Als Amentio erwachte war Fil'yana schon aufgestanden, er hörte Wasser im „Bad" plätschern. Und so blieb er noch eine kleine Weile liegen und ließ seine Gedanken ohne Ziel treiben.

Was würden die Magier in Ambar herausfinden? Was würden sie ihm über seine Vergangenheit erzählen können? Und würde er sich dann daran erinnern und sie als die Seine annehmen können? Er atmete schwer auf und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Was wäre, wenn sie es nicht schafften? Könnte es sein, dass er in seiner Vergangenheit ein komplett anderer Mensch gewesen war und jetzt nur so war, weil er seine Vergangenheit nicht kannte. Was würde passieren, wenn die Magier in seinen Gedanken Erinnerungen aktivieren würde... würde er dann ein anderer Mensch werden? Aber war man nicht immer ein andere Mensch. Man war ja niemals der selbe. Ständig lernte man neue Dinge kennen, die alle Einen veränderten. Doch diese Änderungen waren langsam und die Umgebung konnte sich daran gewöhnen. Doch wenn er plötzlich einen Hang zu Grausamkeit entwickelte, wenn er mit einem Schlage komplett anders werden würde, was würde Fil'... nein, nein, nein... Er musste ergründen, wer er war. Da führte kein Weg daran vorbei.

Unwillig schüttelte er den Kopf und stand schwungvoll auf.

Das Plätschern im Bad hatte schon vor einer Weile aufgehört und heraus kam eine nach frisch gewaschenem feuchten Fell riechende Fil'yana. Sie blieb stehen und schaute ihn kurz an und er erwiderte ihren Blick und spürte, wie sich ein Lächeln auf seine Lippen stahl. Hastig schaute er zu Boden, denn auch an ihren Augen erkannte er, dass sie lächelte. Shararrim lächeln nicht mit dem gesamten Gesicht wie Menschen, sondern nur mit den Augen. Die ovalen Pupillen werden mit einem Male nahezu rund und die Augen scheinen von Innen her aufzuleuchten. Das Fell richtet sich ein wenig auf und die Ohren sinken ein wenig zur Seite...

Er ging hastig an ihr vorbei ins Bad und als er die Türe schloss, sah er, dass sie sich nicht bewegt hatte. Schwer lehnte er sich gegen die Tür und sank daran herab. Was war nur los? Verließen ihn langsam die Sinne? Er hörte, wie sie sich drüben aus dem Bademantel schälte, hörte wie der Stoff über ihr Fell raschelte, als sie sich ankleidete.

Mühsam stand er auf, wankte zum Waschbecken und schaufelte sich kaltes, perlendes Wasser ins Gesicht. Dann wusch er sich, rasierte sein Gesicht und putzte die Zähne, als er auch schon das Läuten des Dieners hörte, der sie so zum Frühstück rief.

Hastig zog sich Amentio an und ging hinter dem in einen schwarzen Rock gekleideten Diener und der in feine Seide gehüllten Fil'yana hinterher.

Craven erwartete sie wieder in dem runden Saal, an dessen Decke die in Morgenröte leuchtende Glaskugel hing.

„Setzt Euch, Setzt Euch!", dröhnte er und wies mit weit ausholenden Gesten auf die leeren Sitzkissen.

Vor ihm standen mehrere Teller und Schalen mit Brot, Tee, Kaffee, Marmeladen und Wurst und Käse. Obst und kleine Kuchen fehlten ebenso wenig.

Sie setzten sich und aßen ebenfalls.

„Es wird eine kleine Änderung geben", meinte er nach einer kleinen Weile, die von leisen Essgeräuschen angefüllt gewesen war.

„Eine Änderung?", wollte Amentio wissen. „Was für eine Art von Änderung?"

„Nun, mich haben über Nacht einige Berichte erreicht, nach denen manche unserer... Geschäftswege in der Brennenden Schlucht... unterbrochen worden sind."

Er schaute Fil'yana und ihn an, als er fortfuhr: „Na ja, und da dachte ich mir, dass ihr diese Vorkommnisse eventuelle ein wenig beleuchten könntet. Ihr wollt ja sowieso nicht sofort los, und da wir hier momentan ein wenig unterbesetzt sind, dachte ich, ihr könntet Euch ein wenig die Zeit damit vertreiben."

Die Shararrim sah mit einem Ruck auf.

„Man „vertreibt" sich nicht die Zeit in der Brennenden Schlucht. Da unten ist es mehr als gefährlich."

„Nun, dann werdet ihr ein wenig aufpassen müssen. Außerdem sollt ihr nicht in den gefährlichen Norden, sondern in den Westen..."

„In den Westen?" hackte Amentio nach. „In den Westen! Da wohnen Drachen!"

„EIN Drache", betonte Craven. „Nur einer. Und der bleibt in seiner Höhle. Macht Euch um den keine Sorgen. Fil'yana, weißt Du, wo die kleine Diamantenmine ist?"

„Ja."

„Ein klein wenig südlich davon ist einer unserer Schmugglerwege, der ausgefallen ist. Ich würde Dich bitten, mal nachzusehen, was da los ist, wenn möglich die Situation zu bereinigen, wenn das nicht möglich sein sollte, mir Bericht zu erstatten, was da los ist. Die Schreiber haben ja bloß festgestellt, dass da keine Waren mehr durchkommen, und ein Bote braucht über den herkömmlichen Weg fast 2 Wochen."

Fil'yana sah ihn einen kleinen Augenblick an, dann nickte sie.

„Das wird möglich sein. Aber erwarte keine Wunder."

„Gut, das tue ich auch nicht. Aber ich bin mir sicher, dass ihr gute Arbeit leisten werdet."

Dann aß er weiter und auch sie aßen ruhig weiter.