- Kapitel 8 -

Trickbetrug

Gloria saß an ihrem Schreibtisch und wiegte ihr Baby. Eigentlich war sie hergekommen, um endlich mal wieder etwas zu arbeiten, doch jetzt wo sie hier war, konnte sie sich kaum konzentrieren. All dies hier, die ganzen wichtigen Dinge, die sie für ihren Meister erledigen wollte, verblassten fast gegen ihren kleinen Caradoc, der ruhig und satt in ihrer Armbeuge schlief. Er war so süß und im Moment gehörte dieses kleine Wesen allein ihr.

Der kleine Junge mochte in dem Bestreben gezeugt worden sein, einen Stammhalter zu haben, doch jetzt war dies für Gloria nebensächlich.

„Man sagt, die Mutterschaft würde meist nur das Beste zum Vorschein bringen und die Schönheit noch erhöhen", stand plötzlich Banefactor neben ihr. Sie hatte sein Erscheinen nicht bemerkt.

„Das ist nur, weil die zusätzlichen Pfunde und der Bauch verdeckt sind", schüttelte sie den Kopf, musste aber lächeln.

Banefactor betrachtete interessiert Caradoc.

„Wollen Sie ihn mal nehmen?", fragte Gloria.

Mit einer fast übervorsichtigen Armbewegung nahm er das Kind in seine Klauenhand. Gloria hatte sich an den Anblick inzwischen so sehr gewöhnt, dass er für sie schon vertraut war.

Caradoc wachte auf und schaute mit seinen großen runden und blauen Babyaugen unter die Kapuze ihres Meisters. In diesem Augenblick war sich Gloria plötzlich nicht mehr so sicher, ob dies gut für ihren kleinen Jungen war. Doch ihr Baby schien keine Angst zu haben. Ganz im Gegenteil, seine kleine Hand reckte sich ihrem Meister entgegen. Diesen schien das sehr zu erfreuen. Seine linke Hand – eine menschliche – ob sich vor die Augen ihres Kindes, schnippte und ließ kleine leuchtende Lichter umherschwirren. Dann kitzelte Banefactor Caradoc am Bauch, was diesem zu einem zahnlosen Lächeln brachte. Er sah dabei unglaublich süß aus.

„Er kann sehen!", sagte ihr Meister lächelnd.

Glorias Lächeln gefror.

„Ich weiß", sagte sie kühl.

„Dann solltest du immer dran denken, dass er für dich wichtiger sein muss als alles andere. Auch als deine Arbeit hier für mich. Sagte ich nicht, du sollst nicht hierher kommen, solange Caradoc noch so klein ist?"

„Ihr sagtet, ich solle ihn nicht allein zu Hause lassen", fand Gloria ihr Lächeln wieder. „Mir hat die Sache mit dem Gesetz einfach keine Ruhe gelassen."

„Was stört dich daran?", fragte er interessiert.

„Nun", sagte sie sinnend. „Wird es nicht zumindest Dumbledore auffallen, dass er keine Rückmeldung bekommt?"

„Soweit ich weiß, tauscht er Eulen mit dem Ministerium aus", erklärte Banefactor.

„Mag sein, aber ich habe alles bearbeitet, ohne dass mir jemand erklärt hat worum es geht. Doch wenn man so ein Gesetz entwirft, dann sollten doch eigentlich Fragen über das Warum auftauchen. Wird Dumbledore nicht einfach erwarten Fragen beantworten zu müssen."

„Es gibt im Ministerium genug Befehlsempfänger, die keine Fragen stellen."

„Wird er mir das abnehmen?"

„Ich glaube nicht, dass er eine gute Meinung von dir hat."

„Gerade deshalb", beharrte Gloria. „Als bekannte Bewunderin Salazar Slytherins kann ich doch nichts einfach so hinnehmen, was von Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore

kommt."

„Schokofrosch-Karten gesammelt?", fragte Banefactor und stupste Caradoc mit dem Finger auf die Nase, woraufhin der kleine zu schielen begann.

„Ich mochte nur die Schokofrösche", stritt Gloria ab. Doch das war nur die halbe Wahrheit. Während ihrer Schwangerschaft waren die Schokofrösche und die Sammelkarten ihre ständigen Begleiter gewesen. Ständig hatte sie sich vorgestellt eines Tages den Namen ihres eigenen Kindes da zu lesen und – ganz heimlich – hatte sie sich eine ähnliche Beschreibung gewünscht, wie sie es bei Dumbledore hatte lesen können.

„Wenn du es für richtig hältst, dann solltest du eventuell gehen. Am Besten wäre dann aber, wenn dies ein privater Besuch wäre und du Caradoc nicht mitnimmst."

„Ich hatte auch nicht vor, ihn den Dementoren auszusetzen", bestätigte Gloria.

„Das dachte ich mir", sagte er. „Wenn du hingehst, solltest du darauf achten, ob Dumbledore dich nach deinem Sohn fragt oder ob er fragt, wie die Geburt verlaufen ist."

„Warum das?", fragte sie.

„Es wäre ein Anzeichen dafür, ob er sich für dich interessiert oder nicht. Ich persönlich hoffe, dass ihn Sirius Black, das Ministerium und die Dementoren zu sehr auf Trab halten, als dass er sich intensiv mit unseren Möglichkeiten auseinander setzen kann. Er hat schon mit seinem Kurzausflug nach Indien für ein nettes Chaos gesorgt. Ich halte es für besser, wenn er das Übel für weit weg hält."

„Dann wäre es vielleicht doch nicht gut, wenn ich ihn auf einige Fehler hinweise, die meine Vertretung gemacht hat."

„Oh, ich finde du solltest ihn unbedingt darauf hinweisen. Nur nicht sofort. Zuerst solltest du wenigstens ein paar Tage wieder in deinem Ministerium gearbeitet haben. Zumindest müssen dir die Gesetzentwürfe offiziell in die Hände fallen, ehe du deine Besorgnis äußern kannst und wir müssen dir ein wenig Zeit für die Zweifel zugestehen."

„Ich hab mich immer noch nicht an Ihr langsames Tempo gewöhnt", mäkelte Gloria ein wenig.

Ihr Meister lachte nur und ließ Caradoc durch die Luft schweben, was diesem zu gefallen schien. Im Anschluss daran landete ihr Baby sanft wieder in ihren Armen.

„Er ist ein mutiger kleiner Kerl", sagte Banefactor. „Er wird dir viel Freude und Ärger bereiten."

„Das schafft er jetzt schon jede Nacht aufs Neue", stöhnte Gloria lächelnd.

„Und trotz allem bist du weder hier um mir deinen kleinen Schatz zu zeigen, noch weil du dich um das Gesetz sorgst", unterstellte plötzlich ihr Meister und traf damit Gloria völlig unvorbereitet. Sie hatte geglaubt, er hätte es nicht bemerkt.

Er nahm sich einige der Papiere von ihrem Tisch, warf nur einen kurzen Blick darauf und legte sie wieder zurück.

„Sie ist verschwunden", sagte er dann ernst. „Hat sogar ihren Laden ausgeräumt, nachdem das Ministerium sie draußen suchte."

„Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sie mich hintergehen und ihr Leben riskieren würde", schüttelte Gloria verblüfft den Kopf. „Glenndary hatte doch eher profitiert von unserer Übereinkunft. Vielleicht war es ein Fehler, nett zu ihr zu sein."

„War es nicht", korrigierte ihr Meister. „Sie ist nicht freiwillig weggelaufen. Lucius Malfoy hat sie beim Ministerium angeschwärzt und sie musste flüchten. Anscheinend hast nicht nur du sie mit ihrem Geheimnis unter Druck gesetzt."

„Warum sollte er das tun?", wunderte sich Gloria. „Ich wusste, dass er bei Glenndary einkaufte. Aber was sollte ihn dazu bewegen, sie anzuzeigen. Schließlich weiß sie einiges über Malfoy, das sicherlich nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte."

„Ich vermute mal, unsere unfreiwillige Mitarbeiterin sollte den Tag vielleicht nicht überleben."

„Das würde mich sehr ärgern", fand Gloria mit tiefem Missfallen. „Sie ist eine talentierte Einbrecherin. Es wäre Verschwendung, sie sterben zu lassen."

„Der Ansicht bin ich auch", meinte Banefactor amüsiert. „Sie ist findiger, als du denkst."

„Inwiefern?", erkundigte sich Gloria misstrauisch. Wenn ihr Meister belustigt war, wusste er meist mehr als sie.

„Nun – sagen wir es so – vor anderthalb Monaten behauptete ein Zauberer, er hätte bei seinem damaligen Hausherren die fünf Teile der Stillen Klinge gesehen. Eine Durchsuchung – die gegen den Widerstand des Hausherrn durchgesetzt wurde – förderte auch fünf Klingenteile zutage, welche sich jedoch – auch zur Überraschung des leicht lädierten Besitzers – als Fälschungen herausstellten.

„Alle fünf Teile", wiederholte Gloria ein wenig geschockt.

„Alle fünf – ihm fehlte nur die Formel zum Zusammensetzen", fuhr Banefactor immer noch amüsiert fort. „Wenn er denn die echten Stücke gehabt hätte. Wie viele hast du denn Gloria?"

„Zwei!", antwortete sie.

„Oh, sie ist brillant", belustigte sich Banefactor. „Viel bezahlt Gloria?"

„Naja – für das erste nichts", gestand sie ein. „…aber für das zweite eine Menge. Sie musste es von Malfoy erwerben."

„Ich wette mit Dir, Malfoy dachte etwas Ähnliches", lachte Banefactor jetzt laut, dämpfte sich jedoch sofort, als Caradoc Anstalten machte sich zu beschweren.

„Wie? Dachte ähnlich?", runzelte Gloria verwirrt die Stirn. Und dann fiel langsam der Sickel bei ihr.

„Sie meinen…?", drang es über ihre Lippen.

„Genau!", zwinkerte Banefactor ihr zu. „Sie hatte alle fünf Teile, doch wahrscheinlich warst weder du noch Malfoy, bereit etwas dafür zu zahlen, da ihr es ja billiger von ihr bekommen konntet. Dann habt ihr sicher gesagt, jedes weitere Teil, sollte bei euch landen und sie hat dann enttäuscht gesagt, sie hätte eines schon weiter verkauft, nicht wahr?"

Gloria nickte betreten. Genau so war es gewesen.

„Und dann hast du ihr mehr Geld gegeben, als die beiden Teile allein wert gewesen wären, damit sie es unauffällig von Malfoy zurückkauft?"

Wieder nickte Gloria frustriert und wurde auch ein wenig zornig auf Glenndary und sich selbst.

„Es hätte mich misstrauisch machen sollen, dass ein solcher Gegenstand dort einfach so herumlag, dass ich ihn sehen konnte", murmelte sie misslaunig.

„Ausgetrickst zu werden tut weh", bemerkte er und wurde etwas ernster. „Was willst du jetzt tun?"

„Glenndary sollte beten, dass Malfoy sie vor mir findet", flüsterte Gloria hart. „Ansonsten knöpfe ich sie mir vor!"

„Was hältst du von folgender Lösung", widersprach Banefactor und nutzte dabei wieder seinen Ton, den er für Lehrstunden benutzte. „Wir kümmern uns darum, dass man verstärkt nach ihr sucht, finden sie selbst und bieten ihr an, ihr Problem zu lösen. Und damit meine ich keine Lösung, die zwei Meter unter der Erde endet."

Gloria war damit nicht sonderlich einverstanden.

„Sie hat mich betrogen!", sagte sie.

„Wer hat damit angefangen?", fragte er. Eine Frage, auf die sie zunächst keine Antwort wusste. „Du hast noch immer nicht verstanden, wie man solche Menschen bindet. Ja – wir haben sie in der Hand und das müssen sie begreifen, aber gleichzeitig darfst du sie trotzdem nicht betrügen oder unfair behandeln. Beachte, wo ihre Grenzen liegen und zwinge sie nur im Notfall darüber hinaus zu gehen.

Schau dir nur Mrs Glenndary an. Eine Frau mit Vergangenheit, mit Prinzipien und Güte, aber auch einem recht weit gefassten Moralbegriff. Man hat sie benutzt, betrogen und fallen gelassen. Menschen wie sie, zwingt man nicht, man verführt sie, etwas freiwillig zu tun. Denn wenn man sie gegen ihren Willen zu etwas zwingt, dann werden sie jede Lücke nutzen, um einem zu schaden."

„Und was soll es uns bringen, ihr zu helfen – ich meine, außer dass sie eine gute Einbrecherin ist?", fragte Gloria.

„Es ist einfach. Nimmt sie unsere Hilfe an, wird sie sich verpflichtet fühlen, sich zu revanchieren. Sie wird dir sagen wo das fünfte Klingenteil ist, ohne dass du sie dazu zwingen musst. Vertrau mir. Wir müssen nur dafür sorgen, dass sie verzweifelt ist."

„Das sollte nicht schwer fallen. Soweit ich weiß, hat sie keine Freunde oder Verwandte", stimmte Gloria schließlich zu. Er hatte bisher immer Recht behalten, wenn es um das Verhalten von Menschen ging.

„Gut – dann müssen wir nur ein paar Leute in die richtige Richtung schubsen. Das sollte nicht so schwer sein."

„Soll ich das machen?", erkundigte sich Gloria.

„Nein. Genieße und bleib im Hintergrund. Das macht sich für eine Retterin immer gut. Dies ist eh eine Rolle, in der ich dich in nächster Zeit zu sehen hoffe."

„Inwiefern noch?", fragte sie misstrauisch.

„Meine beiden Spezialisten sind bald soweit. Man sollte sich darauf vorbereiten und eine Heldin gehört einfach in jede Geschichte. Ich würde mich freuen, wenn du das bist."

„Warum nur dieser Aufwand?", erkundigte sich Gloria. „Wann erzählen Sie mir, warum das so wichtig ist?"

„Alles zu seiner Zeit, Gloria. Alles zu seiner Zeit."

Man konnte sehen, wie sein Geist langsam woandershin abdriftete. Er starrte aus dem Fenster, in weite Ferne.

„Gloria?", fragte er nach einer Weile. „Wie wird dein Mann auf all das reagieren?"

„Ich versteh nicht, was Sie meinen?", erkundigte sich Gloria vorsichtig.

„Was wird er tun, wenn du ihm diese Macht zeigst? Wenn du sie mit ihm teilst?"

Gloria schaute unbehaglich auf ihr kleines Baby.

„Ich habe bisher nicht richtig darüber nachgedacht", gestand sie. „Aber aus dem Gefühl heraus, glaube ich nicht, dass er der richtige für diese Möglichkeiten wäre. Erst müsste er viel lernen – so wie ich im Moment."

„Glaubst du, er würde von dir lernen?"

„Nein", schüttelte sie den Kopf. „Er glaubt sich mir noch immer überlegen. Ich habe ihm nie gezeigt, dass dem nicht mehr so ist."

„Möchtest du meinen Rat wissen?"

„Ja."

„Sage ihm nie etwas, solange du Zweifel hast. Ich habe dich ausgewählt, nicht ihn und das hat seinen Grund. Ich hätte auch ihn wählen können. Möchtest du wissen, warum ich das nicht getan habe?"

Sie nickte stumm.

„Weil du zweifelst, weil du weißt dass du noch viel zu lernen hast und weil du bereit bist zu tun, was getan werden muss."

Er schaute sie dabei so ernst an, wie noch niemals zuvor in ihrem Leben. Es war, als wollte er sie zwingen, sich ein Urteil über ihren eigenen Mann zu bilden. Genau genommen, sein Urteil.

Und das fiel ihr erschreckender weise gar nicht so schwer. Es fühlte sich so an wie eine Denksportaufgabe. Die kühle Analyse einer Person, die Einfluss auf ihr Leben und ihre Aufgabe nehmen konnte.

„Er ist ungeeignet, aber könnte irgendwann nützlich sein", urteilte sie nach langer Überlegung.

„Jetzt bin ich mir wirklich sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben."