?", fragte Toireasa interessiert.
„Er da", nickte sie sacht in Richtung Malfoys. „Er hat ganz sicher keine Schmerzen."
„Wahrscheinlich nicht", meinte Toireasa abfällig und sah voll Unbehagen, wie Vivian aufstand und sich ihnen näherte.
„Du gehst jetzt besser schlafen", sagte Toireasa dem Mädchen neben sich. „Du bekommst sonst Ärger."
„Das ist meine Entscheidung", entgegnete diese fest und mit mehr Selbstvertrauen, als Toireasa als Erstklässlerin gehabt hatte.
Wie befürchtet kam Vivian zu ihnen.
„Du solltest doch nicht mit ihr sprechen!", sagte Vivian zu Katharina und gönnte Toireasa nicht einen Blick. „Die anderen Erstklässler scheinen es kapiert zu haben."
„Ich erinnere mich nicht an einen Befehl", entgegnete Katharina.
„Sie ist eine Verräterin!", sagte Vivian überzeugt.
„Eure Geschichte hatte Lücken!", entgegnete Katharina fest und schien jetzt doch ein wenig Probleme mit dem Selbstvertrauen zu bekommen. „Ich will die andere Version hören."
„Unterstellst du mir Lügen?"
Das kleine Mädchen antwortete zunächst nicht, sondern schaute nur Vivian an, dann senkte es den Blick, ging aber nicht weg.
„Ich weiß gern alles", sagte Katharina. „Nur umfassendes Wissen bewahrt vor Fehlern."
„Interessante Einstellung", murmelte Toireasa beeindruckt. Sie wusste noch immer nicht, was sie von Katharina halten sollte. Sie schien zumindest intelligent zu sein, aber stand sie auch wirklich auf Toireasa's Seite? Ihr einen Spion zur Seite zu stellen, war durchaus eine Idee auf die Vivian kommen konnte. Aber ohne Risiko…!
„Ich hab dir alles gesagt, was du wissen musst", drohte Vivian theatralisch.
Katharina hob wieder den Blick und ihr Mund verzog sich trotzig. Nur zu einer Entgegnung reichte ihr Mut dann doch nicht.
So standen die beiden Mädchen sich eine Weile gegenüber, dann wandte sich Vivian ab.
„Wirst schon sehen was du davon hast", meinte das Mädchen aus Toireasa's Klasse abfällig und ging dann wieder zurück zu den anderen.
Toireasa konnte sich ein abfälliges Zucken um die Mundwinkel nicht verkneifen.
„Und?", fragte Katharina beiläufig.
„Was und?", stellte Toireasa die Gegenfrage.
„Wirst du mir jetzt deine Version erzählen?", präzisierte die Erstklässlerin. „Ich kenne schon die, welche sie sich in Ravenclaw erzählen, von meiner Schwester."
„Ich habe keine Version", lächelte Toireasa traurig.
„Dann erzähl was wirklich passiert ist."
„Aber nur bis zu einen gewissen Punkt", erklärte Toireasa und erzählte dann in kurzen Worten alles bis zu dem Punkt, als Tarsuinn von dem Einhorn getroffen wurde. Die Erinnerungen waren nicht angenehm und eigentlich sprach sie nur ungern darüber, aber auf der anderen Seite, war hier vielleicht jemand, der die Wahrheit hören wollte. Es wäre dumm, diesen Jemand vor den Kopf zu stoßen.
„Und das alles wegen einer Eule und verletztem Stolz?", fragte Katharina zum Schluss mit äußerst ruhiger Stimme.
„Ja", erklärte Toireasa und wusste, dass der Vorwurf in der Stimme des Mädchens auch sie selbst traf.
„Und das du bei einer Wette um die Eule betrogen hast, ist auch falsch?", fragte Katharina immer noch weiter.
„Nein", lachte Toireasa kurz auf. „Ich hab zwar nicht betrogen, aber mich auch nicht an den Sinn der Wette gehalten."
„Das ist dasselbe", urteilte das Mädchen.
„Na, dann hab ich halt betrogen!", amüsierte sich Toireasa. „Und jetzt ist Schluss mit der Fragestunde. Gute Nacht!"
Toireasa drehte sich auf der Stelle um und ließ ein nachdenkliches Slytherin-Mädchen zurück, das jetzt wahrscheinlich eine ganze Weile nachdenken musste, wem sie eigentlich glauben sollte.
Wenig später schlief sie in ihrem Privatquartier ein. Ihre Nacht war traumlos und trotzdem wachte sie am nächsten Morgen schweißgebadet auf. Das passierte ihr in letzter Zeit recht häufig. Das bereitete ihr einige Sorgen. Doch all dies verblasste gegen den Brief, den eine graue Eule ihr noch vor dem Frühstück in die Arme fallen ließ.
Sie ging nicht zum Frühstück, sie ging auch nicht zur ersten Schulstunde und erst recht nicht zur zweiten, sie las nur immer wieder ein und dieselbe Zeile:
Die Gerüchte von meinem Tod waren stark übertrieben. Sei vorsichtig und verschwiegen, es gibt Kräfte, die uns schaden wollen.
S. K.
