OK, Leute.
Das Ding hier wird nicht besonders intelligent.
Sicher hat jeder von Euch schon mal "The Purple Rose of Cairo" gesehen? Nein? Also, in dem Film geht's darum, daß ein sehr einsames Mädel gerne mal ins Kino rennt, um immer wieder ihren Lieblingsfilm zu sehen. Tja, und eines Tages steigt der Held von der Leinwand herunter und kommt zu ihr.
Etwas seltsam, oder?
Trotzdem hat mich der Film beeindruckt; schon als Jugendliche, als er im Kino lief. Das war 1985.
Tja, und dann hab ich irgendwann nachgedacht, was denn wohl passieren würde, wenn...
Aber seht selber.
Wenns Euch gefällt, lasst es mich wissen, und ich schreibe weiter. Wenn nicht, lassen wir das Ding hier einfach mal im Sande verlaufen...
Disclaimer
Das ist alles nicht meins, alles gehört den enormen Künstlern Tolkien und Jackson, deren Werk ich sehr bewundere. Vor allem die Elben gehören mir nicht. Leider. Sonst könnte ich Unmengen an Geld mit ihnen machen.
Aber da sie nicht meins sind und nie meins sein werden, mache ich natürlich auch keinen Profit damit. Ich schreibe dies lediglich zu meiner und hoffentlich auch Eurer Unterhaltung.
Warnung
In dieser Story gibt's Romantik, Witz, Spannung, aber keine Ü-Eier - na, vielleicht doch, wenn ich welche in die Finger bekomme.
Dafür vielleicht aber irgendwann ein bißchen Sex, und deswegen setze ich dieses Ding hier auf "R". Wer mit wem weiß ich noch nicht, aber aufgrund meiner Begabung könnte ich annehmen, es würde eventuell auch auf Slash herauslaufen. Daher Vorsicht bitte.
Vielen Dank fürs Beachten der Sicherheitsmaßregeln.
~*~*~*~
Regen. Immer nur Regen.
Ich blinzele am hellen Licht der Straßenlaterne vorbei in den Nachthimmel über mir.
Es regnet irgendwie immer in dieser Stadt. Und ausgerechnet ich vergesse natürlich immer meinen Schirm, und bin zu faul, die vier Stockwerke zurück in meine kleine Wohnung zu laufen, wenn ich auf der Straße angekommen bin, um zu bemerken, daß es mal wieder passiert war.
Egal.
Das Pärchen vor mit in der Schlange an der Kasse lacht. Sie greift ihm an den Hintern. Ich versuche, nicht hinzusehen. Wie peinlich.
Dann haben sie ihre Karten gekauft, und ich bin glücklich, in das Freundliche Gesicht des Kassierers zu sehen. "Hallo Marco," sage ich leise.
"Na, Diana, wie geht es Dir heute?"
"Danke," murmele ich und versuche, schüchtern an ihm vorbei durch das gelöcherte Glas der Kinokasse zu sehen. "Gut geht es mir."
Vierundzwanzig Löcher sind in das Glas gebohrt; an zweien ist ein Stückchen abgesplittert. Ich kenne diese Kasse zu gut, fällt mir auf und ich bemerke, daß es mir peinlich ist.
"Du möchtest nicht doch mit mir ausgehen?" fragt er und streicht sich die blonden Haare aus dem Gesicht.
"Wenn Du mit mir ins Kino gehen würdest," flüstere ich.
Er lacht. "Ich arbeite in einem Kino. Dahin gehe ich nicht aus. Dort sehe ich Dich wenigstens dreimal pro Woche. Sag, hast Du kein Leben?"
Er schiebt meine Karte durch den Schlitz unterhalb der Glassscheibe, ich schubse ihm einen Geldschein zu.
"Nein, habe ich nicht," murmele ich zurück und nehme die Karte an mich. Er hält sie mit einem Zeigefinger fest und zwingt mich so, in sein Gesicht zu schauen. Ich bin sicher, daß ich dumm aussehe und bemerke, wie ein Tropfen von meinen Wimpern fällt.
"Wie oft hast Du den Film jetzt gesehen?"
Ich summiere kurz. "Vierundsechzig Mal."
"Und warum?"
"Weil die DVD noch nicht raus ist."
Er lacht lauter, läßt die Karte los. Ich beeile mich, ins Kino zu kommen.
Meine Augen sind auf dem Teppich. Noch vierzig, neununddreißig... ich zähle die Schritte, die mir bis zum Eingang des Saales verbleiben. Ich kenne dieses Kino zu gut, geht mir wieder durch den Kopf.
Zwischendrin stoppe ich, um mir einen Eimer Popcorn und Cola zu holen.
Der Kinosaal ist dunkel, es flimmert bereits Werbung für irgendeinen anderen Film über die Leinwand. Ich setze mich in die Mitte der letzten Reihe; der Kinosaal ist leer. Kein Wunder, der Film läuft ja auch schon sechs Monate.
Außer mir sind nur - oh nein, das Pärchen aus der Schlange vor mir. Ich hoffe, sie machen keine Geräusche. Ich habe das schon zu oft gesehen.
Und ich warte. Warte auf das, was kommen wird, was ich schon auswendig kenne.
Endlich dreht sich das blauschwarze Logo über die Leinwand. Ich lehne mich im Sessel zurück; beobachte, wie die Sonne über schneebedeckten Bergen aufgeht, und seufze, als ich die Musik mitsumme.
Als die feurige Peitsche gegen die Felswand knallt, zucke ich zusammen. Immer noch, denke ich. Immer noch nach all diesen Vorstellungen, erschreckt es mich.
Das Pärchen, welches vor mir in der Schlange gestanden hatte, sitzt drei Reihen vor mir und knutscht. Ich bemühe mich, an ihnen vorbeizusehen.
Etwa zwei Stunden später erschaudere ich beim Klang der Fanfaren, welche die Ankunft der Elben in Helms Klamm ankündigen. Es ist berauschend.
Da stehen sie, meine Helden.
Ich lächele, als ich Théodens ungläubiges Gesicht sehe, während Haldir unter schwerer Rüstung langsam auf ihn zugeht.
"Wie ist das möglich?" fragt der König.
"Ich bringe..." setzt der Führer der Galadhrim an.
Und schaut in die Kamera.
Ich blinzele. Irgendetwas ist hier... falsch.
Théoden klingt fast verzweifelt, als er nachfragt. "Ihr bringt...?"
Furchtbar falsch, denke ich.
Haldir starrt immer noch in die Kamera. Hinter ihm laufen Aragorn und Legolas ins Bild.
Seltsam, denke ich, diese Szene hatte ich aber irgendwie anders in Erinnerung.
Ich reibe meine Augen.
Ein neuer Schnitt vielleicht, fällt mir ein. Vielleicht testen sie die längere SEE-DVD hier, in diesem Kino?
Hoffnung keimt in mir auf, wird erstickt von der kleinen, dunklen Stimme in meinem Hinterkopf. "Du hast kein Glück, Diana. Du hast nie Glück. Du-"
"Du da!" tönt die Stimme von der Leinwand. Haldir starrt immer noch in die Kamera.
Aragorn legt ihm eine Hand auf die Schulter. "Laß das," flüstert er; sein Flüstern klingt über Dolby Surround so, als würde ich aus Leibeskräften schreien.
"Laß mich," zischt Haldir. "Du da," hebt er wieder seine Stimme.
Mein Popcorn fällt zu Boden, als ich den Becher loslasse und mit offenem Mund auf die Leinwand starre. Was soll das, denke ich, was geht denn hier ab?
"Du bringst also Kunde von Herrn Elrond? Aus Bruchtal?" Legolas' Stimme klingt panisch, als er zu intervenieren versucht.
Haldir wendet seinen Kopf halb zu ihm herum. "Nicht jetzt, Legolas."
Er wendet sich wieder der Kamera zu, und ich habe das Gefühl, einen Herzschlag zu bekommen, als er seine Worte spricht.
"Du da, in der letzten Reihe. Mit den blonden Haaren. Wie heißt Du?"
Gut, denke ich - jetzt ist es passiert.
Ich bin durchgedreht, vollkommen wahnsinnig geworden.
Ich hätte Marcos Einladung folgen sollen, hätte ausgehen sollen, hätte irgendetwas anderes tun sollen, als mir vier-, nein fünfundsechzigmal "Die zwei Türme" anzusehen.
Ganz ruhig, denke ich.
Sie werden kommen, mich abholen, mir ein schickes weißes Hab-mich-lieb-Jäckchen verpassen und in eine angenehme, klimatisierte weiche kleine Gummizelle stecken.
"Ich rede mit Dir. Rutsch nicht tiefer in Deinem Sitz."
Hinter mir fliegt die Tür des Kinosaales auf. Ich drehe meinen Kopf und sehe Micha, den Vorführer, im Gang stehen, dessen Blick unablässig zwischen dem Projektor über mir und der Leinwand hin- und herschweift. Sein Mund steht offen.
Ich habe starke Halluzinationen, denke ich. "Micha?" flüstere ich, doch er scheint mich nicht zu hören. Ich schaue wieder zur Leinwand; das Pärchen vor mir hat aufgehört zu knutschen und starrt entgeistert auf den Film.
Irgendetwas, irgendjemand zieht am Arm des Galadhrim. Die Perspektive sagt mir, daß es sich um Gimli handeln muß.
"Elb, hör auf mit dem Schwachsinn," tönt die Stimme des Zwerges aus den Boxen.
Ich liege im Sterben. Glaube ich. Das ist sicherlich die Vorstufe zum Tod. Ich wage noch nicht einmal mehr zu atmen.
"Vielleicht kann sie gar nicht sprechen?" tuschelt Legolas in Kinolautstärke in Haldirs Ohr. Dieser schiebt den Elbenprinzen beiseite und legt den Kopf schief. Sein Gesicht füllt die Leinwand.
"Du KANNST doch sprechen, oder...?" fragt er vorsichtig.
Ich kann es kaum glauben, daß ich tatsächlich antworte. "Ja..." es ist eher ein ersticktes Flüstern.
Der Elb runzelt die Stirn. "Ich kann Dich kaum hören. Sprich lauter."
Ich springe auf, es scheint, als würde mir mein Körper nicht mehr gehorchen. "Ja!" brülle ich durch den Kinosaal.
Das Pärchen vor mir fährt herum; in ihren Augen steht Entsetzen.
Neben mir höre ich Micha "Diana..." flüstern; es ist ein leises, entsetztes, heiseres Wort. Mein Name.
Haldir schaut von der Kinoleinwand auf Micha hinunter. "Das ist ihr Name? Diana?"
Der Vorführer ist zu einer Salzsäule erstarrt.
Ich bemerke, daß ich denke, ich wäre möglicherweise gar nicht auf der Vorstufe zum Tod, sondern tatsächlich schon gestorben. Genau, das muß es sein. Ich bin tot und das hier ist der Himmel.
Théoden erscheint hinter den dreien auf der Leinwand. "Haldir... Du darfst das nicht tun... es ist absolut verboten, mit..."
Er wird von Haldir unwirsch beiseite gedrückt.
"Haltet die Klappe, mein König," brummt er hinter dem verschwindenden Gesicht her und schaut dann wieder - oh mein Gott - er schaut zu mir.
"Warum bist Du hier?" fragt er.
"Ich... ähm... ich sehe den Film, und... naja, ich finde ihn schön..." setze ich an.
Ich muß irre geworden sein.
Ich rede mit einer Leinwand.
Noch irrer: Die Leinwand redet mit MIR.
Ich schiele vorsichtig zur Tür hinter mir, erwarte eigentlich, daß jeden Moment mehrere Männer mit einer weißen Jacke eintreffen. Doch stattdessen steht da immer noch, wie angewachsen, nur der Vorführer mit weit offenem Mund.
Ich runzele meine Stirn.
Wenn ich mir das alles hier einbilde, warum starrt dann auch Micha mit einer derart heruntergeklappten Kinnlade auf die Leinwand? Und warum haben die vor mir aufgehört zu knutschen?
"Und warum siehst Du den Film? Ich sterbe in dem Film," spricht Haldir weiter.
Ich mühe mich, die Fassung zu bewahren.
"Naja - Du stirbst aber so schön!" höre ich mich sagen, als würde ich jemandem beim Sprechen zuhören. Ich schaue kurz auf den Vorführer und denke, daß er, wenn er seine Kinnlade auch nur noch einen einzigen Millimeter weiter senkt, er sich wohl den Kiefer ausrenken wird.
Die Kamera geht in die Totale, ich sehe, wie Aragorn anfängt zu lachen. Haldir schubst ihn, schaut dann wieder mich an.
"Du findest es also schön, wenn ich sterbe, ja? Ich aber nicht. Ehrlich gesagt, ich habe auch keine Lust mehr dazu."
Ah ja... denke ich.
Seine Stimme wird fast schnurrend, als er mir von der Leinwand einen tiefen Blick zuwirft.
"Diana, hättest Du etwas dagegen, wenn ich für eine Weile zu Dir hinunterkomme? Nur ein paar Tage, vielleicht?"
Einer der Galadhrim tritt von der Seite zu ihm heran, er stößt ihn weg.
Meine Kinnlade muß in etwa denselben Winkel haben wie die von Micha, denke ich, und klappe dem Mund geräuschvoll zu. Ich schüttele den Kopf. Ich schüttele ihn. Ich kann es nicht fassen.
"Das heißt," sagt Haldir und läßt die Augen aufblitzen, "daß ich zu Dir kommen darf, ja?" Mit einer einfachen Bewegung seines Armes wischt er Legolas weg, der versucht, sich ihm in den Weg zu stellen, als er auf die Kamera zugeht.
Ich nicke.
Und wie ich nicke.
Ich muß aussehen wie ein Wackeldackel auf der Heckablage eines schlecht gefederten Oldtimers auf einem Alpenpaß, so nicke ich.
Die Frau vor mir fängt an zu schreien, als eine dreidimensionale Gestalt von der Kinoleinwand auf die schmale Plattform vor derselben springt.
Ich bemerke, daß ich zittere. Ich zittere, als würde ich nackt auf dem Caradhras stehen.
Mit einem eleganten Sprung und unter dem metallischen Klang seiner Rüstungsteile springt der Elb von der Plattform auf den Weg. Ich beobachte entgeistert, wie er den Gang entlanggelaufen kommt.
Nein, er läuft nicht, er gleitet, wie es nur ein Elb kann.
Ich fühle mich der Ohnmacht nahe.
Die Boxen des Soundsystems drohen zu zerspringen, als die anderen auf der Leinwand anfangen, ihm hinterherzurufen. Er hält sich die Ohren zu, während er weiter gleitet.
"Haldir! Komm zurück!" brüllt Legolas.
Ein brüllender Legolas. Ich bin beeindruckt.
Das kam aber so im Film nicht vor, denke ich.
Oh, da kam so einiges nicht vor, denke ich noch einmal....
Ich beobachte, wie Legolas Anlauf nimmt und ebenfalls auf die Leinwand zurennt.
Das kann nicht wahr sein, denke ich. Mit einem leisen Plumps landet er auf dem Teppich vor den Stühlen und dreht sich entsetzt um, starrt auf die Leinwand.
Der dritte Tropfen, der von der Leinwand fällt, ist Gimli, der mit hartem Krachen wie eine Kanonenkugel in der ersten Stuhlreihe landet.
Aragorn rennt los... und landet mit einem Platschen an der Kamera.
Ich blinzele.
Der zukünftige König von Gondor tastet an der Kamera entlang. "Ich komme hier nicht raus!" brüllt er über das Soundsystem.
Die beiden Elben im Kinosaal halten sich die Ohren zu; Gimli brüllt zurück. "Ja doch! Wir sind nicht taub!"
Die Frau rennt schreiend über den anderen Gang zur anderen Tür hinaus; ihr Freund ist sitzen geblieben und starrt gebannt auf Haldir, der gerade an ihm vorbeigleitet.
Auch der Vorführer hat angesichts der Tatsache, daß ein Elb in Rüstung, der ihn locker um mindestens einen Kopf überragt, auf ihn zuläuft, wohl festgestellt, daß er noch am Leben ist.
Aus seinem Mund kommt ein heiserer Schrei, dann fällt er einfach um. Von draußen ist ein seltsamer Tumult zu hören.
Haldir zerrt mich an der Hand aus der Stuhlreihe. "Wir müssen hier raus, schnell. Zeig uns den Weg."
Und bevor ich mir darüber klar werde, was hier gerade geschieht, drücke ich seine Hand fest und zerre ihn hinter mir her, abwärts, weg von den Eingängen, zu den Ausgängen, die ganz unten im Kinosaal sind. Ich kenne dieses Kino zu gut, denke ich, als ich mit einem Tritt die Tür öffne. Ich höre Gimli und Legolas hinter mir, als wir hinaus in die Seitenstraße in den Regen stolpern.
~*~*~*~
~ ...wird fortgesetzt... ~
