- Kapitel 9 -
…wie es Hogwarts noch nicht gesehen hat!
Tarsuinn hatte schon einmal einen Monat Hausarrest in Hogwarts gehabt und damals gedacht, dass dies schon schlimm genug war, aber jetzt, nach fast zwei Monaten, war er kurz vor einem Lagerkoller. Jede freie Minute zwischen den Stunden nutzte er, um sich in einen der Innenhöfe zu setzen, auch wenn es – so wie jetzt gerade – in Strömen regnete.
Er saß auf einer Bank, lehnte sich zurück und ließ das kalte Wasser in sein Gesicht prasseln. Tikki, unter seinem Umhang, fühlte sich nicht sonderlich begeistert von seiner Vorliebe für Regen. Sie mochte Regen, wenn überhaupt, nur sehr warm. Doch Tarsuinn fühlte sich gut im Moment. Das Wasser schien das schlechte Gefühl wegzuwaschen, das die Dementoren in seinem Magen verursachten. Außerdem weckte es seine Lebensgeister, denn wenn er über etwas nicht klagen konnte, dann über Langeweile. Der normale Unterricht, die Zusatzstunden, Hausaufgaben, seine Konzentrationsübungen, Pläneschmieden mit Winona und Toireasa, Briefe schreiben an Rica und Sorgen machen um Tante Glenn, der er gern schreiben wollte, es aber nicht wagte. All das laugte ihn langsam aus, was er jedoch niemandem gegenüber zugab und letztlich zählte dazu auch, Professor Flitwick das geforderte Versprechen nicht zu geben.
Manchmal konnte er kaum noch gegen die Müdigkeit ankämpfen und nur die Furcht vor dem Schlaf, und dem was er dann anrichten würde, hielt ihn wach.
Es reichte ihm schon, dass Ian, Alec und Cassandra ihn nur mit der Kohlenzange anfassten. Sie waren freundlich, ja. Sie hatten niemandem etwas erzählt, ja. Aber sie mieden ihn ein wenig und das tat manchmal schon weh. Dafür war Merton umso herzlicher und Luna für ihre Verhältnisse fast schwatzhaft. Toireasa und Winona hingegen behandelten ihn so normal, dass es manchmal schon fast unfair war. Er genoss das jedoch genau wie den Regen.
Ansonsten war aber alles beim Alten. Snape war gemein, Flitwick lustig, McGonagall hart, Sprout herzlich, Binns öde, Trelawney unverständlich und Hagrid verunsichert. Eine solche Berechenbarkeit war irgendwie beruhigend, was man von seinen Fortschritten in Sachen Zauberei noch immer nicht sagen konnte. In Zauberkunst war er zwar gar nicht mal so schlecht, zumindest behauptete das Toireasa immer, aber in Verwandlungen kam er nur sehr mühsam voran und einige unschuldige Tierchen waren seinem Unvermögen zum Opfer gefallen. Sein Angstfach jedoch, war eindeutig Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Nicht weil Professor Lupin sich keine Mühe gab, sondern weil es das Fach war, in dem Tarsuinn regelmäßig über sein Ziel hinausschoss. Erst vorgestern hatten sie den Nebelzauber kennen gelernt. Ein relativ harmloser Zauber, der einem die Sicht nahm. Professor Lupin hatte gemeint, dass er nur in Räumen gut funktioniere, da dort meist kein Wind wehe und man ihn nur anwenden sollte, wenn man dem Angreifer unterlegen war. Schließlich konnte man selbst auch kaum etwas sehen. Es war ein Zauber, um den eigenen Rückzug zu decken. Weg einprägen, zaubern, flüchten. Für Tarsuinn jedoch war es der Zauber, um die Chancen auszugleichen, oder sogar zu seinen Gunsten zu verschieben. Also hatte er sich begeistert ans Üben gemacht und Sekunden darauf hatte er den Raum derart eingenebelt, dass niemand mehr seine Nasenspitze hatte sehen können. Eigentlich ein voller Erfolg, doch so übertrieben, dass es einige schwere Beulen und Hautabschürfungen bei den anderen Schülern gab, als sie durch den Raum stolperten. Professor Lupin hatte ein paar Minuten gebraucht, um die Ordnung und klare Sicht wieder herzustellen. Danach war Tarsuinn so gehemmt gewesen, dass der Zauber einfach nicht mehr klappen wollte.
Die Erinnerung brachte ihn fast dazu die nächste Stunde zu schwänzen, doch dann rappelte er sich auf – hielt Tikki dabei unter seinem Mantel fest – und ging zum Unterricht in Dunkle Künste.
Im Trockenen angekommen, ließ er Tikki frei und schüttelte sich selbst wie ein Hund, um einen Teil des Wassers loszuwerden, das ihm jetzt in den Kragen lief.
„Wo warst du?", fragte Winona ärgerlich. „Du kannst doch nicht ständig das Mittagessen auslassen!"
„Schlimmer noch – du bist klatschnass", schimpfte auch Toireasa.
„Nur der Umhang", relativierte Tarsuinn, nahm das Kleidungsstück von der Schulter und wrang es aus. „Seht ihr? Schon trocken!"
„Du hast doch einen an der Waffel", urteilte Winona. „Madame Pomfrey würde dir die Ohren lang ziehen."
„Wenn sie es erfährt", grinste Tarsuinn. „Und ihr werdet mich doch nicht verpfeifen, oder?"
„Natürlich nicht!", stimmte Toireasa sofort zu. „Aber vielleicht lassen wir heute das Fliegen sein."
„Das würdet ihr nicht machen!", entfuhr es ihm geschockt. „Kommt schon."
Eigentlich glaubte er nicht, dass die beiden Mädchen ihm das antun würden. In den letzten drei Wochen war es eine spaßige Routine für sie geworden, jeden Nachmittag im Innenhof ein paar Runden auf den Besen der Mädchen zu fliegen, wobei Tarsuinn immer hinter Toireasa saß, da sie besser mit seinem zusätzlichen Gewicht klar kam und ihr Sauberwisch auch deutlich stabiler in der Luft lag, als Winonas Nimbus. Tarsuinn genoss das Fliegen sehr. Man fühlte sich frei und Toireasa machte sich sogar die Mühe ihm alles zu erklären. Inzwischen war er ein viel besserer Mitflieger als auf ihrer Reise nach Irland. Er wusste jetzt, wie er sein Gewicht für die verschiedenen Manöver verlagern musste und heimlich (aber nur innerhalb eines Raumes) hatte er auch mal allein auf dem Besen schweben dürfen. Aber im Endeffekt ging es nur darum, dass er beim Mitfliegen nicht aus Versehen das Falsche tat. Schließlich machten sie auch schon Pläne für die nächsten Sommerferien und obwohl die Erwachsenen noch nichts davon wussten, lief alles auf eine ausgedehnte Besentour hinaus. Natürlich war auch noch nicht geklärt, wie man des Nachts die Umgebung vor Tarsuinn absichern sollte, aber sie hatten beschlossen, solche Kleinigkeiten bei der Planung den Erwachsenen zu überlassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – wie man den Spaß maximieren konnte!
Aber das war noch lange hin und zunächst stand noch ein großer Teil des Schuljahrs im Weg. Also betraten sie den Klassenraum, wo Professor Lupin sie bereits erwartete. Wie fast jedes zweite Mal, waren Tische und Stühle beiseite gerückt.
„Mist", fluchte Tarsuinn. „Ich dachte, wir hätten heute wieder etwas Theorie, wo doch letztes Mal der Nebelzauber dran war."
„Red keinen Unsinn", wies ihn Merton sofort zurecht. „Was gibt es Besseres als Praxis."
„Deine Beule vom letzten Mal schon geheilt?", fragte Tarsuinn mit süßsaurem Lächeln.
„Was für ne Beule?", entgegnete Merton amüsiert. „Ich bitte dich. Ich hab beim Abhauen vor Filch schon Schlimmeres abbekommen."
„Das mag für dich ja stimmen", entgegnete Tarsuinn. „Ich denke aber…"
„Bitte Ruhe!", unterbrach Professor Lupin laut. „Guten Tag alle miteinander."
Ein Stimmengewirr von freundlichen Begrüßungen antwortete. Selbst die Slytherins, die am Anfang eher abfällig über Professor Lupin geurteilt hatten, waren durchaus von seinem Unterricht angetan. Es gab immer wieder etwas Spannendes zu lernen. Eine Tatsache, die außer Tarsuinn jeder begrüßte.
„Alle da? Fein. Dann wollen wir heute etwas Neues versuchen, nachdem wir letztes Mal versucht haben dem Nebel von London Konkurrenz zu machen und es – meiner Meinung nach – sogar geschafft haben, diesen zu übertrumpfen."
Einige Ravenclaws kicherten, was Tarsuinn das Blut in den Kopf schießen ließ. Doch Professor Lupin fuhr unbeirrt fort.
„Die guten Ergebnisse haben mich überzeugt, dass wir uns nunmehr an einen ersten Fluch wagen können."
Aufgeregtes Gemurmel ertönte.
„Ich ahnte, dies würde euch gefallen", schmunzelte der Professor. „Ihr habt vor zwei Wochen eine Ausarbeitung geschrieben, in der ihr einige rechtlich unbedenkliche Flüche benennen solltet, die man zur Verteidigung einsetzen kann. Die meisten haben den Kitzelfluch benannt und genau den wollen wir heute erlernen."
Die genaue Benennung des Lernziels senkte etwas die allgemeine Begeisterung. Viele kannten diesen Fluch schon und vor allem bei den Slytherins waren leise Kommentare, wie zum Beispiel Kinderkram, zu hören.
„Auch diese Enttäuschung habe ich erwartet", erklärte Lupin weiter. „Aber ihr solltet Folgendes bedenken. Wenn ihr euer Ziel mit einem einfachen und sicheren Zauber oder Fluch erreichen könnt, warum einen komplizierten verwenden mit dem ihr dann scheitert? Solltet ihr jemals in die Lage kommen euch ernsthaft verteidigen zu müssen, dann werdet ihr feststellen, dass euch selbst einfachste Sprüche plötzlich nicht mehr einfallen. Von den komplizierten ganz zu schweigen.
Außerdem ist der Kitzelfluch sehr universell. William, könntest du bitte erklären, warum?"
„Weil fast jedes Wesen irgendwo kitzlig ist, Professor."
„Genau. Ich denke jeder von euch weiß, wo ihn das selbst betrifft. Aber wie sieht es mit Tieren aus? Könnten wir Erfolg haben, Cassandra?"
„Das könnten wir", erklärte das Mädchen. „Aber die Auswirkungen wären anders."
„Inwiefern?"
„Na ja – nur Wesen die Lachen können, kann man in einen Lachkrampf zwingen. Alle anderen Wesen erleben den Fluch eher als ein störendes oder verwirrendes Gefühl. Denke ich zumindest."
„Du denkst richtig", bestätigte Professor Lupin. „Trotzdem kann es hilfreich sein und jedes Wesen hat irgendwo eine empfindliche Stelle. Wobei manche – wie bei einem Drachen – nicht nutzbar sind. Trotzdem gibt es viele Tiere…ja Merton?"
„Warum bringt der Fluch bei Drachen nichts?"
„Weil die einzige Stelle, an der du einen Drachen kitzeln könntest, sein Gaumen ist. Und glaub mir, so nah, wie du sein musst, um diesen zu sehen, möchtest du einem Drachen niemals kommen."
Alle lachten bei der Vorstellung. Selbst Tarsuinn konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, obwohl er auch glaubte, dass es Merton ausprobieren würde, wenn er jemals die Gelegenheit dazu erhalten sollte. Wobei den Jungen immer nur die Gefahr daran reizte und nicht das Tier an sich, wie es bei Toireasa der Fall war.
„Gut – also wie ich schon sagen wollte. Es gibt sehr viele gefährliche Tiere, welche man trotzdem damit verwirren oder auch kampfunfähig machen kann. Ein Beispiel dafür sind Hunde, Großkatzen, Wölfe, Kaimane – wenn ihr sie am Bauch erwischt, werden sie paralysiert – und Wichtel. Bei Schlangen und den meisten Reptilien könnt ihr es vergessen und etwas anderes versuchen."
„Und was?!", fragte Kosloff unfreundlich dazwischen, was sie sich bei den meisten Lehrern niemals erlaubt hätte, aber Professor Lupin pflegte über solche Dinge großzügig hinwegzusehen. Normalerweise.
„Würdest du das gern wissen?", fragte Lupin freundlich.
„Ist es nicht Ihre Aufgabe uns solche Sachen beizubringen?", stellte Kosloff schroff eine Gegenfrage.
„Sicher doch, doch heute ist erstmal der Kitzelfluch dran. Aber da du so wissbegierig bist, wirst du dich freuen, dass du übernächstes Mal den Unterricht mit einem Vortrag über den Kältefluch bereichern wirst. Theorie, Recht, Anwendung, Ausführung. Natürlich auch als schriftliche Ausarbeitung."
„Das ist unfair!", beschwerte sich Riolet Mokkery.
„Dann darfst du deiner Freundin hiermit helfen", entgegnete Professor Lupin süffisant.
Tarsuinn fand, dass der Professor für seine Verhältnisse heute ziemlich hart drauf war. Aber wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Slytherin auch ein oder zwei Punkte abziehen können. Professor Snape tat das immer bei unaufgeforderter Zwischenrede.
„So – da niemand mehr helfen will…", sagte der Professor nach einigen Sekunden der Stille „…fahren wir fort. Zunächst üben wir den Zauber wie immer ohne Zauberstab. Die Spruchformel lautet Rictusempra! Also, alle zusammen: Rictusempra!"
Lange Zeit war Professor Lupin heute nicht zufrieden zu stellen. Immer wieder ließ er den Fluch wiederholen. Doch irgendwann war er dann doch zufrieden.
„So – kommt bitte alle nacheinander zu mir. Leider habe ich die Lieferung Wichtel noch nicht erhalten,…"
Tarsuinn atmete erfreut durch, während er ein Schade von Toireasa hörte.
„…weshalb mir Professor Flitwick einige seiner Feen geborgt hat, die ihr ja aus der Weihnachtsdekoration sicher kennt. Die Feen sind absolut harmlos. Bitte seid vorsichtig mit ihnen."
Professor Lupin öffnete die Tür zu seinem Büro und begann, kleine Käfige mit je einer Fee auszugeben.
„Stellt die Käfige so auf die Tische, dass ihr zur Wand oder auf ein Fenster blickt", wies der Professor sie an, nachdem alle einen Käfig hatten. „Und dann könnt ihr beginnen."
Tarsuinn zog seinen falschen Zauberstab und begann mit seinen Trockenübungen. Der Raum war schon bald erfüllt von dem dünnen Kichern unzähliger Feen. Natürlich blieb seine Fee erstmal still, bis sie nach einer Weile einen angstvoll fragenden Ton von sich gab.
„Ich tue dir nichts", flüsterte Tarsuinn dem kleinen Wesen zu. Feen waren nicht sonderlich intelligente magische Geschöpfe, aber trotzdem recht empfindsam. „Nein, auch du nicht, Tikki."
Tikki war offensichtlich etwas enttäuscht.
„Mag ja sein, dass sie lecker aussieht", sagte er. „Aber sei mal ehrlich, an jeder Maus ist mehr dran, oder?"
Dem stimmte seine kleine Freundin dann doch zu, obwohl sie noch immer interessiert um den Käfig schlich.
„Achtung, Lupin kommt", murmelte Winona neben ihm zur Warnung und Tarsuinn nahm daraufhin seine Übungen wieder auf.
Kurz darauf stand der Professor hinter Tarsuinn und beobachtete still seine vergeblichen Versuche. Für Tarsuinn war das noch viel unangenehmer, als wenn das Professor Snape tat. Der Zaubertrankprofessor konnte ihm nur selten Fehlbarkeit nachweisen. Bei Lupin jedoch war das vollkommen anders, da er hier auch noch absichtlich nichts erreichte.
„Dürfte ich mal deinen Zauberstab sehen?", fragte der Professor leise.
Tarsuinn war zunächst versucht dem Professor den harmlosen Stab zu geben, den er momentan in der Hand hielt, doch dann machte er sich Sorgen darüber, was passieren konnte, wenn der Professor glaubte, sein Zauberstab wäre ungefährlich und irgendwann Mal den richtigen erwischte. Darum ließ er den Stab im Ärmel des Umhangs verschwinden.
„Nein, Professor", sagte er entschuldigend, aber so leise wie möglich, damit es nur wenige mitbekamen.
Eine Weile blieb Lupin still, dann erklang seine Stimme ganz dicht neben seinem Ohr.
„Du weißt, dass du mit diesem Stab niemals zaubern wirst?", fragte der Mann.
Tarsuinn nickte.
„Auf diese Weise wirst du nie etwas lernen!", behauptete Lupin eindringlich.
Darauf reagierte Tarsuinn nicht. Er übte jeden Zauber den er lernte, wahrscheinlich mehr als jeder andere, aber das dem Professor zu sagen, würde jetzt eher wie eine schuldbewusste Verteidigung klingen.
„Du solltest dich irgendwann überwinden", flüstere Lupin ein letztes Mal. „Lange geht das so nicht gut."
Dann ging der Professor weiter den Kreis der Schüler ab, während Tarsuinn sich schlecht und ein wenig feige fühlte. Ein paar Mal war er versucht, seinen echten Zauberstab hervorzuziehen, aber sein Gefühl hielt ihn davon ab. Er konnte die Furcht der kleinen Fee spüren. Genau wie den Wald, seine Tiere, die Dementoren und das Schloss.
Statt den Zauberstab wieder hervorzuziehen, hockte er sich vor den Käfig und versuchte dieses kleine Wesen zu ergründen. Er schnupperte, er lauschte und er konzentrierte sich auf die Gabe des Einhorns.
Der Professor hatte Recht gehabt. Die Feen waren absolut harmlos. Ihre Gefühle waren einfach, aber selbst das Eingesperrtsein, störte sie im Moment nicht so. Sie liebten es gemeinsam zu fliegen, es gefiel ihnen bewundert zu werden und sie sangen immer leise. Und das war das Schönste an ihnen, wie Tarsuinn fand. Selbst für ihn kaum hörbar, sang seine kleine Fee ihm etwas vor, nur weil sie glaubte, dass er sie ansah. Doch dann änderte sich das Lied zu einem angstvollen Laut, der sich jedoch nicht auf Tarsuinn zu beziehen schien. Auch Tikki stieß plötzlich einen solchen Laut aus, sprang vom Tisch und lief durch den Raum. Tarsuinn folgte ihr, ohne groß darüber nachzudenken.
Professor Lupin stand weit weg und erklärte einem Ravenclaw gerade, was er falsch machte, während Tarsuinn sich zwei lachenden Slytherins näherte.
„Schaut mal, wenn ich das mache", sagte einer von ihnen, wirkte einen Kitzelfluch und kurz darauf lachten zwei andere Jungenstimmen leise auf. Eine leise Stimme lachte jedoch nicht! Ganz und gar nicht!
„Hört sofort damit auf!", sagte Tarsuinn und kämpfte gegen aufsteigenden Zorn an.
„Was willst du denn?", fragte der Junge, der eben gezaubert hatte. „Stör uns nicht beim Üben!"
„Du tust deiner Fee weh", sagte Tarsuinn leise drohend.
„Dann hab ich wohl die falsche Stelle erwischt", lachte der Slytherin grausam. Von Schuldgefühlen keine Spur.
„Pass auf, dass ich dich nicht an der falschen Stelle erwische", zischte Tarsuinn kalt.
„Und wie willst du Blindschleiche das machen?!", lachte ein Junge daneben.
„Weil er jetzt genau weiß, wo er dir auf die Klappe hauen kann", antwortete Winona, welche mit Toireasa zu Tarsuinn geeilt kam.
„Oh, dem Held kommen seine Freundinnen zur Hilfe", lästerte wieder der erste Junge.
„Wenigstens hat er welche, Leraux!", erwiderte Toireasa. „Was man von dir…"
„Was macht ihr da!", erklang Professor Lupins Stimme von der anderen Seite des Raumes und Tarsuinn hörte seine Schritte näher kommen.
„Die stören und bedrohen uns!", erklärte der Junge namens Leraux und da es inzwischen völlig ruhig im Raum war, war jedes seiner Worte gut hörbar.
„So – und warum?", fragte Lupin weiter und stellte sich so, dass er mit Tarsuinn und Leraux ein Dreieck bildete.
„Keine Ahnung, Professor. McNamara ist ein Verrückter, das weiß doch jeder. Die brauchen keinen wirklichen Grund", entgegnete Leraux.
„Und was ist deine Version, Tarsuinn?", fragte Lupin einfach weiter.
Normalerweise ging es ja Tarsuinn gegen den Strich, jemanden an einen Lehrer zu verpfeifen, selbst einen Slytherin, aber diesmal sah er sich zu sehr im Zugzwang.
„Sie tun der Fee weh!", erklärte er.
„Ich habe nur den Kitzelfluch geübt!", verteidigte sich Leraux sofort.
„Das stimmt", pflichtete dessen Kumpel bei und selbst Tarsuinn musste dazu nicken.
„Trotzdem tun sie ihr weh!", beharrte er stur.
„Der lügt doch", sagte Leraux nur.
„Zeig mir deine Fee, Jean", forderte der Professor, statt darauf einzugehen.
Die Slytherin-Jungen wichen zögerlich zur Seite und der Professor trat an den Tisch. Tarsuinn konnte die kleine Fee jetzt deutlich wimmern hören.
„Sollte sie nicht lachen?", fragte Professor Lupin so streng, als wäre er plötzlich die Reinkarnation von Professor McGonagall.
„Ich weiß auch nicht", stammelte Leraux vollkommen überrascht. „Kann sein, dass sie vielleicht schon verletzt war."
„Vielleicht hast du auch nur auf die Flügel gezielt!", unterstellte Toireasa und klang wütender, als selbst Tarsuinn sich fühlte. „Professor Kesselbrand hat uns letztes Jahr beigebracht, dass Feenflügel sehr empfindlich sind."
„Kann sein, dass das durch Zufall passiert ist", erklärte Leraux sofort.
„Zweimal hintereinander, du Sadist?", zischte Tarsuinn böse.
„Kann passieren, Verrückter!", fuhr der Slytherin ihn an.
„Ruhe!", befahl Professor Lupin, bevor sie sich weiter steigern konnten. „Jean, du setzt dich für die restliche Stunde da hin und wirst nach der Stunde noch kurz dableiben. Die anderen, zurück an ihre Plätze. Sofort! Und ich möchte niemanden erwischen, der auf die Flügel zielt!"
Tarsuinn kam dieser Anweisung nach, zuvor schnappte er sich jedoch, ohne zu fragen, Lerauxs Käfig mit der verängstigten Fee. Den stellte er dann direkt neben den Käfig seiner Fee und ließ die beiden in Ruhe.
Er war ein wenig erstaunt über sich selbst. Trotzdem er ziemlich wütend gewesen war, war nichts zu Bruch gegangen. Es war ihm möglich gewesen sich zu beherrschen, vor allem da er Angst gehabt hatte, die Feen könnten noch vor dem Glas zerspringen, so zart, wie sie nun mal waren.
„Dieser Mistwurm", fluchte Toireasa leise. „Wenn der Professor nicht da gewesen wäre, hättest du ihm eine scheuern sollen! Schaut doch, die Kleine zittert immer noch."
„Wieder ein paar Leute mehr, die ich nicht ausstehen kann", flüsterte Winona.
„Du wolltest sicher sagen, ein paar Slytherins mehr, oder?", erkundigte sich Toireasa. „Keine Sorge, ich mag die auch nicht. Die hängen häufig mit Kosloff zusammen rum. Da ist das kein Wunder."
„Also am liebsten würde ich…", begann Winona.
„Ihr solltet üben und nicht schwatzen!", unterbrach Professor Lupin laut, obwohl er einige Plätze weiter weg war.
„Für nen Menschen ein erstaunlich gutes Gehör!", murmelte Tarsuinn anerkennend und in der darauf folgenden Zeit hielten sie lieber die Klappe. Professor Lupin war heute wirklich nicht so gut drauf wie sonst und so war Tarsuinn froh, als es endlich klingelte. Für die anderen war für heute Schluss, bei ihm selbst stand noch beaufsichtigtes Lernen bei Professor Flitwick auf dem Plan.
„Viel Erfolg", wünschte ihm Toireasa doppeldeutig. „Wir sind dann in der Bibliothek."
Sie trennten sich und er ging zu dem kleinen Professor, wobei Tikki diesmal nicht mit in den Klassenraum kam, sondern sich draußen versteckte.
Die erste Stunde verbrachte er dann unter der direkten Aufsicht Flitwicks, der noch mal mit ihm die Zauber aus der letzten Stunde durchging und zum wiederholten Male versuchte, ihm den Levitationszauber besser beizubringen. Irgendwann aber gingen ihnen dabei wieder die Federn aus.
„Ich kann nur hoffen, du versuchst mich niemals schweben zu lassen", kommentierte der Professor am Ende kichernd. „Aber ich kann leider immer noch nicht sagen, woran es bei dir liegt. Die Technik stimmt."
Tarsuinn verkniff sich die Frage, ob Zwergenwerfen auch in der Zauberwelt verboten war, sondern nutzte die Gelegenheit zu etwas anderem.
„Ich wüsste jemanden, der es könnte", murmelte er und übertrieb seine Frustration (die er immer bei solchen Übungen empfand) noch ein wenig.
„Und der wäre?", fragte der Professor neugierig.
„Eine sie, die leider schon tot ist", erklärte Tarsuinn. „Toireasa hat mir von ihr erzählt. Marie-Ann Holt. Sie scheint ein ähnliches Problem wie ich gehabt zu haben. Im Gegensatz zu mir, hatte sie aber anscheinend alles unter Kontrolle."
„Ich habe diesen Namen noch nie gehört", erklärte der Professor erstaunt.
„Was nicht unbedingt ein Wunder ist", gab Tarsuinn zu. „Ist schon mehr als hundert Jahre her. Trotzdem hatten wir gehofft, etwas in Geschichte Hogwarts über sie zu finden."
„Man kann nicht jeden Schüler erwähnen, der hier zur Schule gegangen ist", fand der Professor.
„Na ja", tat Tarsuinn unschuldig und ein wenig düster. „Bei ihr hätte ich es schon erwartet."
„Wieso das?"
„Weil sie sich hier umgebracht hat", erklärte Tarsuinn. „Oder kommt das hier doch häufiger vor, sodass das keine Besonderheit ist?"
„Na – nicht so viel Zynismus, Tarsuinn", schalt ihn der Professor.
„Aber wir haben überall hin Briefe geschrieben. Die im Ministerium behaupten, eine Marie-Ann Holt hätte niemals existiert."
„Vielleicht hat sie das auch nicht."
„Aber warum steht sie dann in Toireasa's Familienchronik? Ich meine, warum sollte man die mit solchen unschönen peinlichen Details fälschen? Normalerweise verbirgt man doch so was."
„Das ist ein guter Punkt", stimmte Professor Flitwick nachdenklich zu.
„Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen den Text der Chronik geben", bot Tarsuinn an. „Ich hab eine Abschrift immer bei mir."
Als er nach dem Zettel kramte, fiel ihm auf, dass es wohl etwas verdächtig war, dass er den mit sich herumschleppte. Es wäre unverdächtiger gewesen, ihn holen zu müssen. Aber dazu war es jetzt zu spät. Also kramte er noch eine Weile in seiner Tasche herum, zerknitterte den Zettel unauffällig ein wenig und reichte ihn dann an den Professor.
Dieser las den Inhalt aufmerksam durch und brummte am Ende.
„Und weil man unangenehme Geschichten lieber verschweigt, als sie hinzuzudichten, gehst du also davon aus, dass dies hier wahr ist und alle anderen falsch liegen?"
„So ähnlich", bestätigte Tarsuinn. Er wollte nicht unbedingt erwähnen, dass er Marie-Anns Geist schon begegnet war, weil er nicht wusste, was Professor Dumbledore an Flitwick weitergegeben hatte. Außerdem hatte er Marie-Ann nicht mal gegenüber Professor Dumbledore erwähnt, soweit er sich erinnern konnte. Sicher war er sich in der Beziehung nicht mehr, da er damals doch recht aufgewühlt gewesen war.
„Können Sie da irgendwas herausfinden, Professor?", warf Tarsuinn den Köder aus. „Ich meine, Sie sind doch Hauslehrer. Sie haben doch sicher ganz andere Möglichkeiten als wir, um etwas herauszufinden?"
„Vielleicht. Aber was sollte dir das helfen?"
„Ich weiß auch nicht", gestand Tarsuinn ein. „Aber wenn sie ein Tagebuch geführt hat... oder vielleicht hat sie Briefe geschrieben… oder sie hatte eine schriftliche Anleitung… oder irgendetwas Ähnliches. Eigentlich habe ich keine Ahnung, was ich mir erhoffe."
Tarsuinn gab sich Mühe frustriert auszusehen.
Es war Toireasa's Idee gewesen, die Frage nach Marie-Ann als Vorwand für ihr Vorhaben zu nutzen. Jetzt musste Professor Flitwick nur noch anbeißen und wenn er etwas herausfand, dann war das ein zusätzlicher Bonus. Alles hing jetzt davon ab, ob Tarsuinn es geschafft hatte, seine Neugierde ausreichend zu schüren, sodass der Professor gleich Genaueres wissen wollte. Schließlich war er doch der Hauslehrer von Ravenclaw. Etwas nicht zu wissen, musste ihn doch stören!
Trotzdem dauerte es ewig scheinende Sekunden, ehe Flitwick eine Entscheidung traf.
„Wenn ich dich jetzt in den Turm bringe und ein paar Sachen nachfrage,…", sagte der Professor nachdenklich „…wirst du dann bis zum Abendessen dort bleiben?"
„Ich verspreche es", erklärte Tarsuinn.
„Ach, einfach so – ich hätte gedacht, dies würde mehr Überzeugungsarbeit erfordern", sagte der Professor mit einer Mischung aus Ironie und Misstrauen.
Da war Tarsuinn wohl ein wenig zu schnell mit seiner Zustimmung gewesen.
„Sie wollen mir helfen. Da sollte ich nicht undankbar sein und Ihnen Probleme bereiten", redete Tarsuinn sich vorsichtig heraus.
„Geht deine Dankbarkeit irgendwann soweit, dass wir uns diese Zusatzstunden sparen könnten?", bat der Professor verschmitzt.
„Nein!", sagte Tarsuinn entschieden
„Na wenigstens das hab ich richtig vorhergesehen", erklärte Flitwick kichernd. „Komm lass uns gehen."
„Mit ihren Vorhersagen liegen sie uneinholbar vor mir", murmelte Tarsuinn und folgte dem kleinen Mann. Draußen schnippte er zwei Mal leise die Finger für Tikki, die in der Nähe der Tür versteckt gewartet hatte und nun davonschlich.
„War das eine kleine versteckte Kritik am Wahrsageunterricht?", erkundigte sich Flitwick auf dem Weg zum Turm.
„Wenn Sie es so sehen wollen?", sagte Tarsuinn vorsichtig, fügte dann aber doch etwas deutlichere Kritik hinzu. „Ich glaube Professor Trelawney hat noch nicht mal die Realität im Blick und keine Ahnung davon, dass ich niemals etwas in irgendetwas sehen kann."
Entgegen seiner Erwartung tadelte ihn der Professor nicht für seine Kritik an einem Lehrer, sondern lachte nur herzhaft.
„Bittest du mich darum, nicht mehr am Wahrsageunterricht teilnehmen zu müssen?", fragte Professor Flitwick irgendwie lauernd.
Tarsuinn war für einen kurzen Augenblick wirklich versucht danach zu fragen, doch dann dachte er an Tikki und wie viel Spaß es ihr machte in Trelawneys Klassenzimmer herumzustromern. Er schüttelte den Kopf.
„Es wird schon seinen Grund haben", murmelte er schicksalsergeben. Und wenigstens Tikki hatte ihren Spaß.
„Den gibt es", bestätigte Professor Flitwick amüsiert. „Und wir werden ihn auch noch finden."
„Hoffentlich noch vor Ende des Schuljahres", brummte Tarsuinn und schaffte es nicht über die Worte des Professors zu lachen, denn der letzte Satz klang nicht wie eine Lüge.
Wenig später erreichten sie den Ravenclaw-Turm und der Professor ließ ihn da zurück. Da es draußen regnete, war der Gemeinschaftsraum auch recht gut gefüllt und so kam es, dass er leider auch sofort in der Obhut von Penelope landete. Doch er wehrte sich nicht dagegen. Sein Part war zu Ende.
Drei Stunden später – nachdem er auf Penelopes Wunsch hin einem halben Dutzend Erstklässlern Nachhilfe in Zaubertränke gegeben hatte – traf er zum Abendessen Winona und Toireasa wieder. Leider konnte er Toireasa nur ein unauffälliges Hallo zurufen.
„Und?", fragte Tarsuinn leise Winona, als diese sich neben ihn setzte.
„Wir kennen jetzt ein paar interessante Türen", raunte ihm das Mädchen leise zu. „Aber was dahinter ist, müssen wir erst noch rauskriegen. Wir denken…"
„Gute Arbeit, vorhin mit den Erstklässlern", rief Penelope Tarsuinn anerkennend quer über den Tisch zu.
„Danke", antwortete Tarsuinn und lächelte die Schulsprecherin an.
„Besser später!", flüsterte Winona.
Damit hatte sie sicher Recht, aber jetzt war Tarsuinn neugierig und es kostete ihn einiges an Überwindung, nicht weiter zu fragen.
Später dann in den Gemeinschaftsräumen war Winona gesprächiger. Sie saßen sich auf dem Fensterbrett gegenüber, die Knie umfasst und die Köpfe zusammengesteckt.
„Zuerst ist Flitwick direkt in Dumbledores Büro gegangen. Nach ner Dreiviertelstunde sind sie dann beide herausgekommen. Haben nicht sehr glücklich ausgesehen und deshalb bin ich dem Direktor hinterher und Toireasa ihrem Patenonkel. Tikki ist bei mir mit. Dumbledore ist dann rauf in den Ostturm, wo irgendwie nie was los ist. Ich hatte echte Probleme die ganzen Leuchtfeuer zu unterdrücken, damit der Professor nicht sah, dass ihm jemand folgte. Und ohne den Schleichzauber von Toireasa wäre das eh sinnlos gewesen. Na ja, zumindest ist Dumbledore rauf in einen Raum direkt unterm Dach. Der muss ziemlich leer sein, zumindest hat seine Stimme da unheimlich gehallt und er hat mit jemandem gesprochen, den ich nicht hören konnte. Dumbledore konnte ich zwar hören, aber leider nicht verstehen. Auf dem Rückweg hat er die Tür dann aber mit einem Colloportus verschlossen. Danach ist er recht hastig zur Eulerei und hat im Laufen seine Feder einen Brief schreiben lassen. Ich wette mit dir, die Eule hat er zum Ministerium geschickt. Anschließend ging er dann ins Lehrerzimmer und blieb dort bis zum Abendessen."
„Und was ist mit Flitwick?", konnte Tarsuinn sich die Frage nicht verkneifen, als Winona Atem holte.
„Da, meint Toireasa, haben wir sicher einen Treffer gelandet. Der Professor war unten in den Kellern unterwegs und Toireasa behauptet, sie hätte den muffigen Gestank von Papier in der Nase gehabt. Aber wir müssen genau fünf Türen abklappern und alle scheinen gut verschlossen zu sein."
„Na, dann haben wir doch ein paar Ansatzpunkte", freute sich Tarsuinn.
„Das ist gar nicht so gut", wies ihn Winona zurecht. „Wir wollten eigentlich Marie-Ann nur erwähnen, um herauszufinden, wo das Archiv ist, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass wir da etwas losgetreten haben, was wir nicht unbedingt erwarteten."
„Und?", zuckte Tarsuinn mit den Schultern. „Ich hab nichts dagegen, wenn sie mehr herausfinden, als angedacht. Ich hab mir schon ein paar Mal gewünscht, wir hätten Marie-Ann mit aus der Hütte genommen."
„Das konnten wir ja nicht wissen und außerdem hätte sie sicher etwas gesagt, wenn sie hätte abhauen wollen. Sie ist wahrscheinlich geblieben, um im Zweifelsfall helfen zu können, so wie bei dir."
„Mir tut sie irgendwie leid", flüsterte Tarsuinn. „Auf ewig mit diesen Gespenstern da gefangen zu sein. Ich stell mir so die Hölle vor."
„Denk nicht an so einen Kram", entgegnete Winona und ihre Hand berührte zaghaft die seine.
„Es sind die Dementoren", gestand Tarsuinn. „Sie drücken immer mehr aufs Schloss. Es ist, als gäbe es langsam keinen freien Himmel mehr."
Winonas Hand drückte jetzt fest zu.
„Ignoriere das!", verlangte sie fest.
Er nickte ohne echte Überzeugung.
„Okay – haben wir irgendwelche Hausaufgaben, die wir zur Ablenkung von diesem Thema nutzen könnten?", sagte Winona energisch.
„Nicht, dass ich wüsste", erklärte Tarsuinn und versuchte sich an einem zaghaften Lächeln. „Aber eventuell könnten wir noch mal Verwandlungen wiederholen. Mir ist es zwar relativ egal, wenn Käfer oder Schnecken meine Versuche nicht überleben, aber wenn McGonagall wirklich bald anfängt Echsen und Mäuse anzuschleppen, dann will ich nicht so oft versagen."
Winona stimmte sofort zu. Es war zwar nur Beschäftigungstherapie für ihn, aber es lenkte ihn ab. Für Winona hingegen mochte es eher langweilig sein. Verwandlungen war ihr Fach und von den Ravenclaws konnte einzig Cassandra mit Winona mithalten.
Die nächsten Tage zogen sich ewig hin. Während Tarsuinn seinen Tag bei den Lehrern verschwendete, versuchten Toireasa und Winona sich einen Weg durch die Türen zu zaubern. Leider ohne Erfolg. Professor Dumbledores Colloportus war einfach nicht zu knacken und die Türen im Keller verpassten den Mädchen eine kurze Nase und den Kommentar, sie sollten ihre neugierigen Nasen woanders reinstecken. Zum Glück kannte Toireasa den Umkehrzauber gegen den Schrumpfnasen-Fluch und so erfuhr Madame Pomfrey nichts davon. Am Samstag vor Halloween – nach unzähligen heimlichen Versuchen – gaben sie dann gemeinsam auf. Es hatte keinen Sinn, sie kamen nicht gegen die Magie der Erwachsenen an. Zumindest nicht ohne mehr Informationen und andere Zauber, die sie aber erst einmal erlernen mussten. Statt jedoch sofort in der Bibliothek zu verschwinden, verabschiedete sich Tarsuinn gleich nach dem Abendessen und ging – sicher zum Erstaunen der anderen – sofort ins Bett.
Und so war es noch deutlich vor Mitternacht – und deutlich vor seiner normalen Schlafenszeit – als Tarsuinn wieder aufwachte. Doch das machte heute nichts. Sorgsam kleidete er sich an, dann ging er hinunter in die Gemeinschaftsräume. Dabei wunderte er sich darüber, wo Tikki abgeblieben war.
Nach kurzer Suche im Gemeinschaftsraum fand er dann auch den leuchtenden Schemen den er suchte. Er setzte sich wie immer auf sein Fensterbrett und starrte dorthin, wo der Geist der Grauen Lady sitzen mochte.
Es dauerte eine Stunde und zwölf Schläge der antiken Standuhr, als geschah, worauf er sich schon seit Wochen freute. Langsam und allmählich nahm die Graue Lady Gestalt an. Wie ein Engel in der Schwärze der Nacht kam sie lächelnd auf ihn zugeflogen.
„Ein wunderschönes Halloween", begrüßte sie ihn und ihre Stimme klang viel kräftiger, als er sie sonst hören konnte. Und auch viel schöner.
Tarsuinn spürte, wie sein Gesicht bei ihrem Anblick zu strahlen begann und er senkte verlegen den Blick.
„Es ist schon wunderschön", flüsterte er und starrte auf ihre Hände. Es war zu schade, dass er diese nicht ergreifen konnte.
Ein kalter Hauch berührte seine Stirn, als sie ihm da einen zaghaften Kuss gab.
„Heut ist nicht nur unser, sondern auch dein Tag", sagte sie dabei. „Ich wusste, du würdest das auch so sehen."
„Und ob ich sehe", lächelte er und sah wieder in ihr schönes Gesicht.
„Sind Sie traurig?", fragte er nach einer Weile. Das war keine Erkenntnis aus seinem Sehen, denn noch immer konnte er nicht in Gesichtern lesen, aber ihre Stimme und sein Gefühl sagten ihm das.
„Nicht unbedingt traurig", korrigierte sie leise. „Aber das Mädchen dort ist es."
Sie deutete mit der Hand irgendwo hin.
„Ich wäre viel glücklicher, wenn du ihr helfen könntest", fuhr sie fort.
Tarsuinn hatte eigentlich alles andere vor, als sich an diesem Tag mit den Problemen anderer zu belasten, aber der Lady zuliebe ging er in die Richtung, in die sie deutete.
Er tastete sich um einen der Sessel herum und stand dann dem Mädchen gegenüber, das leise schniefte und zusammenzuckte, als er sie ansprach.
„Schon ziemlich spät", sagte er lahm.
„Ich geh nicht ins Bett!", fuhr sie ihn trotzig an.
Die Stimme kam Tarsuinn einigermaßen bekannt vor, er kannte das Mädchen von der Zaubertränke-Nachhilfe her. Sie war eine Erstklässlerin.
„Ich bin der Letzte, der jemanden zwingt ins Bett zu gehen, Susanne", erklärte er ernst. „Trotzdem verschläfst du heute den ganzen Spaß und die Feier abends, wenn du jetzt wach bleibst. Glaub mir, es lohnt sich."
„Ich will nicht zur Feier!", antwortete sie vehement. „Ich will nach Hause."
Ach daher wehte der Wind. Tarsuinn unterdrückte erfreutes Durchatmen, schließlich hatte er schon Ärger mit anderen Schülern befürchtet. Hier lag nur ein akuter Fall von Heimweh vor.
„Zu Hause wäre jetzt Charles durch die Wand geflogen und hätte uns furchtbar erschreckt", sagte das Mädchen, so als wäre es die tollste Sache von der Welt.
Tarsuinn hielt einfach die Klappe.
„Einmal ist er als gewaltige Sabberschnecke aufgetaucht und hat versucht, mir den Kopf abzubeißen. Dabei ist er aber mit seinem Schneckenhaus am Kronleuchter hängen geblieben, hat Feuer gefangen und ist dann wie verrückt jaulend im Kreis geflogen."
Er vermied es einfach sie darauf hinzuweisen, dass Geister nicht brennen konnten. Wahrscheinlich wusste sie das selbst.
„Und letztes Jahr hat er die Köpfe meiner Eltern in den Raum geworfen. Katharina hat geschrien. Ich natürlich nicht. Aber es war echt gruslig. Vor allem als dann unsere Eltern sich die Köpfe unsichtbar gezaubert hatten, als wir zum Frühstück kamen."
Langsam redete sich das Mädchen in Begeisterung.
„Und dann haben wir uns natürlich gerächt. Wir waren viel besser und ich war viel besser als Katharina. Sie hat immer gekreischt, wenn man ihr Glibberzeug in den Nacken geschmuggelt hat. Einmal hab ich sogar extra ein kleines Zuckerschleimmonster gekauft, das, wenn man draufhaute, in viele kleine Schleimmonster zerfiel. Ist die durch die Gegend getanzt.
Natürlich hat sie versucht sich zu revanchieren, aber sie war nie so gut wie ich und ich hab ein paar Mal nur so getan, als hätte ich mich erschreckt. Schließlich ist sie ja ein paar Stunden jünger als ich."
Ach wirklich? Tarsuinn brauchte einiges an Selbstbeherrschung, um nicht zu grinsen.
„Und dann sind wir abends um die Häuser gezogen und haben Muggel erschreckt. Unsere Eltern sind immer mitgekommen und haben alles wieder zurechtgerückt, falls wir es ein wenig übertrieben haben."
„Und was hindert dich daran, das in Hogwarts auch zu machen?", unterbrach er den Redeschwall des Mädchens.
„Was?", fragte sie fast so, als hätte sie seine Anwesenheit vergessen.
„Na, ich nehme doch an, deine Schwester ist auch hier in Hogwarts und wenn nicht sie, so gibt es doch viele andere potenzielle Opfer für Scherze und Erschrecken, oder? Und die Geister hier sind auch nicht von schlechten Eltern."
„Manche schon", widersprach sie, aber anscheinend wohl nur, um des Widerspruchs willen.
„Was sie als Schreckgespenster nur noch besser macht", amüsierte sich Tarsuinn. „Obwohl du dich von Peeves lieber fern halten solltest."
„Danke für den Hinweis. Ich bin nicht blöd", entgegnete sie frech.
„Gut, dann wein dich doch nächstes Mal bei der Grauen Lady aus", schlug Tarsuinn grinsend vor. „Dafür ist sie glaub ich hier und ich muss kleine Mädchen nicht aufs Offensichtliche hinweisen."
„Die ist doch kein richtiges Gespenst", fand Susanne.
„Nicht?", fragte er erstaunt. „Einen Moment."
Er drehte sich kurz um.
„Durchscheinend, schwebend und im Dunklen leuchtend. Für mich eindeutig Gespenst."
„Sie sieht nicht gruselig aus. Charles sagt, einem ordentlichen Geist muss man seinen Tod ansehen. Im Bett sterben nur die gelangweilten Seelen, die nix drauf haben."
„Ach – und wie viele Geister kennst du außer deinem Charles?"
„Das spielt überhaupt keine Rolle!", erwiderte sie.
„Dann erfährst du nie das traurige und grausame Geheimnis der Grauen Lady", entgegnete Tarsuinn ernst, stand auf und ging zurück zu seinem Fenster.
„Heh, was ist ihr Geheimnis?", rief Susanne ihm fragend nach.
„Find es raus", entgegnete Tarsuinn geheimnisvoll, obwohl er selbst keine Ahnung hatte. Er hatte sich das nur ausgedacht, um die Neugier zu wecken. Es hatte schon bei Professor Flitwick funktioniert, warum nicht auch jetzt?
Er setzte sich wieder zur Grauen Lady.
„Schon bald frisst sie Ihnen aus der Hand", flüsterte er.
„Was hast du ihr denn gesagt?", erkundigte sie sich und es machte Tarsuinn unheimlich Spaß, jetzt auch noch die Lady zu ärgern.
„Sie werden es herausfinden", versprach er und fand, dass dieser Tag wirklich gut anfing.
Zwei Türen gingen fast zeitgleich auf und interessiert lauschte Tarsuinn, wer denn jetzt noch in den Gemeinschaftsraum kam. Er fürchtete schon fast, dass Penelope einen ihrer Kontrollrundgänge machte.
„Na – schon wach Merton?", fragte Winona durch den Raum.
„Ich bin aufgestanden?", fragte der Junge verschlafen. „Oh man, wenn ich nur halb so schlimm aussehe, wie ihr beide, dann bin ich gestorben und hab es nicht bemerkt."
„Um ruhig im Schlaf zu sterben, braucht es eine Menge Intelligenz", murmelte Luna müde und es sprach für Mertons Müdigkeit, dass er die Spitze nicht begriff.
Die Graue Lady machte seltsame Zeichen.
„Heh, Kurze", rief Merton plötzlich deutlich wacher. „Es ist Matratzenhorchdienst angesagt. Ab ins Bett mit dir."
„Von nem Zweitklässler lass ich mir doch nichts sagen", entgegnete Susanne. „Ihr habt hier genauso wenig zu suchen. Vor allem mit…"
„Klappe!", unterbrach Winona. „Wie heißt du?"
„Susanne"
„Okay, Susanne", fuhr Winona fort. „Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten. Entweder du kommst mit oder wir legen dich schlafen. Du entscheidest!"
„Was habt ihr vor?", fragte das jüngere Mädchen.
„Entweder, oder!", forderte Winona ultimativ. „Es geht um etwas, was nur zu Halloween funktioniert und das wollen wir nicht verpassen."
„Gut", sagte die Kleine. „Dann ich auch nicht."
„Darf ich wissen, worum es geht", fragte Tarsuinn etwas verwirrt.
„Lies das und halt still", befahl Winona und drückte ihm einen Brief in die Hand.
Hallo mein Kleiner,
dieser Brief ist hoffentlich eine kleine Überraschung für Dich und ich hoffe, der Inhalt wird es noch mehr sein.
„Halt still!", fuhr Winona ihn an, denn er war zurückgezuckt, als sie ihm irgendeine kalte Paste ins Gesicht strich.
„Was machst du da?", fragte er.
„Vertrau mir einfach und fass dein Gesicht erst wieder an, wenn es getrocknet ist", antwortete sie und nur widerwillig ließ er sie gewähren.
„Das ist ja eklig!", beschwerte sich Susanne.
„Nun sei nicht zickig", meinte Merton. „Und wehe du sagst irgendwas, bevor wir es nicht tun."
„Lies weiter!", forderte Winona Tarsuinn auf. „Das erklärt einiges."
Aber dazu später.
Erstmal was Erstaunliches, man hat meinen Vertrag verlängert. Sie sind anscheinend sehr angetan von meinen Leistungen und bezahlen mir sogar Computer- und Technikkurse. Ich glaub's fast nicht.
Vor allem da ich fast das Gefühl habe, sie wollen mich eventuell, wie früher die Darkclouds, irgendwo installieren, um Muggel zu überwachen. Anscheinend macht man sich Sorgen um die aufkommende elektronische Erfassung von Einwohnerdaten und über die zunehmende Verbreitung von Überwachungskameras. Es macht mir aber Spaß und ich habe sogar schon zwei bezahlte Vorträge im Ministerium halten dürfen, für eine Berufsgruppe namens Auroren. Sehr seltsame Leute. Und sie scheinen sich sehr auf ihre Magie zu verlassen. Ich hab dreien – natürlich nur zu Demonstrationszwecken – die Zauberstäbe geklaut, ohne dass irgendwer das gemerkt hat. Ich amüsiere mich immer köstlich, wenn ich ihnen ihre Werkzeuge wiedergebe. Nur ewig kann ich das auch nicht machen und deshalb gehe ich – ja das wird dich freuen – ab Februar auf eine Abendschule. Das mag jetzt nach ziemlich viel klingen, was ich mir da aufhalse, aber ich habe soviel nachzuholen und ich kann einfach nicht zu Hause beschäftigungslos herumsitzen.
Wie ich hörte, bist Du auch nicht gerade faul, selbst wenn Dein Fleiß weniger auf Freiwilligkeit basiert.
Zumindest aber hat Professor Flitwick sehr positiv über Deine Bemühungen geurteilt, die versäumte Praxis vom letzten Jahr nachzuholen. Er meint, Du bist auf einem guten Weg, auch wenn Du noch am Anfang stehst.
Aus diesem Grund gebe ich Dir hiermit, weil Winona und Toireasa so gebettelt haben und weil du es verdienst, die Erlaubnis, an Halloween ein paar Regeln zu brechen. Toireasa und Winona werden Dir sagen, welche das sind.
Ich werde dies jedoch abstreiten, solltest Du erwischt werden und Du diesen Brief zu Deiner Verteidigung anführen.
So – und jetzt viel Spaß und macht ein paar Fotos.
Deine Dich liebende Schwester
Rica
P.S.: Dieser Brief zerbröselt in einigen Sekunden.
„Der Brief erklärt so gut wie nix!", beschwerte sich Tarsuinn verwirrt.
„So ein Pech!", lachte Winona. „Woher soll ich denn wissen, was Rica so schreibt."
Das Papier in seiner Hand zerfiel plötzlich zu Staub.
„Ich hab manchmal das Gefühl, Rica gewöhnt sich viel schneller als ich an die Zauberwelt", brummte er. „Und dass sie es genießt!"
„Nun beschwere dich nicht und gönn ihr die Freude", wies ihn Winona zurecht.
„Hab ich doch gar nicht", maulte er. Ihn störte vielmehr das blöde Gefühl, das das Zeug in seinem Gesicht erzeugte. Es juckte ein wenig.
„Das sieht gut aus", sagte Winona und drehte seinen Kopf ein wenig hin und her. „Wie weit seid ihr anderen?"
„Gleich fertig!", antwortete Merton.
„Fein! Gib deinen Umhang an Susanne, Tarsuinn – Moment, ich muss das Abzeichen in schwarzen Stoff verwandeln – und leg den hier um", ordnete Winona an.
Ein schweres Bündel landete auf seinem Schoß. Er wühlte sich durch Unmengen von Stoff und streifte sich dann das Zeug über. Was zum Teufel hatten sie mit ihm vor?
„Das ist kein Umhang, das ist ein Zelt", runzelte er die Stirn.
„Es ist perfekt und jetzt mäkle hier nicht rum!", entschied Winona und er konnte ihr Grinsen fast sehen. „Außerdem siehst du so wirklich zuckrig aus. Moment mal."
Es gab ein lautes Fatsch.
„Tarsuinn zu fotografieren macht Laune", kommentierte Merton. „Der blinzelt nie. Da kommt mir eine Idee. Kurze?"
„Ich heiße Susanne!"
„Okay, entschuldige", sagte Merton. „Das ist jetzt geklärt, Kurze. Da wir dich mitschleppen werden, kannst du dich auch revanchieren und dich nützlich machen. Ab sofort bist du Haus- und Hoffotografin. Klar?"
„Sag bitte!"
„Möchtest du denn für das Privileg unsere Untaten fotografieren zu dürfen – und damit die unglaubliche Chance zu erhalten, uns gnadenlos reinzureißen – bitte wahrnehmen, Kurze?"
„Unter diesen Umständen akzeptiere ich mal euer Vertrauen", formulierte Susanne hoheitsvoll. „Immerhin kann ich zählen und Schlüsse ziehen."
„Unglaublich!", lachte Merton. „Habt ihr gehört, sie kann zählen!"
„Ärgere sie nicht zu sehr", murmelte Luna.
„Ich werd es versuchen", meinte Merton.
„Gut, wenn das geklärt ist und wir alles dabei haben, dann los", meinte Winona. „Und seid um Himmelswillen leise! Auch du Susanne. Ich meine, dir ist klar, dass wir hier eine kleine illegale Spaßaktion starten und du voll mit drin hängst?"
„Klar doch!"
„Und dass du uns reinreißt, wenn du nicht auf mich hörst?"
„Aber immer."
„Na dann los! Und schön leise."
Sie gingen durch das Eingangsloch hinaus und inzwischen war Tarsuinn recht gespannt, was da so auf ihn zukam. Vor allem da die Graue Lady ihnen hinterherschwebte.
Neben dem Adler, der die Tür der Ravenclaws bewachte, wartete Tikki schon auf sie.
„Da bist du ja, Tikki", freute sich Tarsuinn, nahm sie auf die Schulter und kraulte sie ein wenig.
„Hervorragend", fand auch Winona. „Tikki, weißt du, wo er ist?"
Tikki antwortete und Tarsuinn fiel fast die Kinnlade herunter.
„Ähem – war das ein Ja, Tarsuinn?", fragte Winona unsicher.
„Wenn du Tikki meinst, dann war das Zustimmung", antwortete Tarsuinn.
Die Sache wurde immer seltsamer. Jetzt war selbst Tikki ohne sein Wissen involviert.
„Gut – kann sie uns hinführen?", fragte Winona weiter.
Zur Antwort sprang Tikki von seiner Schulter und führte sie den Turm hinunter. Sie schlichen einige Gänge entlang und landeten alsbald in der Nähe der Großen Halle. Tarsuinn und Tikki hielten zeitgleich die anderen zurück.
„Peeves!", flüsterte er warnend. „Wir müssen einen Umweg nehmen."
„Ganz bestimmt nicht", amüsierte sich Merton leise. „Bereit Winona?"
„Natürlich. Luna, Tarsuinn, Susanne. Haltet euch ein wenig zurück. Dass ihr ja nicht zwischen uns und Peeves steht. Heute bezahlt er für jedes umgekippte Tintenfass! Außerdem brauchen wir ihn."
Luna zog Tarsuinn ein wenig beiseite und die Graue Lady verschwand durch eine Wand.
„Wir haben es gleich geschafft!", sagte Merton plötzlich recht laut, aber so, als versuche er zu flüstern. Was in Tarsuinn's Ohren natürlich völlig dämlich klang.
„Hauptsache, wir laufen Peeves nicht über den Weg.", entgegnete Winona. „Wäre doch echt blöd, wenn der rausbekommt, dass Tarsuinn ihn heute sehe…"
„Erwischt!", kam der Poltergeist um die Ecke geschossen. „Was suchen denn kleine Ravenclaws um diese Uhrzeit…"
Peeves Mund blieb plötzlich mitten im Satz offen stehen und man konnte deutlich sehen, wie er versuchte zu sprechen. Dann wurden seine Beine steif und auch sein rechter Arm, während der linke wie wild zu rotieren begann.
„Halt ihn fest, Merton", rief Winona aufgeregt.
Ein Stampfen, Schleifen und Schlagen war zu hören.
Tarsuinn wollte helfen, aber Luna hielt ihn fest.
„Stör sie nicht!", befahl das Mädchen.
Peeves schien sich von Merton losgerissen zu haben und versuchte durch eine Wand zu entkommen. Doch er war anscheinend nicht in der Lage, die Beine, den rechten Arm oder den Mund durch die Mauer zu zwingen.
Ehe Peeves das begriff, hatte Merton ihn wieder aus der Wand gezerrt und Winona legte nach und nach seinen ganzen Körper lahm.
„Geschafft!", murmelte Merton keuchend. „Hätte nicht gedacht, dass der so widerstandsfähig ist."
„Wir müssen uns beeilen. Luna, den Koffer und den Hammer bitte."
Luna ließ Tarsuinn los und ging zu den beiden. Sie stellte irgendetwas auf den Boden und dann begannen alle drei gemeinsam Peeves klein zuhämmern.
Neben Tarsuinn machte Susanne kichernd Bilder und er konnte das verstehen. Je gestauchter Peeves aussah, desto lustiger sahen seine Grimassen aus.
Dann verschwand Peeves, Tarsuinn hörte die Schlösser des Koffers zuschnappen und Sekunden später erschien die Graue Lady wieder.
„So, das wäre erledigt", sagte Winona triumphierend. „Damit hätten wir unseren Teil der Abmachung durchgezogen."
„Ähem", sagte Tarsuinn leise. „Dieses Zeug zum Geisterfangen ist doch furchtbar teuer."
Er musste ja zugeben, es war eine coole Aktion, und Peeves einen reinzuwürgen, das machte jedem Spaß, aber niemand wusste besser als Tarsuinn wie viel Geld das gekostet hatte.
„Das Zeug hier ist nicht so teuer und hält nur ein paar Stunden", entgegnete Winona fröhlich. „Dafür kann man es ein paar Minuten lang formen, bevor es fest wird."
„Trotzdem", flüsterte Tarsuinn. „Billig war das trotzdem nicht!"
„Rica hat's bezahlt", entgegnete Winona. „Aber egal, wir müssen weiter. Die anderen werden sicher schon ungeduldig."
„Welche anderen?", fragte Tarsuinn, aber statt einer Antwort wurde er nur weiter gezogen.
Wenig später wurde seine Frage auch so beantwortet. Draußen an einer der Außenmauern warteten Toireasa, sowie William und Ginny. Es regnete in Strömen, weshalb sie die Kapuzen aufsetzten.
„Wir dachten schon, ihr kommt nicht mehr", begrüßte sie Toireasa. „Habt ihr ihn?"
„Man kann Peeves sicher nicht formlos nennen", säuselte Luna und alle, die dabei gewesen waren, konnten sich ein Lachen nur schwer verkneifen.
„Noch nie sah er besser aus", bestätigte Merton.
„Und wie kommen wir jetzt raus?", fragte William. Laut Toireasa war das der Junge, der sich um sein Problem mit dem Provokationstest kümmerte.
„Wenn Sie die Güte hätten, Mylady!", sagte Winona höflich.
„Du vergisst, erst die Bedingungen", entgegnete die tote Frau.
„Oh, stimmt ja", entgegnete Winona. „Sorry, war etwas voreilig, weil wir spät dran sind. Also hört mir alle genau zu."
Sofort herrschte erwartungsvolle Stille.
„Gut. Nummer eins. Wir gehen jetzt durch ein unsichtbares Loch in der Wand. Ihr werdet alle schwören, dass ihr niemandem jemals davon erzählt. Außerdem werdet ihr es niemals benutzen, solange das mit Sirius Black nicht gelöst ist. Ihr könnt euch denken was passiert, wenn der das findet. Also schwört."
„Eine Ausnahme ist, wenn es wirklich um Leben und Tod geht", ergänzte die Graue Lady ernsthaft.
Sie schworen reihum. Tarsuinn hatte noch nie einen Zauberschwur gesprochen, aber mit etwas Anleitung gelang es ihm. Den Zauberstab senkrecht vor das Gesicht haltend, sodass er Stirn, Nase, Mund und Kinn berührte, schwor er, sich an die Regeln zu halten. Allein für das Wissen um einen geheimen Ausgang, war er bereit einiges zu schwören. Einziges Problem dabei war, dass er sich die ganze Zeit vorstellte, wie wohl Professor Dumbledore mit seiner großen Nase aussah, wenn er schwören musste. In seinen Ohren klang es nicht, als würde er es so ernst meinen, wie er es eigentlich meinte.
„Fein", flüsterte Winona danach weiter. „Das wäre also klar. Weiter, wobei jetzt vor allem Tarsuinn und Susanne zuhören sollten. Wenn wir da raus gehen, sind wir Todesschatten. Das bedeutet, wir reden nicht, lassen die Kapuze immer ins Gesicht gezogen und versuchen möglichst gleitend zu gehen. Stolpert nicht und dreht niemals den Kopf, sondern immer den gesamten Körper. Sobald wir in der Mannschaftskabine der Ravenclaw-Mannschaft sind, können wir wieder flüstern und uns vorbereiten. Alles kapiert?"
„Was erwartet uns draußen?", fragte Susanne, nun mit einer leichten Unsicherheit in der Stimme.
„Wirst du sehen", antwortete Merton von der Seite amüsiert. „Aber keine Angst, ich pass auf dich auf, Kurze."
„Andere Frage", sagte Tarsuinn, bevor die Erstklässlerin sich wieder aufzuregen begann. „Haben Todesschatten nicht rot glühende Augen?"
„Aber sicher doch", erwiderte nun Toireasa. „Haltet beide still."
Sie sprach zweimal einen Zauber und für einen kurzen Moment wurde die Graue Lady vor Tarsuinns Augen zu einer Roten Lady.
„Mann, sieht das gruselig aus", sagte Susanne verblüfft. „Das schwarze Gesicht und diese glühenden Augen!"
„Haben wir schon tausendmal geübt", sagte Merton cool und dann sprach Toireasa den Zauber auch über die anderen.
Tarsuinn wünschte sich sehr, den Effekt sehen zu können. Leider war der Zauber so schwach, dass er nicht mal silberne Fäden sah.
„Okay – versteck jetzt Tikki unter deinem Umhang, Tarsuinn, und dann sind wir bereit. Nicht war Lady?"
Diese nickte freundlich.
„Moment!", mischte sich Luna ein. „Tarsuinn braucht Ohrenschützer!"
Damit verblüffte sie ihn sehr, denn die Nacht war bis auf den Regen sehr still. Trotzdem nahm er die flauschigen Dinger.
„Ich hab sie verbessert!", flüsterte ihm das Mädchen zu und er musste zugeben, die Schützer fühlten sich viel flauschiger an seinen Ohren an.
Er verbarg die Schützer unter der Kapuze, steckte Tikki in eine Tasche des Umhangs und erst dann näherte er sich der Wand – er wusste nur, dass dort Steine waren, sehen konnte er diese nicht – und die Lady deutete auf eine Stelle.
„Tippt hier mit einem Zauberstab dagegen und dann sagt ihr: Hogsmeade erwartet mich!"
Tarsuinn wartete, bis alle durch die Mauer hindurch waren.
„Mylady?", fragte er unsicher. „Was ist mit den Dementoren? Ich… ich will ihnen nicht begegnen."
„Keine Sorge!", lächelte ihn die Graue Lady aufmunternd an. „Heute wird es kein Dementor wagen in unsere Nähe zu kommen und ich bezweifle fest, dass sie euch überhaupt erfühlen können!"
Damit ging sie durch die Wand und Tarsuinn folgte ihr, nachdem er ein paar Mal die falsche Stelle angetippt hatte. Es war, als würde man in London auf das Gleis 9 ¾ gehen, nur deutlich kürzer.
Auf der anderen Seite angekommen, konnte er sich ein überwältigtes – Wow – nicht verkneifen, was ihm links und rechts zwei Ellbogenchecks einbrachte. Aber er konnte einfach nicht anders.
Sein Blick war hinunter ins Quidditch-Stadion gewandert, was absolut kein Wunder war. Die Ränge waren gefüllt mit Geistern und zum ersten Mal bekam er ein Gefühl dafür, wie riesig die Spielfläche eigentlich war. Außerdem machten die Geister ziemlichen Krach, wobei davon im Schloss überhaupt nichts zu hören gewesen war.
Toireasa oder Winona – er achtete nicht darauf, so fixiert war sein Blick – zog ihn weiter Richtung dieser Gespensterversammlung. Es kostete ihn extreme Überwindung, Fragen und Begeisterungslaute zu unterdrücken. Vorweg schwebte die Graue Lady und bei ihrem Anblick erinnerte sich Tarsuinn daran, möglichst gleichförmig zu gehen. Über ihnen schwebten unzählige Geister aus allen Richtungen zum Stadion. Manche beritten, manche zu Fu und sogar einer mit einem Gefährt, das möglicherweise ein Flugzeug sein mochte. Zumindest tuckerte es wie ein Motor und hatte zwei starre Flügel übereinander. Sie gingen in einem Halbkreis um das Stadion und dort stockte ihm dann zum zweiten Mal der Atem. Auf der Wiese unterhalb des Stadions hatten mehrere halb zerfallene Segelschiffe und zwei verrostete Ozeandampfer angelegt. Auf einem der Segelschiffe prangte sogar eine Flagge mit einem Totenkopf und zwei gekreuzten Hundeknochen darunter. Während sie das Stadion betraten, bemerkte Tarsuinn, wie ihnen Geister auswichen, wenn man sie erblickte.
Sie gingen in den Turm, der zur Ravenclaw-Tribüne führte, und dann hinauf in die Startbucht der Spieler. Hier warteten einige wirklich interessant aussehende Gespenster auf sie und Tarsuinn ließ Tikki zu Boden springen, damit sie auch etwas sah.
„So – hier könnt ihr euch entspannen. Hier sind wir unter Freunden", sagte die Graue Lady lächelnd. „Darf ich vorstellen – Captain Flint."
Sie deutete auf einen bärtigen Mann mit einer Augenklappe über dem rechten Auge, einem Holzbein, einem Haken als Hand und einem Papagei auf der Schulter.
„Alles an Bord, Jungs und Mädels? Harr, harr", grüßte der Geist mit einem Winken seines Hakens.
„Auf seiner Schulter, das ist Paulie."
„Untiefe voraus, Captain! Paulie will nen Keks."
„Hört nicht auf dieses dumme Plappermaul!", rollte Captain Flint die Augen.
„Das sagt Paulie auch immer!", kommentierte der Vogel.
„Dies hier sind Scottchie und Palinko", fuhr die Graue Lady fort, den entstehenden Streit zwischen Flint und Paulie ignorierend.
„De Alkohool war unsor Lebn", lallte der eine – recht dicke – Geist, der bis auf seine rote Nase absolut grau war, und stützte sich gegen seinen Kumpel, welcher, dünn wie eine Bohnenstange, deutlich Mühe hatte, das Gleichgewicht für beide zu halten. „Un waor ooch uns Verderbn."
„Wobei ich erwähnen muss,…", sagte der andere Geist und richtete sich ächzend wieder auf „…dass ich aufgehört hatte mit trinken und nur tot bin, weil dieser Klops auf mich draufgefallen ist!"
„Gar nisch woahr!", lallte der Dicke, fiel auf der anderen Seite, durch die Wand, riss die Bohnenstange mit sich und Sekunden später hörte Tarsuinn von unten ein: „Er hat es schon wieder getan!"
Es gab Beifall von den Rängen.
„Und die anderen Hausgeister kennt ihr ja", vollendete die Graue Lady.
Tarsuinn verbeugte sich höflich. Der Blutige Baron schaute wie immer finster, während der Fette Mönch ihnen freundlich zuprostete und Sir Nicholas sich verbeugte, wobei sein Kopf fast herunterfiel und Susanne einen kurzen Schrei abrang.
„Dass ihr hier seid, bedeutet ihr habt Peeves?", fragte der Baron kühl.
„Wir haben unseren Teil der Abmachung erfüllt", erklärte Winona fest. „Peeves wird an eurem Fest diesmal teilnehmen."
„Gut!", sagte der Baron und wandte sich unhöflich ab.
„Da das erledigt ist", erklärte Sir Nicholas umso fröhlicher. „Kommt und seht! Es dürfte gleich beginnen."
Der Geist machte eine weit ausholende Bewegung, mit der er sie bat, an die Wand zu treten, welche ins Stadion wies. Alle Kinder kamen dem nach und konnten nun so durch kleine Sichtschlitze hinaus in die Weiten des Stadions schauen. Es war einfach überwältigend.
Das Stadion gefüllt zu nennen, wäre die Untertreibung des Jahres gewesen. Es war vollkommen überfüllt. Schwebende Geister formten mit ihren Gestalten Wände, Tribüne und sogar das Spielfeld. Ihre Stimmen brausten durch die Nacht wie das Rauschen des Meeres. Vorsichtig hob Tarsuinn kurz einen der Ohrenschützer und ließ ihn sofort wieder zurückschnipsen. Der Lärm war ohrenbetäubend. Doch jetzt verstand Tarsuinn die wahren Verbesserungen, die Luna erwähnt hatten. Die Schützer dämpften den Krach nur auf ein erträgliches Maß, schlossen ihn aber nicht mehr von der Stimmung aus. Gänsehaut lief ihm in Wellen über die Haut.
„Das sind Tausende", flüsterte Tarsuinn ehrfurchtsvoll. „Das ist gigantisch!"
„Wart es ab", flüsterte Ginny, die zufällig neben ihm zum Stehen gekommen war.
Er schüttelte langsam den Kopf, ohne den Blick von dem Getümmel nehmen zu können. Was sich ihm hier bot, war einfach unerreichbar.
„Willkommen Verstorbene, Gestrandete, Hiergebliebene, Abbilder aus längst vergangen Zeiten", donnerte eine Stimme über das Gewirr hinweg und in der Mitte des Quidditchfeldes formte sich plötzlich eine große Gestalt, der gewaltigen Stimme entsprechend. „Dies ist euer Tag. Von mir an euch. Spürt das Leben!"
Dann verschwand er.
„Wer war das?", fragte William laut.
„Samhain", erklärte die Graue Lady. „Sprecht nur mit Respekt und Ehrfurcht von ihm."
Sie kamen nicht dazu, nach dem warum zu Fragen.
„Yeah-ha!", schallte eine neue Stimme durch das Rund. „Beginnen wir endlich. Dies ist ein Fest für die Toten, drum lasst die Lebenden trauern.
Hundert Jahre sind vergangen, seit wir die alten und neuen Zeiten wieder aufleben ließen, dass wir den Sport genießen konnten, wie wir ihn kannten und liebten. Nun, heute ist es wieder soweit. Wir haben die Besten der Besten ihrer jeweiligen Zeit ausgewählt, für ein Ereignis, wie es das sonst nirgends gibt."
Tarsuinn konnte den Sprecher nicht ausmachen. Der Geist schien genau über ihnen zu sein.
„Begrüßen wir zunächst die Helden der ersten Jahre. Diejenigen Pioniere, die entwickelten was die Zaubererwelt heute liebt. Die noch hart zu sich und zu ihren Gegnern waren. Die Helden der Gründerjahre von 900 bis 1268.
Auf der Seite des irischen Gastteams – einen Beifall für den Torwart: Roman der Schlächter."
Ein Kerl, der aussah, als wäre er der erste Tarzan gewesen, schwebte auf einem Geisterbesen in die Mitte des Spielfeldes. Bekleidet war er nur mit einem Lendenschurz und einem riesigen Schwert. Einer seiner Arme war vollkommen zerfetzt.
„Verschärft!", hörte er Winona murmeln.
Jubel brandete auf. Auch wenn viele in die Hände klatschten, so war davon kaum etwas zu hören.
„Ja – was für ein Kerl, meine lieben Verblichenen. Und bedenken Sie, was er alles für unser geliebtes Spiel erreichen wollte. Chimären hätten das Spiel doch noch viel interessanter gemacht. Nur schade, dass unser Roman im Jahr 981 nach einem Testmatch verblutete, bevor er den Lebenden seine bahnbrechende Neuerung kundtun konnte."
Tarsuinn wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte bei der Ansprache. Der Begeisterung der Geister tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil, das Rauschen der Rufe wurde noch stärker und – er konnte es nur vermuten – auch lauter. Luna hatte wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Er musste sich nachher unbedingt bei ihr ordentlich dafür bedanken.
„Kommen wir zum ersten Treiber. Begrüßen Sie mit mir Hammerhead Clint, gestorben 1136. Solange er spielte, gelang es niemandem, ihn von seinem Besen zu werfen. Seine Spezialität war es, Klatschersteine mit seinem Kopf zu zertrümmern. Sein Pech, dass sie in Schottland mit Eisen spielten. Aber wenigstens gelang es ihm, ein Unentschieden gegen den Klatscher zu erreichen."
So sah dieser Geist auch aus, der sich im Beifall sonnte. Seine rechte Kopfhälfte gab einen unerwünscht freigiebigen Einblick in die Struktur des Gehirns. Tarsuinn schloss für einen Moment angeekelt die Augen.
„Geht das so weiter?", fragte Ginny, wobei sie nicht so klang, als würde sie sich an dem Anblick stören.
„Menschen, die an Altersschwäche gestorben sind, werden selten Geister", erklärte der Fastkopflose Nick. „Und nur Quidditchverrückte kehren mit ihrem Besen zurück!"
„Clints geniale Partnerin an der Keule und im Heim war schon zu Lebzeiten – die 1133 endeten – Skullett O'Hara, die Treiberin mit dem Knochenbesen. Sie war niemals vollständig ohne ihr geliebtes Feuerzeug, mit dem sie engagiert Überzeugungsarbeit gegen hölzerne Besen leistete. Bevorzugt während des Spieles. Leider war sie selbst nicht sonderlich feuerfest."
„Sie war früher nicht schwarz!", erklärte der Fette Mönch traurig, als die Treiberin der Iren ihren Beifall empfing. „Aber sie konnte unglaublich spielen und wusste einen guten Wein zu schätzen."
„Kommen wir zu den Jägern. Da hätten wir zunächst Teresa Killerbee – Todesjahrgang 1066. Sie erfand das Foulen mit spitzen Gegenständen. Nur hätte sie dies das eine Mal nicht unbedingt mit einem Aufrufungszauber probieren sollen."
„Viel harmloser und zu seiner Zeit einer der fairsten Spieler – Beater Eater. Erfinder des noch heute beliebten und legalen Klatscheranhängens. Es gibt das Gerücht, er habe mehr Treiber abgeschossen, als Tore erzielt. Seine Todesursache ist ungeklärt und ein großes Geheimnis."
Der erste vollkommen unversehrte Spieler flog auf das Feld, ohne sich groß um Beifallsstürme und gelegentliche Weichei-Rufe zu kümmern.
„Und zuletzt, eine zarte und verletzliche Seele – Brain „Buzzsaw" Sharp. Er erfand den Bumerang, bevor auch nur irgendwer Australien entdeckte. Nur schade, dass der erste Prototyp auch scharfe Kanten hatte. Hoffen wir, dass seine Halskrause hält."
„Der darf an der Jagd der Kopflosen teilnehmen", murmelte Nick neiderfüllt.
„Kommen wir nun zum Heimteam."
„Wo ist der Sucher?", fragte Merton verwirrt.
„Den gab's damals nicht!", erklärten Toireasa und Ginny fast gleichzeitig.
„Die Jagd nach dem Schnatz kam erst 1269 dazu", beendete dann Toireasa lachend. „Ist ne verrückte Geschichte. Musst mal Quidditch im Wandel der Zeiten lesen."
„…begrüßen Sie deshalb mit einem Applaus Grimmly „Gryzzly" Griswold. Der Torwart, der niemals lächelte und 1263 vor Liebeskummer starb."
Ein Mann wie ein Bär, dessen Besen lautstark unter dem Gewicht des Mannes ächzte, schwebte in das Stadion. Er sah sehr traurig aus und war sicher ein gut aussehender Mann, zumindest ließ die durchaus begeisterte Reaktionen der weiblichen Geister darauf schließen. Wenn Tarsuinn richtig gehört hatte, waren da auch einige eindeutige Angebote dabei, den Kummer zu stillen.
„Kommen wir nun zu den Treibern und begrüßen wir die legendäre Emma „Rolling Pin" Pie. Ihr Nudelholz war ihr ständiger Begleiter. Egal ob im Heim oder auf dem Quidditchfeld. Und an beiden Orten sauste ihr Holz herunter auf Klatscher und Köpfe. Sie verstarb in hohem Alter 1001 mit dem Holz in der Hand und heute werden wir vielleicht erfahren, wer stärker ist – Hammerhead oder Rolling Pin?"
Eine alte verhutzelte Frau schwebte herein und wenn die Geschichte von Hänsel und Gretel jemals auf einer Wahrheit beruhte, dann war das die Hexe aus dem Märchen. Ihre Augen allein blickten äußerst bösartig. Eine Eigenart, die den meisten Geistern sehr sympathisch zu sein schien.
„Ich hab das Gefühl, da hat ein Irrenhaus Ausgang", murmelte Tarsuinn.
„Das sind Legenden!", wies ihn Toireasa atemlos vor Begeisterung zurecht. „So was siehst du nie wieder! Ganz davon abgesehen, dass es kaum Lebende gibt, die das hier gesehen haben."
„Ich beschwer mich doch gar nicht", lächelte er. „Es war nur eine Feststellung."
„Natürlich waren auch Seefahrer vor dem Quidditch-Fieber nicht gefeit und so können wir heute Willward the Shark begrüßen, der 1242 während eines Demonstrationsspiels vom Besen fiel und im Hafen von Lübeck ertrank. Er war der Erste, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, auch andere Länder mit unserem Volkssport bekannt zu machen, auf dass wir sie bei Weltmeisterschaften schlagen können."
„Den hätte ich gern in meiner Crew gehabt", sagte Captain Flint begeistert. „Ein echter Kerl, wie alle auf dem Schiff."
„Die Crew meutert Captain. Paulie will von Bord."
„Ach halt den Schnabel! Das Gold hat diese gierige Bande wenigstens nicht gefunden."
„Zu den Jägern, das Prunkstück dieser englischen Mannschaft. Begrüßen Sie mit offenem Mund, meine persönliche Favoritin, Dina Doxie. Die einzige bekannte Veela, die jemals Quidditch spielen konnte und durfte. Ich verspreche Ihnen, sie spielen zu sehen, ist noch besser, als sie nur zu sehen. Man behauptet, es gab wegen ihres Anblicks mehr Unfälle, als im ganzen Jahrhundert zuvor. Auch Grimmly „Gryzzly" Griswold soll völlig ihrem Charme erlegen gewesen sein. Im wahrsten Sinne des Wortes. Man behauptet auch, dass sie der Grund war, warum viele Mannschaften begannen, Frauen in ihren Teams zu akzeptieren und als erst mal die Büchse der Pandora offen war…"
Laute weibliche Buhrufe ließen die Stimme des Sprechers vorübergehend im Lärm untergehen.
„Er hat ihr Todesjahr vergessen", bemerkte Toireasa überrascht. „Warum?"
„Es gibt nur zwei, die dieses Jahr und den Tag kennen", erklärte der Blutige Baron mit kalter Stimme und kühlte damit Tarsuinn's Blick ab, der an der bezaubernden Gestalt der Veela hing.
„Ich möchte nicht, dass Rica sich jemals so anzieht!", sagte er und zwang seine Augen woanders hinzuschauen."
„Ach? Die hat was an?", fragte Winona feindselig.
Tarsuinn hatte den Verdacht, dass diese Frau auf Mädchen irgendwie anders zu wirken schien, als auf Jungs.
„Der zweite Jäger im Team ist Joe „Hangman" Fletcher. Er liebte den Sport als Stressausgleich zu seinem anstrengenden Henkerberuf und wäre sicher einer der ganz Großen geworden, wenn da nicht die Alten Gesetze gewesen wären. Sie wissen schon, in der guten alten Zeit erlitt der Henker die Strafe, wenn er bei dem Vollzug versagte und das Opfer wurde freigelassen, falls es überlebte."
„Schade, dass es diese Regel in meiner Zeit nicht mehr gab", brummte Sir Nicholas. „Den ersten Fehlschlag hätte ich locker überlebt."
„Ich wüsste gern, wie das damals gelaufen ist", flüsterte Ginny kichernd.
„Das interessiert doch keinen", wehrte der Geist pikiert ab.
„Sie glauben gar nicht, wie viele darauf neugierig wären", widersprach das Mädchen überzeugt. „Ich meine fastkopflos zu sein, ist doch viel ungewöhnlicher, als so ein üblicher Kopfloser."
„Meinen Sie wirklich?", fragte Nick nachdenklich.
„Aber ganz sicher, Sir Nicholas", bestätigte Ginny erneut. „Ich zumindest bin sehr neugierig darauf."
Tarsuinn war von dem Gespräch zwischen dem Mädchen und ihrem Hausgeist so abgelenkt, dass er fast die Ansage des letzten Spielers verpasst hätte.
„Und zu guter Letzt, der Spieler der über einhundert Spiele bestritt und kein einziges verlor. Seine Triumphe sind beispiellos und sein Ende war tragisch, als ihn sein Glück verließ und er in eine Zuschauermenge stürzte, was auch elf Fans der gegnerischen Mannschaft das Leben kostete. Willkommen Fumbly Gorrester."
Von einer der Tribünen kam ein vielstimmiges Buh, welches aber das Gelächter von den vielen anderen Geistern kaum übertönen konnte.
Ein jugendlich aussehender Geist schwebte ins Stadion, Tarsuinn konnte sein Alter nicht schätzen. Aber was er einschätzen konnte war, dass dies der wohl am schlechtesten fliegende Quidditch-Spieler aller Zeiten sein musste. Der Geist schien sich kaum auf seinem Besen halten zu können, schwankte von einer Seite auf die andere und rutschte fast über den Schweif herunter.
„Was ist das denn für ein Dilettant", urteilte William kritisch. „Oder ist das der Clown?"
„Das ist Fumbly Gorrester!", erklärte Toireasa. „Das war seine Masche. Er hat immer so getan, als könne er nicht fliegen, um seinen Gegner zu täuschen."
„Nein", widersprach Luna. „Er besaß das Amulett des Glücks, das ihm aber in der Nacht seines Todes herunterfiel und im Mishap-Moor versank."
„Das ist Aberglaube!", sagte Toireasa. „Es gibt kein Mishap-Moor."
„Das stimmt", erklärte Luna. „Aber das liegt nur daran, dass die Muggel das Moor vor vierhundert Jahren trocken gelegt haben. Mein Dad…"
„Das ist furchtbar interessant Luna", mischte Winona sich ein. „Aber das können wir nachher diskutieren. Das Spiel beginnt jetzt gleich."
Damit hatte sie auch Recht und Tarsuinn war froh, dass die Diskussion nicht weitergeführt wurde. Luna ließ nichts auf die Geschichte ihres Vaters kommen und Toireasa liebte Quidditch zu sehr, um irgendwelchen bösartigen Gerüchten über einen Quidditchhelden zu glauben.
„Und last, but not least, der wichtigste Mann der Begegnung – Cyprian Yondle als Schiedsrichter. Vielleicht findet sich ja dieses Jahrhundert derjenige auf den Zuschauerrängen, der ihm im Jahr 1357 den Todesfluch auf den Hals hetzte. Nicht, dass dies jetzt noch irgendeine Konsequenz hätte, aber wir sind neugierig."
Amüsiertes Gejohle war die Antwort.
„Gut, dann müssen wir auf das nächste Mal hoffen. Sodann übergebe ich nun an den Mr Yondle für das erste Spiel. Nach den Alten Regeln, ohne Schnatz und genau eine Sanduhr lang."
„Wie lang ist eine Sanduhr?", fragte Merton leise.
„Ungefähr eine halbe Stunde", erklärte Tarsuinn. „Du solltest die Mitschriften auch lesen, die ich dir gebe."
„Ich brauch das Wissen doch erst zur Prüfung", entgegnete Merton frech.
„Haltet die Klappe!", sagten die anderen – einschließlich Susanne – synchron.
Nicht ohne Grund, denn das Spiel hatte schon begonnen und endlich konnte Tarsuinn wirklich verstehen, was Toireasa an diesem Spiel fand. Seine Augen hatten Mühe, alles zu verfolgen. Die zwei Steine, die durch die Gegend schossen, die vier Treiber mit ihren Keulen und einem Nudelholz, die sechs Jäger und der Quaffel – es war ein aufregendes Chaos, in dem er immer mehr Ordnung feststellte. Sofern man von Fumbly Gorrester absah, der auf seinem Geisterbesen wild durch die Gegend schoss, eigene Mitspieler rammte, plötzlich rückwärts auf seinem Besen saß und trotzdem mit dem Hinterkopf ein Tor machte.
Fünfzehn Minuten sah Tarsuinn mit offenem Mund einfach nur zu. Das gesamte Stadion schien zu beben und in seinem Herzschlag zu vibrieren. Ihm war es völlig egal, wer in Führung war und wer nicht. Die allgemeine Erregung war wie ein Rausch, etwas, was er noch nie so stark empfunden hatte – außer vielleicht, als er den Dementor abgewehrt hatte, wobei das kein angenehmes Gefühl gewesen war, wie das hier.
„Wie kommt es, dass sie wie lebende Spieler spielen?", fragte er, fast ohne richtig zu atmen und ohne jemanden wirklich zu fragen. „Wie können sie sich rammen oder wie mit einem echten Besen fliegen?"
„Weil sie an das Spiel glauben", erklärte ihm die Stimme der Grauen Lady dicht neben seinem Ohr. „Und heute können sie dieses Spiel spielen, näher am Leben werden sie ein Jahr lang nicht sein."
„Es ist fabelhaft!", antwortete er und konnte seine Augen nicht losreißen.
„Tarsuinn, könntest du bitte mal herkommen?", bat Toireasa, die etwas von der Wand zurückgetreten war.
„Kann das nicht warten?", fragte Tarsuinn und schaute weiter dem Spiel zu.
„Nein, kann es nicht", entgegnete Toireasa. „Würdet ihr bitte?"
Er kam nicht dazu sich zu fragen, was das zu bedeuten hatte, denn er wurde links und rechts ergriffen, hochgehoben und dann eulenwendend Toireasa zugestellt.
„Danke, dass du dich doch noch entschieden hast, meiner Einladung Folge zu leisten", lachte Toireasa, ergriff seine Hand und führte sie zu einem hölzernen Stab.
„Hier, halt das mal!", sagte sie dabei.
Ringsum lachten die anderen.
„Was ist…?", fragte Tarsuinn verwundert und tastete nach dem Ding in seiner Hand. „Das ist ein Besen."
„Korrekt!", bestätigte das Mädchen. „Und du wirst ihn in fünfzehn Minuten brauchen."
„Wozu?", erkundigte er sich etwas begriffsstutzig.
„Na wozu wohl?", amüsierte sich Merton über seine Verwirrung. „Du sollst hier putzen!"
„Ach, hör nicht auf den Spinner", meinte Winona. „Natürlich wirst du mit uns fliegen."
„Aber Rica hat es mir verboten", stammelte Tarsuinn.
„Als sie dir die Erlaubnis gab ein paar Regeln zu brechen, hat sie nicht nur Schulregeln gemeint", erläuterte Toireasa.
„Genau", ergänzte Winona. „Du hast doch rausgesehen! Die Geister bilden mit ihren Körpern ein Stadion und sogar die Torstangen und die Tore werden von den Hogwartsgeistern extra für dich gebildet, auf das du alles sehen kannst. Heut ist der Tag schlechthin."
„Aber ich bin noch nie allein geflogen", entgegnete er und bekam es jetzt ein wenig mit der Angst zu tun, obwohl er sich auch schon durch die Luft brausen fühlte.
„Du kannst das!", versuchte ihn Toireasa zu beruhigen. „Das ist ein Senior Glider FVOP, ein absoluter Omabesen. Den kann jedes Kleinkind steuern. Um diesen Besen zum Absturz zu bringen, musst du dir wirklich Mühe geben."
„Ich kann doch da nicht einfach rausfliegen!"
„Natürlich kannst du. Wir anderen werden es doch auch tun", kicherte Winona. „Wir sind die Pausenshow mit zwei Auftritten à fünfzehn Minuten."
„Was für eine Show?", fragte Susanne, die genau wie Tarsuinn ahnungslos war, was kommen würde.
„Nun – wir sechs werden eine Showeinlage bieten, die wir einstudiert haben, während Tarsuinn in der ersten Pause einfach etwas durch die Gegend fliegt. Wenn er gut ist und sich einigermaßen sicher fühlt, dann spielt er in der zweiten Pause mit."
„Und ich mach Fotos!", meinte Susanne, anscheinend begeistert von der Vorstellung.
„Aber ohne Blitzlicht!", sagte William mit Nachdruck. „Geister nutzen keine Fotoapparate."
„Werden dann aber die Bilder gut?"
„Ich hab einen Blacklightdarknessnight-Film gekauft", gab Merton sich optimistisch. „Der sollte ausreichen."
„Gut, dann sollten wir uns langsam alle vorbereiten", verlangte Winona „Toireasa erklärt dir alles, Tarsuinn."
Die anderen Kinder verteilten sich im Raum und begannen mit irgendwelchen Vorbereitungen.
„So, Tarsuinn", sagte Toireasa. „Mach jetzt deinen Besen bereit."
Tarsuinn befahl dem Besen mit einem kurzen – Auf – zu schweben.
„Jetzt steig auf und setz dich so, dass es bequem ist."
Wieder befolgte er ihre Anweisung, wobei es ganz einfach war, eine bequeme Position zu finden. Der Kissenzauber war so groß, dass er sich auch hätte hinlegen können.
„Hände zum Steuern bitte nach vorn."
Er ergriff fest den Besenstiel und ließ die Beine wenige Zentimeter über dem Boden schweben.
„Deshalb habt ihr eigentlich mit mir geübt, oder?", fragte er leise das Mädchen.
„Deshalb und um deine Schwester zu überzeugen. Hat uns dreiundzwanzig Briefe gekostet."
In seiner Nase kribbelte es unangenehm.
„Danke", flüsterte er leise und unterdrückte ein unjungenhaftes Schniefen.
„Bleib einfach heile, dann bringt uns Rica auch nicht um. Und wenn du jemandem wirklich danken willst, dank der Grauen Lady, sie hatte die Idee."
Toireasa begann rings um ihn herum an seinem Umhang zu zupfen, bis dieser rundum über den Besen fiel.
„Keine Loopings", ermahnte ihn das Mädchen. „Sonst fliegt unsere Tarnung auf. So und jetzt zu den wichtigen Sachen. Flieg uns nicht im Weg rum. Wir werden immer versuchen in Bodennähe zu fliegen. Bleib einfach über uns und auf der anderen Seite des Spielfeldes. Übe und sei vorsichtig. Sollten die Geister durch einen dummen Zufall dahinter kommen, dass wir nicht tot sind, hat das keine so schlimmen Konsequenzen wie in der Geisterhütte oder bei der Wilden Jagd, aber es wäre unangenehm. Trotzdem wird die Graue Lady sofort zu dir kommen und du wirst ihr hinterher zum Schloss fliegen, wir tun das auch und die Hogwartsgeister werden uns decken."
„Habt ihr deshalb Peeves eingefangen? Damit er uns nicht verrät?", fragte Tarsuinn neugierig.
„Nein", sagte sie kurz angebunden. „Wirst schon noch sehen."
Dann machte sich auch Toireasa neben ihm bereit. Draußen dauerte das Spiel nur noch wenige Minuten und Tarsuinn's Puls raste jetzt schon. Dann fiel ihm etwas Wichtiges ein.
„Ähem – Toireasa?", fragte er unangenehm berührt. „Wie soll ich euch eigentlich sehen?"
„Das ist einfach", sagte sie ungerührt und fragte dann laut. „Wer will mein Flugpartner sein?"
Sofort schwebte Captain Flint herbei.
„Wenn du erlaubst, kleine Lady", brummte der Geist und setzte sich hinter Toireasa.
„Noch Fragen?", kicherte Toireasa. „Herzlichen Dank, Captain."
„Ihr habt wirklich an alles gedacht", lobte Tarsuinn beeindruckt.
Der Geisterpapagei Paulie kam auf Tarsuinn's Umhang geflattert.
„Captain Pauli betritt das Schiff. Crewstärke von FVOP beträgt nun zwei", krächzte der Vogel. „Captain Paulie und ihr Schiffsjunge gehen auf Kaperflug."
„Meuterin!", fauchte Captain Flint.
„Captain Paulie, geht mit Loosern, aber fährt mit Champions", lachte der Papagei geradezu schmutzig. „Genau umgekehrt zu Captain Flint."
„Heh!", beschwerte sich Toireasa.
Tarsuinn lachte zunächst, bis Tikki auch Paulies Crew beitreten wollte.
„Das geht nicht, Tikki", erklärte er. „Ich weiß nicht, wo ich dich verstauen soll. Susanne hat meinen Umhang."
Tikki war nicht sonderlich begeistert.
„Pass doch ein wenig auf Susanne auf."
Das fand noch weniger Tikki's Zustimmung.
Tarsuinn musste lachen.
„Was ist?", erkundigte sich Toireasa neugierig.
„Ach nichts", kicherte er leise. Es mochte schließlich auch Einbildung sein, dass Tikki eben etwas Ähnliches wie – beratungsresistent – von sich gegeben hatte.
„…die letzten Sandkörner laufen. Es steht unentschieden. England mit Hangman im Quaffelbesitz, weicht elegant den Klatschersteinen aus, Pass zu Doxy. Die weicht Sharp elegant aus und… ahh, Volltreffer eines Klatschers von Skullet O'Hara. Wie kann sie nur? Doxy und der Quaffel fallen… in die Arme von Gorrester. Der Glückspilz. Ja! Jetzt wirf. NEEEINNN. Nicht Doxy, den Quaffel! Es gibt doch keine Punkte für Doxy durch den Ring. Gorrester ist offensichtlich verwirrt. Killerbee schnappt sich den Ball und rempelt Gorrester rüde, der in die Zuschauermenge stürzt. Was für eine Dramatik. Zwei englische Jäger außer Gefecht und der irische Angriff rollt. Killerbee zu Sharp zu Eater, wieder zu Sharp. Rolling Pin und Shark versuchen alles, um diese Walze mit den Klatschern zu stoppen, aber Skullet und Hammerhead sind auch nicht schlecht. Aber da ist doch noch unser Grimmly „Gryzzly" Griswold. FOUL! Killerbee und Eater rammen den Torwart im vollen Flug und Sharp wirft den Quaffel durch den linken Ring. Das muss doch der Schiedsrichter gesehen haben! Um Himmelswillen! Er gibt das Tor. Ist der Mann denn wahnsinnig. Die englischen Spieler protestieren, aber Yondle schaltet anscheinend auf stur. Möge sich ein Fluch seiner annehmen…ach Mist, der ist ja schon tot!"
„So würde es wahrscheinlich auch klingen, wenn McGonagall nicht immer auf Lee Jordan aufpassen würde", lachte Merton.
„Nur bei Gryffindor gegen Slytherin", schränkte William etwas verkniffen ein.
„Bin mal gespannt, was er bei uns sagt", sagte Ginny.
„Ruhig jetzt", befahl Winona angespannt. „Wir sind gleich dran."
„…so sei es denn. Irland gewinnt die Auseinandersetzung für das erste Quidditch-Zeitalter. Nicht unverdient, aber der letzte Punkt war nicht den Regeln entsprechend. Wie konnten sie nur Doxy so… ja, ja, ich mach weiter. Begrüßen Sie nun, werte Geisterschaft, eine besondere Attraktion. Die Gehilfen des Todes."
„Der Name musste leider sein", erklärte Toireasa flüsternd.
Dann wurde die Doppeltür zum Stadion geöffnet und einer nach dem anderen flog heraus. Tarsuinn konnte nur das Starten hören und sah die Gespenster, die die anderen begleiteten. Beim Reden hatte er bemerkt, dass William vom Blutigen Baron begleitet wurde, Winona hatte Palinko und Merton war mit Scottchie geschlagen. Toireasa flog mit Captain Flint, er mit Paulie und Ginny mit dem Gryffindor-Hausgeist. Das bedeutete, dass der Fette Mönch bei Luna sitzen musste.
Vorsichtshalber wartete Tarsuinn bis alle ein Stück weg waren und startete erst dann durch. So allein zu fliegen war etwas ganz anderes, als mit Winona oder gar Toireasa. Es fehlte die völlige Sicherheit, die die Mädchen hatten. Sein Besen schien zu zittern und schlingerte von einer Seite zur anderen. Dazu kamen auch noch zwei andere nicht gerade hilfreiche Faktoren. Zum einen hatte er zum ersten Mal in seinem Leben ein Gefühl für Höhe und das kribbelte furchtbar in seinen Bauch, und zum anderen war es totenstill im Stadion – alle Geister blickten auf sie. Manche schienen kurz davor zu sein wegzufliegen. Man schien wirklich Angst vor den Todesschatten zu haben, was wahrscheinlich auch die Absicht gewesen war. Es sorgte dafür, dass man ihnen nicht zu nahe kam.
Unter ihm stellten sich die anderen zu zwei Teams auf. Winona, Ginny und William auf der einen Seite und Toireasa mit Luna und Merton auf der anderen.
„Ja, da bleibt Ihnen der Jubel im Halse stecken, werte Zuschauer", rief der Sprecher und klang selbst nicht sonderlich mutig. „Aber die Schatten sind heut nur uns zu Ehren hier und sie haben ein Geschenk mitgebracht."
Da wo Winona sitzen musste, also kurz vor dem schwebenden Palinko, erschien plötzlich eine zusammengeknautschte Gestalt.
„Heißen Sie mit mir willkommen, denjenigen, der die letzten zwei Turniere so extrem gestört und sich dann in Hogwarts versteckt hat. Sie alle kennen ihn! Sie alle hassen ihn! Herzlich willkommen, Peeves! Unser Spielball."
Die Hölle brach los. Vor Schreck wäre Tarsuinn beinahe vom Besen gerutscht. Jubelnde Geister schienen kurz davor das Spielfeld zu stürmen, geisterhafte Luftschlangen und Raketen flogen durch die Gegend und explodierten krachend. Als dann auch noch der Geist eines Drachen mit Tarsuinn kuscheln wollte, flog er noch ein Stück höher.
Mitten in diesem ganzen Gewirr, begannen unvermittelt die andern mit einer Art Quidditch. Wobei Quidditch wohl etwas falsch war, denn es gab kein Schnatz und auch keine Klatscher. Es spielten einfach nur drei Jäger gegen drei Jäger, die gleichzeitig auch noch Torwart waren. Dabei rempelten sich die Spieler niemals und versuchten sich auch nicht den Peeves-Ball aus den Armen zu schlagen. Stattdessen spielten sich die Teams den Ball ständig zu, während die Anderen versuchten diesen abzufangen. So sehr Tarsuinn ihnen dieses Vergnügen auch neidete, so war er doch Realist genug, um zu erkennen, um wie viel gewandter die anderen auf ihren Besen waren.
Das erinnerte ihn daran, dass er ja selbst fliegen wollte, statt nur zuzusehen. So flog er über das Stadion, versuchte innerhalb von zehn Minuten ein ganzes Jahr nachzuholen und keine Höhenangst zu entwickeln.
Als er dann landen musste – ein ziemlich vertracktes Manöver – um Platz zu machen für das zweite Spiel der Geister, tat er das mit Bedauern.
Die Tür schloss sich hinter ihm. Er sprang von seinem Besen und grinste derart, dass seine Ohren klebrig geworden wären, hätte er Schokolade dabei gehabt. Tarsuinn wollte etwas sagen, aber es fehlten ihm einfach die Worte, um das auszudrücken.
„Na – wie fühlt es sich an?", fragte Merton und die anderen umringten Tarsuinn.
„Los, sag schon."
„Ist doch toll, oder?"
„Schaut doch nur, wie er grinst."
„Ich hoffe, es macht euch auch ein wenig Spaß", sagte Tarsuinn.
„Machst du Witze?", lachte Winona. „Wir sind völlig gelangweilt! Ist doch nur ein Ereignis zu dem Lebende keine Einladung bekommen, das es nur alle hundert Jahre gibt und man kann bloß ein paar der größten Spieler ihrer Zeit bewundern. Nein, nein. Wir machen das hier nur alle wegen dir und wären viel lieber in unseren Betten."
„Genau!", pflichtete Merton bei. „Es bereitet mir überhaupt keinen Spaß, Miss Torwart-Perfekt vor mehreren tausend Geistern auszutricksen."
„Ich hab's auch gehasst, vor so vielen Leuten zu spielen", ergänzte Toireasa amüsiert und ignorierte Mertons Kommentar völlig. „Wer hat eigentlich gewonnen?"
„Keine Ahnung", sagte Ginny. „Mindestens zweimal ist vor meiner Nase eine von diesen Pseudoraketen hochgegangen und ich hab nicht gesehen, ob es ein Tor war oder nicht."
„Ich hatte auch manchmal das Gefühl, die würden extra auf uns zielen", erzählte William.
„Oder auf Peeves!", lachte Susanne. „Ihr habt das nicht hören können, aber es gab Wetten, wer ihn trifft."
„Ein Glück, dass uns das nicht verletzen kann", meinte Ginny. „Aber unangenehm fühlt sich das trotzdem an."
„Das ist gar nichts", wehrte Merton ab. „Ich bin beinahe in die Südtribüne geknallt und das war wie nen Flug durch die Arktis."
„Ganz cool, aber hast du gesehen…"
Und so ging es die ganze Zeit weiter. Jeder – bis auf Luna – schien unbedingt etwas erzählen zu wollen. Tarsuinn hörte lächelnd zu und schaute aber auch wieder nach draußen, wo das zweite Spiel inzwischen begonnen hatte. Diesmal sogar mit einem Schnatz. Dabei sah dieses runde Ding gar nicht so aus, wie der Schnatz, den Toireasa ihm mal in die Hand gegeben hatte, sondern eher wie ein toter Vogel.
Nach einer Weile gesellten sich Toireasa und Winona zu ihm.
„Und? Hast du Lust mitzuspielen?", fragte Toireasa.
Er schüttelte enttäuscht den Kopf.
„Ich bezweifle, dass ich gut genug bin und außerdem ist sieben einer zu viel."
„Nicht für das, was wir planen. Du könntest Torwart spielen und es wäre relativ egal, ob du gut bist oder nicht."
„Wie stellt ihr euch das vor?"
„Das ist einfach", erklärte Toireasa. „Wir spielen diesmal alle auf die drei Ringe auf einer Seite und du versuchst alles zu halten, was auf dich zukommt."
„Ihr denkt, das kann ich?", zweifelte er.
„Solange du dich mit einer Hand immer festhältst, kann eigentlich nichts schief gehen und seien wir ehrlich, du wirst eher aus Zufall mal einen Peeves fangen, als durch Absicht. Im Gegensatz zu dir, haben wir ein wenig trainieren können."
Tarsuinn rang einige Sekunden mit dem, was er wollte und dem, was vernünftig war.
„Ich will mitspielen", gewann das Kind in ihm.
„Klasse!", freute sich Winona auf der anderen Seite und rief laut zu den anderen, die immer noch am Diskutieren waren. „Heh, wir spielen dann Variante zwei."
„Cool!", entgegnete Merton begeistert. „Das wird voll das Chaos."
Und dann quasselten sie weiter.
„Warum das Chaos?", fragte Tarsuinn misstrauisch.
„Wirst du schon sehen", versprach Winona ominös. „War Mertons Idee und die sind immer ziemlich abartig. Konzentrier dich einfach auf den Ball und wir passen schon auf dich auf. Keine Sorge."
Danach schauten sie noch einige Zeit dem Spiel zu. Ständig konnte er von Toireasa bewundernde Ah's und Oh's über gewisse Spielzüge hören, während er und Winona einfach nur mit der Dynamik des Spieles und der Zuschauer mitgingen.
Und dann war plötzlich das zweite Spiel beendet. Der englische Sucher-Geist hatte außerhalb von Tarsuinn's Aufmerksamkeit den Schnatz gefangen, landete jetzt inmitten der Zuschauergeister und nur seine Hand mit dem Schnatz ragte aus der begeisterten Menge.
„Bereitmachen!", rief Winona den anderen zu und sie schwangen sich auf ihre Besen. „Tarsuinn, flieg zu den Toren auf der rechten Seite."
Toireasa zupfte wieder seinen Umhang zurecht und dann stiegen sie erneut hinauf. Tarsuinn zu den von den Hogwartsgeistern gebildeten Toren und die anderen zur Spielfeldmitte.
Diesmal war es von Anfang an nicht still im weiten Rund.
„Und wieder unsere Pausengäste. Diesmal mit einer kleinen Besonderheit und wer am Ende sagen kann, welches Team gewonnen hat, bekommt eine Amphore des ältesten Weines. So alt, dass man seinen Geschmack richtig schmecken kann. Na dann – fröhliches Zählen."
Im gleichen Moment flog der Peeves-Ball senkrecht nach oben und die Geistergestalten, die seine Freunde begleiteten, flogen kreuz und quer. Tarsuinn versuchte sich auf den Ball zu konzentrieren, der mal vor dem einen Geist schwebte, mal vor dem anderen. Dabei fiel ihm erst auf, wie sehr die Beifahrer in dem Spiel mitgingen. Scottchie schien permanent mit einer hochkommenden Übelkeit zu kämpfen, während sein Gegenpart Palinko mit lautem Jaulen am Schweif des Besens hintergeschleift wurde.
„Pirat Backbord voraus", krächzte Paulie und Tarsuinn riss seinen Blick vom Fetten Mönch los, der gerade im Vorbeiflug einen Becher Wein in Sir Nicholas Hals kippte.
„Luv an wat geht. Volle Deckung", krächzte Paulie, doch zu spät. Bevor Tarsuinn reagieren konnte, war Peeves schon ins linke Tor gesegelt und der Sprecher amüsierte sich über den verschlafenen Torwart.
Es blieb ihm aber keine Zeit, sich über sich selbst zu ärgern. Der Peeves-Ball sauste innerhalb von Sekunden wieder zur Mitte und dann erneut auf seine Torringe zu.
Eine ganze Weile lang sah er nur den Ball an sich vorbeifliegen, bis er irgendwann begann, Paulies Befehlen zu vertrauen. Sagte sie Backbord, flog er zum linken Torring, bei Steuerbord nach rechts und bei Mitschiffs deckte er den mittleren Torring. Dreimal gelang es ihm so, mit den Fingerspitzen den Peeves-Ball so abzulenken, dass er am Tor vorbei flog.
„Feindangriff Mitschiffs. Volle Breitseite.", krächzte Paulie und der Ball kam direkt und langsam auf Tarsuinn zugeflogen. Er griff mit beiden Händen aus und vollkommen daneben. Der harte Ball knallte gegen seinen Kopf und warf ihn beinahe vom Besen. Nur ein schneller Griff und der riesige Kissenzauber retteten ihn vor dem Absturz.
In seinem Schädel brummte es und sein Ohrenschützer war halb weggerutscht.
Er brauchte einen Moment, um sich zu sortieren.
„Alles okay?", flüsterte Toireasa's leise Stimme neben ihm. Sie war zu ihm geschwebt und ihre Beine berührten sich und ihre Hand hielt seinen Umhang fest.
„Gleich wieder!", antwortete er ebenso leise.
„Ehrlich?"
„Ja."
Mit großer Willensanstrengung schüttelte er das leichte Schwanken seiner Wahrnehmung ab und versuchte seinen Blick auf etwas Festes zu fixieren. Er fand es in einer Lücke auf einer der Tribünen. Tarsuinn wollte gerade wieder seine Augen auf den Ball richten, als dieser Widerspruch ihn irritierte.
„Toireasa", flüsterte er. „Siehst du die Lücke auf der Tribüne links von uns."
„Du meinst die Gryffindor-Tribüne?"
„Ja."
„Aber da ist keine Lücke."
„Doch, genau in der zweiten Reihe hinter dem Ansager."
„Da ist ein Geist, aber keine Lü… ach du verfluchte…!"
„Was?"
„Egal. Kannst du weiterspielen?"
„Ich denke schon."
„Dann weiter."
Glücklicherweise war wenige Spielzüge später dann Schluss. Er hatte noch zwei gute Paraden gehabt, wobei er jedoch niemals wieder beide Hände vom Besen entfernte. Am Ende flogen sie noch eine – extrem kalte – Ehrenrunde und landeten wieder. Erneut warteten sie alle, bis die Türen geschlossen waren, dann wandte Tarsuinn sich an Ginny.
„Deinen Wurf hab ich locker gefangen", sagte er triumphierend und ließ dabei die vier Tore von Ginny mal außer Acht.
„Das bezweifle ich", erwiderte unerwarteterweise William, was Tarsuinn völlig verwirrte. Der Fastkopflose Nick saß doch hinter dem Jungen auf dem Besen.
Alle lachten gutmütig.
„Das war der Witz des Spieles!", lachte Merton. „Die Geister haben immer bestimmt, mit wem wir im Team spielten und sie haben während des Spiels ständig die Besen gewechselt."
„Wenn man mal von Scottchie absieht", kicherte Toireasa, hinter der jetzt das Hausgespenst der Hufflepuffs saß. „War absolut spaßig, Merton. Wirklich! Ich wünschte, es gäbe noch eine dritte Pause."
„Wir sind dicht an einer Katastrophe vorbeigeschrammt", sagte Luna und klang erstaunlich beteiligt dabei. „Aber es war trotzdem der Hammer."
Für einen Moment herrschte Ruhe, dann brach wieder Gelächter los.
„Willkommen unter den Lebenden, Luna", lachte Merton und wenn Tarsuinn das Rascheln der Kleidung einigermaßen richtig interpretierte, dann hob Merton gerade das Mädchen herzlich hoch und schwenkte es überschwänglich im Kreis.
„…und der Preis für den richtigen Tipp geht an Wina Wildrose. Wina, kommen Sie nach oben und fliegen Sie ein paar Mal durch ihren Preis. So – und da das jetzt geklärt ist, kommen wir zum dritten und letzten Spiel, nach den modernen Regeln der Neuzeit. Zugelassen sind nur Teilnehmer des Todesjahrgangs nach 1884 bis heute."
„Wir müssen gehen!", sagte Winona laut. „Sammelt alles ein und dann los."
„Warum?", entfuhr es Tarsuinn enttäuscht. Er wollte gern noch mehr sehen.
„Wir müssen vor dem Ende hier weg, bevor alle Geister durch die Gegend schwirren", erklärte Winona ungeduldig. „Und so ein Quidditchspiel kann verdammt schnell vorbei sein. Los, los!"
Keiner von den anderen murrte, sondern alle befolgten die Anweisungen des Mädchens. Sie hatten es aber wahrscheinlich schon vorher gewusst.
Während Winona auf alle aufpasste und dafür sorgte, dass nichts vergessen wurde, half Toireasa Tarsuinn. Tikki sprang in seine Arme.
„Ich hätte nie gedacht, dass du den Ball nicht fängst", sagte Toireasa dabei leise zu ihm. „Ich hab dich schon blind Bälle fangen sehen!"
„Ich schätze, das war auch das Problem", entgegnete er. „Zu sehen hat mich verwirrt."
„Schwatzt nicht!", erklang Winonas Stimme vom Ausgang her. „Wir müssen los! Denkt an unsere Rolle. Nicht stehen bleiben, schwebend gehen und auch nicht umdrehen."
Sie gingen mit der Grauen Lady zurück zum Schloss. An der Mauer sahen und hörten sie sich aufmerksam um und erst dann sagten sie die Worte, die ihnen die Graue Lady zuflüsterte: Was für ein Tag!
