- Kapitel 11 -

Ungehöriges Benehmen

Tarsuinn und Toireasa hatten zwei Tage frei bekommen. Wenn es nach Madame Pomfrey gegangen wäre, dann hätte zumindest seine Auszeit noch bis zum Ende der Woche gedauert. Aber er hatte sich dagegen gewehrt. Ob er nun mit einer Augenbinde herum lief oder damit im Unterricht saß, war doch nun völlig egal. Seine Augen taten zwar immer noch furchtbar weh, aber im Unterricht war er wenigstens davon abgelenkt. Und Ablenkung war genau das, was er jetzt brauchte. Im Grunde genommen aber schauspielerte er für alle.

Was er wollte war, sich irgendwo für einige Tage in eine Ecke zu setzen und alle seine Erinnerungen auszutilgen. Doch stattdessen verbrachte er seine Zeit mit seinen Freunden und tat so, als wäre nichts geschehen.

Er wollte heim zu Rica – doch er schrieb ihr in einem Brief, dass es ihm gut ginge.

Er wollte jammern – aber er lächelte Madame Pomfrey an.

Er wollte seiner Angst freien Lauf lassen – nur fürchtete er die Konsequenzen.

Das Wichtigste aber war, er wollte, dass Professor Dumbledore ihn ausschimpfte, ihn bestrafte oder irgendetwas in der Art. Tarsuinn hatte sein Versprechen gebrochen, wichtige Informationen unterschlagen und nicht einmal versucht dem jungen Mann zu helfen.

Es war so furchtbar gewesen. Seine Augen waren geschlossenen gewesen und trotzdem hatte er genau gesehen, wie die Dementoren grüne und gelbe Farbtöne des Glücks eingesogen und die Seele aus dem Körper gerissen hatten. Er hatte die Qualen gehört, die diese Seele empfand und die kalte Befriedigung der Dementoren gefühlt.

Professor Snape mochte eine kaltschnäuzige Gattung Mensch sein, aber wenigstens war da ab und an ein Funken Wärme in seiner Stimme. Die Dementoren jedoch, waren bar jeder positiver Gefühle. Tarsuinn hatte sie in der Nacht gespürt und spürte sie jetzt noch schlimmer, als je zuvor. Das Leben eines Dementors schien beherrscht von Hunger, unstillbarer Leere und einer Art Neid zu sein. Und immer wenn er jetzt an einem Fenster stand, konnte er mindestens die Aufmerksamkeit eines Dementors spüren. Er wich dem nicht aus. Im Gegenteil, manchmal stellte er sich an ein Fenster, so wie jetzt, und sprach zu dem Dementor.

„Ich weiß, was ihr getan habt", flüsterte er dem Dementor zu, der ihn nicht mal hören konnte, wenn er geschrieen hätte. „Ihr werdet das bereuen."

Tikki, auf seiner Schulter, versuchte ihn zu trösten und rieb ihren Kopf an seinem Ohr. Fast automatisch hob er die Hand und kraulte sie. Ihre Warnungen waren eindringlich, seit Tagen schon, denn sie hatte Angst. Und wenn Tikki vor etwas Angst hatte, dann war es auch zum Fürchten.

„Ich beschütze dich", versprach er ihr leise.

Sie war darüber nicht sonderlich froh und schnurrte.

„Es gefällt dir nicht, dass es mal anders herum ist", lächelte er müde. „Geht mir genauso."

Jemand kam zu ihm und stellte sich neben ihn ans Fenster.

„Wir sollen zu Professor Dumbledore kommen", sagte Toireasa.

„Mmh!", brummte er, rührte sich aber nicht.

Auch Toireasa machte keine Anstalten, der Weisung des Direktors sofort Folge zu leisten.

„Hat Winona sich wieder etwas beruhigt?", fragte das Mädchen.

Er schüttelte den Kopf.

„Sie ist immer noch sauer, dass wir sie nicht mitgenommen haben", sagte er mit einem freudlosen Lächeln. Es war schon erschreckend, wie mies drauf seine Freundin war. Nicht weil sie Mist gebaut hatten, sondern weil sie nicht mit dabei gewesen war.

„Wird schon wieder!", meinte Toireasa.

Wieder nickte er. Winona ging schnell in die Luft, beruhigte sich aber meist wieder recht schnell.

„Leihst du mir Keyx?", fragte er nach einer Weile.

„Natürlich", entgegnete sie, ohne überrascht zu klingen. „Siehst du den Dementor da?"

„Irgendwie", entgegnete er.

Tarsuinn riss sich von dem dunklen Wesen los.

„Lass uns gehen", sagte er. „Weiß du, was der Direktor von uns will?"

„Die Hinrichtung durchführen?", vermutete Toireasa zynisch und ging neben ihm her. Ihre Hand streifte ein paar Mal die seine. Er wusste nicht, ob dies Absicht war oder nicht, aber aus einem Impuls heraus, fing er ihre Finger. Es gab nur wenige Menschen, deren Berührung er nicht als unangenehm empfand. Toireasa zählte inzwischen dazu.

Unterwegs verabschiedete sich Tikki plötzlich von ihnen.

„Wohin will sie?", fragte Toireasa.

„Sie hat was gehört und will nachsehen", erklärte Tarsuinn. „Keine Ahnung, um was es geht."

Sie erreichten den Aufgang zu Professor Dumbledores Büro.

„Es ist offen", stellte Toireasa ohne Begeisterung fest.

„Wir werden schließlich erwartet", meinte Tarsuinn und schaffte es einfach nicht, aufmunternd zu lächeln. Zum Ausgleich dafür, ging er als erster die Treppe hinauf. Irgendwie gefiel es ihm, mal jemanden zu führen oder besser gesagt – hinter sich herzuziehen.

Schon auf halbem Weg hörte er jemanden sprechen.

„Wo nehmen Sie nur Ihre Geduld her, Albus", sagte eine unbekannte männliche Stimme.

„Hogwarts ist groß, Cornelius", erwiderte die Stimme Professor Dumbledores.

„Ich verstehe nicht, warum Sie darauf bestehen?", fuhr der andere Mann fort. „Sie haben mir doch schon alles mitgeteilt."

„Solche Dinge sollte man aus erster Hand erfahren, Cornelius."

„Ich weiß nicht was das bringen soll, Albus!"

Tarsuinn klopfte an die Tür und wartete geduldig auf das Herein, welches nur Augenblicke auf sich warten ließ. Er öffnete die Tür und trat mit Toireasa ein. Inzwischen kannte er das Büro des Direktors so gut, dass er nicht mal eine Hand vor strecken musste, um ohne Unfälle auf den Professor zuzugehen.

„Da sind sie ja", sagte der Mann, den der Professor Cornelius genannt hatte, fast übertrieben freundlich. Tarsuinn verkniff es sich, das Gesicht zu verziehen und auch jeden Kommentar.

„Cornelius, dies sind Toireasa Keary und Tarsuinn McNamara und sie haben einiges zu erzählen. Toireasa. Tarsuinn. Darf ich euch Zaubereiminister Cornelius Fudge vorstellen?"

Es war eines, kein unfreundliches Gesicht zu machen, aber eine freundliche Begrüßung? Schließlich war das der Mann, der Hagrid unschuldig nach Askaban verfrachtet hatte. Das wusste Tarsuinn, das wusste Toireasa, zumindest vermittelten ihm das ihre verkrampften Finger.

„Ihr müsst nicht so schüchtern sein", überbrückte Professor Dumbledore die Stille. „Ihr seid nicht hier um bestraft zu werden. Minister Fudge möchte einfach nur von euch erfahren, was nach Halloween geschehen ist."

„Oh, bitte entschuldigen Sie, Minister", sagte Toireasa. „Ich meine, man trifft nicht jeden Tag den Zaubereiminister und – naja."

Auch wenn sie sich wirklich Mühe gab höflich zu sein, Tarsuinn konnte die Falschheit in ihrer Stimme hören. Er beschloss, ihrem Vorbild zu folgen. Wenn man schon nicht den Minister verärgern durfte, so konnte man wenigstens daraus Befriedigung ziehen, ihn hinters Licht zu führen.

„Erfreut Sie kennen zu lernen", murmelte er und tat eingeschüchtert.

„Kein Grund sich zu verstecken", erklärte der Minister jovial. „Professor Dumbledore erzählte mir, ihr hättet etwas Interessantes zu erzählen?"

Wieder musste sich Tarsuinn beherrschen, nicht das Gesicht zu verziehen. Vorhin hatte das bei Fudge ganz anders geklungen.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr euch setzen", forderte Professor Dumbledore sie auf und da stehen zu bleiben, meist als unhöflich angesehen wurde, setzten sie sich.

„Willst du?", fragte Toireasa leise.

„Ja!", entgegnete er, denn er wollte dem Zaubereiminister nicht alles erzählen. Wenn Professor Dumbledore etwas für erwähnenswert hielt, dann würde er das schon ergänzen.

Also ließ er weg, wie ihn das Einhorn gerufen hatte. Er erwähnte einfach nur, dass er draußen gewesen war und im Wald etwas gehört hatte. Natürlich hatte er sich auch sehr gewundert, dass die Dementoren den Wald nicht bewachten. Doch danach erzählte er erneut sehr genau, was geschehen war und was er gehört hatte.

Niemand unterbrach ihn und so endete er in dem Moment, als Professor Snape sie eingelassen hatte.

„Das war wirklich sehr informativ", lobte der Zaubereiminister nach einigen Sekunden der Stille. „Es bestätigt, was wir vermuteten. Ihr könnt wieder gehen."

Ein wenig verblüfft blieb Tarsuinn sitzen. Es kam ihm sehr ungehörig vor, dass der Minister sie aus dem Raum schickte und nicht der Direktor. Auf der anderen Seite, war dies der Anführer der Zauberergemeinschaft und das schien einiges zu bedeuten.

„Wartet bitte noch vor der Tür!", erklärte Professor Dumbledore. „Ich möchte euch nachher noch einmal sprechen."

Toireasa zog ihn sanft vom Stuhl und gemeinsam setzten sie sich in den Vorraum. Tarsuinn's spitzte die Ohren und gab alles an das Mädchen weiter, was er hörte.

Heimlich vermutete er, Dumbledore wollte, dass er zuhörte, denn dem Professor standen sicherlich Wege und Mittel zur Verfügung, um seine Ohren draußen zu halten. Dass er sie nicht nutzte, war doch wohl nur als Zeichen zu verstehen.

„Also für mich ist das eindeutig", erklärte der Minister. „Die Kinder waren ja völlig verängstigt."

„Verängstigt würde ich nicht sagen, Cornelius", widersprach der Professor. „Ich glaube ihnen, was sie gesehen haben."

„Was genau war, was sie sehen sollten, Albus", meinte der Minister überzeugt. „Es kann nur Black gewesen sein. Er hat sie getäuscht und beeinflusst, damit sie uns dazu bringen, die Dementoren vom Schloss abzuziehen, so dass er sich an Potter rächen kann."

„Nun – die Dementoren scheinen kein Hindernis für ihn gewesen zu sein", gab der Professor zu bedenken.

„Trotzdem", beharrte Fudge. „Ihre Geschichte ist doch angefüllt von Unstimmigkeiten, die Sie sicher auch erkannt haben. Zwei Kinder, die von den Dementoren nicht bemerkt werden. Ein alter Mann, dem anscheinend die Nähe zu den Dementoren nichts ausmacht. Ein Geist, der Geschäfte mit Dementoren tätigt. Außerdem würden die Dementoren niemals ihren Teil des Abkommens brechen. Ich weiß, ich weiß – Sie sehen das anders, Albus. Aber es gibt keinen Hinweis auf ein Fehlverhalten. Ich muss Ihre Bitte ablehnen, die Dementoren zurück nach Askaban zu schicken."

„Dies ist ein großer Fehler, Cornelius. Ich muss an die Sicherheit aller Schüler denken und hungrige Dementoren stellen im Moment vielleicht keine körperliche Gefahr dar, aber ihre Seele kann Schaden nehmen."

„Nur die Dementoren sind in der Lage, Sirius Black zu fangen."

„Wir haben vor zehn Jahren Todesser und auch Black gefangen, ohne die Hilfe dieser Wesen. Wir können dies noch heute und auf die richtige Weise! Uns auf die Dementoren zu verlassen, ist ein großer Fehler!"

„Es gibt viele, welche wie ich die Sicherheit schätzen, die sie uns bieten. Unser Gefängnis ist sicherer, als jemals zuvor und unsere Kinder können im Frieden aufwachsen. Auch Sie müssen doch sehen, dass wir das zu einem gewissen Teil den Dementoren zu verdanken haben."

„Es ist ein falscher Frieden, Cornelius", sagte der Professor eindringlich. „Als würde man einen Skorpion unter seiner Bettdecke schlafen lassen."

„Ein unpassendes Gleichnis, Albus", widersprach der Minister. „Die Dementoren sind eher wie Kampfhunde…"

„…die sich nur dem Leittier unterordnen", argumentierte der Professor.

„Das führt zu nichts, Albus", brach Fudge die Diskussion ab. „Wir hatten diese Diskussion schon mehrfach. Und sie hat nie zu etwas geführt. Ich bin überzeugt – und nicht nur ich – dass die Kinder von Black getäuscht wurden. Er ist der einzige, der davon profitiert."

„Sie sollten die Aussage der Kinder nicht so einfach als Täuschung abtun, Cornelius. Selten gibt es Zeugen, die eine so genaue Beschreibung geben können."

„Seien wir ehrlich, Albus. Zumindest der Junge ist ein schlechter Augenzeuge. Nicht nur weil er blind ist. Ich hab mich informiert. Er wird fast jedes Wochenende von einem Heiler besucht, leidet unter Alpträumen, ist feindselig, ist ein Chaoszauberer und ein so genannter Provokationstest steht bei ihm an. Ich kann mir vorstellen, er ist auch sehr interessiert daran, die Dementoren weit weg zu schicken. Und das Mädchen, so höflich sie auch ist, hat Probleme in ihrer Familie, die sie sicher mitnehmen. Der Schulrat und Der Tagesprophet würde Sie und mich an den Pranger stellen, wenn wir die Dementoren abziehen würden, bevor sie Black fangen konnten. Und ich bin mir sicher, Rita Kimmkorn würde sich die Chance nicht entgehen lassen, um über die Hintergründe der beiden zu berichten. Und das will ich – und Sie sicher auch – nicht."

„Dies würde ich wirklich gern vermeiden", stimmte Professor Dumbledore zum ersten Mal zu.

„Kann ich mir vorstellen, schließlich war es nicht einfach…"

Plötzlich war die Stimme des Ministers nicht mehr zu hören.

„Was ist?", fragte Toireasa, weil er aufgehört alles wiederzugeben, was er hörte.

„Akustische Leere", erklärte Tarsuinn und deutete auf seine Ohren. „Ich schätze, der Professor ist der Ansicht, dass uns der Rest nix angeht."

„Hast du ne Ahnung, warum er uns das überhaupt hat hören lassen?"

„Vielleicht wollte er, dass wir ein Gefühl für den Mist bekommen, in dem wir stecken?", vermutete Tarsuinn. „Oder dass wir tiefer drin stecken, als gedacht."

„Also ich hab nur bestätigt bekommen, dass Fudge ein rückgratloser Armleuchter ist", flüsterte Toireasa feindselig. „Ich kann nicht verstehen, warum er nicht auf den Professor hört."

„Weil er auch Recht haben könnte", gab Tarsuinn unwillig zu. „Black könnte uns getäuscht haben."

„Und dein Gefühl für das Einhorn? Könnte er das auch erzeugen?"

Das gab ihm einen ziemlich heftigen Stich und er drehte sich weg von ihr.

„Es tut mir leid", sagte sie und griff nach seinen Händen. „War keine Absicht."

„Nicht weiter wild", sagte er und schluckte den Kloß im Hals hinunter.

„Lüg nicht", sagte sie schniefend. „Zumindest nicht bei mir."

Was erwartete sie von ihm? Sollte er ihr erzählen, dass er die Hälfte seiner Schulsachen auf die althergebrachte Art und Weise zerlegt hatte und die andere bei einem kleinen magischen Wutausbruch? Er hatte sogar versucht, eine der Wände einzureißen. Das hatte zwar nicht geklappt und am nächsten Tag waren seine Sachen von irgendjemandem repariert worden, aber er hatte sich kaum besser gefühlt. Den Großteil seiner Zeit verbrachte er damit, in sich hineinzufühlen, ob er mehr als nur die Dementoren draußen spürte. Dunkelheit schien sein Inneres auszufüllen.

„Du bist nicht allein", flüsterte das Mädchen und dann spürte er plötzlich ihre Lippen auf seiner Wange.

Es war nur ein flüchtiger Kuss, doch das Kribbeln auf seiner Haut schien eine Ewigkeit zu bleiben. Auch als nach einer Schocksekunde das Blut in seinen Kopf schoss.

Und wenn er schon vorher nicht gewusst hatte, was er ihr sagen sollte, so hatte sie ihn eben all seiner Worte und des größten Teils seiner Gedanken beraubt. Es hatte sich in dem Moment so gut angefühlt, genau wie bei Rica, doch dann war es auch vollkommen anders. Nur wie anders, das verstand er noch nicht.

Vorsichtig hob er die Hand, um ihr Gesicht mit den Fingern zu…

„Ich wünschen Ihnen noch einen schönen Tag, Albus", sagte Zaubereiminister Fudge, der gerade die Tür öffnete. „Und Mr Filch alle möglichen geheimen Gänge aus dem Schloss versiegeln zu lassen, ist eine sehr gute Idee. Wir bleiben in Kontakt!"

Tarsuinn, der plötzlich das Gefühl hatte bei etwas Verbotenem erwischt worden zu sein, ließ seine Hand sinken und versuchte möglichst unbeteiligt auszusehen.

„Meine Tür steht immer für Sie und ihren Eulen offen, Cornelius", erwiderte die Stimme Dumbledores aus dem Büro heraus.

„Auch euch beiden einen schönen Tag", verabschiedete sich Fudge dann sogar von Toireasa und Tarsuinn freundlich. „Ihr habt uns wirklich sehr weitergeholfen, wobei ich euch doch bitten würde, sämtliche Ausflüge in der nächsten Zeit sein zu lassen. Black ist ein gefährlicher Verbrecher, der keine Skrupel kennt."

„Danke, Minister", entgegnete Toireasa leicht verlegen klingend. „Wir werden uns in Acht nehmen. Nicht wahr, Tarsuinn?"

„Sicher", sagte er und riss sich zusammen. „Es war interessant Sie kennen zu lernen, Minister."

„Und immer schön lernen!", ermahnte sie der Minister. Dann ging er.

„Na endlich!", konnte Tarsuinn es sich nicht mehr verkneifen.

Er war sich durchaus bewusst, dass er Fudge eigentlich als ganz nett empfunden hätte, wenn er ihm einfach so begegnet wäre. Nur Professor Dumbledore und seine Ohren gönnten ihm diese tröstliche Illusion nicht.

„Wollt ihr noch auf eine Tasse heiße Schokolade hereinkommen?", fragte der Professor, der an die Tür getreten war.

Von wollen konnte eigentlich keine Rede sein. Tarsuinn hatte kein Vergnügen daran, von Dumbledore an seinen Wortbruch erinnert zu werden. Leider konnte man eine Einladung des Direktors von Hogwarts nicht ablehnen.

Also folgte er, mit Toireasa und einem flauen Gefühl im Magen, der Aufforderung. Der Professor bat sie diesmal nicht an seinen Schreibtisch, sondern an einen kleinen Tisch im hinteren Teil des Raumes. Der süße Geruch nach heißer Schokolade entspannte Tarsuinn ein wenig. Zumindest ließ sich das hier nicht wie eine Strafpredigt an.

Es gab auch wirklich gute Kekse, wobei Tarsuinn sich fragte, was Brausepulver auf Spekulatius zu suchen hatte.

Während Tarsuinn und Toireasa ziemlich verlegen herumsaßen, fragte sie Professor Dumbledore die üblichen Sachen, die man Kinder so fragte. Wie es ihnen so geht? Ob sie mit der Schule zu recht kamen? Was sie so in ihrer Freizeit machten?

Sie gaben dem Professor die üblichen Antworten, die man Erwachsenen darauf gab. Ganz gut. Es ist schwer, aber man schafft es schon. Mal dies, mal das.

Einfach war es nicht mit einem Mann wie Professor Dumbledore ungezwungen zu reden. Tarsuinn fragte sich die ganze Zeit, ob der Professor es nicht traurig fand, dass seine Präsenz und sein Ruf die meisten Menschen einschüchterten. Aber er schaffte es selbst nicht, sich ungezwungen zu geben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Unangenehmes zur Sprache kam und alles andere hätte Tarsuinn auch überrascht. Der Witz war, ihm schmeckten die heiße Schokolade und die Kekse so gut, dass er keinen Anlass sah, den Ablauf zu beschleunigen. Schließlich sollte es immer der Ältere sein, der ein ernstes Gespräch begann.

Eine klasse Ausrede, um sich nicht um Kopf und Kragen zu reden, wie Tarsuinn fand. So konnte man immer abwarten und erfuhr, was der Lehrer von einem wollte, ohne sich zuerst aufs glatte Eis zu wagen. Selbst Toireasa blieb still. Was ihre Beweggründe waren, konnte er nur vermuten. Wäre Winona hier gewesen, der ernste Teil des Gesprächs hätte schon vor einer halben Stunde begonnen.

Am Ende schien Professor Dumbledore seine Zeit dann doch zu wichtig, um sie ewig mit zwei Regelbrechern zu verschwenden.

„Wisst ihr, dass mein Selbstverständnis heute schwer erschüttert wurde?", fragte der Professor.

„Wenn es heute war, dann liegt es sicher nicht an uns", erklärte Tarsuinn verteidigend.

„Das ist teilweise richtig", lachte Dumbledore. „Denn letztendlich geht es um die Geschehnisse an Halloween."

Was ja zu erwarten gewesen war.

„Ihr solltet jetzt fragen, was mich so erschüttert hat", sagte der Professor vorwurfsvoll.

„Was hat Sie so erschüttert, Sir?", kam Toireasa der Aufforderung nach.

„Danke, Toireasa", erwiderte Dumbledore amüsiert. „Nun – nach einem solchen Vorfall muss ich immer Briefe an die Eltern oder – in eurem Fall – an die Erziehungsberechtigten schreiben. Meist kommen daraufhin Vorwürfe zurück, dass es meine Pflicht wäre, besser auf meine Schüler aufzupassen und der Schulrat steigt mir auf die Spitze meines Hutes, um einen dieser Volkstänze aufzuführen. Und bevor ihr lacht – vor zwanzig Jahren hat es Konfu O'Dervsh tatsächlich versucht. Ich hatte mehr Beulen auf dem Kopf… aber das interessiert euch sicher nicht?!"

Nach Tarsuinn's Meinung war ihm die Geschichte des Professors deutlich lieber, als seine eigene, aber er äußerte diese Ansicht nicht.

„Mein Gott, eure Augen leuchten nicht mal neugierig!", beschwerte sich Dumbledore und schien sich immer noch zu amüsieren. „Was seid ihr nur für Kinder?"

„Ängstliche, die auf ihre Strafe warten", bot Tarsuinn mit halbem Lächeln an. Er konnte einfach nicht anders, als zu grinsen und die Dementoren rückten ein wenig aus seinem inneren Fokus. Allein der Gedanke, wie jemand auf Professor Dumbledores Kopf – einer der wenigen Menschen von denen er eine wirklich bildliche Vorstellung hatte – herumtanzte, war dazu sehr geeignet.

„Also – wo war ich stehen geblieben? Ach so. Wie schon gesagt, normalerweise macht man mir Vorwürfe, wenn Schüler in Gefahr geraten. Aber könnt ihr euch vorstellen, was für Antworten ich in Bezug auf euch erhalten habe?"

Erneut schaffte es Tarsuinn nicht, sein Lächeln unter Kontrolle zu halten. Er glaubte sehr genau zu wissen, was Rica geschrieben hatte.

„Du weißt, was deine Schwester geschrieben hat, nicht wahr Tarsuinn?", fragte der Professor.

„Ich habe eine gewisse Vorstellung."

„Und die wäre?"

„Wahrscheinlich hat sie gemeint, dass, wenn Tikki mit mir einverstanden war, sie keine Probleme damit habe, wenn ich tue, was ich für richtig halte. Korrekt?"

„In etwa. Sie hat mir aber auch geschrieben, ich solle dich unter Arbeit begraben, wenn ich nur den geringsten Zweifel an deiner Tat habe", erklärte der Professor.

Tarsuinn zuckte mit den Schultern. Wenn dem so war, konnte er es nicht ändern.

„Und du Toireasa?", fragte Dumbledore weiter. „Was denkst du, wie die Antwort deiner Großeltern war?"

„Ich kenne meine Großeltern nicht wirklich", gestand Toireasa. Im Gegensatz zu Tarsuinn, schien sie sich nicht mal im Ansatz fröhlich.

Der Professor entgegnete nichts darauf und nach einer Weile sah sich das Mädchen zu einer Ergänzung genötigt.

„Aber ich hoffe, dass sie mich verstehen", sagte sie.

„Das tun sie", versicherte der Professor ernst. „Sie sind der Ansicht, dass deine Verpflichtung Tarsuinn gegenüber, dich nicht anders hatten handeln lassen können."

„Womit ich den Schwarzen Peter habe!", maulte Tarsuinn leicht grinsend.

„Ein wenig schon", bestätigte der Professor. „Noch etwas heiße Schokolade?"

Tarsuinn nickte und die Tasse in seiner Hand wurde wieder heiß und schwer.

„Obwohl mir eure Familien keine Schwierigkeiten machen, heißt das nicht, dass wir keine Probleme haben", fuhr der Professor ernst fort. „Denn was ihr beide gesehen habt, war ein Mord und im Endeffekt kann man vielleicht sogar froh sein, dass der Minister glaubt, ihr wärt von einer Illusion getäuscht worden.

Schließlich würde es euren Worten Nachdruck verleihen, wenn die Dementoren oder jemand anderes versuchen würde, euch jetzt etwas anzutun. Doch das ist nur eine Vermutung und der Vorschlag Professor Snapes dich, Tarsuinn, auf den Ravenclaw-Turm zu beschränken, hat sicher etwas für sich. Aber im Endeffekt haben wir das ja schon einmal versucht und das Ergebnis war relativ unbefriedigend, nicht wahr?"

„Könnte man so sagen, Professor", sagte Tarsuinn, dem die Aussicht auf weitere Beschränkungen nicht sonderlich behagte.

„Aus diesem Grund gedenke ich, etwas anderes zu versuchen. Zum einen, werde ich deine besonderen Beschränkungen aufheben."

Tarsuinn war mehr als erstaunt.

„Zum anderen werde ich den anderen Lehrern gegenüber die Meinung vertreten, ihr wäret einer Täuschung von Black erlegen gewesen."

„Aber es war keine Täuschung!", warf Toireasa ein.

„Das wisst ihr, das weiß ich. Aber solange man annimmt, dass niemand – auch ich nicht – euch glaubt, seid ihr sicherer. Und indem ich Tarsuinn wieder aus dem Schloss lasse, gebe ich das passende Zeichen."

„Ich halte das für keine gute Idee, Sir", widersprach Toireasa energisch.

Tarsuinn blieb fast der Mund offen stehen. Ob für den Mut des Mädchens dem Professor zu widersprechen oder weil er nicht erwartet hätte, dass sie gegen seine Freiheit anreden würde, wusste er im Moment noch nicht.

„Es ist besser so, Toireasa", entgegnete der Professor nachsichtig. „Aber natürlich werden wir Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Professor Snape war so freundlich mir drei besondere Steine zu fertigen, die ihr beide und auch Winona tragen werdet."

Die sanfte und weiche Hand des Professors ließ ein Kettchen mit einem kleinen glatten Stein in Tarsuinn's Finger gleiten.

„Die Steine werden mich und eure Hauslehrer wissen lassen, wenn sich Dementoren in eurer Nähe befinden und wo ihr euch befindet", erklärte Dumbledore.

„Aber Sie werden nicht wissen, was wir reden, oder?", fragte Tarsuinn besorgt. Schließlich gab es da noch einige Projekte die niemanden etwas angingen.

„Nein, das nicht", lachte Dumbledore. „Wenn das ginge, würde Mr Filch darauf dringen, dass mehr Schüler diese Steine tragen müssen. Aber sie sind eine Sicherheit, die ihr bitte nutzen solltet."

„Bedeutet das, ich muss dann nicht mehr zu den Übungsstunden?", hoffte Tarsuinn vorsichtig und legte sich die Kette um den Hals.

„Nein, das bedeutet es nicht", erwiderte Dumbledore verschmitzt. „Laut deiner Lehrer machst du zwar einige Fortschritte, aber sie sind noch nicht ganz zufrieden. Ich denke jedoch, wir können die Zeit dafür sicher halbieren. Was denkst du?"

Obwohl Tarsuinn der Ansicht war, dass er schon einige andere Schüler seines Alters überholt hatte, nickte er nur. Besser etwas, als gar nichts.

„Sehr schön", freute sich der Professor. „Ich glaube, ihr habt begriffen, wie gefährlich es im Moment ist das Schlossgelände zu verlassen und, so schlimm es klingt, selbst im Schloss ist es nicht unbedingt viel sicherer. Tarsuinn, du hast zwar einen besseren Schutz gegen die Dementoren, als die anderen Schüler, aber er wird dich nicht vor Schaden bewahren können, wenn keine Hilfe in der Nähe ist."

„Warum ist das eigentlich so, Professor?", fragte Toireasa noch bevor Tarsuinn die gleiche Frage stellen konnte. „Und was war mit seinen Tränen?"

„Was soll mit meinen Tränen gewesen sein?", fragte Tarsuinn erstaunt. Er wusste, dass er geweint hatte. Laut Madame Pomfrey waren sie furchtbar entzündet und er hatte das auf die Anstrengung an Halloween geschoben.

„Du hast dunkelrotes, fast schwarzes Blut geweint", erklärte Dumbledore. „Ich vermute, es ist ein Teil des Geschenkes des Einhorns."

„Warum sollte das ein Geschenk für mich sein", fragte Tarsuinn verwirrt. Auf die Schmerzen hätte er gern verzichtet.

„Weil es wahrscheinlich das ist, was dir den Schutz vor den Dementoren gewährt. Eigentlich wollte ich dir das erst sagen, wenn ich mir sicherer bin, aber vielleicht ist eine Vermutung besser, als Ungewissheit."

Der Professor atmete tief durch.

„Es gibt da ein altes Tagebuch eines Zauberers, aus der Zeit, als die Dementoren noch nicht die Wächter Askabans waren. Ich glaube, es ist die einzige existierende Beschreibung einer Begegnung zwischen einem Dementor und einem Einhorn. Der Zauberer erzählt darin, wie er zwischen die beiden geriet und hin und her gerissen wurde zwischen Verzweiflung und Hoffnung, bis er die Nähe des Einhorns suchte und dadurch die Konzentration für einen Patronus-Zauber gewann, der den Dementor vertrieb."

„Sie meinen, Einhörner können Dementoren vertreiben?", fragte Toireasa.

„Nein, das können sie nicht", korrigierte Dumbledore. „Toireasa, was hast du empfunden, als dir das Einhorn begegnete? Wenn man mal euer erstes feindseliges Treffen außer Acht lässt."

„Ich hab mich gut gefühlt", erklärte Toireasa nach kurzem Nachdenken.

„Glücklich?"

„Ja!"

„Voller Hoffnung?"

„Ja. Und es war, als wäre die Welt einfach nur schön."

„Was fällt euch auf, wenn ihr das einem Dementor gegenüberstellt?"

„Sie sind wie Yin und Yang", murmelte Tarsuinn und erklärte dann laut für Toireasa und den Professor. „Wie zwei Seiten einer Medaille, meine ich."

„Das ist richtig", bestätigte Dumbledore. „Und genau das ist das Geschenk, was du, Tarsuinn, erhalten hast. Du kannst den Dementoren deine Hoffung entgegensetzen und anscheinend auch andere eine Zeitlang schützen."

„Und was hat das mit meinen Tränen zu tun?", fragte Tarsuinn.

„Nun – dieser Zauberer, von dem ich vorhin sprach, beschrieb in seinem Tagebuch auch, dass das Einhorn dunkelgraue Tränen weinte. Tränen aus silbernem Blut und noch etwas anderem, etwas dunklem."

„Mein Blut ist rot, nicht wahr?", fragte Tarsuinn leise.

„Ja", antwortete Toireasa.

„Dann ist da aber ein Fehler", schüttelte Tarsuinn den Kopf. „Wenn ich diese Fähigkeit der Einhörner teilen würde, dann müssten mich doch die Slytherins auch mögen. Das tun sie aber offensichtlich nicht!"

„Ich glaube nicht, dass dies bei dir so stark ausgeprägt ist, Tarsuinn. Es ist dir geschenkt, nicht angeboren", erklärte Dumbledore.

„Außerdem bist du nicht so hübsch, wie ein Einhorn!", frotzelte Toireasa, ein wenig bemüht klingend.

Er schenkte ihr ein Grinsen dafür.

„Sind deshalb die Dementoren an mir interessiert, Professor?", fragte Tarsuinn vorsichtig.

„Sie sind wohl eher besorgt", erläuterte Dumbledore. „Schließlich enthältst du ihnen ihre Nahrung vor. Wenn das noch mehr Zauberer und Hexen könnten, würden sie ihr liebstes Festmahl verlieren."

„Würde mich freuen", brummte Tarsuinn feindselig.

„Professor?", fragte Toireasa vorsichtig. „Was ist das Schwarze in den Tränen?"

„Das weiß ich nicht", sagte Dumbledore. „Ich möchte darüber im Moment nicht einmal Vermutungen anstellen, aber Madame Pomfrey hat einige Tränen gesammelt und Professor Snape wird sie untersuchen. Wenn wir genaueres wissen, werde ich das Tarsuinn mitteilen. Noch mehr Schokolade?"

Toireasa und Tarsuinn lehnten diesmal ab und so endete dieses kleine Schokoladetrinken mit Professor Dumbledore kurz darauf.

Sie gingen nicht zum Abendessen, sondern setzten sich, trotz des kalten Wetters, außerhalb des Schlosses (aber sehr nahe am Haupteingang) auf eine Bank. Im Grunde genommen war es nicht anders, als in einem der Innenhöfe zu sitzen, aber wenigstens hatte er so das Gefühl frei zu sein. Und das Wissen um das Geschenk gab ihm die Sicherheit, um seine Angst vor den Dementoren zu beherrschen. Es war, als könnte er den Himmel wieder fühlen.

Die nächsten Tage musste Tarsuinn sich sehr beherrschen, um sich seine neu gewonnene Freiheit nicht zu Kopf steigen zu lassen. Er besuchte Hagrid (nicht nur wegen seiner Strafarbeit), wobei dieser leicht abwesend und sehr traurig wirkte, und stromerte ab und an über die Wiesen, auch wenn er manchmal den Dementoren recht nahe kam.

Tikki war inzwischen wieder in ihre Winter- und Kältedepression gerutscht und befand sich außerhalb des Schlosses fast prinzipiell in seiner Kapuze, wo sie immer laut zu brummen begann, wenn seine Gedanken in unangenehme Richtungen rutschten.

Im Moment war er gerade mit Merton und Winona unterwegs zum Unterricht bei Professor Lupin. Das Mädchen hatte ihren Groll inzwischen vergessen, nachdem Toireasa ihr alles haarklein erzählt hatte. Es war fast wieder so wie früher, nur dass Winona ihnen mehrmals klar machte, dass sie solche Aktionen nur noch mit ihrer Beteiligung dulden würde. Dabei klang sie jedes Mal furchtbar nach Penelope.

Sie waren relativ spät dran und wollten sich gerade ins Klassenzimmer begeben, als Toireasa ihnen entgegen kam.

„Hi", begrüßte das Mädchen sie mit seltsamer Stimme. „Ich muss euch kurz sprechen."

Sie griff nach Tarsuinn's Hand und versuchte ihn wegzuziehen, doch er schüttelte sie ab. Unangenehme Geräusche kamen aus dem Klassenzimmer – und ein bösartiges Lachen.

Statt auf Toireasa zu achten, ging er in den Raum.

„Das ist nicht der Moment…!", rief Toireasa, die ihm hinterher hastete.

„Lass es, Tarsuinn", sagte auch Ian, der schon im Klassenzimmer war und ihm den Weg versperrte. Tarsuinn drängelte sich vorbei.

„Bitte lass es!", bat ihn auch Cassandra.

Doch Tarsuinn hörte nicht darauf.

„Da kommt er", flüsterte die Stimme von Violet Mokkery und das war ihm eine Warnung.

Tikki kletterte von der Kapuze auf seine Schulter und fauchte kampfeslustig. Nicht gerade eine Hilfe, wenn es darum ging seinen Zorn zu unterdrücken.

„Na, wen haben wir denn da?", begrüßte ihn Mokkery ölig. „Schau mal, Jean. Dein spezieller Freund!"

„Was er nur will?", fragte der angesprochene Junge scheinheilig und drehte sich herum.

„Ich möchte dich bitten die Fee in Ruhe zu lassen", sagte Tarsuinn und mit einer Bitte hatte sein Ton nichts zu tun.

„Die gehört mir", lachte Jean Leraux fies. „Ein Geschenk meiner Eltern. Ich kann mit ihr machen was ich will."

„Mach mit der Fee, was du willst und ich mach mit dir, was du sicher nicht willst", drohte Tarsuinn.

„Und was wäre das, McNamara?", höhnte die unvermeidlicherweise anwesende Regina Kosloff. „Sie gehört ihm."

„Was man so mit Sadisten macht", entgegnete Tarsuinn zornig und es schepperte leicht an der Fensterscheibe. „Man poliert ihnen die Nase und steckt ihren Kopf in eine Toilette."

„Ach – und wenn ich mich wehre, machst du einen auf die behinderte Tour und weinst dich bei Flitwick aus, nicht wahr", ätzte Leraux. „Oder hält mich jemand fest, damit du auch mal triffst?"

Tarsuinn's Fäuste ballten sich.

„Nicht, Tarsuinn!", flüsterte Toireasa kaum hörbar.

„Ach und solltest du auf den Gedanken kommen, mein Feelein freizulassen,…", fuhr der Junge fort „…dann kannst du dich von deinem Vieh verabschieden."

Das brachte das Fass fast zum Überlaufen.

„Rühr Tikki an und ich sorg dafür, dass nicht einmal deine Mutter deine Leiche identifizieren kann", sagte Tarsuinn und meinte es vollkommen ernst.

Er konnte nicht sagen, ob seine Drohung so rüber gekommen war, wie er es beabsichtigte, aber zumindest bei Leraux schien es nicht richtig angekommen zu sein.

„Wie will jemand, der nicht mal seine Nase sieht, mir meine verbeulen!", lachte er.

Das beweis ich dir gleich, dachte Tarsuinn voll Wut und spannte die Muskeln, um ansatzlos dahin zu schlagen, wo das Lachen ertönte. Tikki sprang von seiner Schulter auf den Boden und huschte beiseite.

Wie er es von Rica gelernt hatte, beugte er leicht das Knie und trat dann überraschend nach vorn, mitten auf Leraux's Fuß.

„Au – was soll das?", fragte der überraschte Slytherin-Junge und versuchte einen Schritt zurückzuweichen. Was nicht klappte.

„Gruß von meiner Schwester!", zischte er und seine Faust wollte in das Gesicht des Jungen.

„Sofort aufhören!", knallte Snapes Stimme durch das Klassenzimmer.

Tarsuinn's Faust gefror mitten in der Bewegung und er spürte den Atem von Leraux auf seinen Fingerknöcheln.

„Was geht hier vor?", fragte Professor Snape und seine Schritte näherten sich. Tarsuinn hörte, wie der Mann die Menge der Schüler vor sich, wie ein Schiff das Wasser, teilte. Erneut wollte Leraux sich bewegen, aber Tarsuinn verlagerte einfach sein Gewicht noch ein wenig nach vorn auf den Fuß des Slytherin.

„McNamara!", sagte der Professor als er vor ihnen stand. „Erklären Sie was das soll!"

„Ich wollte gerade Leraux die Nase eindellen", erklärte Tarsuinn und trat erst jetzt von dem Spann des anderen Jungen und ließ seine Faust sinken. Er war zu wütend, um dem Professor so etwas wie Demut oder Bedauern vorzuspielen. „Aber Sie haben mich dabei leider unterbrochen."

„Zehn Punkte Abzug für Ravenclaw", urteilte Snape kalt und steigerte damit Tarsuinn's Wut noch.

„Aber Sie wissen doch nicht mal was…", sagte er zornig.

„Nichts gibt Ihnen das Recht, einen anderen Schüler anzugreifen, McNamara", entgegnete Snape kalt. „Ich werde Ihren Hauslehrer informieren und…"

Ein leises Jubilieren der Fee ertönte. Tarsuinn nutzte Snapes Ablenkung, zog seinen Zauberstab, deutete Richtung Fenster und sagte: „Alohomora!".

Ein lautes Krachen und Splittern sagte ihm, dass er wieder einmal etwas übertrieben hatte. Er steckte seinen Zauberstab wieder in die Tasche. Ein Sirren kleiner Feenflügel bewegte sich durch das Loch im Fenster nach draußen.

„Ups", sagte er locker und sein Zorn nahm ein wenig ab. „Nicht auszudenken, da hätte wer im Weg gestanden."

Er versuchte Leraux mit einem eiskalten Lächeln einzuschüchtern.

„Noch zehn weitere Punkte Abzug!", fauchte Snape und jetzt schien er richtig sauer.

„Hat Leraux verdient", murmelte er, obwohl er genau wusste, was Snape meinte.

„Er hat meine Fee entkommen lassen", beschwerte sich Leraux und Tarsuinn bemerkte mit innerer Befriedigung ein leichtes Bröckeln im Selbstbewusstsein des Jungen.

„Ich hab deine Fee nicht angerührt", wehrte sich Tarsuinn. „Ich wollte dir die Fresse…"

„McNamara!", unterbrach ihn Snape rigoros. „Setzen Sie sich rechts vorn hin. Sofort."

„Komm", flüsterte Winona und zog ihn beiseite. Wie gewohnt setzte sich Toireasa zu ihnen.

Tikki sprang vor ihm auf den Tisch.

„Klasse gemacht!", flüsterte er ihr zu und genoss es, wie sie ihren Kopf gegen sein Gesicht schmuste.

Hinter ihm reparierte Snape kurz das Fenster und fauchte einige andere Ravenclaws an, sie sollten sich endlich hinsetzen.

„Wo bleibt Professor Lupin verdammt?", flüsterte Winona. „Wird Zeit, dass Snape verschwindet."

Ein Wunsch, den Tarsuinn teilte, der aber nicht in Erfüllung ging. Snape machte keine Anstalten zu gehen. Stattdessen trat der Lehrer vor die Klasse.

„Da Professor Lupin krank ist…"

Enttäuschtes und besorgtes Gemurmel – nicht nur von den Ravenclaws – schallte durch den Raum und zwang Snape etwas lauter zu sprechen.

„Da Professor Lupin krank ist…", verkündete der Professor noch einmal und das Gemurmel verstummte „…liegt es an mir, euch bis zu seiner Genesung zu unterrichten."

Tarsuinn hob sofort die Hand.

„Muss das sein?", flüsterte Winona besorgt.

Doch das war überflüssig. Snape ignorierte Tarsuinn und redete einfach weiter zur Klasse.

„Wie ich gesehen habe, hat Professor Lupin Ihnen nicht unbedingt viel zugetraut", sagte Snape kalt. „Anscheinend hat er sich da wohl an den schlechteren Schülern orientiert."

Snape kam bei diesen Worten direkt vor Tarsuinn's Tisch zum Stehen und schien damit sehr deutlich zu machen, wen er damit meinte. Zumindest gab es einige auf der Seite der Slytherins, die es wagten zu kichern. Doch nur einen Augenblick. Der Professor ging weiter und er musste recht imposant wirken, wenn selbst den Schülern seines eigenen Hauses das Lachen im Halse stecken blieb.

„Ich im Gegensatz, gedenke Sie nicht zu unterfordern. Im Gegenteil, nur durch Herausforderung und eisenhartes Training lernt man."

Tarsuinn schnipste mit den Fingern, um auf sich aufmerksam zu machen. Er wusste, das war hier in Hogwarts nicht üblich, im Gegenteil es galt als unhöflich, aber das interessierte ihn nicht sonderlich.

„Was ist, McNamara!", fragte Snape genervt.

„Sir, meine Augen schmerzen. Ich würde gern Madame Pomfrey aufsuchen", log Tarsuinn, aber er fühlte immer noch das Feuer des Zorns und er wollte Snape nicht in dieser Stimmung als Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste haben. Genau genommen wollte er Snape in keinem einzigen Fach haben.

„Übertreiben Sie nicht und reißen Sie sich zusammen, McNamara. Sie können nachher zu Madame Pomfrey gehen!", sagte Snape. „Zurück zum Unterricht."

Einige Minuten dozierte der Professor über das Wachsen an der Herausforderung, über vorbeugende Aggressivität und den nicht vorhandenen Nutzen von Verteidigungszaubern gegen Kinderflüche, die kein erwachsener Zauber nutzen würde. Tarsuinn hätte sich am liebsten den Finger in den Hals gesteckt, denn er kannte Snapes Art jemandem etwas beizubringen. Er hoffte nur, der Lehrer würde sich in der Gegenwart vieler Zeugen etwas zurücknehmen.

Vergeblich.

Erst erklärte der Professor ausführlich einen Fluch, der in der Lage war, das Mittelohr eines Gegners so durcheinander zu bringen, dass dieser sich nicht mehr aufrecht halten konnte und danach widmete er sich zwei kurze Minuten einem speziellen Verteidigungszauber, den man aber nur zu Übungszwecken brauchte, bis man den Protego-Schild gelernt hatte.

Danach ließ der Professor sie in Zweiergruppen antreten – immer einen Slytherin gegenüber einem Ravenclaw. Zum Glück für Tarsuinn hatte er Toireasa als Partnerin.

Da Snapes Unterricht verhinderte, dass er seine Aggressionen abbaute, nahm er seinen falschen Zauberstab zu Hilfe, sobald er mit dem Verfluchen dran war. Doch in dem Augenblick stellte Snape diese Entscheidung auf eine schwierige Probe. Der Lehrer mischte die Zweiergruppen neu und stellte Tarsuinn keinen anderen als Jean Leraux gegenüber.

Er hatte keine Ahnung warum Snape das tat, schließlich lieferte er damit den Slytherin-Jungen an Tarsuinn aus.

Nach kurzer Überlegung behielt Tarsuinn dann aber doch den falschen Stab in seiner Hand. Die Fee war frei und Tikki am Leben, was sollte er einen Unfall riskieren, der ihn und andere in Schwierigkeiten brachte?

Also spielte er ein wenig Schattenzaubern – was sich auch als Fehler herausstellte.

„McNamara, versuchen Sie gerade eine Fliege zu erschlagen?", fragte Professor Snape ätzend, quer durch den gesamten Raum. „Hören Sie alle mit Ihren Übungen auf. McNamara möchte uns allen zeigen, wie man es nicht macht. Nur zu McNamara, Sie haben unser aller Aufmerksamkeit."

„Das ist so unfair!", flüsterte Winona, wahrscheinlich zu sich selbst.

Genau das Gleiche empfand auch Tarsuinn, aber er biss einfach die Zähne aufeinander, machte die peitschende Geste und sagte die Worte: „Aequilibrium delere!"

Natürlich passierte nichts und einige Slytherins lachten, obwohl die meisten eigentlich wissen mussten, dass er noch nie einen Fluch innerhalb der Verteidigungsstunde hinbekommen hatte.

„Was soll dieses Muggeltheater!", fauchte der Professor und kam entschlossenen Schrittes näher. Tarsuinn stellte sich unwissend.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen, Professor?", sagte er erstaunt.

„Wiederholen Sie, McNamara!", verlangte dieser nur.

Tarsuinn tat ihm den Gefallen. Doch mitten in der Bewegung wurde ihm sein Zauberstab aus der Hand gerissen.

„Das ist doch nicht Ihrer", stellte Snape aggressiv fest.

„Geben Sie mir meinen Stab zurück!", forderte Tarsuinn zornig. „Der gehört Ihnen nicht."

Aber Snape beachtete seine Worte nicht.

„Dieses Ding ist nur ein Spielzeug", fauchte der Professor. „Wollen Sie sich über mich lustig machen? Denken Sie etwa, ich gebe mir solche Mühe damit Sie hier Ihren kindischen Spaß haben?"

„Es kann Ihnen doch egal sein, wenn ich etwas vorsichtig mit Ihren Slytherins umgehen", fauchte Tarsuinn. „Immerhin haben Sie mir zwanzig Punkte für etwas abgezogen, was ich gar nicht gemacht habe. Seien Sie doch froh, dass Sie Leraux nicht von der Wand abkratzen müssen!"

„Sie vergessen sich, McNamara", zischte Snape laut.

„Und Sie haben etwas, was mir gehört!", fauchte Tarsuinn zurück und zu seinen Füßen kam Tikki's Bestätigung dafür.

„Das Ding können Sie wiederhaben", erklärte Snape kalt und im nächsten Augenblick knackte es laut. „Da haben Sie."

Zwei Stücke Holz fielen vor Tarsuinn zu Boden und in diesem Moment vergaß er Rica, den Provokationstest, sogar die Sicherheit der anderen Schüler. Sein Herz und sein Blut rasten vor Wut. Dies war sein Zauberstab gewesen. Auch wenn es kein echter war, so hatte er seinen echten Zauberstab bisher viel seltener in der Hand gehabt.

„Machen Sie ihn wieder ganz!", flüsterte Tarsuinn und seine Stimme machte ihm fast selbst Angst. Doch die Vorstellung von Snape am Boden drängte alles zur Seite.

„Nein, McNamara. In meinem Unterricht werden Sie mir Respekt erweisen und ernsthaft üben. Verstanden?"

Doch Tarsuinn wollte das nicht. Heißer Schweiß lief ihm schmerzhaft in die Augen.

Plötzlich trat jemand zwischen Tarsuinn und Snape.

„Beruhige dich!", flüsterte eine Jungenstimme eindringlich und durchdrang den Schleier der Wut. Er spürte, wie ein Damm in ihm brach und schaffte es gerade noch so, den Kopf zur Seite zu wenden und seine Aufmerksamkeit auf den Lehrertisch zu richten.

Papier wurde zerfetzt und ein nur für ihn hörbarer Schrei eines Buches erklang. Snapes Buch.

Im Raum war es still, niemand wagte es zu lachen.

„Ich werde jetzt den Krankenflügel aufsuchen", sagte Tarsuinn gepresst und ging langsamen Schrittes Richtung Tür. Schon nach einigen Schritten hatte sich Snape wieder gefangen.

„Tun Sie das, McNamara. Aber Sie werden sich mit mir heute bei Ihrem Hauslehrer treffen und sich dafür rechtfertigen."

Tarsuinn unterdrückte jede beleidigende Antwort oder Geste, sondern ging einfach. Tikki lief hinter ihm her.

„Professor?", hörte er noch Winona sagen. „Wir würden ihn gern begleiten. Nur um sicher zu gehen, dass…"

„Abgelehnt!", blaffte Snape in seinem gewohnten Ton. „Nehmen Sie wieder Aufstellung."

Jetzt, wo eine Tür dazwischen lag, gönnte sich Tarsuinn die Geste, die er Professor Snape so gern zeigen würde, dann nahm er Tikki auf den Arm und ging weiter. Seine Schritte führten ihn jedoch nicht in den Krankenflügel, sondern rauf in den Ravenclaw-Turm.

„Solltest du nicht im Unterricht sein?", fragte die Adlerstatue, welche den Eingang bewachte, nachdem er das Passwort gesagt hatte.

„Solltest du nicht die Klappe halten?", fauchte Tarsuinn.

Beleidigt gab der Adler ohne ein weiteres Wort den Weg frei. Tarsuinn ging hinein, ignorierte das Gemurmel der Bilder und ging in seinen Raum. Er schloss ab, nahm sich Decke, Kopfkissen und Kuschelbär vom Bett und kauerte sich in einer Ecke zusammen.

Erst dann ließ er sich von seinen Schuldgefühlen übermannen. Es tat ihm furchtbar leid, was er mit dem Buch gemacht hatte. Es beschämte ihn, wie er die Beherrschung verloren hatte.

Wenn du dir nicht immer alles gefallen lassen würdest, würde sich das nicht so aufstauen, flüsterte die Stimme aus seinen Träumen.

„Lass mich in Frieden", jammerte Tarsuinn und hielt sich die Ohren zu. Vergeblich.

Du weißt, ich hab Recht.

„Hast du nicht!"

Hör auf mich und keiner wird es wagen dir wieder weh zu tun. Lern von mir und kein Dementor kann dich schrecken.

„Hör auf damit!", schrie Tarsuinn.

Tikki wandt sich aus seinen Händen und kletterte halb auf seine Schulter. Sie presste ihren Kopf gegen sein Ohr, als würde sie versuchen zu hören, was er hörte. Dabei schien sie ihm etwas vorzusingen.

Freunde, Rücksichtnahme, die so genannte Moral. Sie machen dich schwach, weil du gefallen willst. Sei stark, handle stark und meide die Schwäche.

Tarsuinn riss sich ein wenig zusammen.

„Na, dir scheint es ja nicht viel genutzt zu haben", sagte er, jetzt deutlich leiser. „Du bist nur ein Traum. Genau genommen bist du sogar nur der Traum eines Versagers."

Wir werden sehen, urteilte die Stimme und verklang.

„Maximal in einem geträumten Spiegelbild!", flüsterte Tarsuinn und verpackte sich in die Decke. Tikki und der Teddybär brummte beruhigend in seinen Armen.

Doch seine Gedanken kreisten immer noch in der Vergangenheit.

Er hatte Snape wehtun wollen, ohne dabei auch nur einen Augenblick an die umstehenden Schüler zu denken. Es war seltsam. Jetzt, mit ein klein wenig mehr Ruhe, konnte er sich an die Stimmen seiner Freunde erinnern, wie sie ihn hatten vor einer Dummheit bewahren wollen. Aber es William gewesen, welcher zu ihm durchgedrungen war. Vielleicht, weil der Junge seine Fixierung auf Snape gebrochen hatte. Vielleicht, weil die Gefahr ihn zu treffen, zuviel für Tarsuinn's Maß an möglicher Brutalität gewesen war. Zumindest hatte es ihm geholfen, die Wut auf etwas anderes zu fixieren. Und das war Snapes Buch gewesen. Da er es hören konnte war es ein Ziel für ihn gewesen und ihm tat es sehr leid, was geschehen war. In seiner Welt waren Bücher am Leben und er hoffte, nein betete, dass Snape es wieder reparieren konnte.

Was Tarsuinn jedoch Angst machte, waren zwei andere Dinge. Zum einen der Triumph, den er einen kurzen Augenblick lang empfunden hatte. Nicht für die Tat, sondern weil es ihm gelungen war, seine Magie gezielt auszurichten, ohne Schaden für die Umgebung. Es war beiweiten nicht so wild und mächtig gewesen, wie bei einem unkontrollierten Ausbruch, aber dafür hatte er fasst das Buch zwischen seinen Fingern gefühlt.

Der zweite Grund sich in seinem Zimmer zu verstecken, war die plötzliche Erkenntnis, wie wenig es inzwischen brauchte, um seine Kontrolle zu brechen. Er konnte sich noch nicht einmal mehr erinnern, wann er den Entschluss gefasst hatte, Professor Snape ein wenig so zu behandeln, wie der seinen Zauberstab. Wie konnte er nur solche Gedanken haben? Ein Stück zerbrochenes Holz, rechtfertigte es wohl kaum, jemanden zu verletzen. Das war absolut kindisch gewesen und Rica würde sicher unzufrieden mit ihm sein.

Trotzdem wünschte er sie sich nach Hogwarts. Mehr als alles andere wollte er sich jetzt an jemanden kuscheln, dem er vertraute, dem er nie etwas tun würde und der älter als er selbst war. Er wollte jemanden bei sich haben, der ihm sagte, dass alles okay wäre und der sich um alles kümmern würde. Niemand konnte so gut die bösen Geister in ihm vertreiben, wie Rica.

Von diesem Gedanken war es dann nicht mehr weit, sich vorzustellen, wie gut es ihm und seiner Schwester ohne Magie auf dieser Welt hätte gehen können.

Ein kleines Haus, eine normale Schule, wundervoll langweilige Nachbarn und die schlimmste Neuigkeit war ein angebrannter Kuchen im Ofen. Das wäre so schön!

Und so träumte Tarsuinn zum ersten Mal in seinem Leben etwas Eigenes. Er schlief nicht, aber seine Phantasiewelt war so intensiv, dass er nichts von dem bemerkte, was um ihn herum geschah.

Das Klopfen an seiner Tür. Die besorgten Stimmen, welche ihn riefen. Die Graue Lady, die von der besorgten Penelope in sein Zimmer geschickt worden war. Nichts drang zu ihm durch.

Dafür waren seine Phantasien auch nur eine Zeit lang perfekt. Die Freunde, die er sich ausdachte, veränderten mit der Zeit zwar nicht ihre Gesichter, aber dafür wurden ihre Stimmen ihm immer bekannter. Ab und an sah er sogar Luna hinter einer Ecke verschwinden. Er blinzelte dann immer und redete sich ein, sie wäre es nicht, aber ein kleiner Teil wies ihn immer auf die Wahrheit hin. Wie Luna aussah das wusste er genau, wenn man von der Haut- und Haarfarbe absah.

Doch nicht nur die Stimmen von Toireasa, Winona, Merton und all den anderen drangen in seine heile Welt ein, auch gab es plötzlich Kinder in der Schule und der Nachbarschaft, die ihn nicht leiden konnten. Auch deren Stimme waren nicht unbekannt und sie steigerten sich von gemein zu bösartig.

Ein Junge mit der Stimme von Leraux wollte gerade Tarsuinn schlagen, als eine riesige Tikki heran sprang, den anderen Jungen am Genick packte und ihn weit wegschleuderte. Das riss ihn aus seinem Traum und er war froh darüber. Das Gefühl ohne Magie zu sein, war plötzlich nicht mehr so toll gewesen.

„Lass bitte mein Ohr in Ruhe, Tikki", bat er, weil er da ein paar spitze Zähne fühlte.

Sie hörte auf ihn zu traktieren und schimpfte.

„Warum hast du Hunger?", fragte er verwirrt, nur um die Frage von seinem eigenen grummelnden Magen beantwortet zu bekommen.

Er fühlte nach seiner Uhr.

„Ist doch erst Vier", sagte er stirnrunzelnd. „Wir haben nur das Mittagessen verpasst."

Tikki klärte ihn über den wahren Sachverhalt auf.

„Es ist dunkel draußen?"

Er fühlte noch einmal nach seiner Uhr, doch diese funktionierte.

„Das kann doch nicht so lange gedauert haben", zweifelte er und streichelte Tikki entschuldigend, schließlich hatte er sie mit eingesperrt und so verhindert, dass sie sich ihr Essen selbst besorgte. Immerhin schien die Rattenpopulation im Schloss seit dem Tod der Basilisken deutlich zugenommen zu haben.

„Was hältst du davon, wenn wir die Küche suchen und den Kühlschrank leer räumen?", fragte er mit einem Lächeln.

„Nein, ich habe keine Ahnung, ob es hier so etwas überhaupt gibt, aber irgendwie müssen sie doch das ganze Zeug kühlen."

„Heh – ich hab auch Hunger."

„Nein, wir werden das Schloss nicht verlassen."

„Ist mir doch egal, dass es in ein paar Stunden Essen gibt."

„Ja, der Hintergedanke ist, dass ich nicht zum Frühstück will."

„Es ist nicht besonders konstruktiv, mich gegen Snape aufzuhetzen."

„Auch wenn du denkst, dass er es verdient hat. Du erinnerst dich doch sicher noch, wie locker er dich und mich geschockt hat, oder?"

„Mir ist durchaus bekannt, wie gut du ausweichen kannst, jetzt wo du weißt, wie das funktioniert. Aber wer sagt dir, dass der Stupor-Fluch sein einziger Trick ist?"

„Komm – lass uns nicht diskutieren, sondern etwas zu essen besorgen."

„Nein, ich hab keine Ahnung, wie ich in die Küche gelange."

Tarsuinn setzte Tikki auf seine Schulter, steckte den Teddy in seine Kapuze (Jeder Freund war nützlich!), öffnete dann leise die Tür, verschloss sie wieder von außen und schlich sich zu den Gemeinschaftsräumen hinunter.

Er brauchte nicht Tikki's Warnung, um hier leise zu sein. Die regelmäßigen Atemgeräusche mehrerer Schläfer sagten ihm genug. Vorsichtig wollte er einen Schritt nach vorn machen, doch Tikki befahl ihm stehen zu bleiben. Auf ihr Kommando bückte er sich und tastete den Boden ab. Irgendwer hatte vor dem Aufgang zu seinem Zimmer Unmengen Erdnussschalen verstreut. Vorsichtig schob er diese zur Seite und bahnte sich so seinen Weg. Den Trick mit den Schalen musste er sich merken. Gerösteter Kaffee würde wahrscheinlich auch gut funktionieren.

Ohne jemand geweckt zu haben, verließ er die Gemeinschaftsräume und schlich durch das Schloss, was keine leichte Aufgabe war. Dafür, dass Schlafenszeit war, war recht viel auf den Gängen los. Laut Tikki, die die Vorwärtsaufklärung übernommen hatte, befand sich McGonagall halb eingenickt bei den sich bewegenden Treppen.

Sie umgingen die Lehrerin, indem sie die Treppen nahe dem Krankenflügel nutzten und stolperten dabei über einen grummelnden Filch, der mit Gips irgendwelche Sachen am Schloss ausbesserte. Glücklicherweise war Mrs Norris irgendwo anders unterwegs. Wieder hieß es einen Umweg in Kauf zu nehmen und so dauerte es eine ganze Weile, ehe sie im Keller vor der Wand standen, hinter der Tarsuinn die Küche vermutete.

„Und wie weiter?", fragte er leise Tikki, die darauf aber leider auch keine Antwort wusste.

Vorsichtig tastete er die Wand ab. Seine Nase sagte ihm, dass er hier richtig war. Seine Finger fanden einen dünnen Spalt, der ein türähnliches Rechteck bildete, welches wiederum ziemlich genau einem Gemälde entsprach, das da hing. Wie damals an seinem zweiten Tag in Hogwarts, kicherte jemand kurz, als er mit den Fingern über das Bild glitt, doch ansonsten passierte nichts.

Neugierig presste Tarsuinn sein Ohr gegen das Bild und konnte so die typischen Geräusche einer Küche hören. Schneidende Messer, klappernde Töpfe, brutzelnder Speck. Ein wenig unsicher versuchte er sich an einem Alohomora – vergeblich. Dafür aber blieb das BVild ganz.

Nach einigen vergeblichen Versuchen, bei denen er versucht hatte an Fackelhaltern zu drehen oder irgendwelche Ornamente zu drücken, tat er das, was Rica schon längst an seiner Stelle getan hätte – er klopfte höflich an.

Und es funktionierte. Es dauerte keine zehn Sekunden und die Wand schwang in seine Richtung.

„Ja?", fragte eine erstaunte und sehr piepsige Stimme aus Hüfthöhe, nur um dann in etwas Panik umzuschlagen. „Ah, junger Sir. Wirklich…schön…Sie…zu…sehen. Ähem…viel zu tun haben wir."

Tarsuinn drängelte das kleine Wesen, welches ein Elf sein musste, in die Küche, bevor es die Tür wieder schließen konnte.

„Schön habt ihr es hier", sagte er und gab sich Mühe die Panik zu ignorieren die er bei dem Elf erzeugte, der ihm die Tür geöffnet hatte.

„Ah, Ihr seid Herrchen von kleiner Eierliebhaberin", redete der Elf hektisch. „Große Freude Sie kennen zu lernen, Sir. Bitte, kann ich Ihnen helfen? Wir viel zu tun hier haben. Nicht dass Sie denken, ich möchte Sie vertreiben, beleibe nicht, Sir, aber wir haben viel zu tun und hier sind viele heiße Töpfe und Pfannen. Sie könnten sich verletzten, Sir, und das wäre dann unsere Schuld und…"

„Ist ja schon gut", versuchte Tarsuinn ihn zu beruhigen. Es war ihm unangenehm bewusst, dass es recht still in der Küche geworden war, die anscheinend sehr groß sein musste, denn immerhin gab es hier sogar ein leichtes Echo. „Ich wollte euch doch nur um Platz und Materialien bitten, um mir selbst etwas zum Essen zu machen."

„Selbst Essen machen?", die Panik wich purem Entsetzen.

„Ja, ihr scheint doch genug zu tun zu haben", erklärte Tarsuinn erstaunt. „Ich schmier mir schnell ein paar Brötchen, Tikki bekommt ein oder zwei rohe Eier und schon seid ihr mich wieder los."

„Sir!", sagte eine andere dünne Stimme, die deutlich gefasster klang. „Wir wollten nicht unhöflich sein. Die Überraschung. Bitte verstehen Sie. Früh am Morgen. Setzen Sie sich doch. Wir werden Ihre Wünsche schnell erfüllen. Wir sind gute Hauselfen, wir wissen was unsere Aufgabe ist, Sir."

Jetzt war es an Tarsuinn, ein wenig verlegen zu sein.

„Ich kann wirklich selbst…", bot er an.

„Nein, nein, Sir!", sagte der zweite Elf, anscheinend so was wie der Anführer, Vorarbeiter oder Chefkoch. „Es ist unsere Aufgabe für alle Bewohner des Schlosses zu sorgen und wir machen unsere Arbeit gut, Sir."

„Da bin ich mir sicher", entgegnete Tarsuinn, unschlüssig was er sonst sagen sollte. Die Elfen schienen ihm irgendwie daneben. So ängstlich, aber völlig unfähig es zuzugeben. Wenn sie ihn loswerden wollten, konnten sie es doch einfach sagen, statt so einen Zirkus zu veranstalten.

Eine Minute später bekam Tarsuinn einen riesigen Beutel mit belegten Brötchen in allen Variationen in die eine Hand gedrückt und in die andere einen Eierkarton.

„Sir sollte jetzt wieder schlafen gehen", sagte der Chefelf.

Tarsuinn fühlte kleine Hände, die ihn sanft an der Hüfte herumdrehten und nach draußen schoben.

Und so fand er sich ziemlich perplex vor der Küche wieder.

„Die sind seltsam", flüsterte er Tikki zu. „Ja, auch wenn sie Zugang zu Lebensmitteln haben."

Vorsichtig schlichen sie zurück zum Ravenclaw-Turm. Er war gerade in der Höhe des Dunklen Künste Klassenraums, als Mrs Norris sie überraschte. Tarsuinn mochte zwar ein außergewöhnliches Gehör haben, aber eine schleichende Katze stellte selbst für ihn (und auch für Tikki) eine Herausforderung dar.

Mrs Norris stieß ein lautes Fauchen aus und nur Sekunden später hörte er schlürfende Schritte, die er mit dem Hausmeister verband.

Tarsuinn wollte sich umdrehen und in die Gegenrichtung weglaufen, als er auch aus dieser Richtung eilende Füße hörte. Er war eingekreist. Für einen kurzen Augenblick war er versucht Mrs Norris zu lähmen, aber das konnte er nicht. Auch wenn er Filch und seine Katze nicht mochte, so konnte er dem Hausmeister nicht antun, was er selbst nicht erleben wollte. Immerhin bestand die Gefahr, dass Mrs Norris wie ein gewisses Buch zerfetzt wurde. Wenn das passieren würde, dann hätte Mr Filch in Tarsuinn's Augen durchaus das Recht mit ihm das Gleiche zu tun.

Also versuchte er noch einmal den Öffnungszauber und zu seiner Überraschung sprang die Tür zum Klassenzimmer auch auf. Er schlüpfte mit Tikki hinein und sperrte Mrs Norris aus, die mit hinein wollte. Das stellte sich Sekunden später, als Fehler heraus, denn die verräterische Katze kratzte von draußen an der Tür.

„Blödes Mistvieh", murmelte Tarsuinn. Die Fenster lagen – laut Tikki – zu hoch über dem Boden, um darüber Türmen zu können und die einzige andere Tür führte in Professor Lupins Räume.

Draußen im Gang kamen die Schritte näher. Es war egal. Lieber von Professor Lupin geschnappt, als von Filch oder,…

„Was ist los, Mr Filch!"

…noch schlimmer, von Snape.

Tarsuinn öffnete mit einem weiteren Alohomora die Tür zu Lupins Räumlichkeiten und verschloss auch diese Tür wieder.

„Professor?", fragte er flüsternd und spitzte die Ohren. Irgendetwas stimmte nicht. Es gab hier viele Atemgeräusche, lederne Haut quietschte über Glas, aber nirgends klang es nach Mensch.

Hatte Professor Snape nicht gesagt, Lupin wäre krank? Vielleicht war es ja so ernst, dass er bei Madame Pomfrey lag. Zumindest bedeutete das, dass sein Plan, sich einem netten Professor zu ergeben, fehlgeschlagen war.

Tarsuinn hörte, wie die Tür zum Klassenraum geöffnet wurde.

„Seien Sie vorsichtig, Professor", flüsterte Filch.

„Es ist wahrscheinlich nur ein Schüler", entgegnete Snape ruhig. „Ansonsten wäre ihre Katze, und Sie auch, wahrscheinlich tot."

Tarsuinn wollte nicht gefunden werden. Nicht von Snape.

„Tikki, wir brauchen ein gutes Versteck", sagte er. „Ein ultimatives würde ich fast sagen."

Ein paar Sekunden lang flitzte Tikki umher und dann hatte sie etwas Passendes gefunden. Er schlich gebückt zu ihr, immer die Hände tastend ausgestreckt, und zweifelte dann an Tikki's Geisteszustand. Sie rief ihn hinter ein ziemlich langsam atmendes Wesen, das anscheinend nicht eingesperrt war und sich am Kaminfeuer zusammengerollt hatte.

Tarsuinn war ziemlich misstrauisch. Kleine Tiere wie Tikki atmeten sehr schnell, doch je größer ein Wesen war, desto langsamer wurde die Frequenz. Dieses Wesen hier atmete deutlich langsamer, als ein Mensch.

Tikki drängelte und da Tarsuinn schon Snape und Filch an der Tür hörte, kroch er hinter das Wesen, welches sich in diesem Moment recht besorgniserregend bewegte.

Tarsuinn konnte es nicht lassen und tastete nach dem Wesen. Seine Finger trafen auf langes, raues und wildes Fell. Da Tarsuinn's Hand daraufhin nicht zerfetzt wurde, drängte er sich etwas mutiger an den massigen Leib. Solange niemand zu nahe kam, würde man ihn – nach Tikki's Meinung – nicht sehen können.

Dann sprang auch schon die Tür auf und eine Person kam herein. Dem Geruch nach zu urteilen, musste es Snape sein. Der Gestank nach Trankzutaten schien in der Haut und Kleidung dieses Mannes fest verankert zu sein. Die Schritte des Professors kamen langsam näher. Jetzt gleich musste er…

Das Wesen neben Tarsuinn bewegte sich ein wenig und knurrte. Das stoppte Snapes Annäherung abrupt.

Ein Hund also, dachte Tarsuinn grinsend. Und Snape scheint ihn zu fürchten.

Ganz langsam streichelte Tarsuinn das Fell des Tieres mit den Fingerspitzen und hoffte, Der Hund verstand das Danke.

Dann knackte es laut hinter ihm und er wäre vor Schreck fast aufgesprungen.

„Sie haben Black entdeckt, Severus?", fragte Professor Dumbledore, der mitten aus dem Feuer zu sprechen schien und dann, um Tarsuinn und den Hund herum (der diesmal nicht knurrte), aus dem Feuer heraus und auf Professor Snape zu trat.

„Die Katze des Hausmeisters zeigte jemanden in diesen Räumen an, aber anscheinend hat sie nur dieses Wesen da gewittert", entgegnete Professor Snape. „Wir wollten nur auf Nummer Sicher gehen, Direktor."

„Sehr gut, Severus!", lobte der Professor. „Aber hier scheinen wirklich nur die Wesen zu sein, die Professor Lupin besonders interessieren. Wir sollten alle sehen, dass wir noch ein wenig Schlaf finden. In einer halben Stunde übernimmt Professor Flitwick die Wache und bald sind auch die Schüler wieder wach."

„Wie Sie meinen, Direktor", stimmte Snape zu und klang dabei wirklich etwas müde. „Aber wir sollten die Türen hier besser verschließen. Bei den ganzen gefährlichen Kreaturen, sollte sich kein Schüler zufällig hierher verirren, solange Professor Lupin nicht völlig wiederhergestellt ist."

„Ich werde das übernehmen", erklärte Professor Dumbledore. „Über alles Weitere, sprechen wir ein andermal. Vielleicht heute Abend."

„Natürlich, Direktor Dumbledore."

„Kommen Sie, Severus. Uns fehlt langsam allen etwas Schlaf. Freuen wir uns auf ein schönes Spiel heute und die Möglichkeit uns ein wenig auszuruhen. Da fällt mir ein, habe ich Ihnen schon von dem Druiden erzählt, den der Schlafmangel dazu brachte sich für eine rosa Dampflok zu halten?"

„Schon zehn Mal, Direktor!", erwiderte Snape gezwungen freundlich.

„Ach wirklich, Severus", sagte Dumbledore enttäuscht. „Na egal, erzähle ich es halt noch einmal. Das war so…"

Die Tür schloss sich hinter den Professoren und die Spannung wich von Tarsuinn. Professor Dumbledores Handlungsweisen würde er nie im Leben verstehen! Warum ließ er Tarsuinn damit davonkommen?

Obwohl, was war, wenn einige Sätze des Direktors sich auch auf ihn bezogen hatten? Dann war das hier noch nicht ausgestanden.

Er beschloss sich damit erst später zu beschäftigen. Zunächst einmal hatte er jetzt Zeit.

Vorsichtig tasteten seine Finger das Fell des Hundes ab, um den Kopf zu finden.

„Danke!", flüsterte er leise, kraulte das Tier zwischen den Ohren und fügte grinsend hinzu. „Ich mag deine Menschenkenntnis sehr."

Der Hund ließ sich die Streicheleinheiten zwar gefallen, aber er reagierte auch nicht so begeistert, wie es die meisten Hunde taten. Tarsuinn hörte kein Schwanzwedeln und kein wohliges Brummen.

Aber zum Herzen eines Tieres gab es einen fast immer unschlagbar sicheren Weg.

„Wie wäre es mit einem Schinkenbrötchen?", fragte Tarsuinn und kramte in dem Beutel, den ihm die Hauselfen gegeben hatten.

Den Kopf des Tieres immer noch sanft streichelnd, hielt er eines der Brötchen hin. Er wusste zwar, dass dies nicht sonderlich gesund für den Hund war, aber das wusste das Tier doch nicht.

Das Brötchen wurde vorsichtig beschnuppert und dann fast übervorsichtig aus seiner Hand genommen.

„Na wer sagt's denn", freute sich Tarsuinn und streichelte etwas mutiger. Dann stand er auf. „Du willst doch sicher auch was, Tikki. Siehst du hier irgendwo eine Schüssel?"

Tikki lotste ihn zu einem großen Gefäß, das auf dem Boden stand und mit Wasser gefüllt war. Der Hund war Tarsuinn gefolgt und stand nun neben ihm. Ein wenig erschrocken stellte er fest, dass die Schulterhöhe des Hundes noch deutlich über seiner eigenen Körpergröße lag.

„Ich hoffe, du beißt mir nicht gleich den Kopf ab", murmelte Tarsuinn und hob das große Gefäß an. „Tikki, Waschbecken bitte."

Er schüttete das Wasser in das Becken und war sich nur zu gut der Aufmerksamkeit des Hundes bewusst.

„Bekommst du gleich wieder", versprach Tarsuinn mit möglichst ruhiger Stimme und schlug für Tikki drei Eier in die Schüssel.

Der Hund wollte sich aus der Schüssel bedienen, doch Tarsuinn umarmte den Kopf des Tieres und versucht, die interessierte Hundenase von Tikki's Essen fern zu halten. Tarsuinn bemerkte recht schnell, dass er der Schwächere war, doch das Spiel gefiel anscheinend dem Hund und so drängelten sie eine Weile herum.

Als Tikki mit Essen fertig war, spülte er die Schüssel ab, füllte diese wieder mit Wasser und gab dem Hund ein weiteres Brötchen. Erst dann gönnte er sich selbst etwas. Es war wie ein Picknick. Er plauderte mit Tikki und dem Hund, obwohl zumindest der Hund nicht antworten konnte. Seltsam war das Tier aber trotzdem. Tarsuinn hatte das Gefühl, dass das Wesen mit seinen Liebkosungen nichts so richtig anfangen konnte. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte gesagt, der Hund versuchte krampfhaft die Streicheleinheiten nicht zu genießen. Aber damit konnte er Tarsuinn nicht kommen, dafür kannte er zu viele Tricks.

Am Ende kabbelte er sich mit dem Hund, der sich partout nicht am Brustfell kraulen lassen wollte. Es kam zu einem kleinen Ringkampf, den Tarsuinn verlor. Am Ende lag er unter den Vorderpfoten des Hundes und allein das Gewicht drückte ihn zu Boden. Tikki nutzte diesen Moment der Wehrlosigkeit, um ihn in seiner Niederlage weiter zu ärgern – sie kitzelte ihn an den Ohrhärchen.

„Warte, wenn ich dich erwische!", drohte Tarsuinn kichernd, was Tikki nicht sonderlich beeindruckte.

Danach ließ ihn der Hund wieder frei und Tarsuinn lehnte sich an ihn, wie in einem Sessel. Tikki nahm er auf seinen Arm, den Kuschelbären aus seiner Kapuze und streichelte alle drei Wesen. Egal ob echt oder unecht und dabei stellte er fest, dass das leben gar nicht so schlimm war.

Ein wenig harmlose Aufregung, Freunde, Lachen – was war da schon ein Snape dagegen? Einfach nur ein armes Würstchen. Sollte er doch seine Slytherins bevorzugen, umso schöner war es, wenn die beim Hauspokal verloren. Und wenn sie trotzdem gewannen, dann war da immer der Geschmack des Betruges dabei, des Unverdienten. Tarsuinn konnte kaum glauben, wie wohl er sich fühlte, wo er doch gestern Vormittag beinahe ausgeflippt wäre.

„Sorg bitte dafür, dass ich nicht einschlafe oder Alpträume bekomme, Tikki", bat er. „Ich will mich nur ein wenig ausruhen."

Dann lehnte er sich zurück, kuschelte sich noch mehr an den Hund an, ließ Tikki auf seinen Brust klettern, barg den Bären in seinem rechten Arm und ließ die Lider sinken.

Und wieder träumte er, ohne zu schlafen. Doch diesmal waren alle dabei, die er mochte, nicht nur Rica. Toireasa, Winona, die anderen Ravenclaws, dieser William, die Darkclouds, Mr Lovegood, Toireasa's Großeltern.

In der Zeit bis zum Sonnenaufgang war er in seiner Welt erwachsen und ein guter Zauberer. Rica war glücklich und erwartete ein Kind.

Alle seine Freunde wohnten in einem kleinen Dorf nahe einer Stadt zusammen und ein großer grauer Wolf ließ Kinder auf seinem Rücken reiten.