Kapitel 5 - Irland -
Drei Tage waren vergangen, seit sie Keiras Angebot angenommen hatte. Bevor sie mit der Banshee nach Irland gehen konnte, musst sie noch einmal in ihre Zeit, um einige Sachen zu holen, ihrer Familie bescheid sagen und vor allen Dingen Urlaub nehmen. Ihrem Meister hatte sie das nötigste erzählt, ohne sich dabei in Lügen zu verstricken. Sie hoffte nur, dass ihre kleine Reise nicht lange dauern würde.
Nun stand sie mit Keira auf einem kleinen sanften, grünen Hügel und blickte auf eine fremdartige Landschaft. Kagome war etwas schwindelig im Kopf. Keira konnte, wie viele Dämonen, fliegen und war mit Kagome um die halbe Welt geflogen. Nach nur einer halben Stunde Flugzeit, setzte Keira sie sicher auf irischem Boden ab.
Mit Tokyo Airline wäre es bequemer, aber langsamer gewesen.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, auf was sie sich da eingelassen hatte. In einer anderen Zeit zu sein, war manchmal schon schwierig gewesen, aber jetzt befand sie sich im mittelalterlichen Europa. Hier prallten nicht nur verschiedene Zeiten aufeinander, sondern auch verschiedene Kulturen. Instinktiv wünschte sie sich ihren Freund herbei, doch das war natürlich vergebliche Mühe. Da spürte sie ein vertrautes Pulsieren an ihrem Finger.
Inuyashas Ring.
Er schien eine tröstliche Wärme auszustrahlen und ihr zu versichern, dass sie nicht allein war. Sie presste ihre Hand mit dem Ring auf ihr Herz. Keira fühlte sich wesentlich wohler. „Meine Schwestern sind schon sehr neugierig auf dich. Folge mir."
„Keira, ich spreche aber eure Sprache nicht."
„Sobald du eine von uns bist, wird das kein Problem mehr sein", versicherte ihr die Banshee und Kagome folgte ihr. Sie blieben in einem merkwürdigen Kreis aus Steinen stehen und Keira murmelte ein paar Worte in ihrer Sprache. Plötzlich öffnete sich eine Art Tor, durch das die beiden hindurchschritten. Auf der anderen Seite schien die Sonne noch heller zu strahlen. Überall waren Banshees zu sehen, jede mit einem Menschen. „Wo sind wir hier?", frage Kagome erstaunt.
„Das ist die Zwischenwelt. Hier bereiten wir die Seelen der Verstorbenen auf den Weg in die andere Welt vor. Wir spenden ihnen Trost und erlauben ihnen sich von ihren Liebsten zu verabschieden. Komm mit, ich zeige dir unsere Burg." Kagome folgte ihr aufgeregt.
Ich werde eine richtige Burg sehen! Ich werde eine richtige Burg sehen!
Und sie wurde nicht enttäuscht. Sie sah genauso aus, wie sie sich eine gute, alte europäische Burg immer vorgestellt hatte:
vor ihr stand eine mächtige Festung aus schweren Steinen erbaut, mit vier Türmen an den Ecken. Ein großes, hölzernes Falltor war der einzige Zugang zur Burg. Nur Ritter waren keine zu sehen.
Keira führte sie hinein. Fasziniert saugte Kagome alles in sich auf und vergaß für kurze Zeit den Grund ihrer Anwesenheit. „Kagome, es ist Zeit für das Aufnahmeritual", sagte Keira kurze Zeit später. Sie gingen in die große Halle, wo sich inzwischen einige Banshees eingefunden hatten.
Das Ritual dauerte nicht lange. Kagome musste einen Eid schwören, ein bisschen Blut in eine Schale tropfen lassen und einen widerlichen Trank trinken.
Nach dem Ritual spürte Kagome keinen Unterschied. Außer dass sie nun ihre Sprache verstand, hatte sich nichts für sie verändert. Und man hatte sie neu eingekleidet. Sie trug jetzt ein langes, europäisches Kleid, in rot und weiß, die gleichen Farben, wie die Robe einer Miko. Dadurch fühlte sie sich nicht völlig fehl am Platze.
Keira zeigte ihr die ganze Burg und erklärte ihr dabei, welche Aufgaben sie nun übernehmen musste.
Ein Warnruf schreckte plötzlich alle auf: „Die Hundedämonen greifen an!" Sofort herrschte Chaos und alle liefen nach draußen. Kagome griff nach ihren neuen Pfeilen und einem englischen Langbogen und schloss sich ihren neuen Schwestern an. Die Hundedämonen hatten ihre wahre Gestalt angenommen und griffen von allen Seiten aus der Luft an.
Das ist ja wie bei Helms Klamm in 'Herr der Ringe!' Und irgendwo dazwischen ist Inuyasha!
Mit weit aufgerissenen Augen sah sie die Dämonen über die Banshees herfallen und eine nach der anderen fiel ihnen zum Opfer. Kagome war wie erstarrt. All dieses Grauen und sie war mittendrin! In ihren Gedanken schrie sie nach ihrem Freund. Schließlich spannte sie ihren Bogen und schoss blindlings in die angreifende Meute hinein. Das Licht ihres Pfeiles lenkte die Aufmerksamkeit sofort auf sie. Mit allen auf einmal konnte sie es natürlich nicht aufnehmen und in ihrer Todesangst schrie sie laut einen Namen: „Inuyashaa! Hilf mir! Inuyashaaa!" Doch er kam nicht. Sie hob die Hand vor ihr Gesicht, als der erste Dämon seine Krallen in ihren Körper schlagen wollte, doch er sollte sie niemals treffen. Ein Schutzschild hatte sich um sie herum aufgebaut und hielt die Dämonen fern. „Inuyasha", flüsterte sie und sah auf den Ring. Er hatte die Barriere erzeugt. Inuyasha hatte sie beschützt, wenn auch nicht persönlich. Entschlossen nahm sie ihre Waffen wieder in die Hand und begann erneut auf die angreifenden Dämonen zu schießen. Andere Banshees gesellten sich zu ihr und Rücken an Rücken verteidigten sie sich gegen ihre Feinde. Doch je länger der Kampf sich hinzog, um so müder wurden sie und begannen Fehler zu machen. Kagome war klar, dass für sie der Kampf verloren war. Hundedämonen waren sehr ausdauernd und zäh. Sie hatte Inuyasha oft genug kämpfen sehen. Aus den Augenwinkel sah sie mit Entsetzen, dass ihre Kampfgefährtinnen eine nach der anderen außer Gefecht gesetzt wurden, bis nur noch sie allein auf den Zinnen stand. Da wurde ihr der Bogen aus der Hand gerissen und sie selbst stürzte zu Boden. Als sie ihren Kopf hob, stand ein besonders großer Hund vor ihr. Das war ihre Chance, Kontakt mit den Hundedämonen aufzunehmen. Der Hund knurrte sie drohend an und fletschte seine Zähne. Kagome stand schwer atmend auf und sah dem Dämon furchtlos in seine roten Augen. "Bring mich zu eurem Anführer. Sein Name ist Inuyasha. Er kennt mich. Lass mich mit ihm reden und dieses furchtbare Missverständnis zwischen euch und den Banshees aus der Welt schaffen. Ich würde ihn niemals belügen." Das Knurren hörte auf. „Du bist eine von ihnen! Wie kann ich dir jetzt noch vertrauen? Du hast mich verraten!" Kagome fiel die Kinnlade herunter. "Das hier war nur eine Warnung gewesen. Das nächste Mal rotten wir die Banshees aus." Für einen Moment zeigte sich in seinen Augen Trauer. "Leider werde ich mein Versprechen wohl nicht halten können. Leb wohl, Kagome." Er stieß einen lauten Heulton aus und die Hundedämonen formierten sich und zogen ab. Der Dämon warf ihr noch einen letzten Blick zu und verschwand ebenfalls. Während alle um sie herum erleichtert waren, brach für Kagome eine Welt zusammen.
Dieser Hundedämon war Inuyasha gewesen!
