So, entschuldigt, die Verspätung, aber ich saß drei Wochen ohne Internet da und hatte keine Möglichkeit, irgendetwas zu versenden… deswegen vielen Dank an meine lieben und geduldigen Reviewer (danke, danke, danke,) und ich verspreche dass ich mich von jetzt ab beeilen werde.
Ach ja, die Geschichte ist ursprünglich ein Geschenk für eine Freundin gewesen, deswegen werde ich keine großen Änderungen an der (bereits fertig geschriebenen) Versionen vornehmen …wenn' s also zu dämlich wird, seid nachsichtig...ganz lieb guck ;-)
2. Kapitel: Hinter der Statue
Als Remus am Samstagmorgen erwachte, war es noch sehr dunkel draußen, ein fast schwarzes Blau überzog den Himmel und hüllte ihn in völlige Dunkelheit.
Eine sehr seltsame Erregung stieg in ihm auf: Vielleicht war alles schon passiert? Vielleicht war gestern schon Vollmond gewesen und er hatte es nur nicht bemerkt?
„Wohl kaum", sagte eine innere Stimme. Er war jetzt sechzehn Jahre alt und keine seiner Erinnerungen war so klar wie die an Vollmondnächte. Es machte ihm nichts mehr aus seit einiger Zeit, denn mit James und Sirius an der Seite schaffte er es, sein Bewusstsein zu behalten, aber trotzdem könnte er sein Leben auch ohne diesen ‚Makel' außerordentlich gut leben. Und bei der Vorstellung, was gestern beim Mittagessen passiert war, fühlte er sich, als hätte ihm jemand drei Pfund Silber in den Magen geschmissen.
Er stand auf, zog sich an und verließ den Schlafsaal, ohne jemanden aufzuwecken. Er ging hinunter in den Gemeinschaftsraum und sah auf die große Uhr über dem Wandteppich, der zwei kämpfende Löwen zeigte (die jetzt verständlicherweise friedlich schlafend nebeneinander lagen), doch zum Frühstück hatte er noch fast vier Stunden Zeit. Was sollte er machen?
Runter in die Küche schleichen und sich etwas zu essen besorgen? Nein, das wäre den Hauselfen gegenüber nicht nett. Hausaufgaben? Da er zu den wenigen Sechstklässlern gehörte, die schon alles erledigt hatten, fiel auch das weg.
Schließlich entschied er sich für einen langen Spaziergang über die Ländereien. Zwar würde er mit James und den anderen die ganze Nacht draußen verbringen, doch würde er davon wohl nicht viel mitbekommen. Er kletterte durch das Portraitloch („Idiot, warum weckst du mich?") und verschwand umhangwehend auf dem Gang.
Er lief durch die einsamen Gänge und seine Schritte halten laut durchs Schloss. Er war sich nicht sicher, ab wie viel Uhr es Schülern erlaubt war, herumzuwandern, also achtete er darauf, jeden Schatten und jede Nische mitzunehmen, doch weder Mrs. Norris noch Filch kreuzten seinen Weg.
In Gedanken war er weit weg, zu Hause bei seinen Eltern. Sie würden über Weihnachten bei seiner Tante und seinem Onkel sein, doch da die beiden eine ausgesprochene Abneigung gegen Werwölfe und alle anderen magischen Kreaturen hatten, würde er in Hogwarts bleiben. Was nicht weiter schlimm war, denn eine Zugfahrt nach Vollmond war nicht unbedingt angenehm.
Langsam öffnete er das Schlossportal und schob dabei einen riesigen Berg Schnee von den Stufen.
Eiszapfen klingelten über ihm und das Wasser im Brunnen war steinhart gefroren.
Was für eine Idylle; kaum zu glauben, dass es draußen so etwas wie Werwölfe, verunglückte Zauber oder Lord Voldemort gab. Seufzend stapfte er die Stufen hinab, vorbei an Hagrids Hütte und zum See hin.
Laut dem Tagespropheten hatte es wieder Angriffe und Morde gegeben und dreimal war das Dunkle Mal am Himmel gesehen worden.
Remus fragte sich, ob die Todesser um Weihnachten herum vielleicht etwas ruhiger werden würden, doch die Vorstellung eines Lord Voldemort, der mit leuchtenden Augen Geschenke entgegennahm oder verteilte und im Kreise seiner schwarzmaskierten Anhänger Glühwein genoss, erschien so lächerlich, dass er den Gedanken wieder verwarf.
Remus stand mittlerweile am Rande des Verbotenen Waldes, den Rücken zum Schloss gewandt, die braunen Augen fest zusammen gekniffen. Plötzlich hörte er einen Schrei und wandte sich rasch um.
Eine riesige Eule näherte sich, einen Brief in der rechten und eine tote Maus in der linken Kralle. Das orange Band um ihren Fuß kennzeichnete sie als Schuleule.
Mit sanften Schlägen ihrer gewaltigen Flügel schwebte sie auf Remus zu, der ihr verwundert den Arm reichte.
Würdevoll ließ sie sich darauf nieder und drückte ihm den Brief zwischen die Finger.
Dann hob sie mit einem lauten „Schuhu" wieder ab, kreiste kurz über seinem Kopf und stieß dann urplötzlich auf eine Schneewehe nieder, drei Meter von ihm entfernt, die mausfreie Kralle weit ausgestreckt.
„He, was machst du da? Husch, hau ab…", sagte Remus ärgerlich und verscheuchte den Vogel.
Die Eule drehte tatsächlich ab und kopfschüttelnd schlitzte er seinen Brief auf, eine winzige Rolle Pergament. Er las ihn, lief rot an und sprang dann jauchzend und heftig mit dem Brief wedelnd zurück zum Schloss.
Er rannte durch die sich auflösende Dunkelheit, er keuchte, der Schweiß brach ihm trotz der Kühle aus und er rannte weiter.
Schließlich kam er zitternd zum Stehen und rammte das Schlossportal so heftig mit der Schulter auf, dass es ein empörtes Kreischen von sich gab.
‚Sie hat mir geschrieben', dachte er, während er an den großen Stundengläsern der Hauspunkte vorbeipreschte. ‚Ich fass es nicht, was macht sie so früh in der Eulerei? Ob sie mich vom Fenster aus gesehen hat? „Hinter der Statue im siebten Stock, Isabella!" Wenn das keine gute Nachricht ist…'
Er sprintete hoch in den dritten Stock, kletterte über drei abkürzende Treppen und immer noch raste sein Kopf in einem Wirbel aus Farben und herrlichen Traumszenen dahin.
Wie lang war der Weg zu dieser blöden Statue? Er musste doch schon seit Stunden hier lang rennen. Endlich, da vorne, die Treppe zum siebten Stock, nur noch hoch und dann…
WUMMS
Remus stolperte und flog der Länge nach auf den staubigen Fußboden. Ein heißer Schmerz schoss durch seinen Mund, als er auf eine hervorstehende Steinkante fiel.
Wütend richtete er sich auf und befühlte seine aufgeplatzte Oberlippe. Ein großer Schwall Blut lief ihm übers Gesicht, als der Riss etwa zwei Drittel seines Mundes öffnete. Einzelne Tropfen schwappten auf den Boden und liefen in seinen Kragen.
‚Ich muss aussehen wie… genial, ein Werwolf mit Vampirmaul, fehlen nur noch die Zähne', dachte er, drehte sich um und betrachtete seine Stolperfalle.
Es war Mrs. Norris.
Mit vorwurfsvollen, gelben Augen maunzte sie ihn an und leckte den leicht geknickten Bürstenschwanz.
„Miststück, hau ab!", fauchte Remus, ganz entgegen seiner Art und richtete sich auf.
In diesem Moment streckte sich Mrs. Norris und sprang ihn mit ausgefahrenen Krallen an.
„Was zum-?"
Weiter kam Remus nicht, denn brüllend schlug die Katze auf ihn ein, zerfetzte seinen Umhang, riss ihm das ohnehin schon lädierte Gesicht noch weiter auf.
‚Ich kämpfe mit einer Katze', schoss es ihm durch den Kopf, als er sich mit einer Hand Mrs. Norris vom Hals und mit der anderen seinen Umhang festhielt. ‚Ich bin ein Werwolf und kämpfe mit einer Katze.'
Auf einmal hörte er über das Gefauche und Gekreische von Mrs. Norris hinweg, ein keuchendes Gemurmel auf der Treppe, gefolgt von hektisch trappelnden Füßen.
Remus schloss die Augen. ‚Oh nein, bitte, alles, nur das nicht', dachte er, doch sein Flehen wurde nicht erhört.
„LUPIN!"
Filch, der triefnasige, fetthaarige Hausmeister kam die Treppe hoch und schwang einen äußerst stabil wirkenden Holzknüppel durch die Luft.
Der Prügel sauste nieder, Remus schossen die Tränen in die Augen. Sein Schädel musste geplatzt sein, anders konnte er sich den heftigen Schmerz nicht erklären.
„WEG VON MEINER KATZE!", schrie Filch und begann systematisch auf Remus einzuschlagen. Der drehte sich weg, rollte auf dem Boden umher und schaffte es, die Hand aus Mrs. Norris' Fell zu lösen. Die schien aber nicht weg zu wollen und versenkte ihre Zähne und Krallen in seinem entblößten Arm.
„ICH HALTE IHRE KATZE GAR NICHT FEST!", rief Remus und duckte sich unter einem erneuten Schlag. Doch Filch schien es gar nicht mehr um die Katze zu gehen. Er starrte etwas rechst neben Remus' Schulter an. Dann grinste er sehr, sehr hässlich:
„Ratten, Lupin? Wie kommen Ratten in den siebten Stock?"
In seinem Kopf drehte sich immer noch alles und so dauerte es eine Weile, bis Filchs Worte ihn erreichten.
„Wie…ich hab keine Ahnung…ich weiß nicht…", murmelte er schwach und erhaschte einen Blick auf Mrs. Norris, die mit eiligen Schritten die Treppe heruntersprang.
Filch zog ihn grob auf die Füße. Er grinste immer noch. Remus wurde übel und er wusste, dass das nicht nur an seinem malträtierten Kopf lag.
„Seit hundert Jahren hat es hier keine streunenden Ratten mehr gegeben, Lupin. Wieso kommt jetzt eine hierher, auf deinem Umhang?", zischelte der Hausmeister.
Remus starrte ihn an.
Warum machte er solch ein Aufheben um eine Ratte? Im Übrigen, was für eine Ratte? Er hatte nur Mrs. Norris gesehen (was für einen Samstagmorgen schon völlig reichte).
„Ich weiß von keiner Ratte, Sir", sagte er zaghaft. In diesem Moment explodierte der Flur.
„LÜG MICH NICHT AN! ICH WEIß, WAS DU VORHATTEST! DU WOLLTEST DIESES, DIESES… TIER IN EINEN KLASSENRAUM SCHMUGGELN, UM DEN UNTERRICHT ZU STÖREN!"
Filchs Stimme sprang durch den gesamten Korridor, mehrere Personen erwachten in ihren Portraits und rannten schreiend weg, während die Rüstungen alle einen Satz nach vorne machten.
Remus dachte:‚Entweder ist Filch wahnsinnig oder ich bin gleich mausetot. Was er wohl macht, wenn ich ihm noch mal sage, dass ich keine Ratte kenne?'
Das war natürlich nicht ganz richtig, denn er kannte ja Peter, aber das war völlig unmöglich, der lag jetzt friedlich im Bett und schlief den Schlaf der Gerechten, während sein Freund mit blutendem Arm und Gesicht vor einem verrückten Hausmeister stand.
„SAGST DU JETZT GEFÄLLIGST MAL WAS!", brüllte Filch plötzlich wieder.
Remus zuckte zusammen. Langsam sollte er sich wirklich etwas einfallen lassen, er hatte schließlich noch etwas zu tun im nächsten Stockwerk.
Um Himmels Willen, was wenn sie Filchs Geschrei hörte und nach unten kam?
Verzweifelt wandte er sich um, doch er konnte am Ende des Korridors nicht sehen.
Filch dachte, Remus wolle weglaufen, packte ihn hart am Kragen und erwürgte ihn fast beim Zurückziehen.
„EGAL, DU KOMMST JETZT MIT! ICH WERDE DIR NACHSITZEN BIS ZU DEN SOMMERFERIEN DES SIEBTEN SCHULJAHRES GEBEN!", dröhnte es in Remus' Ohr und zu allen anderen Schmerzen in seinem Körper gesellte sich nun auch noch das unangenehme Gefühl einer beginnenden Taubheit.
Deswegen drang das Schlagen einer Tür auch erst nach einigen Sekunden zu ihm durch.
Links von ihnen stand Professor Sinistra, in einem hellorangen Morgenrock. Sie war eine sehr junge Lehrerin mit dunkelbraunen Haaren und einem lilastichigen Auge, von dem Elmira behauptete, sie hätte es sich beim Kampf mit einem Troll zugezogen.
‚Jetzt bin ich tot', dachte Remus und schloss die Augen.
„Filch, was soll dieses Geschrei um fünf Uhr in der Früh?", sagte sie in angestrengtem Flüsterton, wie um zu beweisen, dass man jemandem auch leise eine Strafpredigt halten konnte.
Filch sank in sich zusammen und stammelte:
„Professor, Sir…Miss, ich ähm… dieser Junge hier treibt sich zu nachtschlafender Zeit auf den Gängen herum und er wollte eine…eine Ratte in ein Klassenzimmer schmuggeln."
Mit hochgezogenen Brauen sah Sinistra von einem zum anderen und dann auf den Boden.
„Das ist trotzdem kein Grund hier so herumzubrüllen und das halbe Schloss zu wecken", sagte sie bestimmt und stemmte die Hände in die Hüften. „Aber egal… Lupin warum streifen Sie hier herum?", fragte sie und Remus zuckte so heftig zusammen, dass mehrere Tropfen Blut auf ihren Bademantel flogen.
„Ich bin hier, weil…weil ich in die Eulerei wollte. Wollte mal meine Ruhe da oben haben, wissen Sie, und…ähm Briefe losschicken. Und dann war plötzlich Mr. Filch hier und sagte etwas von einer Ratte und…"
Langsam ging ihm die Luft aus und seine Lippe brannte immer heftiger. Er wusste, dass James ihn für diese lahme Entschuldigung ausgelacht hätte, doch auf die Schnelle fiel ihm nichts Besseres ein.
Filch blickte von einem zum anderen, dann erhob er wieder de Stimme:
„LÜGNER, DU HATTEST EINE RATTE DABEI, ICH… „
„FILCH!", fuhr Sinistra schreiend dazwischen, ehe sie sich auf ihre selbstgepredigte Ruhe besann. „Seien Sie endlich still! Und Sie, Lupin, hätten wohl die Freundlichkeit mir Ihren Brief zu zeigen?" Sinistra durchbohrte ihn mit Blicken, doch für den Bruchteil einer Sekunde meinte er so etwas wie Schalk in ihren Augen blitzen zu sehen.
Trotzdem schluckte Remus. Er hatte natürlich keinen Brief dabei, und auch kein Pergament oder Tinte, um sagen zu können, er hätte ihn oben schreiben wollen.
„Ich… äh…", versuchte er, doch er verschluckte sich an dem Blut in seinem Mund.
Filch grinste triumphierend, doch Sinistra sagte:
„Filch, gehen Sie von mir aus ihre Ratte suchen, aber lassen Sie den Jungen Luft holen! Nun, Lupin, wird das heute noch was?"
Remus' Verzweiflung wuchs ins Unermessliche. Gerade war ihm eingefallen, dass er einen Brief in der Tasche hatte, doch den konnte er unmöglich vorzeigen. Sinistra wurde indes immer ungeduldiger:
„Also, wenn Sie keinen Brief haben… Filch, entschuldigen Sie bitte, nehmen Sie ihn mit…"
„Nein, warten Sie!", schrie Remus und zog mit versteinerter Meine das knittrige, leicht angeschwitzte Pergament hervor. Sinistra schnappte es sich und überflog den Zettel. Da nur sieben Wörter darauf standen, dauerte es nicht lange. Filch starrte sie wie gebannt an. Ohne eine Mine zu verziehen, wedelte sie mit dem Brief vor Filchs Nase herum, ohne das er ein Wort lesen konnte.
„So, da ist der Brief Filch, ich denke, dass werden Sie einsehen, dass Sie den Jungen zu Unrecht beschuldigt haben, damit wäre die Sache dann wohl geklärt", sagte sie. An Remus gewandt fuhr sie fort: „Lupin, auf ein Wort in mein Büro, bitte."
Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie ihn schon an dem völlig verdatterten Filch vorbei in ihr Büro geschoben.
Es war ein großer, runder Raum mit hohen Fenstern, deren nachtschwarze Vorhänge bereist zur Seite gezogen waren und den Blick auf den atemberaubenden Sonnenaufgang freigaben, der den ganzen Himmel in alle möglichen Farben tauchte. In der Mitte des Raumes stand ein großer, schwarzer Schreibtisch auf dem irgendwelcher funkelnde Staub lag.
Sinistra trat zu ihrem Sessel und forderte Remus auf, sich ebenfalls zu setzen. Unruhig blickte er sich um. An den Wänden hingen Bilder der Planeten, auf denen in kurzen Abständen goldene Tabellen auftauchten, die Größe oder Alter des jeweiligen Gestirns anzeigten.
Remus hockte sich auf die Stuhlkante und jetzt sah er, dass es kein Staub war, der auf Sinistras Schreibtisch glänzte, sondern kleine, funkelnde Diamanten, die in die Oberfläche und darunter eingearbeitet waren, sodass es aussah, als ob jemand ein Stück Universum ausgeschnitten und zu einem Schreibtisch geformt hätte.
Sinistra beobachtete ihn, dann lachte sie.
„Nun, das war ja einigermaßen knapp, nicht wahr? Hier ist übrigens Ihr Brief…"
Sie reichte ihm das Pergament und er krallte sich daran fest, wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring.
„Danke Professor, ich äh…"
Ihm fiel keine Floskel ein und so starrte er aus dem Fenster.
„Ach", winkte sie ab, „ nur nicht so höflich. Ich wollte mit eigentlich nur Ihr Gesicht ansehen, dann können Sie gehen…was Sie im Moment, denke ich, recht gerne tun würden, oder?"
Remus nickte und sah sie wieder an. Sie zückte den Zauberstab.
„Entschuldigung, darf ich?", fragte sie und packte ihn unterm Kinn.
Remus war zwar leicht verdutzt, doch er ließ es geschehen. Sie kam seinem Gesicht sehr nahe und er starrte in ihr blaues und leicht lilafarbenes Auge. Sie murmelte: „Reparo corpus" und tippte seine Lippe mit dem Zauberstab an. Ein leichtes Brennen breitete sich auf seinen Wangen aus und er spürte, wie die Hautfetzen seines Mundes wieder zusammenwuchsen. Sinistra ließ ihn los und machte dasselbe mit seinem Arm, auf dem Mrs. Norris' Visitenkarte sofort verschwand.
„So", sagte sie und lehnte sich zufrieden zurück, „ jetzt müssen Sie Madam Pomfrey nicht mehr bemühen."
Remus tastete vorsichtig über sein Gesicht und den Arm und stammelte ein Dankeschön.
„Schon gut", sagte sei mit einer wegwerfenden Handbewegung, „ aber bilden Sie sich nichts darauf ein, dass ich Ihnen wegen Filch geholfen habe, ich warte seit fast zehn Jahren darauf, es diesem, miesen, dreckigen, kleinen…WAS ZUM TEUFEL MACHST DU DA?"
Remus wirbelte herum.
Gerade noch rechtzeitig sah er einen staubgrauen Schatten, der einer Statue des Atlas versuchte die Finger abzubeißen.
„RAUS HIER, RAUS HIER, DU MISTVIEH!", schrie Sinistra, hatte mit zwei Schritten die Tür geöffnet, Mrs. Norris gepackt und nach draußen geschmissen.
Schwer atmend zischelte sie: „Du Viech, wenn ich dich noch mal erwische, bist du eine Zuckerzange!" Sie strich sich einige Haare aus dem Gesicht, starrte verdutzt auf Remus, dessen Anwesenheit sie total vergessen zu haben schien und sagte dann:
„Nun, was stehen Sie hier so rum? Ich denke, Sie haben es eilig…"
Damit schob sie ihn auf den Gang hinaus und warf die Tür zu.
Remus, fassungslos vor Glück, tappte rückwärts und rannte mit großen Schritten in den nächsten Korridor. Die letzte Treppe nahm er im Laufschritt, schlitterte über den Boden und kam vor einer äußerst hässlichen Statue von Paracelsus zum Stehen.
Keuchend blickte er an sich hinunter: Er musste wirklich dämlich aussehen, mit dem zerrissenen Umhang, dem blutigen Hemd und einem kaputten Gesicht. Dann fiel ihm ein, dass Sinistra seine Lippe wieder repariert hatte.
Mit zittrigen Schritten und klopfendem Herzen tappte er hinter die Statue.
Es war niemand da.
Verwirrst blinzelnd schaute er sich wieder um. Es war und blieb so leer, wie es vorher war.
‚Das gibt's nicht', dachte Remus, ‚ das gibt's wirklich nicht.'
Waren da noch andere Statuen im Gang? Er schaute sich um. Nein, nur jede Menge Portraits und Rüstungen, aber keine einzige Statue mehr.
Seufzend sackte Remus zusammen und schlug gegen Paracelsus' Oberschenkel. Die Statue schreckte hoch, schaute sich verschlafen um, um den Missetäter zu finden. Als er Remus sah, fing er an zu deklamieren. Er machte theatralische Gesten und fuchtelte so heftig mit den Armen, dass Remus glaubte er müsse jeden Moment von seinem Sockel stürzen.
„Fremder, was auch immer Euch in diese Gefilde führt, verschwindet. Dass, was Ihr suchtet ist aus Ungeduld vergangen und…ach was soll's", unterbrach sich die Statue und fuhr dann in einem patzigen Ton und normal redend fort. „Ich soll dir sagen, dass Filch hier rumgeschlichen ist und sie sich deshalb davongemacht hat. Sie hofft, dass du heute Abend noch nichts vorhast und um sechs Uhr vor der Großen Halle stehen kannst. So, und wehe, du fragst mich jetzt noch was, ICH WILL SCHLAFEN!"
Damit klappten die steinernen Lider wieder nach unten und ließen einen verdatterten und freudig erregten Remus zurück. „Danke", schrie er und fiel der Statue um den Hals, deren lautes Protestgeschrei ihn den ganzen Weg die Treppe hinunter zum Gemeinschaftsraum verfolgte.
„Er hat was?", riefen James und Sirius gleichzeitig.
Peter saß nass geschwitzt und mit erheblichen Schrammen am Haustisch der Gryffindors und berichtete zitternd, was er soeben gesehen hatte.
Kaum, dass das Bild hinter Remus geklappert hatte, war James aufgesprungen und hatte die beiden anderen geweckt. Peter hatte sich in eine Ratte verwandelt, war hinter Remus hergelaufen und erzählte gerade, wie ihn die Eule angegriffen hatte, als er in der Schneewehe neben Remus hockte. Ohne ihn wäre er tot gewesen.
„Er ist dann mit dem Brief losgeprescht, immer noch knallrot im Gesicht", er trank etwas und fuhr fort.
„ Nachdem ich mich aus dieser Schneewehe gekämpft habe und der Eule ausgewichen bin, bin ich auf seinen Umhang gesprungen und er ist immer noch mit 'nem doofen Grinsen im Gesicht gerannt. Ja, und dann kam Mrs. Norris und hat ihn angefallen. Muss mich wohl gewittert haben…egal, auf jeden Fall bin ich wieder auf die Treppe zurückgehüpft, fast in Filchs Füße rein. Der hat Remus erst mal ordentlich vermöbelt und angeschrieen, während ich auf die Vorderpfoten dieser Höllenmaschine von Katze starre. Dann geht oben plötzlich 'ne Tür auf, ich beiße das Vieh und zische nach oben, direkt in das Büro von der Sinistra rein. Leider kam die Katze hinter mir her und ich hab mich in ner Statue versteckt. Sinistra und Remus kamen rein, der hat vielleicht geblutet, sag ich euch. Na ja, die beiden haben geredet und dann, dann…"
Peter schloss die Augen und schüttete sich Milch in den trockenen Rachen. James und Sirius hingen gebannt an seinen Lippen.
„Was und dann? Komm schon, ich sterbe gleich vor Neugier", sagte James ungeduldig und griff zu einer Kanne Milch. Sirius vergaß sein Frühstück in sich hineinzuschaufeln.
„Und dann", sagte Peter sehr leise, „ dann haben sie sich geküsst."
Scheppernd ging ein Krug zu Boden und Sirius' Toast schwamm in Orangensaft.
„WAS?", donnerte er und alles verstummte. Sogar am Lehrertisch flogen die Köpfe zu ihm.
„Ähm…'tschuldigung", wisperte er deutlich leiser und verschwand unter dem Tisch, wo er sich seltsam lange aufhielt und den Krug suchte.
James sagte gar nichts, doch langsam breitete sich eine riesige Milchpfütze auf dem Tisch aus, da er den Krug immer noch über seinen Becher hielt. Erst als sein Umhang langsam durchweichte, hörte er hastig auf.
„Bist…bist du sicher? Ich meine Moony und… und ein Professor? Ich hatte zwar vermutet, dass er eine Freundin hat, aber dass…"
Peter nickte.
„Ja, ich hab's gesehen. Bin fast aus dieser Statue gekippt. Ich hab zwar kein Wort verstanden, doch sie hat ihm eindeutig unters Kinn gefasst und kam ihm ganz nah… und er hat sich nicht gewehrt, und vorher haben sie noch gelacht und…" Peter versank in seinen Händen.
„Weiter hab ich nix gesehen, weil dann Mrs. Norris versucht hat, mich zu fressen. Sinistra ist völlig ausgerastet und hat die Katze rausgeschmissen, genau wie Remus. Ich musste mich unter der Tür durch quetschen und als ich im Gang stand, war er schon weg. Da bin ich dann auch wieder zurückgeschlichen."
Sirius' Kopf tauchte wieder auf. Ihm stand immer noch der Mund offen. Erst nach fünf Minuten ungläubigem Schweigens, sagte er langsam:
„Ich kann…ich meine, das geht doch nicht? Unser Moony soll was mit nem Professor haben? Der einzige der sich für Mädchen interessiert ist Krone…" Er fing sich einen heftigen Rippenstoss ein. „Ja, ja schon gut…jetzt hör auf! Jetzt mal im Ernst, Jungs, würdet ihr Remus so was zutrauen? Unserem Moony?", zweifelte er.
Beide schüttelten die Köpfe, doch plötzlich erstarrte Peter und glotzte auf den Eingang. James wandte sich um.
Seine schlimmsten Befürchtungen schienen wahr zu werden.
Kurz hinter der Tür stand Remus – in Begleitung von Professor Sinistra. Beide lachten und gaben sich die Hand, ehe Sinistra nach rechst zum Lehrertisch ging und Remus mit federnden Schritten auf seine Freunde zukam.
„Morgen", sagte er fröhlich und ließ sich laut krachend neben Peter auf die Bank fallen.
Neben ihm brummte Elmira etwas von „sei ruhig" und begann ihrer Freundin einen Artikel über ein neues Gesetz vorzulesen. Remus ignorierte sie und betrachtete gierig das Rührei auf dem Tisch. Niemand sagte etwas.
„Hey, was ist los mit euch? Müsst ihr nachsitzen? Kommt schon, redet mit mir", grinste er fröhlich und wandte sich vom Rührei der Marmelade zu.
James räusperte sich und Sirius schloss endlich seinen Mund.
„Äh, ja Morgen… wo warst du heute früh, wir haben dich gesucht?"
„Oh ach so, ich war spazieren, da ich sehr früh aufgewacht bin und bin vor ner Viertelstunde erst wieder zurückgekommen. Hab mich dann noch schnell umgezogen…"
Er konzentrierte sich auf die Milch und so entgingen ihm die hochgezogenen Augenbrauen seiner Freunde.
Zwischen zwei Bissen Rührei fragte er:
„Was machen wir heute? Krone, musst du noch trainieren? Ich hätte, ganz ehrlich, Lust auf ne Runde Quidditch. Oder, wir gehen noch mal die neuen Geheimgänge ab, was haltet ihr davon?"
Voller Tatendrang blickte er von einem zum anderen. Keiner sagte ein Wort. Jetzt wurde Remus wirklich stutzig.
„Hallo, Moony an seine Freunde! Was, um Himmels willen, ist los mit euch?"
Endlich fingen sich die drei anderen wieder.
„Ja klar, Quidditch, super Idee", sagte James.
„Und die Geheimgänge erst, natürlich", sagte Sirius.
„Gut, dann gehe ich jetzt in die Bibliothek und wir treffen uns in einer Stunde draußen auf dem Feld", sagte Remus bestimmt und sprang auf, den Teller noch halbvoll.
Als er außer Hörweite war, fragte James:
„Seit wann will Moony freiwillig Quidditch spielen? Ich meine, er fliegt zwar ganz gut, aber er spielt doch sonst nur uns zuliebe mit?"
„Und Geheimgänge?", unterbrach in Sirius, „ Der Junge ist Vertrauensschüler! Klar, ohne ihn hätten wir die Karte des Rumtreibers nie fertig gekriegt, aber er benutzt sie immer noch am seltensten von uns allen.
Peter erwiderte nichts, sondern blickte mit einem seltsam sehnsüchtigen Blick erst auf Remus und dann auf Sinistra, die sich am Lehrertisch gerade mit Professor Flitwick unterhielt.
„Also eins muss man ihm lassen", sagte er, „ er hat wirklich einen guten Geschmack."
