Disclaimer
Mir gehört nichts, außer des Plots, JKR gehört alles andere. Ich habe nicht vor, damit Geld zu verdienen.
Pairing: wird noch nicht verraten.


Der Panther



Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe
so müd' geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.
Rainer Maria Rilke

Kapitel 13

Harry betrat einen kleinen Laden in der Bakerstreet in London.
Für einen flüchtigen Moment fragte er sich, warum er gerade diesen Laden ausgewählt hatte, doch er verwarf die Frage wieder. Es war unwichtig. Wichtig war, dass es hier gut roch, nach alten Büchern und Möbeln. Alles kam ihm so bekannt vor.

„Ja bitte?", rief eine brüchige Stimme und Harry sah sich um.

Er konnte niemanden erkennen, die Person musste hinter einem der Regale stehen.

Der Laden wirkte sehr düster, direkt vor ihm stand eine Art Wühltisch mit Neuerscheinungen, ansonsten schien der Raum nur aus alten Dingen zu bestehen.

Die Regale könnten ein Staubtuch vertragen, die Bücher ein Weißmacher, wie für vergilbte Muggelzähne. Nur eine kleine Glühlampe, die ohne Schutz von der Decke hing, trug dazu bei, den Raum zu erhellen.

Obwohl ‚hell' der falsche Ausdruck war, wie Harry fand.

Ihm gefiel es hier. Er mochte die verstaubte Atmosphäre, mochte die Tatsache, dass mit Licht gespart wurde, mochte die alte, knochige Gestalt, die plötzlich hinter einem Regal hervorschlurfte und ihn grimmig ansah.

Der alte Mann schien nur aus Falten zu bestehen und stützte sich beim Gehen auf einen Stock.

„Was willst du hier, Bengel? Das ist kein Laden für Kinder", murrte er und ging an Harry vorbei, der Stock schlug laut auf die Dielen.

„Woher wollen Sie wissen, dass ich ein Kind bin?", fragte Harry nur und erinnerte sich plötzlich an eine Geschichte, die er mit 9 Jahren in der Muggelschule gelesen hatte.

Die unendliche Geschichte, den Autor hatte er vergessen.

Er wusste nur noch, dass am Anfang dieses Buches ein Junge in einen Buchladen gekommen war und von einem alten Mann mehr oder weniger herzlich empfangen wurde.

Das ganze Szenario hier kam ihm vor, wie ein Abklatsch dieses Buches.

Der alte Mann schlurfte jetzt wieder auf ihn zu und sah ihn stirnrunzelnd an.

„Es gibt hier auch keine Jugendbücher, falls du meinst, dass das etwas anderes ist."

Harry schüttelte nur den Kopf.

„Haben Sie Bücher über Magie?"

Harry hätte schwören können, dass in diesem Moment noch mehr Falten das Gesicht des Greises zierten.

„Hau ab, das ist gefährlich, von so etwas sollten Kinder wie du die Finger lassen", knurrte er und sah Harry grimmig an.

„Ich würde davon die Finger lassen, wenn ich könnte. Aber ich bin schon zu oft damit in Berührung gekommen, als dass ich die Magie verleugnen könnte. Glauben Sie an Magie?"

Der Blick des Mannes veränderte sich, wurde zwar nicht weicher, aber wenigstens weniger misstrauisch.

Er hob die Hand, die nicht den Knauf des Stockes umfasste und berührte Harry damit im Gesicht.

Langsam und sachte fuhr er die blitzförmige Narbe nach.

„Warum tust du das, Junge?", fragte er dann und ließ die Hand sinken.

Harry sah ihn verwirrt an.

„Was?"

„Warum lässt du es zu?"

Harry wurde immer verwirrte. Was war los mit diesem Mann? Was hatte er gesagt oder getan, dass dieser Mann noch verrückter wurde?

„Ich... Ich weiß nicht, was Sie meinen, Sir, vielleicht gehe..."

„Hinterstes Regal links", sagte der Mann plötzlich und ging geschäftig auf eines der Regale zu.

Misstrauisch verengte Harry die Augen, aber der Mann blieb stumm hinter seinem Regal.

„Also gut", seufzte Harry und schaute sich in dem genannten Gang um.

Die Bücher schienen hier noch verstaubter und Harry berührte leicht eines mit dem Titel: „Magie der Hexen aus dem Mittelalter"

Er blätterte ein wenig darin, stellte es jedoch nach kurzer Zeit wieder zurück.

Das konnte er auch einem der Geschichtsbücher in Hogwarts entnehmen.

Und er hatte nicht viel Zeit, er musste sich in drei Stunden wieder mit den Dursleys treffen.

Er schlug „Einführung in die körpereigene Magie" auf.

Das klang schon interessanter, es war von einem Zauberer geschrieben – zumindest von einem selbsternannten Zauberer.

Im Kapitel ‚Stablose Magie' las er etwas mehr.

„Die Stablose Magie ist sehr schwer zu erlernen, in den meisten Fällen kommt es nie zu Erfolgen. Stellen Sie sicher, dass Sie vor Ihren ersten Versuchen ein Testament abgeschlossen haben und sorgen Sie dafür, einen Heiler in der näheren Umgebung zu haben..."

Harry schmunzelte kurz.

Dieser Zauberer, der das Buch geschrieben hatte, musste wohl einst selbst erkennen, dass die Stablose Magie schwieriger war als die Magie mit einem Zauberstab.

Noch immer grinsend las er weiter.

„Trotz aller Gefahren in diesem Bereich der Magie, ist sie sehr nützlich, besonders im Zweikampf. Legen Sie als Erstes den Zauberstab beiseite und konzentrieren Sie sich auf die Magie in ihrem Körper. Fühlen Sie das leichte Pulsieren des Blutes und bündeln Sie die knisternde Energie in ihren Händen.

Probieren Sie vorerst einen einfachen Spruch aus, den Sie mit Zauberstab perfekt beherrschen. Verzagen Sie jedoch nicht, wenn der Erfolg ausbleibt. Die besten Zauberer brauchten Jahre, um einfache Sprüche zu beherrschen..."

Harry konzentrierte sich und schloss die Augen.

Das leichte Pulsieren des Blutes und die knisternde Energie.

Spürte er es? War es das, war das seine Magie?

Mit einem Ruck schrak er auf, als eine Hand seine dünne Schulter umfasste.

Geschockt ließ er das Buch fallen und drehte sich herum, den Zauberstab griffbereit in seiner Hosentasche.

Doch es war nur der alte Mann, der ihn mit einem leuchtenden Blick ansah.

„Tu niemandem mehr weh, Jungchen. Lass es sein, du zerbrichst daran."

Harry atmete schwer.

„Ich mache doch gar nichts, ich tue niemandem weh."

Der alte Mann zog nur mit einem Ruck den Ärmel von Harrys Pullover hoch und streichelte mit seinen langen Fingern das Handgelenk.

Es war unversehrt und Harry atmete auf.

„Du tust dir selbst weh, Junge. Es gibt andere Möglichkeiten als Narben."

„Aber ich habe doch gar keine, sehen Sie? Ich tue mir nicht selbst weh."

„Es gibt andere Möglichkeiten. Die versteckten Narben sind tiefer."

Und Harry hörte nur noch das Klopfen des Stockes auf den alten Dielen, das Umblättern der Seiten in einem Buch und das leichte Schlurfen seiner eigenen Füße auf dem Boden.

--

Mit einem Ruck fuhr er aus dem Schlaf.
Stöhnend rieb er sich den Schweiß von der Stirn.
Er brauchte jetzt eine Dusche.
Als er wenige Minuten später unter dem heißen Wasserstrahl stand, ließ er seinen Traum noch einmal in Gedanken an sich vorüberziehen.
Er kannte ihn, er träumte ihn öfter.
Und jedes Mal war er erst 16 Jahre alt, jedes Mal war der alte Mann da, jedes Mal gab derselbe alte Mann unzusammenhängende Sätze von sich und jedes Mal grübelte Harry im Wachzustand darüber nach, was es bedeuten könnte.
Tat
er sich selbst weh? Oder hatte er es getan? Zerstörte er sich selbst mit etwas?
Aber womit? Warum?
Es stach wie ein Messer, als das ‚Warum' plötzlich deutlich vor seinen Augen erschien.
Voldemort.
Hatte er damit etwas zu tun? Wollte Voldemort ihn kaputtmachen? Natürlich wollte er das, aber tat er es auch? Schließlich dachte er, Harry sei tot.
Nach einer Weile des Grübelns wollte er sich gegen die Stirn schlagen vor lauter Blindheit. Voldemort ihn zerstören? Natürlich, Voldemort hatte nie etwas anderes getan. Voldemort hatte seine Eltern ermordet, er hatte den Schmerz über seine Freunde und Mitmenschen gebracht, er hatte ihn gekennzeichnet, gebrandmarkt bis zum Tod, er hatte Sirius umgebracht und die Menschen zweigeteilt, er hatte Zerstörung gebracht und Hoffnung genommen.
Das musste es sein, Voldemort hatte jeden kaputtgemacht, der jemals in seine Klauen gekommen war.
Wenn er jemandem erklären müsste, was Voldemort bedeutete, würde er nur ein Wort gebrauchen: ‚Zerstörung'.
Vielleicht bedeutete der Traum einfach nur, dass er aufpassen musste, sich nicht irgendwie auch noch selbst zu zerstören. Er musste schließlich stark sein, er durfte keinerlei Schwächen zeigen.
Wenn Voldemort erst seine Schwachstellen entdeckt hatte, brauchte er gar nicht erst gegen ihn antreten.
Doch noch hatte er Zeit, noch wusste Voldemort nichts von ihm. Noch hatte er eine Chance.
Oder?
Konnte er es? Konnte er es wirklich? Traute er sich das alles zu?
Selbstzweifel nagten an ihm, als er abrupt das Wasser abstellte.
Er brauchte frische Luft. Auf der Stelle, sonst würde er ersticken vor lauter Gedanken.

--

Gerade durchbrach die Morgensonne das kühle Grau der Wolken und Harry fühlte sich plötzlich sehr ruhig.
Es war gut so.
Es war gut so, wie es war und er konnte das alles schaffen und er hatte seinen Platz auf der Welt.
Wie hatte er je daran zweifeln können?
Wie hatte er, angesichts dieses hellen Gelbs der Sonne und des Grüns der Bäume je die Welt farblos sehen können?
Harry atmete tief durch und fing nun an, leicht zu laufen.
Das hatte er vermisst. Früher war Laufen etwas gewesen, was Quidditsch ersetzen konnte.
Jeden Tag in den Sommerferien war er um den Park gejoggt, jeden Tag im Morgengrauen um den See in Hogwarts.
Doch dann hatte er sich natürlich nicht mehr so öffentlich zeigen können, die Menschen hatten schließlich geglaubt, er sei tot. Seit zwei Jahren war er nicht mehr gelaufen und plötzlich fragte er sich, warum.
Denn jetzt dachten die meisten Zauberer ja auch noch, dass er tot sei und er lief trotzdem. Er kannte Methoden der Gesichtstransfigurationen, er hätte sich nicht so verstecken müssen.
War das nicht auch schon eine Bestrafung seiner selbst gewesen?
Alles, was ihm Spaß machte, sich selbst zu verbieten?
Harry lief jetzt schneller, als ob er dadurch den peitschenden Gedanken entgehen könnte.
Er lief durch schöne Zauberergebiete, durch zerstörte Muggelstraßen, vorbei an Ruinen und prächtigen Villen. Steinbrocken, die mal Häuser gewesen waren lagen neben Rosensträuchern und die Sonne, die mittlerweile ganz am Himmel erschienen war, strahlte tote Bäume an. Es war trostlos.
Und plötzlich passierte etwas, mit dem er sonst immer rechnete, auf das er sonst immer vorbereitet war. Nur diesmal nicht.
Plötzlich stolperte er über einen Fuß und hörte das kalte Lachen, das zu dem Fuß gehörte.
„Na, wer läuft denn da in aller Frühe, ohne dass ihm eine Erlaubnis gegeben wurde? Doch nicht ein kleiner, süßer Muggel?"
Er sah nur noch Asphalt, schwarzen Asphalt und hörte sein eigenes Keuchen.
Seine Knie schmerzten von dem Aufprall und er spürte, wie das Blut an seiner Lippe herunter lief. Er war mit dem Mund auf einen Stein gefallen.
Trotz der Schmerzen griff er nach dem Zauberstab in seiner Hosentasche, doch er griff ins Leere.
Hektisch durchsuchte er mit einer Hand seine anderen Taschen. Der schlanke Holzstab mit einer Schwanzfeder von Fawkes war nicht aufzutreiben.
„Verdammt...", murmelte er und wischte sich über den blutigen Mund.
Aber es würde auch so gehen.
„Steh auf, aber zackig, sonst bist du schneller tot, als du Schmerz sagen kannst."
Betont langsam setzte Harry sich erst auf, um dann noch langsamer aufzustehen.
„Mit welchem Diener Voldemorts habe ich denn diesmal die Ehre?", fragte er und lächelte spöttisch.
Der Todesser zuckte zusammen und sog zischend die Luft ein.
Eine schwarze Kutte verdeckte sein Gesicht, doch Harry konnte ein paar rotblonde Haare erkennen.
„Du wagst es...? Dafür wirst du bezahlen!", zischte der Todesser und Harry konnte die Luft förmlich knistern hören.
Er war bereit.
„Crucio."
„Protego", wehrte er ab, indem er seine Hand kraftvoll öffnete.
Es musste ein sehr junger Todesser sein, der Fluch war nicht besonders stark gewesen.
„Expelliarmus", rief der Todesser jetzt, noch sehr selbstsicher.
Nichts passierte.
„Was...? Warum...?"
Jetzt war es an Harry, zu lachen.
„Warum dein Entwaffnungszauber nicht gewirkt hat? Weil man Hände nicht abreißen kann. Na ja, doch man kann. Aber du nicht."
Zufrieden lächelnd strich er sich mit einer Hand über die Stirn. Das Laufen hatte Schweißperlen darauf gezaubert. Der Todesser wirkte sehr schockiert und ging einen Schritt zurück.
„Da!", rief er zitternd und deutete auf Harrys Kopf, „Da! Die Narbe. Du bist... Du bist Harry Potter."
Normalerweise verdeckten seine schwarzen Haare die Narbe auf seiner Stirn, doch jetzt hatte er einfach nicht mehr daran gedacht und sie geistesgegenwärtig offenbart.
Innerlich fluchend sagte er: „Ganz genau, ich bin Harry Potter. Und nun wollen wir doch mal sehen, wer du bist."
Mit einem Ruck zog er der Gestalt vor ihm die Kapuze vom Kopf und erstarrte.
Zwei große Augen starrten ihn an. Bekannte Augen.
Vor ihm stand Seamus Finnigan. Mit bleichem Gesicht und hohlen Wangen.
„Harry", keuchte er und Harry begann zu verstehen.
Es war Seamus, dessen Mutter kurz vor seinem siebten Schuljahr ums Leben gekommen war.
Seamus, den schon länger ein bitterer Hass auf Dumbledore quälte.
Seamus, dessen Bett einst neben Harrys gestanden hatte.

.
– Flash Back –

„Harry, wir sind jetzt da, wir kümmern uns darum, versteck dich irgendwo", durchbrach Remus' Stimme das Keuchen Harrys und einiger Todesser.
Normalerweise wäre er dankbar gewesen für die Unterstützung von Auroren und Ordenmitgliedern, doch jetzt...
Was sollte das? Am Ende musste er doch sowieso alleine gegen Voldemort antreten.
Warum retteten sie ihn immer wieder? Besser er brachte es schnell hinter sich.
Er wollte Voldemort bald gegenüber stehen, er wollte endlich kämpfen.
Das war eine Sache, die er nicht mehr aufschieben mochte. Deshalb war er ja überhaupt in die Winkelgasse gekommen, ohne jemand Bescheid zu sagen. Er wusste, die Todesser hatten nur darauf gewartet, dass er die Grenzen seines magischen Sicherheitsfeldes überschreiten würde.
Er verfluchte Remus dafür, ihn so schnell gefunden zu haben.
Es war nicht Teil seines Plans, dass sie ihm jetzt zu Hilfe kamen.
„Nein, bleibt zurück", schrie er, doch sie ließen sich nicht aufhalten. Und schon wurden Flüche hin und her geschossen, schon war ein reges Kämpfen in Gange.
Und er stand alleine da. Nott, der ihn eben noch bedroht hatte, wurde jetzt von Moody abgelenkt.
Bellatrix Lestrange, der er eben noch beweisen wollte, dass er ihr jetzt auch wehtun konnte, wurde von Kingsley in Schach gehalten.
Wütend über alles und sich selbst ging er.
Spazierte durch die Winkelgasse, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Er hatte einfach keine Lust mehr.
Bald würde er sein siebtes Schuljahr anfangen, mit den Newts und den neuen Tafeln in der Großen Halle, die die Verstorbenen ehrten. Mit dem üblichen Schulstress und dem Weinen seiner Mitschüler.
Mit Hausaufgaben und Quidditch und den immer größer werdenden Zahlen der Vermissten.
Voldemort spielte und spielte und das Ministerium hatte alle Hände voll zu tun, den Muggeln weiszumachen, es sei nichts los.
Er musste fast lachen, so töricht waren die Versuche der Auroren, die Todesser nach Azkaban zu bringen, so borniert war der Optimismus des Volkes unter dem Rufen von Fudge, dem Trottel, der mit strahlendem Gesicht verkündete, bald wäre es vorbei, das Ministerium hätte alles unter Kontrolle, Voldemort lebte zwar, wäre aber nicht sehr mächtig. Und schließlich hatten sie ja auch noch Dumbledore und seinen Goldjungen, die Zwei würden es schon schaffen.
Ihm wurde übel, wenn er daran dachte, wie sehr sie sich alle täuschten.
Er träumte viel. Er verriet es niemandem und legte jeden Abend vor dem Schlafengehen den Silencio-Zauber über sich und sein Bett, doch er träumte und schrie.
Nachts sah er das viele Blut, nachts sah er, wie sehr die Opfer litten und wie sehr Voldemort sich darüber freute.
Voldemort und nicht mächtig? Es war wirklich nahezu lachhaft. Wenn Harry nachts in Voldemorts Gedanken war und durch seine Augen sah, spürte er die Macht, die in ihm emporstieg.
Er spürte sie wie er auch den Triumph und den Spott spürte, wie die Freude und die krankhafte Sucht, die Voldemort dazu trieb, sich an dem Leid der Menschen zu ergötzen.
Anfangs hatte er sich regelmäßig nach diesen Träumen übergeben müssen.
Mittlerweile distanzierte er sich davon und trainierte lieber. Trainierte Okklumentik und Legelimentik, stablose Magie, Apparieren, Animagustransformationen, studierte alle Bücher, die er in der Bibliothek von Hogwarts finden konnte und suchte... Suchte nach der Lösung, nach der Möglichkeit Voldemort aus dem Weg zu schaffen.
Doch so langsam verlor er die Hoffnung. Die Träume hatten noch immer nicht aufgehört, doch konnte Voldemort nicht mehr in seine Gedanken eindringen. Nur noch er in Voldemorts.
In zwei Wochen würde er dort weitermachen, wo er Ende Juni aufgehört hatte. Doch er glaubte nicht mehr daran, dass er den Weg finden würde, dass er eine realistische Chance hatte.
Die einzige Möglichkeit war, mit ihm gemeinsam oder auch alleine zu sterben.
Und darauf hatte er heute spekuliert. Er wollte Voldemort zumindest herausfordern, provozieren, wenn nicht gleich töten.
Aber die Mitglieder des Orden waren ihm zuvorgekommen.
Er hatte nicht übel Lust, ihnen auch Flüche auf die Hälse zu jagen – er kannte mittlerweile ein paar gute, dank der Verbotenen Abteilung – , aber was würde das bringen?
Nichts außer Ärger und einem langen, durchdringenden Gespräch mit Dumbledore. Und darauf hatte er nun wirklich keine Lust.
„Hey, Harry", rief plötzlich eine Stimme und Harry spielte schon mit dem Gedanken, sich einfach umzudrehen und wegzugehen, doch Seamus stand schon vor ihm und grinste. Den Streit im fünften Schuljahr fast gänzlich vergessen.
„Kaufst du auch für Hogwarts ein?", fragte er und deutete auf seine Mutter, die gerade vor dem Schaufenster einer Apotheke stand.
Harry nickte nur. Er hatte keine Lust, Seamus alles zu erklären, aber wenn er schon einmal hier war, konnte er doch genauso gut seine Schulbücher besorgen. Dann musste er wenigstens nicht mit Ron und Hermione am Ende der Ferien einkaufen, darauf konnte er getrost verzichten.
Hermione war nur beschäftigt mit ihrer neuen Schulsprecherbürde und den bevorstehenden Newts – allerdings auch ein wenig mit Viktor Krum, wie Ron etwas grimmig bemerkt hatte –, und Ron mit seiner nicht gut laufenden Beziehung zu Parvati und seinen Aufgaben als Quidditch-Kapitän. Sie hatten keine Ahnung, was wirklich wichtig war und verschlossen die Augen vor dem aufkommenden Krieg, wie der Rest der Welt.
Harry fühlte sich mehr und mehr isoliert.
„Hab gehört, du bist Schulsprecher, stimmt das?"
Harry fragte sich, woher er das schon wieder hatte, doch er nickte nur. Er war nicht in der Stimmung mit Seamus über alltägliche Schulsachen zu reden.
„Cool", strahlte Seamus und klopfte Harry auf die Schulter. Der zuckte nur mit den Achseln. Er freute sich nicht darüber, es war nur eine weitere Bürde, eine weitere Last. Es würde nur noch mehr Aufmerksamkeit auf ihn ziehen. Er fragte sich, ob Dumbledore damit alles wieder gut machen wollte, seine Verschwiegenheit und die „Fehler eines alten Mannes", wie er es selbst genannt hatte.
„Wie liefen deine Ferien so?", fragte Seamus jetzt, beharrlich darauf aus, ein Gespräch zu führen.
„Ganz okay", antwortete Harry und seufzte innerlich. Er würde sich wohl unterhalten müssen.
„Also meine waren toll", erzählte Seamus mit leuchtenden Augen, „weißt du, wir waren im Ausland. Meine Ma hat gesagt, kein Du-weißt-schon-wer der Welt könnte uns davon abhalten, richtig Ferien zu machen. Und wir sind ja auch keine Muggel, nicht wahr? Also, wir waren in Frankreich..."
Während Seamus erzählte, sah Harry zu seiner Mutter und fragte sich, ob sie wirklich so naiv war, wie sie tat, oder ob es einfach ihre Art war, damit umzugehen.
Plötzlich bemerkte Harry, dass die Todesser und die Auroren während ihres Kampfes immer näher gekommen waren.
„Komm", unterbrach er Seamus' Erzählschwall – es interessierte ihn sowieso nicht, wie toll die Schmetterlinge in Frankreich doch mit ihren Flügeln schlugen –, „Lass uns hier verschwinden."
Seamus sah ihn erst verstört an, dann bemerkte auch er die ernste Situation, die immer näher kam und seine Augen weiteten sich.
Harry war sich sicher, dass Seamus noch nie einen Todesser gesehen hatte, geschweige denn fünf.
Noch während Harry Seamus wegzog, sank Elphias Dodge in sich zusammen, getroffen von einem roten Fluch.
Der Todesser, der nun ‚frei' war, rieb sich grinsend die Hände, und bevor sich andere Auroren um ihn kümmern konnten, sprang er vor und packte Seamus' Mutter, die sich wie erstarrt fügte. Er setzte ihr den Zauberstab an den Hals und lachte grausam.
Dann rief er: „Hey, Auroren, ich habe hier eine unschuldige Geisel, also verschwindet, oder sie stirbt."
Sofort schien das Geschehen zu erstarren, keiner rührte sich mehr. Harry kam es vor, als würde die Zeit stehen bleiben. Als würde sogar die Luft gefrieren. Seamus fing an zu zittern.
„Noch bevor ein Fluch mich erreichen würde, wäre sie schon tot, also überlegt gut, was ihr gedenkt zu tun."
Harry wollte dem Todesser das Grinsen mit seinen eigenen Fingernägeln herauskratzen, so sehr verachtete er ihn.
Ein Auror, der Harry unbekannt war trat einen Schritt hervor und sagte: „Lass sie frei, Todesser, oder du stirbst."
Remus wollte den Auror zurückziehen und zischte: „Adkins, bleiben Sie hier!", doch der Auror ließ sich nicht beirren und tat das Dümmste, was er Harrys Meinung nach tun konnte.
Er rief „Stupor" und deutete auf den Todesser, dessen Lächeln gefror.
„Avada Kedavra."
Und wie er es vorausgesagt hatte, erreichte der Todesfluch die Frau eher, als der Schockzauber den Todesser.
Seamus Beine gaben nach und Harry konnte gerade noch nach seinem Arm greifen.
An diesem Tage fasste er einen Entschluss.

.
– Flashback Ende –

Harry verstand. Seamus hatte den Auror dafür verantwortlich gemacht, dass seine Mutter gestorben war. Er hatte einen Hass auf die Auroren, auf das Ministerium, auf Dumbledore entwickelt.
Es wie trockenes Heu gewesen, ein Funke des Zweifels von einem Todesser hatte einen Brand entfacht, dem er nur entfliehen konnte, wenn er selbst böse wurde.
Harry kannte dieses Phänomen, verstand diese Menschen sogar in gewissem Maße, nur hätte er es nie so nahe erwartet. Unweigerlich musste er an Peter Pettigrew denken. Seine Eltern hätten es wohl auch nie erwartet und Peter war mit ihnen besser befreundet gewesen als er mit Seamus.
Seamus wirkte noch immer sehr geschockt, hatte seine Pflichten als Todesser wohl vergessen.
Harry sagte nichts, auch er war wie von Sinnen. Sie standen nur da und starrten sich an.
„Wie... Wie hast du es geschafft?", fragte Seamus schließlich stotternd.
Verwirrt runzelte Harry die Stirn.
„Was geschafft?"
„Du... du lebst. Wie...?"
Harry wusste plötzlich, was Seamus dachte. Er dachte, er, Harry, hätte den Tod sozusagen überwinden können.
Er musste grinsen.
„Ich war nie tot", sagte er, „es war alles vorgetäuscht."
Noch während er das sagte, wollte er es schon wieder zurücknehmen.
Seamus war schließlich ein Todesser, wenn er Harry entkäme, würde er Voldemort alles brühwarm erzählen und danach vermutlich sterben, da er nun wusste, dass sein Lord Harry Potter nie umgebracht hatte.
Er überlegte schon, ob er Seamus' Gedächtnis modifizieren sollte, da kam ihm eine andere Idee. Warum konnte er ihn nicht gefangen nehmen? Die Mittel dazu hatte er, Seamus war nie ein besonders starker Zauberer gewesen, natürlich, er würde mittlerweile mehr gelernt haben. Und Harry hatte keinen Zauberstab dabei. Er musste es wohl darauf ankommen lassen. Vielleicht würde Seamus sich ja auch gar nicht wehren.
„Alles vorgetäuscht", murmelte Seamus und Harry sah förmlich, wie dieser Gedanke in seinem Gehirn rotierte und Loopings drehte.
Obligio" rief er und Fesseln banden sich um Seamus Handgelenke. Schockiert starrte dieser darauf.
„Du wirst jetzt mit mir mitkommen", sagte Harry.
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Harry, dass sein ehemaliger Zimmergenosse sich fügen würde, doch da kam Leben in Seamus, er zog und zerrte und wehrte sich mit Händen und Füßen.
Harry musste schwer kämpfen, um ihn festzuhalten.
„Du bist ein Schwindler und ein Schwachkopf, vertraust Dumbledore und tust erst so, als würdest du eher ein Freund als ein Feind für mich sein, aber du hast mich nur täuschen wollen, am Ende geht es doch immer so, am Ende wendet sich alles ins Gegenteil um, du hirnloser... du Sohn einer Schlammblütin, du...", schrie Seamus, während er versuchte los zukommen.
Harry wurde immer wütender.
„Und du ehrst deine Mutter ja wirklich toll, indem du ein Todesser wirst und dich auf gleicher Stufe mit dem Mörder deiner Mutter stellst. Super gemacht, Seamus. Merlin, wie weit bist du nur gesunken", entgegnete Harry laut und schüttelte wütend den Kopf.
Unerwartet ließ Seamus seine Hände sinken und wehrte sich nicht mehr. Er schwieg, während Harry ihn zu Rons Haus führte, schwieg, während er ihn an einen Stuhl im Dachgeschoss band, schwieg, während er ein Antimagiefeld über diesen Stuhl legte und schwieg noch immer, als Hermione, Ron und Dean aufschrieen, nachdem Harry ihnen Seamus als einen Todesser vorgestellt hatte.

--

Später an diesem Tag ging er mit verstecktem Gesicht durch Hogwarts. Er hatte einen Termin mit Dumbledore, sie würden gemeinsam den Plan besprechen. Den Plan, wie sie Voldemorts Armeen vernichten konnten. Voldemort selbst würde er alleine übernehmen müssen.
Er fand es schön durch die Gänge zu gehen und um ihn herum Schüler zu haben. Schüler, von denen die meisten zwar schon mit dem Krieg in Kontakt gekommen waren, die jedoch trotz allem diesen unerschütterlichen Optimismus hegten, den er einst verabscheut hatte und jetzt bewunderte. Sie glaubten noch an etwas. Für sie waren Hausaufgaben, Noten und das Pflegen von Freundschaften noch immer wichtig und Harry begriff plötzlich, dass es nicht anders ging. Man brauchte auch in harten Zeiten noch Alltägliches, an das man sich klammern konnte.
Er lächelte amüsiert, als er sah, wie Minerva McGonagall einen Schüler zusammenstauchte, der einen anderen Schüler im Gang angegriffen hatte.
„Nachsitzen, Hanson. Und so etwas in meinem Haus. Ungeheuerlich. 30 Punkte Abzug. Und reden Sie nicht dauernd dazwischen, Mr. Bolten, ich bin sicher, auch Sie waren nicht ganz unschuldig an diesem Debakel. Gehen Sie lieber in die Krankenstation wegen ihres angeschwollenen Arms, sonst ziehe ich dem Hause Slytherin auch noch Punkte ab."
Der Schüler aus Gryffindor, Hanson, schlich mit hängenden Armen Minerva hinterher, die ihn mit einer Handbewegung angewiesen hatte, ihr zu folgen, der Slytherin jedoch, tat etwas, das Harry nicht geglaubt hätte, hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen. Er verzog zerknirscht das Gesicht, hielt sich seinen angeschwollenen Arm und rief: „Professor McGonagall?"
Sie drehte sich mit gerunzelter Stirn um.
„Ich wollte nur... bestrafen Sie Gregory nicht so sehr, es war wirklich nur eine Art Scherz zwischen uns beiden, er hat das bestimmt nicht mit Absicht gemacht."
„Hm", machte Minerva missbilligend und sagte dann: „Ist ja schon gut, ich werde ihn behandeln wie ein Einhorn und jetzt machen Sie sich endlich auf in die Krankenstation, Bolten."
Harry ging grübelnd weiter. War es möglich, dass die Hausrivalitäten zwischen Gryffindor und Slytherin nicht mehr ganz so stark waren? War es möglich, dass sich die Lage in zwei Jahren so gebessert hatte? Vielleicht würde er Dumbledore danach fragen.
Als er um die nächste Ecke bog, sah er plötzlich zwei Gestalten hinter einer Rüstung stehen. Er grinste. Die beiden küssten sich, als gäbe es sonst nichts auf der Welt. Als er näher kam, erkannte er, dass es zwei aus Gryffindor waren. Sie mussten jetzt im siebten Schuljahr sein, damals bei seinem Verschwinden waren sie gerade im Vierten gewesen.
„70 Punkte Abzug für Gryffindor für das verbotene Küssen auf den Gängen", sagte er mit kalter, schleppender Stimme, Snape nachahmend. Die beiden fuhren erschrocken zusammen und drehten sich um.
Ihre Augen vor Angst geweitet.
Harry lachte bei dem Anblick ihrer Gesichter und sagte mit normaler Stimme: „Tut mir leid, ich konnte nicht widerstehen."
Dann ging er weiter. Er konnte ihre Blicke in seinem Nacken fühlten, Blicke, die wahrscheinlich fragten, wer diese mysteriöse Gestalt war, die mit verdecktem Gesicht Scherze auf ihre Kosten machte.
Aber auch er brauchte mal einen kleinen Spaß, sagte er sich.

--

Kurze Zeit später klopfte er an Dumbledores Büro und trat ein.
„Ah, Harry, setz dich doch."
Professor Dumbledore lächelte einladend und wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
„Ich nehme an, andere haben nicht mehr viel zu verbessern an deinem Plan, schließlich hast du lange daran gearbeitet. Wie möchtest du weiter vorgehen?", fragte er, während Harry sich setzte.
Harry nickte.
„Das erste wird sein: Mitglieder sammeln. Wir müssen jeden einzelnen prüfen, es darf sich kein Spion einschleichen. Wir müssen nach Irland, Wales und Schottland reisen und dort ebenfalls Netze anlegen, wir müssen hier, in England, Muggel wie Zauberer davon überzeugen, dass wir es schaffen können, aber nur mit ihrer Hilfe. Es ist wie beim Schach. Man gewinnt nicht, wenn man nur verteidigt. Im Endeffekt müssen wir angreifen. Der zweite Schritt wird sein, einen Ort zu finden, wo wir uns alle versammeln können. Grimmauldplatz Nr.12 ist erstens zu klein und zweitens das Hauptquartier des Phönixorden. Wir brauchen etwas, wo Menschen auch leben können, wenn nötig, wo jeder Platz hat. Wir brauchen etwas ähnliches wie Hogwarts, nur ist Hogwarts natürlich nicht von Belang, hier leben ja die Schüler. Jedes neue Mitglied muss einen Kodex aussprechen, ein magischer Bund. Wer sich nicht daran hält, muss sterben. Das ist Vereinbarung und jeder muss sich damit auseinandersetzen. Vorher werden natürlich alle Regeln und Verordnungen, die in diesem Kodex enthalten sind, geklärt. Das hört sich sehr hart an, muss aber sein. Wir brauchen absolute Verschwiegenheit. Ich hatte daran gedacht, den Phönixorden trotz allem weiter zu führen. So viele Menschen in unserem neuen ‚Orden' brauchen Menschen, die Ahnung haben und sie anleiten. Es wird schwierig sein, Muggel und Zauberer miteinander zu vereinen, aber es ist unabdinglich. Der Phönixorden sollte eine höhere Stellung haben. So etwas wie Berater, verstehen Sie?"
Dumbledore nickte langsam.
„Das wäre eigentlich das Wichtigste, alles Weitere muss mit dem Orden zusammen besprochen werden. Haben Sie noch irgendwelche Fragen oder Zusätze, Professor?", fragte er.
Wieder nickte Dumbledore und lächelte leicht.
Dann herrschte Schweigen.
„Schaffst du das alles?", fragte der weißhaarige Mann nach mehreren Minuten in die Stille hinein, in der Harry sich schon gefragt hatte, ob Dumbledore überhaupt zugehört hatte.
Verwirrt sah er auf.
„Ist das denn relevant? Es muss gemacht werden, ob ich das will oder nicht. Gerade Sie müssten wissen, dass..."
Er kam nicht weiter, denn Dumbledore hob abwehrend eine Hand.
„Dass du keine andere Wahl hast, natürlich. Das meinte ich auch nicht. Ich meinte, ob du das alles ohne Hilfe schaffst? Ob du dir nicht zuviel vorgenommen hast. Die Träume nachts, die Distanz zwischen dir und deinen Freunden, überhaupt diese unüberbrückbare Distanz zu deinen ehemaligen Mitschülern, Freunden und Bekannten aus dem Orden, und dann kommt noch Mona dazu, und Mark, der ebenfalls mehr mit dir zusammen sein möchte... Ist das alles nicht zuviel, Harry?", seufzte Dumbledore und schlug sorgenvoll die Augen nieder.
Misstrauisch starrte Harry ihn an.
„Woher wissen Sie von den Träumen? Und was geht Sie das alles überhaupt an?", brauste er auf.
„Ach, Harry", lächelte der Ältere, „Ich sehe viel, was andere nicht sehen mögen, doch das mit deinen Träumen kann jeder Blinde aus deinen Augen lesen. Du bist erschöpfst, du schläfst nicht richtig und dich plagen Albträume. Professor Snape könnte dir einen Schlaftrunk zubereiten."
„Ich schlafe sehr gut, Danke schön", entgegnete Harry kalt und wollte schon aufstehen, als Dumbledore plötzlich – die vorherigen Worte ignorierend – sagte: „Ich hätte noch eine Frage."
Harry hob die Augenbrauen und wartete.
„Wie hast du es geschafft, Voldemort glauben zu lassen, du wärst tot?"
Die Frage kam unerwartet und Harry sah ihn überrascht an.
„Ich... es gibt einen alten Zauber, der Verbindungen temporär durchbricht. Er ist relativ schwer zu erlernen, ich habe ein halbes Jahr gebraucht, aber er hat funktioniert. Ich spüre weder ihn in irgendeiner Weise, noch bemerkt er mich durch meine Narbe. Es ist, als wäre er nie in meinem Kopf gewesen."
Dumbledore nickte leicht.
„Ja, ich dachte mir so etwas...", murmelte er abwesend und stand auf.
Harry erhob sich ebenfalls. Dumbledore sah für einen Moment lang aus, als wolle er noch etwas sagen, doch er schwieg weiter. Harry streckte ihm die Hand hin und sagte: „Ich werde jetzt wieder gehen, wir sehen uns vermutlich beim nächsten Ordentreffen."
„Ja, Harry. Dann sehen wir uns vermutlich wieder", erwiderte Dumbledore, ergriff Harrys Hand und sah nachdenklich aus.
Dann disapparierte Harry.

--

Hermione saß in der Bibliothek der Blacks. Kurz nachdem Harry Seamus angeschleppt hatte, war sie aufgebrochen und arbeitete jetzt.
Das erste Mal seit langem regte sich der Wissensdurst wieder in ihr. Sie musste es herausfinden. Alles.
Alles, was sie nicht verstand.
Ihr Vater hatte ihr immer eingebläut: „Wissen ist zwar begrenzt, Kind, aber es gibt trotz allem fast nichts, was man nicht durch Wissen verstehen kann."
Das hatte sie verinnerlicht. Es gab nichts, es gab keine Geheimnisse, es gab keine unlösbaren Rätsel und keine Wunder, denen man nicht auf den Grund gehen konnte.
Sie suchte nach Harry und dem großen Mysterium um ihn herum. Nach Büchern über ihn und Voldemort, nach Büchern über Voldemort allgemein und nach Büchern über Zauberstablose Magie und Zauberbanne.
Es gab nicht viel, was ihr weiterhalf, doch aufgeben? Das kam nicht in Frage.
„Hermione?"
Sie schreckte auf. Gerade war sie in das Buch „Der Junge, Der Lebt und Der, Dessen Name Nicht Genannt Werden Darf" vertieft, obwohl bisher nicht viel neues drinstand.
Als sie zur Tür sah, lächelte sie.
„Remus, Hallo."
Der Werwolf lächelte ebenfalls.
„Was machst du denn hier? Suchst du Bücher über die Schwarze Magie?", fragte er scherzhaft und deutete auf die pechschwarzen Vorhänge und Zeichen auf Buchrücken, die die dunkelste Magie kennzeichneten.
Sie schüttelte den Kopf und er setzte sich neben sie auf einen knarrenden Stuhl.
„Also? Wonach dann?"
Aufmerksam sah die junge Frau den schon ergrauten Mann an. Er lächelte liebevoll, wie ein Vater lächelt und nickte aufmunternd. Seine Augen funkelten.
Sie seufzte, als sie an Remus' bisheriges Leben dachte. Der Werwolf. Gezeichnet von dem Hass der Menschen. Wie fand er die Kraft trotz allem noch so zu lächeln?
Hermione konnte das nicht.
Sie zögerte kurz, bevor sie ihm antwortete.
„Ich suche nach ihm. Nach den ganzen Geheimnissen. Ich halte das einfach nicht aus, verstehst du?"
Er seufzte tief und nickte.
„Ja, natürlich verstehe ich das, mir geht es ja nicht anders", murmelte er und das Lächeln verschwand.
„Er ist so anders", sagte sie und sah Remus verzweifelt an, „Remus, er ist so anders. Warum? Was ist mit ihm? Es kann doch nicht nur die Verbitterung sein durch..."
Sie sprach nicht weiter. Remus wusste es auch so.
Er schluckte und knetete seine linke Schläfe.
„Ich weiß... Aber ich glaube nicht, dass es Sirius ist. Vielleicht... vielleicht bedrücken ihn noch andere Dinge. Ich habe vor mit ihm demnächst mal so richtig zu sprechen. Ich... habe ihn vernachlässigt. Seit zwanzig Jahren."
Hermione sah erstaunt auf. Dann schüttelte sie energisch den Kopf. Seine Augen wirkten plötzlich sehr traurig.
„Nein Remus. Er hat uns vernachlässigt, er hat uns im Stich gelassen. Gib doch dir nicht die Schuld daran. Du trägst die wenigste Schuld."
Er lächelte traurig und schüttelte den Kopf.
„Ach, Hermione. Du bist genauso verbittert wie er. Deshalb denkst du, er ist an allem Schuld. Aber weißt du wer daran Schuld ist? Voldemort. Niemand anderes. Voldemort hat Lily und... er hat seine Eltern umgebracht, er hat dafür gesorgt, dass ich Angst vor einem Treffen mit Harry hatte. Harry, dem Sohn meiner besten Freunde konnte ich nicht in die Augen sehen. Lily und James standen mir so nahe. Nicht nur James und Sirius. Nein, auch Lily. Er hat Peter zu einem Verräter gemacht, er hat uns alle zerrüttet. Unsere Freundschaft war der Sinn meines Lebens. Was konnte ich schon vom Leben erwarten? Freunde sicherlich nicht. Und sie haben mir trotzdem zur Seite gestanden. Es waren die besten Freunde, die man sich nur wünschen kann. Und... er... er hat das alles kaputt gemacht. Nicht Harry, nein. Voldemort..."
Er atmete schwer und sie hatte den Eindruck er hielt Tränen zurück. Wenn es nach ihr ginge, konnte er ruhig weinen. Vielleicht konnten sie dann zusammen weinen.
„Ich... Es tut mir so leid, Remus", sagte sie und biss sich auf die Lippe.
„Nein", sagte er und zog die Nase hoch, „nein, dir muss da überhaupt nichts Leid tun. Aber tu mir einen Gefallen, ja?"
Sie nickte nur. Sie würde ihm jeden Gefallen erfüllen. Er konnte noch lächeln, obwohl sein ganzes Leben wie eine sinnlose Farce erscheinen musste. Sie bewunderte ihn.
„Lass deine Freundschaft nicht auch zerrüttet werden. Haltet zusammen. Ihr drei. Ron, Harry und du. Ihr könnt das schaffen, ihr werdet nicht so enden wie ich und.. und die anderen. Bitte, Hermione. Bewahre dir deine Freunde. Und such nicht in Büchern nach Harry sondern in deinem Haus."
Sie schwieg.
Und wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Konnte sie das denn überhaupt? War ihre Freundschaft nicht schon viel zu kaputt?
Er stand auf und lächelte wieder. Doch diesmal strahlte eine traurige Liebe daraus. Schmerz.
Sie war sich sicher, morgen würde das Lächeln wieder strahlend sein. Doch zwischendurch lag noch die Nacht. Wie sah sein Lächeln wohl in der Nacht aus?
„Ich lasse dich jetzt alleine... Ich muss noch nach Seidenschnabel gucken", sagte er und lächelte noch einmal. Dann war sie alleine.
Alleine mit nichts als Fragen.

--

Es war dunkel.
Er saß unbequem auf diesem Stuhl und schämte sich. Er schämte sich für sein Leben, für alles, was er getan hatte.
„Ein Todesser hat sich nicht zu schämen, ein Todesser kennt keine Reue, er kennt nur Schmerz und Tod", hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Es war die böse Stimme, die kleine böse Stimme, die er seit dem einzigen Tod, der ihm je etwas bedeutete hatte, hörte.
Er wusste, er war alleine. Sie bewachten ihn nicht, nein, aber sie ließen ihn alleine, einsam. Alleine mit den bösen Stimmen in seinem Kopf.
Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte.
„Ma", sagte er und schloss die Augen. Er betete. Betete zu seiner Mutter.
„Ma, das wollte ich alles nicht. Ich bitte dich, vergib mir. Vergib mir. Ich weiß, dass du mein Verhalten nicht gut finden würdest. Aber Ma, bitte. Verzeih mir.
Ich konnte nicht anders, weißt du? Natürlich weißt du, du siehst mir zu, stimmt's? Du beobachtest mich von deinem Platz aus und hilfst mir, wenn ich schreie... Aber ich habe dich ignoriert. Du bist die gute Stimme in meinem Kopf. Du bist... du bist eben meine Mutter. Du warst...
Was hätte ich denn sonst machen sollen, was hätte ich denn sonst werden sollen? Mein Hass auf deine Mörder blendete mich. Dieser Auror hat dich umgebracht. Dieser Auror hat deinen Tod auf dem Gewissen. Und dann war da dieser Todesser. Er kam zu mir, hat mich gefragt, ob ich Freund oder Feind sei. Und... Und ich sagte Freund. Und dann lachte er. Er hat mich gefoltert, Ma. Danach fragte er mich, ob ich es genossen hätte. Und ich sagte ‚Ja', Ma. Ich sagte wirklich ‚Ja'. Denn ich habe es genossen. Es lenkte mich ab. Von dem blinden Hass, der mich überall hin verfolgte. Es lenkte mich ab von dem inneren Schmerz. Körperliche Schmerzen können wohltuend sein, Ma. Man wird groß dadurch. Wenn man Schmerzen erleidet, wächst man, man gewinnt an Stärke. Das ist das Geheimnis, Ma. Und jetzt? Jetzt sitze ich hier, mit all meiner Stärke und Harry hat mich ohne Zauberstab überwältigt. Es ist, als ob es keinen Boden mehr gäbe, Ma. Weißt du, wie das ist, wenn er einfach weg ist? Einfach so, ohne Vorwarnung? Und es gibt keine Rettung, man fällt nur noch.
Es ist ein schreckliches Gefühl. Mit jeder Minute, die ich falle, verliere ich an Stärke. Bald ist nichts mehr übrig, dann bin ich ein gebrochener Mann... Ich... Verzeih mir, Ma. Vielleicht war ich nie etwas anderes, als ein gebrochener Mann. Ma, ich... ich kann nicht mehr, Ma. Hilf mir."
Er schluchzte auf, unfähig weiter zu sprechen. Es war auch genug. Seine Mutter wusste Bescheid. Sie kannte ihn, sie sah ihn, sie begleitete ihn.
„Ich verzeihe dir, mein Sohn", sagte die gute Stimme in seinem Kopf und er schluchzte noch härter.
„Ich liebe dich, Seamus, mein Tod soll nicht umsonst gewesen sein."
Und Seamus weinte auch vor Erleichterung.

--

Draußen, vor der Tür zog Ron ein Taschentuch aus seinem Umhang und wischte sich damit über das Gesicht.
Seine Tränen flossen jetzt ebenfalls.
Und auch er verstand jetzt.

.TBC.


Hallo :)

Tut mir wirklich leid, dass es solange gedauert hat. Aber jetzt ist es ja da. Und übrigens neun Seiten lang in Word ;) Nur so, der Vollständigkeit halber.

Ich hoffe es gefällt euch, ich habe lange dran gearbeitet.

Und auf jeden Fall ein herzliches Dankeschön für die Reviews. Es ist der Wahnsinn, jetzt habe ich schon die Hundertergrenze überschritten. Hehe.

Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut.

Und jetzt gibt es erstmal Antworten (relativ kurze leider, aber die Schule hat wieder angefangen und es hat sich alles noch nicht so richtig eingespielt – also Stress pur!):

Manik
Ja, das mit Ron und Draco kommt noch ;)
Und ich hoffe nicht, dass du nun wirklich vor Neugier gestorben bist, das hieße ein Reviewer weniger :D

Shila848:

Na, mal sehen ob du mit deiner Prophezeihung über Harry und Hermione recht hast...

Minnilein

Klar, das ist vollkommen okay. Meine Emailadresse ist hiphiphurra 123 gmx.de (ich merke grad bei der erstansicht, dass der strich und das at-zeichen nicht mit angezeigt werden. keine ahnung warum. also: hiphiphurra strich unten 123 'at'-zeichen gmx.de) aber du musst da keine Reviews hinschreiben... Wenn die Reviews dafür umso länger sind ist das auch gut ;)
Und ja, ich hatte einen schönen Urlaub. Danke.

Fidi-1:

Na ja, klar gibt es Spitzel aber es ist doch schon meistens so, dass ein dichtes Netz ist. Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass ich mich nicht hundertprozentig damit auskenne – Harry aber auch nicht ;)
Für die Geschichte ist nur die Idee relevant, deshalb verzichte ich darin auf noch weitere Ausführungen.
Und der Grund von Marks Erwähnung ist einfach, dass ich das meiste schon von Anfang an geplant habe. Mark war schon immer Bestandteil der Geschichte, seit dem ersten Kap.
Kannst du die Frage mit dem Jaguar noch mal wiederholen? Ich weiß jetzt grad nicht, was du meinst.

Zucchini:

Und ich freue mich immer, wenn ich höre, dass jemand meine Geschichte liest ;)

Laser-jet

Ja, ich kann nicht anders. Und mit der Hand schreiben dauert meistens einfach zu lange...

JaninaQ

Freut mich, dass die ‚Mafia-Idee' etwas individuelles ist. Ich habe einfach einen Vergleich gesucht und dabei sofort an die Mafia denken müssen. Wegen Dumbledore: Ja, das wird womöglich noch zu Spannungen führen. Besonders weil Dumbledore eben nicht alles wissen und auch nicht alles erahnen kann. Er ist etwas zu optimistisch, wie du ja schon bemerkt hast :) Ohne jetzt etwas vorweg nehmen zu wollen.

Brchen

Wow, schon wieder jemand, der mich im Author Alert gespeichert hat. Das finde ich gut :)

Flemming:

Hach, schon wieder Kekse :) Danke, danke. Und schön, dass dir die Geschichte gefällt.

TheSnitch

Na klar, finde ich gut, dass du ehrlich deine Meinung sagst. Jeder empfindet anders und jeder hat auch eine andere Meinung. Ich werde noch mal sehen, ob ich was an dem Stil verändere. Nicht unbedingt, aber oft ist es so, dass ich bei jedem Durchlesen noch ein oder zwei Mängel selbst entdecke... von daher...

HJ-HJ:
Also... normalerweise brauche ich etwa 1-2 Wochen für ein Kapitel. Das letzte hat allerdings etwas länger gedauert :/ Ich werde versuchen, mich ranzuhalten.
Zum zweiten Review: Hoffentlich verzeihst du mir und bist nicht böse ;)

VaterVonMelkor

Tja, um das herauszufinden musst du wohl die ganze Geschichte lesen...

DasTrio

Schön, dass es dir so gut gefällt, ich freue mich immer über so was :)

Janine black
:
(Ohh, eine Black ;)) Ich werde mich ranhalten, versprochen. Schön, dass dir die Geschichte gefällt :)

Tmc2004:
Jetzt bin ich ganz rot geworden mit dem ‚du verstehst es, Geschichten zu schreiben'
Danke. Und ich weiß ja, dass Italien etwas fies war... Aber auch ich brauchte mal Urlaub ;)

Fidi
:
(Bist du die/derselbe wie Fidi-1? Grübel
Auf jeden Fall: Vererbst du mir nicht auch irgendwas ? ;)

Rah-chan

Ahh, es tut mir ja leid, sei nicht zu hart mit mir. Denk dran, das Kapitel 13 hat 9 Seiten!! ;)

Bluescreen

Gut, hoffentlich bleibst dus auch ;)

Torence

Wow, drei Reviews hintereinander.
Auch wenn ich dich mit der Author Note etwas enttäuscht habe...
Ich hoffe, du bleibst trotzdem dran ;)
Und ob ich noch weitere Geschichten schreibe, weiß ich noch nicht. Das kommt mit der Zeit einfach so über mich... Kann ich nicht planen.

Jeanuts
Ich bin auch sehr gespannt, wie es weitergeht. Ha, nein, Scherz. Ich weiß, wie es weitergeht ;)
Schön, dass dus gut findest.

Blackgiroe

(sollte wohl, Blackgirl heißen, oder? ;) )
Ich muss auch ehrlich gestehen, ich bin etwas enttäuscht von JKR wegen Mark Evans. Deshalb hat er in meiner Geschichte auch eine relativ große Rolle ;) Ich liebe ihn. .
So, noch mal ganz herzlichen Dank. Die Reviewantworten sind ja mehr Arbeit gewesen als das ganze Kapitel :) (Na ja, manchmal übertreibe ich etwas, das Kapitel war hart zu schreiben...)

Ich hoffe, ich habe niemandem vergessen. Wenn doch, beschwert euch.

Ich werde wirklich versuchen, mit dem nächsten Kapitel schneller zu sein...

Bis bald,

Mono.tonie