Kapitel 3
Oberflächlich

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Die Leute sind oberfächlich. Die meisten sind immer noch im Planschbecken. Ich bin immerhin im 1 Meter tiefen Bereich, aber ich nicht auch nur in der Nähe von, sagen wir, Ghandi, der am tiefen Ende ist, du weißt schon, das 6 Meter tiefe Tauchbecken.

– David Felix

Looks attract, personality keeps.

– Kelly Felix aka Davesmom

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Ginny Weasley klappte ihr Schulbuch mit einem Seufzer der Erleichterung zu. Sie haßte Kräuterkunde und war nie besonders gut darin. Im Moment machte sie sich etwas besser, aber aus einem außerordentlich bizarren Grund. So unwahrscheinlich es schien, Draco Malfoy half ihr tatsächlich. Sie stopfte ihr Buch zurück in ihre Tasche, holte ihren aktuellen Liebesroman hervor und lehnte sich zurück, um zu lesen.

Dieser war genauso unglaubwürdig und lächerlich vorhersehbar wie all ihre anderen, aber sie mochte sie dennoch. Die romantischen Stellen waren gut geschrieben und ließen sie atemlos, warm und kribbelig werden. Trotz der vorhersehbaren Handlung schien die Geschichte sie einfach zu fesseln. In der Tat war sie schon tief darin versunken, als sie ein paar Minuten später spürte, wie sich jemand ihr gegenüber hinsetzte.

In Gedanken noch immer bei der Heldin, die gerade den gutaussehenden Helden küßte, hob Ginny ihren leicht verklärten Blick, um den ebenso attraktiven Jungen anzusehen, der sie angrinste.

Ginny lächelte, ohne sich wirklich auf den arroganten Jungen ihr gegenüber zu konzentrieren. Der Junge hingegen stieß sich abrupt mit einem panischen Gesichtsausdruck vom Tisch ab. Als sie das sah, richtete sie ihre Aufmerksamkeit plötzlich auf ihn und warf ihm einen fragenden Blick zu.

„Was? Was ist denn?" fragte sie.

„Was war das gerade, Weasley?" fragte Draco Malfoy hastig. „Wofür war dieser Blick?"

Ginny runzelte die Stirn. „Welcher Blick?"

Draco sah Ginny mißtrauisch an, als er sich nach vorn lehnte. „Dieser verträumte „Oh, Draco-Blick"! Das hast du noch nie gemacht!"

Ginny hob die Augenbrauen, während sie sich zu entscheiden versuchte, ob sie lachen oder sich beleidigt fühlen sollte.

„'Oh, Draco-Blick'? Du willst mich veraschen, oder, Malfoy? Bilde dir nichts ein!"

Belustigung war stärker als Verärgerung, als Dracos Stimmung von entsetzt zu empört umschwang. Sie begann zu kichern, unfähig, das Lachen unter Kontrolle zu bringen, das aus ihr herausplatzte. Als der zornige Slytherin ihr einen bösen Blick zuwarf, lachte Ginny nur noch mehr.

„Was meinst du damit, ich soll mir nichts einbilden? Erzähl mir nicht, du fändest mich nicht attraktiv, Weasley. Das hast du schon ein paar Mal so gut wie zugegeben!"

Das war zuviel! Zwischen Lachanfällen, während sie sich die Augen wischte und verzweifelt versuchte, ihr Gelächter zu kontrollieren, sagte Ginny: „N-nein! E-s gibt keine Eingebildetheit in deiner F-Familie, M-Malfoy! Die hast du allein abgekriegt!"

Draco sah zunehmend genervt aus. Mit einem weiteren wütenden, finsteren Blick stand er auf.

„Gut, Weasley", schnappte er. „Ich muß hier nicht rumsitzen und dir zuhören, wie du wie ein Schakal gackerst. Ich habe Besseres zu tun."

Ginny bekam ihr Lachen schließlich unter Kontrolle. Sie erhob sich schnell und bedeutete ihm mit Gesten, sich wieder hinzusetzen.

„Komm schon, Malfoy", sagte sie zwischen kleinen Glucksern. „Sei nicht so! Setz dich!"

Draco sah sie noch einmal zornig an, setzte sich aber. Ginny war froh, denn trotz seines Rufs und der Art, wie er sich gegenüber fast allen im Schloß verhielt, mochte sie ihn. Sie nahm an, daß es an dem brillanten Scherz lag, den sie geteilt hatten, gegen Pansy Parkinson, die eigentlich gar nicht mopsgesichtig war, bis sie sich aufregte. Andererseits, jeder haßte dieses Mädchen, weil sie so verdammt eingebildet und gemein war. Ginny setzte sich wieder und wischte sich ihre triefenden Augen.

„Na gut, Malfoy", sagte sie endlich. „Zuerst, du brauchst nicht gleich in Panik zu verfallen, weil du glaubst, ich wäre an dir interessiert, was ich nicht bin. Ich meine, mir ist klar, daß ich nur eine arme kleine Gryffindor bin, aber du brauchst nicht zu reagieren, als wäre es ein Schicksal schlimmer als der Tod. Und noch was: Ich habe gesagt, daß du gut aussiehst, nicht, daß ich dich attraktiv finde. Da gibt es einen Unterschied."

Draco sah sie skeptisch an. „Nun, ich wollte dich nicht beleidigen, Weasley. Du weiß, daß ich sehr viel direkter gewesen wäre, wenn ich das beabsichtigt hätte. Aber das mit ‚gutaussehend' und ‚attraktiv' ist nur Haarspalterei, und das weißt du."

Ginny sah amüsiert aus, als sie sagte: „Oh, und du meinst, nur weil ich ein Mädchen bin, müßte ich in den Bann deines gottgleichen Aussehens fallen? Weißt du, einige Leute suchen nach Charakter."

Draco schien seine gewöhnliche Arroganz wiedererlangt zu haben. Mit einem Grinsen sagte er: „Nicht verdammt viele. Und ich hoffe, du sagst die Wahrheit, denn es ist so schrecklich ermüdend, die unerwünschten Annäherungsversuche der Massen abzuwehren."

Ginny rollte mit den Augen. „Tja, ich werde zugeben, daß ich, wenn ich nicht wüßte, was für ein eingebildeter, hochnäsiger, erbärmlicher Idiot du normalerweise bist, wahrscheinlich deinem … Charme … erliegen würde." Ihr Tonfall nahm der Beleidigung die Schärfe, aber er machte auch deutlich, daß sie stark an seinem Charme zweifelte.

Draco hob eine Braue. „Du willst also sagen, Kleine, daß aus der gesamten halbwüchsigen weiblichen Bevölkerung du diejenige bist, die einen Kerl für seine Persönlichkeit statt wegen seines Aussehens mag? Du kanntest Potter sogut, als du ihm wie ein bewundernder Welpe gefolgt bist, nicht?"

Ginny rümpfte die Nase, als er sie an ihre dämliche Verknallheit in Harry Potter erinnerte. „Im Gegensatz zu dir habe ich nie behauptet, perfekt zu sein. Wenigstens gebe ich meine Fehler zu, was mehr ist, als ich von anderen Leuten sagen kann, die namenlos bleiben sollen, aber zufällig gegenüber von mir sitzen."

Jetzt lächelte Draco. Er genoß die Zeit, die er mit seiner überraschend scharfzüngigen Gryffindor verbrachte. Er hätte es nie zugegeben, aber er fand ihre Gesellschaft meist entspannend. Er war froh, daß sie nicht alles ruinieren würde, indem sie eine lächerliche, jungmädchenhafte Schwärmerei für ihn entwickelte.

„Aber du sagst, daß, wenn ein wirklich netter, aber durchschnittlich aussehender Kerl versuchen würde, deine Aufmerksamkeit zu erlangen, du ihn nicht einfach abblitzen lassen würdest?"

Ginny biß sich auf die Lippe. „Hm, ich denke nicht. Aber ich schätze, das weiß man nie, bis es passiert, richtig? Ich meine, ich möchte gerne glauben, daß ich dem Jungen wenigstens eine Chance geben würde, aber die Leute sind im allgemeinen wirklich oberflächlich, nicht? Ich nehm' an, das ist ein Grund, weshalb so viele Frauen diese hier mögen."

Sie nahm das Buch, das sie an die Seite gelegt hatte. „Held und Heldin sind immer perfekt, sie haben schöne Zähne und machen sich nie Sorgen über schlechten Atem oder Körpergeruch. Es ist Realitätsflucht, aber im Grunde harmlos. Im wirklichen Leben ist es schon schwer genug, jemanden zu treffen, den man nicht schütteln will, geschweige denn ihn nah genug heranzulassen, daß er feststellen kann, von welcher Marke deine Zahnpasta ist."

Mit einem Schulterzucken fügte sie hinzu: „Ich will dich nicht schütteln, solange du mir gegenüber nicht „slytherinhaft" wirst und dich aufführst, als wärst du der König der Welt. Mach dir also keine Sorgen. Ich wußte schon, was für ein Arsch du sein kannst, bevor es mir Spaß gemacht hat, mich mit dir zu unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, daß ich dich plötzlich in einem romantischen Licht sehe, nur weil du zufälligerweise schöne Zähne und tolles Haar hast, ist ziemlich gering. Nicht wahr?"

Draco sah aus, als hielte er sie für möglicherweise ein klein wenig geistig verwirrt. Mit einem leichten Kopfschütteln sagte er: „Äh, danke, denk ich."

Er machte es sich auf seinem Stuhl bequemer und zog eine Zeitung aus seiner Büchertasche hervor. Er schüttelte sie aus und fragte: „So, meinst du, die Harpyien haben eine Chance in den Ausscheidungsspielen?"